Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.11.2014, Az. 3 StR 437/14

3. Strafsenat | REWIS RS 2014, 910

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 437/14
vom
27. November 2014
Nachschlagewerk: ja
[X.]St: ja
Veröffentlichung: ja

[X.] §
174 Abs.
1 Satz 1

Beteiligter im Sinne von §
174 Abs.
1 Satz
1 [X.] kann auch ein Zeuge sein.

[X.], Beschluss vom 27.
November 2014 -
3 StR 437/14 -
LG Düsseldorf

in der Strafsache
gegen

wegen schweren Bandendiebstahls

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 27. November
2014
gemäß
§
349 Abs. 2
[X.] einstimmig beschlossen:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 25.
November 2013 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und
die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen not-wendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der [X.] hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Der näheren Erörterung
bedarf lediglich die in beiden [X.] erhobene Rüge der Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens (§ 338 Nr.
6 [X.]). Der Beanstandung liegt das folgende [X.] zugrunde:
[X.] vom 9. Oktober 2013 beantragte für den [X.]

, der unter Zeugenschutz stand, dessen ihm zuvor [X.], die Öffentlichkeit während der Vernehmung des Zeugen auszuschließen. Daraufhin wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen und "die 1
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Sach-
und Rechtslage hinsichtlich der Vernehmung des [X.]

" erör-tert. Nach einer Unterbrechung der Hauptverhandlung und Wiederherstellung der Öffentlichkeit verkündete der Vorsitzende alsdann einen Beschluss des [X.], mit dem der Antrag auf Ausschließung der Öffentlichkeit zurückgewiesen wurde. Der Zeuge wurde anschließend in öffentlicher Sitzung zur Sache ver-nommen.
1. Die Revision hält diese Vorgehensweise für rechtsfehlerhaft, weil über die Frage der Ausschließung der Öffentlichkeit während der Vernehmung des Zeugen in nicht öffentlicher Sitzung verhandelt worden sei und es insoweit an einem Beschluss des Gerichts fehle, mit dem die Öffentlichkeit für diesen Teil der Verhandlung ausgeschlossen worden sei.
2. Die jedenfalls in der Revisionsschrift von Rechtsanwalt Gr.

und Rechtsanwältin B.

zulässig erhobene Rüge ist nicht [X.]. Die Vorschriften über die Öffentlichkeit sind nicht verletzt.
Über die Ausschließung der Öffentlichkeit ist nach §
174 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 [X.] in nicht öffentlicher Sitzung zu verhandeln, wenn ein Beteiligter dies beantragt. Die nicht öffentliche Durchführung der Ausschließungsverhandlung ist zwingende Folge des Antrags des Beteiligten, weshalb es für die [X.] der Öffentlichkeit insoweit keines Gerichtsbeschlusses bedarf, vielmehr ist die Anordnung des Vorsitzenden ausreichend ([X.], Beschluss vom 6.
November 1998 -
3 [X.], [X.]R [X.] § 174 Abs.
1 Satz
1 [X.]sverhandlung 1). Entgegen der Auffassung der Revision war der unter Zeugenschutz stehende Zeuge G.

