Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.11.2019, Az. III ZR 244/18

III. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 1307

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2019:211119UIIIZR244.18.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
III ZR 244/18

Verkündet am:

21. November 2019

K i e f e r

Justizangestellter

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

Kapitalanlageberatung, Zurechnung
[X.] § 280 Abs. 1

Der Schutzzweck einer Auskunfts-
oder Beratungspflicht ist nicht stets auf den ersten Erwerb einer Anlage auf der Grundlage der Empfehlung begrenzt. Es steht den Vertragsparteien frei, auch größere oder unbestimmte Risiken einzu-gehen. Insofern kann der Schutzzweck haftungserweiternd wirken. Deshalb können auch spätere Anlageentscheidungen, die der Anleger auf der [X.] erteilten Empfehlung, jedoch ohne erneute Bera-tung/Vermittlung trifft, dem Berater oder Vermittler zuzurechnen sein.

[X.], Urteil vom 21. November 2019 -
III ZR 244/18 -
OLG Celle

[X.]
-

2

-

Der III.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
21. November 2019
durch den
Vorsitzenden [X.] [X.],
die
[X.] Tombrink
und Dr. Remmert, die [X.]in Dr. [X.] sowie den Rich-ter
Dr. Kessen

für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 11. Zivilsenats des [X.] vom 8. November 2018 aufgeho-ben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der beklagten Gesellschaft Schadensersatz auf-grund behaupteter
fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit Vermögens-anlagen.

Die Beklagte, insbesondere ihr später im
Rechtsstreit als Zeuge ver-nommener Mitarbeiter M.

, beriet den Kläger über einen Zeitraum von rund 20 Jahren hinweg, vor allem in Versicherungsangelegenheiten.
Als der Kläger 1
2
-

3

-

Ende 2005 auf der Suche nach einer Altersversorgung
war, stellte der Zeuge
dem Kläger verschiedene Renten-
oder Lebensversicherungsprodukte vor, die jedoch die Bedürfnisse des [X.] nach hoher Rendite und kurzer Laufzeit
nicht erfüllen konnten.
In einem Gespräch Ende 2006 wies der Zeuge M.

auf die Anlagemöglichkeit bei einem Rechtsanwalt S.

hin, der nebenbei auch kurzfristige Kapitalanlagen zu guten und individuell auszuhandelnden Festzinsen anbiete. Auch die Beklagte beziehungsweise
ihre Mitarbeiter [X.] diese Möglichkeit nutzen.
Über die nähere Art der Anlage sprachen
der Kläger und der Zeuge nicht.

In der Folgezeit legte der Kläger Gelder bei Rechtsanwalt S.

an.
Dieser starb im Mai 2014. Über seinen Nachlass ist ein Insolvenzverfahren er-im Umfang von über 8

gegenüberstehen.

Der Kläger begehrt die Feststellung der Schadensersatzpflicht der [X.].
Der Zeuge M.

habe ihm die Anlagemöglichkeit bei Rechtsanwalt
S.

als absolut sicher, geeignet für seine Bedürfnisse, vertrauenswürdig und seriös
empfohlen
und eine Rendite von 8 % in Aussicht gestellt. Er, der Kläger,
habe im Februar 2007 erstund zwischen dem 29.
August 2008 und dem 29. März 2014 insgesamt an Rechtsanwalt S.

überwiesen.

Die Beklagte macht geltend, der Zeuge M.

habe den Kläger auf die Anlagemöglichkeit lediglich verwiesen und den Kontakt zu Rechtsanwalt S.

hergestellt.

3
4
5
-

4

-

Das [X.] hat festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche Schäden zu ersetzen, die diesem aus der Verletzung der Pflichten aus dem zwischen den Parteien
abgeschlossenen Beratungsvertrag
zur Alterssicherung entstanden sind und noch entstehen werden.
Auf die Beru-fung der [X.] hat das [X.] die Klage abgewiesen. [X.] wendet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des [X.].

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des [X.] hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungs-gericht.

I.

