Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.02.2014, Az. IX ZB 16/13

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 7703

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX
ZB
16/13

vom

20. Februar 2014

in dem Insolvenzverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 78 Abs. 1
Beschließt die Gläubigerversammlung, dass ein Sonderinsolvenzverwalter zur [X.] und Durchsetzung eines Anspruchs gegen den Insolvenzverwalter eingesetzt werden soll, ist der Insolvenzverwalter nicht berechtigt, die Aufhebung dieses [X.] zu beantragen.

[X.], Beschluss vom 20. Februar 2014 -
IX ZB 16/13 -
LG Arnsberg

[X.]

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Richter Vill,
Prof.
Dr.
Gehrlein, [X.], [X.] und die Richterin Möhring

am
20. Februar 2014
beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des [X.] vom 6. Februar 2013 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zurückgewiesen.

t-gesetzt.

Gründe:

I.

Der weitere Beteiligte ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Ver-mögen des Schuldners. Auf Antrag mehrerer
Gläubiger bestimmte das Insol-venzgericht einen Termin für eine Gläubigerversammlung zur [X.] über die Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters zur Durchsetzung eines auf Ersatz eines Gesamtschadens gerichteten Anspruchs gegenüber dem Insolvenzverwalter.
In der Versammlung fassten die anwesenden Gläubiger einstimmig den Beschluss, es solle ein Sonderinsolvenzverwalter eingesetzt werden zur Prüfung und Durchsetzung eines gegen den Insolvenzverwalter ge-richteten Schadensersatzanspruchs. Der weitere Beteiligte beantragte in der Versammlung die Aufhebung dieses Beschlusses nach §
78 Abs.
1 [X.] Zur 1
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Begründung führte er insbesondere aus, die Voraussetzungen eines Scha-densersatzanspruchs seien nicht gegeben. Die Einsetzung eines [X.] verursache daher nur zusätzliche Kosten; dies widerspreche dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger.

Das Insolvenzgericht hat den Antrag abgelehnt. Die sofortige Beschwer-de des weiteren Beteiligten hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Beschwerde-gericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt er sein Begehren weiter.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§
574 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Der Antrag des weiteren [X.] auf Aufhebung des Beschlusses der Gläubigerversammlung sei unzu-lässig, weil ihm die Antragsbefugnis fehle. Das in §
78 Abs.
1 [X.] für den In-solvenzverwalter vorgesehene Antragsrecht könne aus systematischen und teleologischen Gründen hier nicht gelten. Sein
Antragsrecht diene dem gemein-samen Interesse aller Gläubiger. Einen Anspruch der Gläubiger auf Ersatz ei-nes Gesamtschadens gegen den Insolvenzverwalter könne dieser nach §
92 Satz 2 [X.] nicht selbst geltend machen. Die Prüfung und Durchsetzung sol-cher Ansprüche könne nur durch einen Sonderinsolvenzverwalter erfolgen. [X.] dessen Bestellung stehe dem Insolvenzverwalter kein Beschwerderecht zu.
Das der Beschwerdebefugnis entgegenstehende Interesse der Verfahrensbetei-ligten an einer alsbaldigen Klärung der gegen den Insolvenzverwalter erhobe-nen Vorwürfe sowie an einer zügigen Abwicklung des Insolvenzverfahrens liefe 2
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leer, wenn der Insolvenzverwalter die Aufhebung eines Beschlusses der Gläu-bigerversammlung beantragen könne, der die Bestellung eines [X.] lediglich vorbereiten solle.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
Mit Recht hat das Beschwerdegericht eine Berechtigung des weiteren Beteiligten, die Aufhebung des Beschlusses der Gläubigerversammlung zu beantragen, verneint.

a) Nach §
78 Abs.
1 [X.] ist neben absonderungsberechtigten Gläubi-gern und nicht nachrangigen [X.] auch der Insolvenzverwalter berechtigt, noch in der Gläubigerversammlung die Aufhebung eines Beschlus-ses derselben zu beantragen. Auf einen solchen Antrag hat das Insolvenzge-richt den Beschluss aufzuheben, wenn der Beschluss dem gemeinsamen Inte-resse der Insolvenzgläubiger widerspricht. Der Anwendungsbereich dieser
Re-gelung ist im Wege der teleologischen Reduktion dahin zu
beschränken, dass das Antragsrecht des Insolvenzverwalters entfällt, wenn der Beschluss der Gläubigerversammlung darauf gerichtet ist, einen
Sonderinsolvenzverwalter einzusetzen
mit der Aufgabe, einen Anspruch der Gläubiger gegen den [X.] auf Ersatz eines Gesamtschadens zu prüfen und gegebenenfalls durchzusetzen.

b) Die teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs einer Norm
setzt eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollstän-digkeit des Gesetzes voraus
([X.], Urteil vom 13. November 2001 -
X
ZR 134/00, [X.]Z 149, 165, 174; Beschluss vom 20. Januar 2005 -
IX
ZB 134/04, NJW 2005, 1508, 1510; Urteil vom 26. November 2008 -
VIII
ZR 200/05, [X.]Z 5
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5

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179, 27 Rn.
22; vom 21. Dezember 2011 -
VIII
ZR 70/08, [X.]Z 192, 148 Rn.
31).

Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.
Die Bestellung eines [X.] ist in der Insolvenzordnung nicht
geregelt. Der Gesetzgeber verzichtete im Gesetzgebungsverfahren auf eine zunächst vorgesehene [X.] Bestimmung

77 RegE-[X.]), weil die Bestellung eines Sonderin-solvenzverwalters auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung für möglich erachtet wurde
(BT-Drucks. 12/2443, [X.]; 12/7302, S.
162). Damit hat der Gesetzgeber die nähere Bestimmung der Voraussetzungen und des Verfahrens der Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters sowie seiner Rechtsstellung der Rechtsprechung überlassen. [X.] blieb auch, inwieweit die allgemei-nen Vorschriften,
wie etwa die Norm des §
78 Abs.
1 [X.],
anwendbar sein soll-ten.

c) Die danach bestehende Regelungslücke ist nach Sinn und Zweck des Regelungszusammenhangs in möglichst enger Anlehnung an das geltende Recht
(vgl. [X.], Urteil vom 21. Dezember 2011, aaO Rn.
37; [X.] 35, 263, 279; 88, 145, 166
f; [X.]/[X.], Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3.
Aufl., S.
210 f)
in der Weise zu schließen, dass das in §
78 Abs.
1 [X.] vor-gesehene Antragsrecht des Insolvenzverwalters ausgeschlossen ist, wenn
die Gläubigerversammlung beschließt, die Einsetzung eines [X.] zur
Prüfung und Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs gegen den Insolvenzverwalter zu beantragen.

aa) Nach der im Regierungsentwurf zur Insolvenzordnung
noch enthalte-nen Regelung wäre der Insolvenzverwalter nicht berechtigt gewesen, gegen die Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters mit der Aufgabe, Schadenser-8
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satzansprüche gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen, Beschwerde einzu-legen. Der [X.] hat ein Beschwerderecht des Insolvenzverwalters in solchen Fällen auch für das geltende Recht verneint ([X.], Beschluss vom 1.
Februar 2007 -
IX
ZB 45/05, [X.], 237). Dies dient dem Interesse der Verfahrensbeteiligten an einer baldigen Klärung der gegen den [X.] behaupteten Ansprüche, die wegen der bestehenden Interessenkollision nicht vom Insolvenzverwalter selbst, sondern nur durch einen neuen Verwalter oder einen Sonderinsolvenzverwalter geltend gemacht werden können (§
92 Satz 2 [X.]), sowie einer zügigen Abwicklung des Insolvenzverfahrens ([X.], Beschluss vom 1. Februar 2007, aaO Rn.
10). Diese Gründe stehen auch ei-nem Antragsrecht des Insolvenzverwalters nach §
78 Abs.
1 [X.] entgegen, wenn die Gläubigerversammlung beschlossen hat, die Bestellung eines Son-derinsolvenzverwalters zur Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen den Insolvenzverwalter zu fordern.

bb) Der Zweck der Regelung in §
78 Abs.
1 [X.] verlangt in diesem Fall ein Antragsrecht des Insolvenzverwalters nicht. Das dort
normierte Recht, die Aufhebung eines Beschlusses der Gläubigerversammlung zu beantragen, soll das gemeinsame Interesse der Insolvenzgläubiger schützen und dem Miss-brauch einer Mehrheit in der Gläubigerversammlung entgegenwirken.
Das An-tragsrecht des Insolvenzverwalters im Besonderen soll die Interessen der nicht erschienenen Gläubiger wahren (BT-Drucks. 12/2443, S.
134 zu §
89 RegE-[X.]); im Übrigen hat der Insolvenzverwalter die gesetzeskonforme Abwicklung des Insolvenzverfahrens zu gewährleisten (MünchKomm-[X.]/Ehricke, 3.
Aufl., §
78 Rn.
4; [X.], [X.], 13.
Aufl., §
78 Rn.
6; [X.], Z[X.] 2000, 469, 475). Fordert die Gläubigerversammlung
die Bestellung eines Sonderinsolvenz-verwalters, der einen Gesamtschaden gegen den Insolvenzverwalter geltend machen soll, liegt dies regelmäßig im gemeinsamen Interesse aller Insolvenz-11
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gläubiger, auch der abwesenden, denn die erfolgreiche Durchsetzung eines solchen Anspruchs kommt allen [X.] zugute.
Im Übrigen obliegt die Entscheidung über den Antrag der Gläubigerversammlung auf Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters
letztlich dem Insolvenzgericht.
Sollte die be-absichtigte Rechtsverfolgung
gegen den Insolvenzverwalter
ausnahmsweise masseschädlich
oder gar gesetzeswidrig
sein, kann dies vom Insolvenzgericht bei seiner Entscheidung
berücksichtigt werden.

Vill
Gehrlein
[X.]

[X.]
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 08.10.2012 -
21 IN 288/07 -

LG Arnsberg, Entscheidung vom 06.02.2013 -
I-6 [X.] -

Meta

IX ZB 16/13

20.02.2014

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.02.2014, Az. IX ZB 16/13 (REWIS RS 2014, 7703)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7703

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