Beteiligter im Sinne von § 174 Abs.
1 Satz 1 Alt.
1 [X.], weshalb auf den Antrag seines [X.] auf nicht öffentliche Durchführung der Ausschließungsverhandlung -
von einem solchen ist nach der Revisionsbegründung auszugehen
-
die mit der Protokollierung: 4
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4
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"Die Öffentlichkeit wurde ausgeschlossen" zum Ausdruck gebrachte Anordnung des Vorsitzenden auf Ausschließung der Öffentlichkeit für diesen [X.] ausreichend war.
a) Allerdings ist bislang von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht entschieden worden, wer unter den Begriff des "Beteiligten" im Sinne von § 174 Abs.
1 Satz
1 [X.] fällt; die Frage wird im Schrifttum uneinheitlich be-antwortet. Einige Autoren sind der Ansicht, nur die Verfahrensbeteiligten im engeren Sinne könnten unter den Beteiligtenbegriff subsumiert werden, im Strafverfahren also der Angeklagte, sein Verteidiger und die St[X.]tsanwaltschaft ([X.]/[X.], [X.], 7. Aufl., § 174 Rn. 3, 7; [X.], [X.], 7. Aufl., § 174 [X.] Rn.
2). Überwiegend wird hingegen vertreten, dass derjenige, der ein [X.] Interesse an der Ausschließung der Öffentlichkeit geltend ma-chen könne, bzw. derjenige, dessen Interessen mit dem Ausschluss der Öffent-lichkeit geschützt würden, "Beteiligter" im Sinne der Vorschrift und ihm deshalb auch ein förmliches Antragsrecht zuzubilligen sei ([X.]/Wickern, [X.], 26.
Aufl., §
174 [X.] Rn.
2 f.; SK-[X.]/[X.], 4. Aufl., §
174 [X.] Rn.
2; HK-[X.]-[X.]/[X.], 5.
Aufl., § 174 [X.] Rn.
2; [X.], [X.], §
174 [X.] Rn.
2 [Stand: 8. September 2014]; SSW-[X.]/[X.], § 174 [X.] Rn.
2; [X.]/[X.]/[X.], [X.], § 174 [X.] Rn.
4; [X.], [X.], 3.
Aufl., §
174 [X.] Rn.
1; [X.] in Festschrift [X.]-Leichner, 1977, S.
111, 115; so bereits [X.]. [X.], [X.] zur [X.] Teil
III, §
174 [X.] Rn.
3; entsprechend für das Zivilverfahren MüKo/ZPO/[X.], 4. Aufl., §
174 [X.] Rn.
5; so im Ergebnis wohl auch
[X.]/[X.], [X.], 57.
Aufl., § 174 [X.] Rn.
3, siehe aber auch Rn.
2, wonach die Träger der Geheimnisse nach § 172 Nr.
2 und 3 [X.] den Ausschluss der Öffentlichkeit nur anregen können sollen).
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b) Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an, nach der "Beteiligter" im Sinne von § 174 Abs. 1 Satz 1 [X.] derjenige ist, dessen Inte-ressen mit dem Ausschluss der Öffentlichkeit geschützt werden sollen.
[X.]) Diese Auslegung gebietet der Regelungszweck des §
174 Abs.
1 Satz
1 [X.]: Durch die nicht öffentliche Ausschließungsverhandlung soll si-chergestellt werden, dass derjenige, der einen Grund für die Ausschließung der Öffentlichkeit geltend macht, die in Betracht kommenden Ausschlussgründe vortragen kann, ohne seine schutzwürdigen Interessen schon vor der abschlie-ßenden Entscheidung des Gerichts zu gefährden, wie etwa der Inhaber eines Geheimnisses (vgl. § 172 Nr. 2 und 3 [X.]), der zur Darlegung von dessen Schutzwürdigkeit dieses bereits teilweise offenbaren müsste ([X.]/Wickern, [X.]O Rn.
3; SK-[X.]/[X.], [X.]O Rn.
3). Nichts anderes gilt für denjenigen, aus dessen persönlichem Lebensbereich Umstände zu erörtern sind (vgl. §
171b Abs. 1 Satz 1 [X.]), die er schon zur Begründung seines Antrags benennen müsste, den minderjährigen (vgl. § 171b Abs. 2 [X.]) oder den Zeugen, des-sen Leben, Leib oder Freiheit gefährdet werden (vgl. § 172 Nr. 1a [X.]), wenn er in öffentlicher Verhandlung aussagen muss. Dieser Regelungszweck würde indes konterkariert, wenn für den durch die genannten [X.] geschützten Prozessteilnehmer nicht auch ein prozessuales Recht bestünde, diesen Schutz tatsächlich zu verwirklichen ([X.], [X.]O; vgl. auch Bericht der [X.], 1975, S.
157). Nach dem Sinn und Zweck der [X.] ist mithin den-jenigen ein Antragsrecht zuzubilligen, die ein sachliches Interesse an der [X.] der Öffentlichkeit haben können ([X.]/Wickern, [X.]O Rn.
2;
[X.]/[X.]/[X.], [X.]O).