Das [X.]
hat ausgeführt, die Feststellungsklage sei zuläs-sig,
aber unbegründet. Es sei zwischen den Parteien ein [X.] zustande gekommen.
Mit dem Hinweis auf die Möglichkeit, sein Kapital bei
Rechtsanwalt S.

anzulegen, wo er eine Rendite von 8
% erzielen werde, habe die Beklagte dem Kläger, der sich ersichtlich im Unklaren gewesen sei, wie er sein Kapital anlegen wollte, nach vorangegangener Beratung über [X.] Anlagemöglichkeiten eine konkrete Anlageempfehlung gegeben und sich überdies auch noch um die praktische Umsetzung
gekümmert.

Dass die Beklagte ohne Rechtsbindungswillen
gehandelt habe, sei aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Dritten nicht erkennbar gewesen.
[X.] habe
der Kläger nicht erkennen
müssen, dass die Beklagte bei Ab-6
7
8
9
-

5

-

schluss eines [X.] ein hohes Haftungsrisiko eingegangen sei, ohne einen wirtschaftlichen Gegenwert zu erhalten. Die Beklagte habe nicht substantiiert vorgetragen, mit dem Kläger über diese Frage gesprochen zu ha-ben, und für diese Behauptung
auch
keinen Beweis angeboten. Dass der [X.]
die Empfehlung womöglich damit eingeleitet habe, er persönlich habe sein Geld bei Rechtsanwalt S.

angelegt, sei nicht dahin zu verstehen, dass der Zeuge M.

die Empfehlung nicht als Versicherungs-
und Anlageberater, sondern als Privatmann
habe geben wollen. Gegen einen Beratungsvertrag spreche schließlich nicht, dass es ein den Vorgaben der Rechtsprechung ent-sprechendes [X.]
nicht gegeben habe. Denn der persönliche und wirtschaftliche Hintergrund
sowie die Anlageziele
des [X.] seien schon zuvor ermittelt worden.
Die Beklagte habe daher nur noch
einen konkreten [X.] unterbreiten und die wesentlichen Eigenschaften und Risiken der empfohlenen Anlage
erläutern müssen.

Die Beklagte habe
die sich aus dem Beratungsvertrag ergebenden Pflichten verletzt, denn es habe jedenfalls an einer objektgerechten Aufklärung
gefehlt.

Es fehle aber der
Zurechnungszusammenhang zwischen dem geltend gemachten Schaden und der Beratungspflichtverletzung.
[X.] ein Anlagebe-rater die Empfehlung zur Zeichnung einer bestimmten Kapitalbeteiligung und gehe der Anleger diese Beteiligung sodann nicht nur einmal ein, sondern [X.], liege eine den Zurechnungszusammenhang unterbre-chende neue Anlageentscheidung vor, für die der Anlageberater nur haftbar sei, wenn sie auf einer gesonderten vorhergehenden Beratung beruhe. Der Berater müsste anderenfalls befürchten, dass ihm Anlageentscheidungen seines Kun[X.] angelastet würden, die dieser Jahre später ohne seine erneute Beteiligung 10
11
-

6

-

treffe.
Die für die Beratung maßgeblichen Umstände -
sowohl hinsichtlich des [X.] als auch hinsichtlich der empfohlenen Anlage -
könnten sich ändern. Der Berater hafte für spätere Anlageentscheidungen des Kunden daher nur dann, wenn dieser ihm Gelegenheit gegeben habe, die ursprünglich gegebene Empfehlung im Rahmen
eines neuen [X.]s zu über-prüfen. Diese Erwägungen seien zwar abstrakt, da im Streitfall nicht ersichtlich
sei, dass die Beklagte die von ihr anfangs erteilte Empfehlung
bei nochmaliger Nachfrage des
[X.] später
revidiert hätte. Die Erwägungen dienten indes der Begründung eines abstrakten Rechtssatzes.

Ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Gespräch mit dem Zeugen M.

und dem im Februar 2007
geschlossenen ersten Anlagevertrag über sei nachvollziehbar. Der Kläger habe aber zu einem erneuten [X.] vor Abschluss eines der weiteren "[X.]"
ab August 2008 nicht vorgetragen. Damit fehle
es am Zurechnungszusammenhang der späteren Anlageentscheidungen zu dem [X.].
Auch wenn die Beklagte darauf bestanden haben sollte, die administrative Abwicklung aller weiteren Beteiligungen durchzuführen, folge daraus nicht, dass es eine erneute Beratung gegeben habe.

