Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.01.2001, Az. XI ZR 84/00

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2001, 3895

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[X.] DES VOLKESURTEILXI ZR 84/00Verkündet am:16. Januar 2001Weber,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]: ja[X.]Z: nein[X.]R: ja_____________________BGB § 1191; [X.] § 3Zur Frage, ob eine sieben Jahre nach Gewährung eines durch [X.] abgesicherten Darlehens erneut vereinbarte formularmäßige weite Siche-rungsabrede überraschend i.S.d. § 3 [X.] ist.[X.], Urteil vom 16. Januar 2001 - [X.] [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündlicheVerhandlung vom 16. Januar 2001 durch den Vorsitzenden RichterNobbe und [X.] Bungeroth, [X.], Dr. Müller undDr. [X.] Recht erkannt:Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil [X.] des [X.] vom11. Februar 2000 aufgehoben.Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Ent-scheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.Von Rechts [X.]:Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer formularmäßigen[X.]erklärung für eine Grundschuld. Dem liegt folgenderSachverhalt zugrunde:Zur Finanzierung eines Bauvorhabens nahmen die Klägerin undihr Ehemann 1985 bei der beklagten [X.] zwei inzwischen [X.] Kredite über 95.000 DM und 800.000 DM auf. Diese wurden durchGrundschulden von 80.000 DM und 795.000 DM auf dem im [X.] Klägerin stehenden Baugrundstück gesichert. Nach den von- 3 -beiden Eheleuten unterzeichneten vorformulierten [X.] "alle bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristetenForderungen" der Beklagten gegen die Klägerin und ihren Ehemann indie dingliche Haftung einbezogen. Am 10. August 1992 unterzeichnetenbeide auf Wunsch der Beklagten eine dritte formularmäßige Zwecker-klärung desselben Inhalts. Anlaß und Umstände dieser [X.] sind streitig.Der Ehemann der Klägerin betätigte sich seit Anfang der [X.] als Bauträger. Bei Abgabe der Formularzweckerklärung [X.] August 1992 unterhielt er bei der Beklagten ein im Haben geführtesGirokonto. In den Jahren 1994 und 1995 wurden weitere Geschäfts-konten eröffnet. Nachdem es infolge wirtschaftlicher Schwierigkeitendes Ehemannes der Klägerin zu Kontoüberziehungen von [X.] gekommen war, kündigte die Beklagte die Geschäftsver-bindung fristlos und stellte die Kredite zum 1. Februar 1999 fällig. [X.] ihrer offenen Forderungen geht sie aus der im Jahre 1985 erwor-benen Grundschuld über 80.000 DM gegen die Klägerin vor.Die Klägerin ist der Auffassung, die drei [X.]erklä-rungen seien nach § 3 [X.] unwirksam, soweit in ihnen die [X.] Grundschulden auf alle gegenwärtigen und künftigen [X.] erstreckt worden sei. Auch die neueste [X.] Vereinbarung vom 10. August 1992 stehe nicht im [X.] mit dem Geschäftsbetrieb ihres Ehemannes, sondern sei [X.] der im Jahre 1985 aufgenommenen Bankkredite getroffen [X.]. Wegen ihres darüber hinausgehenden Inhalts sei sie sowohl fürsie als auch für ihren Ehemann überraschend.- 4 -Mit der Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten unter an-derem die Bewilligung der Löschung der Grundschuld über 80.000 DM.Die Beklagte begehrt im Wege der Widerklage die Duldung [X.] aus der Grundschuld.Das [X.] hat die Klage insoweit abgewiesen und der [X.] stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlan-desgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die [X.] abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag aufZurückweisung der Berufung weiter.Entscheidungsgründe:Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt zur [X.] Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.