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bb) Der Wortlaut des § 174 Abs.
1 Satz 1 [X.] steht dieser Auslegung nicht entgegen. Zwar könnte das Merkmal "Beteiligte" darauf hindeuten, dass damit lediglich die Verfahrensbeteiligten im engeren Sinne in Bezug genommen seien. Dagegen spricht indes, dass der Gesetzgeber -
wie der Wortlaut des §
171b Abs. 1 Satz 1 [X.] zeigt -
zwischen "Prozessbeteiligten", Zeugen und dem durch die Tat Verletzten unterschieden, den Begriff des "Beteiligten" [X.] nicht als Synonym zu demjenigen des "Prozessbeteiligten" angesehen hat. Das Ausschließungsverfahren nach § 174 Abs. 1 Satz 1 [X.] stellt zudem ein in das Hauptverfahren eingeschobenes Zwischen-
oder auch Inzidentverfahren dar ([X.]/Wickern, [X.]O Rn.
2
f.;
[X.]/[X.]/[X.], [X.]O; [X.]/[X.], [X.]O Rn.
3; [X.], [X.]O; [X.]/[X.], [X.]O Rn.
1: "[X.]"; SK-[X.]/[X.], [X.]O Rn.
3: "In-camera-Verfahren"). Die "Beteiligten" in diesem Zwischenverfahren müssen mit den Beteiligten des Hauptverfahrens aber nicht identisch sein, so dass auch aus diesem Grund der Schluss, bei den "Beteiligten" im Sinne des § 174 Abs. 1 Satz
1 [X.] handele es sich nur um die "unmittelbaren Verfahrensbeteiligten" (des Hauptverfahrens) (vgl. [X.],
[X.]O),
nicht trägt. Im Gegenteil deutet gerade die Regelung des § 171b Abs.
1 Satz
1 [X.] darauf hin, dass zum Kreis der am [X.]sverfahren Beteiligten über die "Prozessbeteiligten" hinaus jedenfalls auch Zeugen und Verletzte zu zählen sind ([X.]/[X.]/[X.], [X.]O;