Selbst wenn man
zugunsten des [X.] unterstelle, dass er dem [X.] M.

gegenüber deutlich gemacht habe, über mehrere Jahre hinweg in unregelmäßigen Abständen und gegebenenfalls
auch mit Unterbrechungen [X.] anlegen zu wollen, bestünde der erforderliche Zurechnungszusammen-hang nicht.
Hierfür hätte der Zeuge M.

dem Kläger ein jedenfalls mittelfristi-ges Anlagekonzept mit einer von vornherein vorgesehenen anzulegenden
Ge-samtsumme und irgendwie vorherbestimmten
Einzahlungsabschnitten vor-12
13
-

7

-

schlagen müssen. Ein solches verbindliches Konzept habe es aber nicht gege-ben.

Auch hinsichtlich des im
Februar 2007 gezeichneten "Anlagevertrags"

fehle
es im Ergebnis am [X.]. Zwar sei die Beratungsleistung der [X.] für den [X.] dieses Vertrags
ursächlich
gewesen,
die "[X.]"
seien jedoch immer nur über zwölf Monate geschlossen worden. Danach habe der Kläger entweder das gesamte betroffene Kapital zurückerhalten oder eine erneute Entscheidung über die Verwendung dieses Kapitals treffen können. Eine Einbe-ziehung der [X.] in diese erneute Entscheidung habe er jedoch nicht [X.].

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Prüfung nicht in allen Punkten stand.

1.
Anders als die Revisionserwiderung mit ihrer Gegenrüge geltend macht, hat das Berufungsgericht jedoch rechtsfehlerfrei angenommen, dass zwischen den Parteien ein [X.] zustande gekommen ist. Zwar hat die Beklagte -
worauf die Revisionserwiderung insoweit zutreffend hinweist -
den ursprünglichen Beratungsvertrag durch die (ergebnislose) Beratung des [X.] erfüllt, so dass dieser beendet war
(vgl. [X.], Urteil vom 28. April 2015 -
XI
[X.], [X.]Z 205, 117
Rn. 23). Das [X.] hat aber den Sachverhalt ohne Rechtsfehler dahin gewürdigt, dass die Parteien in dem Tele-fonat des [X.] mit dem die Beklagte vertretenden Zeugen M.

einen 14
15
16
-

8

-

neuen Vertrag schlossen, der jedenfalls Auskunftspflichten der [X.] be-gründete.

-

9

-

a) Ein solcher [X.] kommt zumindest stillschwei-gend zu Stande, wenn der Interessent deutlich macht, dass
er auf eine (be-stimmte) Anlageentscheidung bezogen die besonderen Kenntnisse und Verbin-dungen einer Person, die geschäftlich Beratungs-
und Auskunftstätigkeit in [X.] auf Geldanlagen anbietet, in Anspruch nehmen will;
dann liegt
darin sein Angebot auf Abschluss
eines Auskunfts-
oder [X.]
(st. Rspr. vgl. z.B. Senat, Urteil vom 25. Oktober 2007 -
III ZR 100/06, [X.], 352 Rn. 7; [X.], Urteile
vom 4. März 1987 -
IVa [X.], [X.]Z 100, 117, 118 jew. [X.] und
vom 6.
Juli 1993
-
XI ZR 12/93, [X.]Z 123, 126, 128). Eine solche Erklärung hat den erforderlichen Rechtsbindungswillen, denn durch sie
wird erkennbar, dass für den Anleger wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art auf dem Spiel stehen und er sich auf die Angaben
des Dienstleisters verlässt (vgl. Senat, Urteil vom 21.
Juni 2012 -
III ZR 291/11, [X.], 3366 Rn. 14). Ein solches Verhalten kann daher nicht als unverbindlich verstanden werden (vgl. [X.], Urteil vom 4.
März 1987 aaO,
S.
119).

Dieses Angebot nimmt der Dienstleister
stillschweigend jedenfalls dadurch an, dass er die gewünschte Tätigkeit beginnt (vgl. Senat, Urteil vom 25. Oktober 2007 aaO; [X.], Urteile
vom 4. März 1987 aaO, S.
118 f und
vom 6. Juli 1993 aaO). Eine Entgeltvereinbarung ist keine Voraussetzung für einen verbindlichen Vertrag ([X.], Urteil vom 4. März 1987 aaO, [X.]). Auch ist es unerheblich, wie lange das Gespräch gedauert hat. Dies kann für die Qualität der Beratung bedeutsam sein; für das Zustandekommen eines Vertrags ist dies dagegen ohne Belang
(vgl. [X.], Urteil vom 8. Oktober 2004 -
V [X.], NJW 2005, 820, 822).