[X.] Berufungsgericht hat die Formularzweckerklärung [X.] August 1992 für unwirksam erachtet und zur Begründung im [X.] ausgeführt:Die formularmäßige Ausdehnung der dinglichen Haftung des [X.] auf alle bestehenden und künftigen [X.] - auch eines Ehepartners - sei in aller Regel überra-schend im Sinne des § 3 [X.] und daher nichtig. Überraschend seienKlauseln, deren Inhalt in deutlichem Widerspruch zu den durch die [X.] begründeten Erwartungen stehe und mit de-- 5 -nen der Vertragspartner des Verwenders deshalb nicht zu rechnenbrauche. Dies könne hier angenommen werden. Für die darlegungs-pflichtige Klägerin sei es durchaus überraschend gewesen, daß [X.] vom 10. August 1992 über die Absicherung der im Jah-re 1985 aufgenommenen Baukredite hinausgehe. Zwar hätten [X.] und -übertragung sowie die zugrunde liegendenKreditaufnahmen schon mehrere Jahre zurückgelegen, so daß sich [X.] mit der jüngsten Sicherungsabrede nicht zwangsläufigergebe. Die Klägerin habe aber schlüssig dargelegt, daß die ausge-reichten Baukredite im [X.] 1992 noch nicht vollständig zurückge-zahlt gewesen und neue Darlehen weder gewährt noch beantragt [X.] seien.Der Sachvortrag der Beklagten, Anlaß für die [X.] vom 10. August 1992 sei die Aufnahme der Geschäftstätig-keit des Ehemannes der Klägerin gewesen, rechtfertige keine andererechtliche Beurteilung. Etwas anderes könne allenfalls dann gelten,wenn es bei dieser Zweckerklärung für die Klägerin ohne weiteres er-kennbar um die dingliche Sicherung aller gegenwärtigen und künftigenGeschäftsverbindlichkeiten ihres Ehemannes gegangen sei. Bei [X.] der Zweckerklärung habe aber lediglich ein im Haben geführtes Gi-rokonto bestanden. Wenn der Ehemann der Klägerin das Bauträgerge-schäft damals tatsächlich schon betrieben haben sollte, sei für [X.] Ausweitung des [X.]s eine individuelle Aufklä-rung der Klägerin über diesen Umstand und die damit verbundenen Ri-siken erforderlich gewesen.[X.] -Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im [X.] Punkt nicht stand.1. Der Revision kann allerdings nicht gefolgt werden, das sichaus dem weiten Inhalt der formularmäßigen Sicherungsabrede erge-bende Haftungsrisiko sei für die Klägerin beherrschbar und enthalte [X.] deshalb kein überraschendes Moment im Sinne des § 3 [X.].Zwar entspricht es der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofszum Bürgschaftsrecht, daß Geschäftsführer und Gesellschafter, diemaßgeblichen Einfluß auf die Art und Höhe der verbürgten Geschäfts-verbindlichkeiten der Gesellschaft haben, von einer weiten Zweckerklä-rung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen regelmäßig nicht [X.] werden, die die Bürgenhaftung über den konkreten Anlaß [X.] hinaus auf weitere Forderungen erstreckt (siehe etwa[X.]Z 130, 19, 30; [X.], Urteil vom 24. September 1996 - [X.], [X.], 449 m.w.Nachw.). Die Tatsache, daß die [X.] dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten als kaufmännischeAngestellte im Bauträgergeschäft ihres Ehemannes beschäftigt war undüber die Geschäftskonten verfügen konnte, sicherte ihr aber keine Ein-flußmöglichkeiten, die denen eines Allein- bzw. [X.] oder eines Geschäftsführers entsprechen. Daß die Klägerin auf dieGeschäftspolitik tatsächlich maßgebenden Einfluß genommen hat [X.] in der Lage gewesen wäre, ist nicht substantiiert behauptet [X.].2. Indessen rechtfertigen die tatsächlichen Feststellungen [X.] es nicht, die formularmäßige [X.]erklä-rung vom 10. August 1992 als überraschend anzusehen und ihr [X.] zu [X.] 7 -a) Eine Bestimmung in allgemeinen Geschäftsbedingungen, dienach den konkreten Umständen und Verhältnissen, insbesondere nachdem äußeren Erscheinungsbild so ungewöhnlich ist, daß der [X.] mit ihr nicht zu rechnen braucht (§ 3 [X.]), liegt dann vor,wenn ihr ein Überrumpelungseffekt innewohnt. Sie muß eine Regelungenthalten, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich ab-weicht und mit der dieser den Umständen nach vernünftigerweise nichtzu rechnen braucht. Die Erwartungen des Vertragspartners werden vonallgemeinen und individuellen Begleitumständen bestimmt. Zu ersterenzählen etwa der Grad der Abweichung vom dispositiven Gesetzesrechtsowie die für den [X.] übliche Gestaltung, zu letzteren [X.] und der Inhalt der Vertragsverhandlungen sowie der äußere [X.] ([X.]Z 102, 152, 158 f.; [X.], Urteile vom 9. [X.] - [X.], [X.], 646, 647 und 30. Oktober 1987 - [X.], [X.], 12, 14; Senatsurteil vom 24. Oktober 2000 - [X.], [X.], 2423, 2425). Nach diesen Grundsätzen ist die for-mularmäßige Ausdehnung der dinglichen Haftung des Sicherungsge-bers auf alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten eines [X.] Bestellung einer Grundschuld aus Anlaß einer bestimmten Kre-ditaufnahme in aller Regel überraschend im Sinne des § 3 [X.]