Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.12.2005, Az. VII ZB 94/05

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 153

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[X.][X.]/05vom 20. Dezember 2005 in der [X.] Nachschlagewerk: [X.]Z: nein [X.]R: ja _____________________ ZPO § 121 Abs. 2; BGB § 1712 Abs. 1 Nr. 2 Beantragt ein minderjähriger Unterhaltsgläubiger für die Zwangsvollstreckung die Beiordnung eines Rechtsanwalts, kann diese nicht mit der Begründung versagt werden, es bestehe die Möglichkeit, die Beistandschaft des Jugend-amts zu beantragen. [X.], Beschluss vom 20. Dezember 2005 - [X.] - [X.] i.d. OPf.

[X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 20. Dezember 2005 durch [X.], [X.] Kuffer, [X.], die [X.] und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des Gläubigers wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des [X.]. vom 4. Juli 2005 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Entscheidung an das [X.] zu-rückverwiesen. Dem Gläubiger wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Pro-zesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt [X.] bewil-ligt. Gründe: [X.] Der Gläubiger, ein minderjähriges Kind, betreibt die Zwangsvollstreckung wegen [X.] aus einem Versäumnisurteil. 1 Er hat den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses [X.], in dem die Ansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldnerin auf Zahlung der fortlaufenden Rente wegen Alters oder wegen verminderter Er-werbsfähigkeit aus der Rentenversicherung der Arbeiter, soweit diese den [X.] - 3 - trag von monatlich 558 • übersteigen, gepfändet werden sollten. Für künftig fällig werdende Leistungen sollte entsprechend § 850 d Abs. 3 ZPO die [X.] erfolgen. 3 Der Rechtspfleger des Amtsgerichts hat dem Antrag des Gläubigers auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung stattgegeben, jedoch den Antrag auf Beiordnung des Rechtsanwalts [X.] zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat, hat das [X.] zurückgewiesen. 4 Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde ver-folgt der Gläubiger seinen Antrag auf Beiordnung des Rechtsanwalts [X.] weiter. 5 I[X.] Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. 6 1. Das [X.] nimmt ebenso wie das Amtsgericht an, die Beiord-nung eines Rechtsanwalts sei nicht im Sinne des § 121 Abs. 2 ZPO erforder-lich. Der Gläubiger sei zu Recht auf die Möglichkeit verwiesen worden, die [X.] in Anspruch zu nehmen. Zwar sei einhellige Mei-nung in Rechtsprechung und Literatur, dass in [X.]n angesichts der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten eine Anwaltsbei-ordnung in aller Regel in Betracht zu ziehen sei. Die Beiordnung könne indes unterbleiben, wenn eine gleichwertige oder sogar bessere Alternativmöglichkeit gegeben sei. Dies sei bei der Beistandschaft des [X.] gemäß § 1712 BGB der Fall. Die gesetzliche Vertreterin des Gläubigers habe die Möglichkeit 7 - 4 - gehabt, die Hilfe des [X.] nach § 1712 Abs. 1 Nr. 2 BGB in Anspruch zu nehmen. Dadurch, dass sie davon keinen Gebrauch gemacht, sondern sogleich einen Rechtsanwalt beauftragt habe, sei kein Grund gegeben, von der Verweisung auf die Möglichkeit einer grundsätzlich kostenfreien Beistandschaft abzusehen. 8 Bei der Ermessensentscheidung seien auch fiskalische Gründe zu be-rücksichtigen. Trotz der Freiwilligkeit der Inanspruchnahme des [X.] sei es möglich, in normalen, rechtlich nicht besonders schwierig gelagerten Fäl-len auf das Jugendamt zu verweisen, das Spezialkenntnisse im Bereich der Unterhaltssicherung besitze. Erst bei Auftreten besonderer prozessualer bzw. materiell-rechtlicher Probleme, für die bisher keinerlei Anhaltspunkte vorgetra-gen seien, sei die nachträgliche Beiordnung eines Rechtsanwalts angezeigt. 2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. 9 a) Gemäß § 121 Abs. 2 ZPO wird, wenn eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben ist, einer [X.] auf ihren Antrag hin ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Nach der Rechtsprechung des Bundesge-richtshofs (Beschlüsse vom 18. Juli 2003 - [X.], NJW 2003, 3136; vom 25. September 2003 - [X.], [X.], 1921 und vom 30. Januar 2004 - [X.], [X.], 789) darf dem Gläubiger im Verfahren für die Lohnpfändung bzw. die erweiterte Pfändung von Arbeitslohn wegen Unterhalts die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht ohne Prüfung des Einzelfalls versagt werden. Die Notwendigkeit der Beiordnung eines Rechtsan-walts hängt einerseits von der im konkreten Fall zu bewältigenden Rechtsmate-rie und andererseits von den persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen des Antragstellers ab. 10 - 5 - b) Nach diesen Grundsätzen ist die Ansicht des [X.], das Amtsgericht habe eine Einzelfallprüfung vorgenommen und zu Recht auf die Möglichkeit der Beantragung einer Beistandschaft gemäß § 1712 BGB ver-wiesen, nicht zutreffend. Eine Einzelfallprüfung wurde nicht vorgenommen, son-dern der Gläubiger wurde rechtsfehlerhaft allgemein auf die Beistandschaft gemäß § 1712 BGB verwiesen. 