17
18
-

10

-

b) Das Berufungsgericht hat diese Voraussetzungen beachtet und ist in nicht zu beanstandender tatrichterlicher Würdigung des Sachverhalts zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Vertrag zwischen den Parteien zustande
gekommen ist. Der für die Beklagte beruflich mit der Anlageberatung betraute Zeuge M.

hat den
Kläger, von dem er wusste, dass dieser nach einer Anlagemöglichkeit suchte, auf eine solche hingewiesen. Es war ihm daher erkennbar, dass der Kläger seine besonderen Kenntnisse, die er
in seiner
beruflichen Funktion für die Beklagte erworben hatte, in Anspruch nehmen und sich auf diese verlassen wollte.

Die Revisionserwiderung rügt zu Unrecht, das Berufungsgericht habe in diesem Zusammenhang mit seiner Feststellung, keine Partei habe vorgetragen, dass zwischen dem Kläger und dem Mitarbeiter M.

über die geschäftlichen Belange hinaus eine private Bekanntschaft oder Freundschaft bestanden habe, gegenteiligen Vortrag unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG übergangen. Die Beklagte
verweist insoweit auf das Vorbringen, der Kläger habe seine [X.] seit zirka 20 Jahren über die Beklagte (gemeint wohl in Vertretung durch
Herrn M.

)
abgewickelt, und auf eine von der [X.] vorgelegte E-Mail, in der der Zeuge M.

den Kläger mit "Hallo G.

"
anre-dete. Beidem lässt sich kein Vortrag entnehmen, dass es neben den [X.] auch private Kontakte zwischen
dem Kläger und dem Zeugen gab.

Dementsprechend sind auch die erstmals in der Revisionserwiderung [X.] Zweifel daran unbegründet, ob
der Zeuge
M.

gemäß §
164 Abs. 1 [X.] im Namen der [X.] auftrat.
Da es sich um ein Geschäft handelte, das typischerweise in den Geschäftsbereich der [X.] fiel, hätte der Zeuge M.

es erkennbar
zum Ausdruck bringen müssen, wenn er nicht für diese, sondern 19
20
21
-

11

-

im eigenen Namen hätte handeln wollen
(vgl. z.B.
[X.], Urteil vom [X.] 1983 -
II ZR 238/82, NJW 1984, 1347, 1348
[X.]).

2.
Ebenso rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, die [X.] habe
ihre Pflichten aus diesem Vertrag verletzt.

a) Der Vertrag verpflichtete die Beklagte jedenfalls dazu, die Plausibilität der Anlage zu untersuchen und dem Kläger ihre diesbezüglichen Erkenntnisse mitzuteilen.
Ob der Vertrag, wovon das Berufungsgericht
ausgegangen ist, auf eine Anlageberatung gerichtet war oder lediglich eine Anlagevermittlung zum Gegenstand hatte, kann auf sich beruhen.

In beiden Fällen
ist der Dienstleister
jedenfalls zu richtiger und vollstän-diger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände
verpflichtet, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind (z.B. Senat, Urteile
vom 13. Mai 1993 -
III ZR 25/92,
NJW-RR 1993, 1114, 1115; vom
13.
Januar 2000 -
III ZR 62/99, [X.], 998
und vom 12. Juli 2007 -
III ZR 83/06, NJW-RR
2007, 1690
Rn. 8).
Dazu ist es -
jedenfalls grundsätzlich -
erforderlich, dass sich der Dienstleister vorab selbst hinsichtlich der Wirtschaft-lichkeit der Kapitalanlage und der Bonität des Kapitalsuchenden informiert. [X.] dazu objektive Daten nicht vor oder verfügt
der Dienstleister mangels Ein-holung entsprechender Informationen insoweit nur über unzureichende [X.], so muss
er
dies dem anderen Teil
offenlegen (Senat, Urteile
vom 13. Mai 1993
und vom 13. Januar 2000 jew. aaO; vgl. auch [X.], Urteil vom 7. Oktober 2008 -
XI ZR 89/07, [X.]Z 178, 149, 153 Rn. 14).

b) Diese Auskunftspflichten hat die Beklagte verletzt.
Sie hat weder die Wirtschaftlichkeit und Plausibilität der Anlage noch die Bonität des Rechtsan-22
23
24
25
-

12

-

walts S.