. [X.] auch dann, wenn der Dritte der Ehegatte des Sicherungsgebers ist(st.Rspr., siehe z.B. [X.]Z 126, 174, 177; Senatsurteile vom23. Februar 1999 - [X.], [X.], 685, 686 und 23. Mai 2000- [X.], [X.], 1328).Zu den für die berechtigten Erwartungen des [X.] und Verhältnissen kann durchaus auch einefrühere Darlehensgewährung gehören, wenn zwischen ihr und [X.] mit formularmäßiger Zweckerklärung ein un-- 8 -mittelbarer zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht (Senats-urteil vom 28. März 1995 - [X.], [X.], 790, 791m.w.Nachw.). Je größer der zeitliche Abstand zwischen der [X.] und den für eine Grundschuld abgegebenen neuen [X.]n Zweckerklärungen ist, desto wahrscheinlicher ist es aber,daß der ursprüngliche, auf die Absicherung eines bestimmten Darle-hens gerichtete [X.] durch einen anderen ersetzt oder er-weitert worden ist. Dementsprechend hat der erkennende Senat bei [X.] neuen Zweckerklärung für eine bereits vor zwei Jahren und [X.] bestellte Grundschuld im Rahmen der Wirksamkeitsprüfungnur noch auf den Anlaß für die jüngste Sicherungsabrede abgestelltund der Darlehensgewährung, die der [X.] zugrundelag, keine Bedeutung mehr beigemessen (Urteil vom 28. März 1995- [X.], aaO; vgl. auch Urteil vom 14. Juli 1992 - [X.]/91,WM 1992, 1648, 1649). Ebenso hat er eine neun bis zehn Monate nachDarlehensgewährung zusammen mit der [X.] for-mularmäßig getroffene Sicherungsvereinbarung unter Würdigung derkonkreten Fallumstände nicht für überraschend im Sinne des § 3 [X.]erachtet (Urteil vom 6. Februar 1996 - [X.], [X.], 2233,2234).b) Im vorliegenden Fall lagen zwischen der Abtretung der [X.] über 80.000 DM zur Absicherung eines im Jahre 1985 aufge-nommenen Darlehens und der neuen formularmäßigen [X.] 10. August 1992 rund sieben Jahre. Die für eine Überrumpelungnotwendige zeitliche Nähe fehlte daher - wie die Revision zu [X.] macht - völlig. Darin, daß die neue formularmäßige Vereinba-rung über die dingliche Absicherung des ausschließlich zu [X.] Kredites deutlich hinausging, kann deshalb entgegen- 9 -der Auffassung des Berufungsgerichts keine Überraschung im Sinnedes § 3 [X.] gesehen werden.[X.] angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aus ande-ren Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO). Nach dem derzeitigen Sach-und Streitstand hat die Klägerin nicht bewiesen, daß der Inhalt der for-mularmäßigen Zweckerklärung vom 10. August 1992 deutlich von [X.] abweicht, die sie und ihr Ehemann aufgrund des [X.] neuen Vereinbarung hegen durften.Zu diesem Anlaß hat die Klägerin, die für die tatsächlichen Vor-aussetzungen des § 3 [X.] die Darlegungs- und Beweislast trägt,erstmals in der Berufungsinstanz unter Beweisantritt vorgetragen, [X.] habe lediglich ihre Kreditunterlagen - ohne konkreten Anlaß -auf den neuesten Stand bringen wollen. Dem ist die Beklagte mit derunter Beweis gestellten Behauptung entgegengetreten, Anlaß für dieneue Formularzweckerklärung sei ausschließlich die zeitnahe Eröff-nung des Bauträgergeschäfts des Ehemanns der Klägerin und die Si-cherung etwaiger zukünftiger Geschäftskredite gewesen. Das [X.] hätte daher in die Beweisaufnahme eintreten und die vonden Prozeßparteien benannten Zeugen vernehmen müssen. Dies wirdnachzuholen sein. Sollte sich dabei ein non liquet ergeben, ginge [X.] Lasten der darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin.Weitere Nichtigkeitsgründe sind nicht dargetan oder ersichtlich.Auf die Bedeutung und Tragweite des [X.]s wird im äuße-ren Schriftbild der Urkunde durch größere und fettgedruckte [X.] -chen deutlich hingewiesen. Außerdem hatte die Klägerin bereits zweigleichlautende Schriftstücke unterzeichnet, so daß ihr das [X.] hinlänglich vertraut [X.] 11 -IV.Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO)und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565Abs. 1 Satz 1 ZPO).Nobbe [X.]Richter am [X.]richtshof [X.] ist wegen Urlaubs an der Unterzeichnung gehindert [X.][X.]

Meta

XI ZR 84/00

16.01.2001

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.01.2001, Az. XI ZR 84/00 (REWIS RS 2001, 3895)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 3895

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