11 aa) Das Beschwerdegericht folgt einer vom [X.] (Beschluss vom 12. Juni 2003 - 2 [X.], Rpfleger 2003, 592) vertretenen Ansicht, die frühere Rechtsprechung, wonach es in einer [X.] in der Regel der Beiordnung eines Rechtsanwalts für das [X.] nicht bedürfe, wenn dessen Interessen etwa im Rahmen einer [X.] durch das Jugendamt wahrgenommen würde, gelte auch für die Möglichkeit einer (freiwilligen) Beistandschaft. Mit Blick auf die vorhandenen Spezialkenntnisse des [X.] sei die Interessenwahrung des Kindes ebenso effektiv wie im Falle der Vertretung durch einen Rechtsanwalt gewähr-leistet. 12 Dieser Ansicht sind andere Instanzgerichte und Teile der Literatur aus-drücklich entgegengetreten (vgl. [X.], Beschluss vom 26. Juli 2004 - 14 [X.], [X.], 530 m.w.N.; [X.], [X.] 1993, 688 m.w.N.; [X.], Rpfleger 1991, 208; [X.], 2. Aufl., § 121 Rdn. 33; [X.], ZPO, 22. Aufl. § 121 Rdn. 11; Musielak/[X.], ZPO, 4. Aufl. § 121 Rdn. 15). 13 [X.]) Die Möglichkeit, die Beistandschaft des [X.] für die Voll-streckung eines Unterhaltstitels zu beantragen, ersetzt nicht die Beiordnung eines Rechtsanwalts. 14 - 6 - Die Beistandschaft gemäß § 1712 BGB ist nach der gesetzlichen Rege-lung im Beistandschaftsgesetz vom 4. Dezember 1997 ([X.] [X.]) an die Stelle der [X.] getreten. Nach dem Wortlaut des § 1712 BGB, der die Beistandschaft nach dem Willen des Gesetzgebers bewusst auf eng be-grenzte Fälle vorsieht (BT-Drucks. 13/892 S. 36), kann das Jugendamt als [X.] für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen einschließlich des Anspruchs auf eine anstelle des Unterhalts zu gewährende Abfindung bestellt werden. Die Vollstreckung wird nicht ausdrücklich erwähnt. Bei der Regelung der Beistandschaft hat der Gesetzgeber dem [X.] den Vorzug gege-ben (BT-Drucks. 13/892 S. 28). Wesentliches Kriterium ist die Freiwilligkeit (BT-Drucks. 13/892 S. 28). Die Beistandschaft ist ein freiwilliges Hilfsangebot. Sie tritt nur auf Antrag (§ 1713 BGB) in dem vom Antragsteller gewünschten Umfang (§ 1712 Abs. 2 BGB) ein und endet ohne weiteres, wenn der [X.] es verlangt (§ 1715 BGB). Die Ansicht des [X.], die gesetzliche Vertreterin des Gläubigers müsse die Beistandschaft des Jugend-amts beantragen, bevor sie die Beiordnung eines Rechtsanwalts in Anspruch nehme, widerspricht dem gesetzgeberischen Willen der Freiwilligkeit der [X.]schaft. Demgegenüber müssen auch fiskalische Erwägungen [X.]. 15 cc) Die Erforderlichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts kann auch nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, das Jugendamt verfüge im Bereich der Unterhaltssicherung über Spezialkenntnisse, so dass die Wahrung der Inte-ressen des Kindes ebenso effektiv wie bei der Vertretung durch einen Rechts-anwalt gewährleistet sei. Das Beschwerdegericht erörtert nicht, worauf seine Annahme beruht, das Jugendamt verfüge über Spezialkenntnisse und welcher Art diese seien. Es ist auch keine Begründung dafür zu ersehen, dass durch die Beistandschaft eine der Beratung durch einen Rechtsanwalt vergleichbare Betreuung des Unterhaltsgläubigers geschaffen wird, zumal der Betreuer 16 - 7 - [X.] hat. - anders als der Rechtsanwalt - nicht weisungsgebunden ist. Die Zivilprozessordnung sieht nur die Beiordnung eines Rechtsanwalts vor. Zum Rechtsanwalt kann gemäß § 4 [X.] nur zugelassen werden, wer die Befähigung zum Richteramt nach dem [X.] hat die Beschwerdeentscheidung keinen Bestand. Sie ist aufzuheben und die Sache ist an das [X.] zurückzuverweisen. Für die weitere Entscheidung weist der Senat darauf hin, dass bei der nunmehr vorzunehmenden Einzelfallprüfung zu beachten ist, dass die rechtli-chen Schwierigkeiten bei der Pfändung aus einem Unterhaltstitel wegen der Regelung des § 850 d ZPO es in der Regel geboten erscheinen lassen, einen Rechtsanwalt beizuordnen (vgl. [X.], Beschluss vom 25. September 2003 - [X.], [X.], 1921). 18 [X.] [X.] Kessal-Wulf

[X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 21.04.2005 - 2 M 1148/05 - [X.] i.d. OPf., Entscheidung vom 04.07.2005 - 2 [X.]/05 -

Meta

VII ZB 94/05

20.12.2005

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.12.2005, Az. VII ZB 94/05 (REWIS RS 2005, 153)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 153

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