[X.],
[X.]O Fn.
5).
cc) Für dieses Ergebnis sprechen zudem systematische Erwägungen: Nach der Vorschrift des §
171b Abs.
3 [X.] ist die Öffentlichkeit (zwingend) auszuschließen, wenn die Voraussetzungen von § 171b Abs. 1 und 2 [X.] vor-liegen und derjenige, dessen Lebensbereich betroffen ist, den Ausschluss [X.]. Ist in diesen Fällen der Ausschluss der Öffentlichkeit sogar für die Hauptverhandlung obligatorisch, stünde es dazu im Widerspruch, wenn man 10
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den Antrag etwa des Zeugen auf nicht öffentliche Durchführung der [X.]sverhandlung nur als Anregung begreifen wollte, über die das Gericht nach Ermessen zu
entscheiden hätte (so aber [X.], [X.]O). Vielmehr legt der Zusammenhang der Vorschriften nahe, dass auch die Ausschließungsver-handlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt werden soll, wenn dies von der zu schützenden Person beantragt wird.
Dies erfordert indes, sie als "Beteiligten" im Sinne von § 174 Abs. 1 Satz 1 [X.] anzusehen.
dd) Auch die historische Auslegung des § 174 Abs. 1 Satz 1 [X.] führt zu dem Ergebnis, dass der Begriff des "Beteiligten" auf die Personen zu erstre-cken ist, die
ein sachliches Interesse am Ausschluss der Öffentlichkeit haben können.
(1) In der ursprünglichen Fassung der Reichsjustizgesetze vom 27. Ja-nuar 1877 sah die Vorschrift (damals § 175 [X.]) vor, dass über die [X.] der Öffentlichkeit stets in nicht öffentlicher Sitzung zu verhandeln war. Die heutige Fassung, die die nicht öffentliche Verhandlung nur auf Antrag eines Beteiligten oder für den Fall vorsieht, dass das Gericht dies für [X.] erachtet, wurde mit dem "Gesetz, betreffend die unter Ausschluß der Oef-fentlichkeit stattfindenden Gerichtsverhandlungen" vom 5. April 1888 ([X.]. S.
133) eingeführt. In den Materialien zu diesem Gesetz wurde der Begriff des Beteiligten nicht näher erläutert: Der ursprüngliche Entwurf des Gesetzes (Ver-handlungen des Reichstags, 7. Legislaturperiode, [X.] Session 1887/88, [X.] 1, Aktenstück 31, [X.] ff.) sah insoweit gar keine Änderung von §
175 [X.] vor. Diese wurde erst im laufenden Gesetzgebungsverfahren durch die eingesetzte [X.]. [X.] aufgebracht und beruhte lediglich auf [X.]: Dass über die Ausschließung notwendig in nicht öffentli-cher Sitzung zu verhandeln sei, stelle einen übertriebenen Formalismus dar, 12
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der die Hauptverhandlung insgesamt umständlich und schwerfällig mache, weil zunächst für die Ausschließungsverhandlung die Öffentlichkeit ausgeschlossen, für die Verkündung der Entscheidung wieder hergestellt und -
wenn dies das Ergebnis der Ausschließungsverhandlung sei -
alsdann erneut ausgeschlossen werden müsse. Diese Umständlichkeit sei in der Mehrzahl der Fälle überflüssig, denn erfahrungsgemäß könne die Ausschließungsverhandlung ohne näheres Eingehen auf diejenigen Tatsachen geführt werden, deren öffentliche Verhand-lung eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder der Sittlichkeit besorgen lasse (Bericht der [X.]. [X.], Verhandlungen des Reichstags, 7. [X.], [X.] Session 1887/88, [X.] 2, Aktenstück 138, S. 589, 590 f.).
Schon in der damaligen [X.] wurde die Frage, ob auch ein Zeuge den Ausschluss der Öffentlichkeit beantragen könne, nicht einheitlich beantwortet (vgl. einerseits Löwe, [X.], 12. Aufl. [1907], § 175 [X.] Anm. 3, der von dem Antrag durch einen "Prozeßbeteiligten" ausgeht, andererseits [X.], [X.], 3. Aufl. [1898], §
173 [X.] Anm. 5, der ausführt, dass "sogar einem Zeugen der Öffentlichkeit zu stellen).
(2) In den Materialien zu den später eingeführten Änderungen der inso-weit maßgeblichen Vorschriften
des Gerichtsverfassungsgesetzes hat der Ge-setzgeber indes zum Ausdruck gebracht, dass durch die Erweiterung der [X.]sgründe die Interessen und Rechte insbesondere der Zeugen, aber auch aller anderen, die ein berechtigtes Interesse an der Verhandlung in nicht öffentlicher Sitzung geltend machen können, im Strafverfahren besser ge-schützt werden sollten. Dies steht mit einer Auslegung in Einklang, die dieser Personengruppe ein eigenes Antragsrecht zubilligt, nicht aber mit einer Ausle-14
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gung, die diese Personen lediglich als Objekte des [X.] ansieht, die zwar eine Ausschließung anregen, diese aber nicht durchsetzen können (so schon [X.], [X.]O). Im Einzelnen:
Durch Gesetz vom 9. Mai 1975 ([X.] I S. 1077) wurde das [X.] neu gefasst und in § 172 [X.] unter anderem in Nr.
2 und 3 als Gründe für die Ausschließung der Öffentlichkeit die Erörterung von Um-ständen aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten oder Zeugen, eines wichtigen Geschäfts-, Betriebs-, Erfindungs-
oder Steuerge-heimnisses oder eines privaten Geheimnisses genannt. In der Gesetzesbe-gründung hob die Bundesregierung die Schutzbedürftigkeit der Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich hervor: Für diese Neuerung sei in Strafver-fahren, in denen Zeuginnen in öffentlicher Hauptverhandlung und im Blick der Öffentlichkeit über intime Vorgänge hätten aussagen müssen, ein Bedürfnis deutlich geworden (BT-Drucks. 7/550, [X.]). Im Übrigen führte der Entwurf aus, dass er mit der Neufassung dem Beschluss der [X.]-[X.] folge (BT-Drucks. 7/550, [X.]). Diese [X.] sah -
wie bereits dargelegt -
ein eigenes Antragsrecht der geschützten Personen als geboten an (Bericht der [X.], [X.]O).
Der Entwurf eines [X.] der Stellung des Verletzten im Strafverfahren (BT-Drucks. 10/5305) vom 10.
