Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.05.2010, Az. 4 StR 117/10

4. Strafsenat | REWIS RS 2010, 6773

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Revision in Strafsachen: Verfahrensrüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens bei Provokation zu einer Betäubungsmitteltat ohne deliktspezifisches Verhältnis zum Tatverdacht


Tenor

1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Anbringung einer Verfahrensrüge wird zurückgewiesen.

2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 8. Dezember 2009 wird verworfen; jedoch wird die Verfallsanordnung zur Klarstellung dahin gefasst, dass der Verfall (statt: "erweiterte Verfall von Wertersatz") eines Geldbetrages von 5.750 Euro angeordnet wird.

3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das Wiedereinsetzungsgesuch des Angeklagten zur Anbringung einer Verfahrensrüge ist unzulässig. Das Gesetz räumt die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur für den Fall ein, dass eine Frist versäumt worden ist (§ 44 Satz 1 StPO). Eine Fristversäumung liegt hier nicht vor, weil die Revision des Angeklagten von seinem Pflichtverteidiger mit der Sachrüge und einer - allerdings nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden - Verfahrensrüge fristgerecht begründet worden ist. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung einer zunächst vom Verteidiger nicht formgerecht vorgetragenen und daher unzulässigen Verfahrensrüge kommt grundsätzlich nicht in Betracht (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 27. März 2008 - 3 StR 6/08, [X.], 394 m.N.). Sie kommt nur ausnahmsweise in besonderen [X.] in Betracht, wenn dies zur Wahrung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör unerlässlich erscheint (vgl. [X.] aaO). Eine solche Ausnahmesituation liegt hier nicht vor.

2

2. Die Revision des Angeklagten ist aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Ergänzend bemerkt der Senat:

3

a) Entgegen der Auffassung der Revision ergeben die Urteilsfeststellungen nicht die Voraussetzungen eines Verstoßes gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] in der Form einer unzulässigen Tatprovokation. Insbesondere lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen, dass eines der Drogengeschäfte nicht mehr in einem angemessenen, deliktspezifischen Verhältnis zu dem gegen den Angeklagten stehenden Tatverdacht steht (vgl. dazu [X.], Urteil vom 30. Mai 2001 - 1 StR 42/01, [X.]St 47, 44). Ergeben sich die tatsächlichen Voraussetzungen eines geltend gemachten Konventionsverstoßes - wie hier - nicht schon aus den Urteilsfeststellungen, muss ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens mit Hilfe einer Verfahrensrüge geltend gemacht werden (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Juli 2000 - 3 StR 245/00, [X.], 53). Soweit mit der [X.] vom 23. Februar 2010 die Verletzung des Art. 6 Abs. 1 [X.] gerügt wird, genügt die Rüge jedoch nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Dies gilt im Übrigen auch für die nach Ablauf der [X.] mit Schriftsatz vom 29. März 2010 erhobene Verfahrensrüge, weil Umstände, die gegen eine Überschreitung des erlaubten tatprovozierenden Verhaltens sprechen, nicht mitgeteilt werden. Der Mitteilung bedurft hätte insbesondere der Inhalt der Angaben der Vertrauensperson bei der Vernehmung am 5. August 2009, wonach der Angeklagte von sich aus angeboten hat, "das Ganze" auf 500 g zu erhöhen, damit sich das auch mit der Fahrerei lohnen würde ([X.]. 13).

4

b) Die vom [X.] auf § 33 BtMG, §§ 73, 73 a und 73 d StGB gestützte Verfallsentscheidung hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand, da nach den Feststellungen die Voraussetzungen des § 73 a StGB vorliegen (zum Verhältnis zwischen § 73 StGB [Verfall], § 73 a StGB [Verfall des Wertersatzes] und 73 d StGB [erweiterter Verfall] vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. Dezember 2008 - 4 StR 368/08, [X.]R StGB § 73 a Anwendungsbereich 2 und vom 20. April 2010 - 4 StR 119/10 Rdn. 7 ff.). Zur Klarstellung ändert der Senat die Verfallsanordnung entsprechend.

[X.]                                          Solin-Stojanović                                   Ernemann

                       Cierniak                                                     [X.]

Meta

4 StR 117/10

11.05.2010

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Zweibrücken, 8. Dezember 2009, Az: 4142 Js 8905/09 - 1 KLs, Urteil

Art 6 Abs 1 S 1 MRK, § 344 Abs 2 S 2 StPO, § 29 BtMG, §§ 29ff BtMG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.05.2010, Az. 4 StR 117/10 (REWIS RS 2010, 6773)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6773

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 117/10 (Bundesgerichtshof)


2 StR 524/09 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren: Aufnahme der Feststellung über die Nichtanordnung des Verfalls wegen entgegenstehender Verletztenansprüche in die Urteilsformel; …


2 StR 524/09 (Bundesgerichtshof)


1 StR 204/16 (Bundesgerichtshof)

Hinterziehung von Tabaksteuer: Verfallsanordnung hinsichtlich der geschmuggelten Zigaretten; Tabaksteuer als ersparte Aufwendungen; Auswirkungen der Verfallsanordnung …


5 StR 631/07 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.