April 1986 sieht eine weitere Stärkung des Schutzes der Opfer von Straftaten im Strafverfahren vor. In der Begründung zur
Einführung des § 171b [X.] heißt es: "Ein stärker als zur [X.] der Schaffung der [X.] die [X.] erfordern-des Straf-
und Strafverfahrensrecht macht es notwendig, in der Hauptverhand-lung mehr als früher Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich, teilweise aus dem Intimbereich, sowohl des Angeklagten als auch von Zeugen und na-16
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es, soweit zur Wahrheitserforschung unerläßlich, grundsätzlich hinnehmen, daß auch Umstände aus ihrem persönlichen Lebensbereich vor Gericht zur Sprache kommen. Es ist aber nicht unvermeidbar, daß eine solche Erörterung von Um-ständen aus dem persönlichen Lebensbereich vor den Ohren der Öffentlichkeit stattfindet. Hier kann es geboten sein, das Öffentlichkeitsprinzip hinter dem ver-fassungsrechtlich geschützten Anspruch auf Achtung der Privatsphäre zurück-treten zu lassen." Diesem Grundsatz folge zwar bereits das (damals) geltende Recht, insbesondere der damals geltende § 172 Nr. 2 [X.] in der Fassung des [X.], in der Praxis werde von diesem Ausschließungs-grund aber kaum Gebrauch gemacht; insoweit sei Abhilfe zu schaffen (BT-Drucks. 10/5305, S.
22).
Zum Schutz der Privatsphäre erweiterte der damals eingeführte § 171b [X.] -
insoweit bis heute unverändert -
den Kreis der antragsberechtigten Per-sonen über die Prozessbeteiligten und die Zeugen hinaus auf den Verletzten (BT-Drucks. 10/5305, [X.]). Nach Überweisung an den Rechtsausschuss wurde auf dessen Beschlussempfehlung in dem damaligen § 171b Abs. 2 [X.] die -
gegenüber dem Regierungsentwurf lediglich klarstellende -
Regelung ein-geführt, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit bei Vorliegen der Vorausset-zungen des § 171b Abs.
1 [X.] obligatorisch ist, wenn eine der in ihrem per-sönlichen Lebensbereich betroffene Person dies beantragt (BT-Drucks. 10/6124, S. 17).
[X.]enfalls nur klarstellende Bedeutung hatte die mit Gesetz zur Bekämp-fung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der [X.] ([X.]) vom 15. Juli 1992 ([X.] I S. 1302) eingeführ-te Regelung des §
172 Abs. 1a [X.], nach der die Öffentlichkeit ausgeschlos-18
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sen werden kann, wenn -
ohne den Ausschluss -
eine Gefährdung des Lebens, des Leibes oder der Freiheit eines Zeugen oder einer anderen Person zu be-sorgen ist; die Gefahr für Leib und Leben wurde bereits zuvor von der Recht-sprechung als Gefahr für die öffentliche Ordnung und damit als [X.]sgrund nach §
172 Nr. 1 [X.] angesehen. Gleichwohl hielt es der Ge-setzgeber für erforderlich, dies klarzustellen und den Ausschließungsgrund auch auf die Fälle zu erweitern, in denen durch die öffentliche Verhandlung "das besonders wichtige Rechtsgut der Freiheit" gefährdet ist (BT-Drucks. 12/989, S. 48).
Durch das Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen [X.] ([X.]) vom 26. Juni 2013 ([X.] I S. 1805) ist schließlich den be-sonderen Belastungen minderjähriger Opfer von Straftaten überhaupt, insbe-sondere aber von Sexualstraftaten dadurch Rechnung getragen worden, dass bei Vernehmung minderjähriger Opfer solcher Taten die Öffentlichkeit -
von Amts wegen -
ausgeschlossen werden soll und auf deren Antrag auszuschlie-ßen ist. Dies soll sogar gelten, wenn die Opfer mittlerweile volljährig sind, aber als Kind oder Jugendlicher Opfer einer der in § 171b Abs. 2 [X.] genannten schwerwiegenden Straftaten geworden waren (BT-Drucks. 17/12735, S. 17).
All diese Regelungen schränken die Öffentlichkeit der Gerichtsverhand-lung im Interesse schutzwürdiger Belange der Opfer von Straftaten, aber auch anderer Zeugen, ein. Gemessen an der ursprünglichen Konzeption des [X.]verfassungsgesetzes, die lediglich die Generalklausel enthielt, nach der die Öffentlichkeit bei Gefährdung der St[X.]tssicherheit, der öffentlichen Ordnung oder der Sittlichkeit ausgeschlossen werden konnte, sind die [X.] stets erweitert worden, wobei der Gesetzgeber auch in den Blick [X.] hat, dass bestehende [X.] -
aus seiner Warte -
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lediglich in der Praxis nicht hinreichend angewendet worden seien und deshalb weitere Verbesserungen des Schutzes von insbesondere Zeugen und Verletz-ten für erforderlich gehalten hat. Dabei zeigt vor allem die Einführung des §
171b [X.], dass auch der Zeuge und -
selbst wenn er nicht als Zeuge gela-den war -
der Verletzte als Träger subjektiver Rechte angesehen wurden, die sie in dem Prozess durch ein eigenes Antragsrecht auch geltend machen [X.] sollten. Das Vorhandensein dieses Antragsrechts, mit dem die [X.] der Öffentlichkeit herbeigeführt werden kann, führt aus den genannten systematischen Gründen dazu, dieser Personengruppe auch ein Antragsrecht im Sinne von § 174 Abs. 1 Satz
1 Alt.
1 [X.] zuzubilligen. Dann ist aber mit Blick auf die nur so stimmige Gesamtregelung auch davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die von ihm mit eigenen Rechten ausgestatteten Personen als "Beteiligte" im Ausschließungsverfahren angesehen hat.
[X.][X.] [X.]

Gericke Spaniol

Meta

3 StR 437/14

27.11.2014

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.11.2014, Az. 3 StR 437/14 (REWIS RS 2014, 910)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 910

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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