überprüft. Sie hat auch nicht -
was in diesem Fall ihre Pflicht ge-wesen wäre -
den Kläger auf die unterlassene Prüfung hingewiesen. Soweit der Zeuge M.

-
worauf die Revisionserwiderung abstellt -
dem Kläger [X.] hat, keine Kenntnis von der Anlagestrategie des Rechtsanwalts S.

zu haben, genügt dies nicht. Die Würdigung
des Berufungsgerichts, dass der [X.] M.

-
so er sich überhaupt zur Plausibilität der Anlage geäußert hat -
seine [X.] durch den Hinweis auf die Anlage von [X.] durch die Beklagte und ihre Mitarbeiter eher überspielt als offengelegt hätte, ist naheliegend und revisi-onsrechtlich nicht zu beanstanden.

4.
Die Zurechnung der Anlageentscheidungen des [X.] zu dieser Pflichtverletzung kann indessen nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen allgemeinen Begründung verneint werden.

a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat die Vorinstanz ausgeführt, dass der Zurechnungszusammenhang zwischen einer Beratungs-
beziehungsweise Aus-kunftspflichtverletzung und späteren Anlageentscheidungen des Kunden fehlen kann, auch wenn diese adäquat kausal auf die pflichtwidrige Empfehlung zu-rückzuführen sind. Die Zurechnung erfährt eine
Einschränkung beziehungswei-se
Korrektur durch
die Schutzzwecklehre, nach der eine Haftung nur für dieje-nigen äquivalenten und adäquaten Schadensfolgen besteht, die aus dem Be-reich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde
(st. Rspr., z.B. Senat, Ur-teil vom 14.
Juli 2016 -
III ZR 446/15, [X.]Z 211, 201 Rn. 29 [X.]; grundle-gend: [X.],
Urteil vom 22. April 1958 -

Der geltend gemachte Schaden muss
in einem inneren Zusammenhang mit der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage stehen; ein äußerlicher, 26
27
-

13

-

gleichsam zufälliger Zusammenhang genügt nicht. Insoweit ist eine wertende Betrachtung geboten. Dem Schädiger sollen nur solche Folgen zugerechnet werden, die durch den Schutzzweck der Norm beziehungsweise Vertragspflicht verhindert werden sollen. Hiernach sind Sinn und Tragweite der verletzten Norm beziehungsweise der verletzten vertraglichen oder vorvertraglichen Pflicht zu untersuchen, um zu klären, ob der geltend gemachte Schaden durch die ver-letzte Bestimmung verhütet werden sollte (vgl. Senat, Urteil vom 14. Juli 2016
aaO; [X.], Urteil vom 26. Februar 2013 -
VI [X.], NJW 2013, 1679 Rn. 12 jew.
[X.]). Auf diese Weise wird -
wie vom Berufungsgericht im [X.] zutref-fend postuliert -
dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit des [X.] Rechnung getragen
(vgl. bereits
[X.], [X.], S. 497).

Danach ist
der Schutzzweck einer Auskunfts-
oder Beratungspflicht,
ent-gegen dem vom
Berufungsgericht aufgestellten
abstrakten Rechtssatz, nicht stets auf den ersten Erwerb einer Anlage nach dem Gespräch, in dem die [X.] ausgesprochen worden ist, begrenzt. Vielmehr ist der Schutzzweck an-hand des konkreten Vertrags im Wege der Auslegung (vgl. [X.] aaO,
S. 452 f; [X.], [X.] 1976, 198,
202) im
Einzelfall zu ermitteln. Zwar bestehen im Normal-fall einer Anlageberatung, die sich auf die
Anlage eines Geldbetrags bezieht, Pflichten nur hinsichtlich dieser konkreten Anlageentscheidung (vgl. [X.], Urteil vom 28. April 2015 -
XI [X.], [X.]Z 205, 117, 127
Rn. 23). Es steht den Vertragsparteien jedoch frei, auch größere oder unbestimmte Risiken einzuge-hen. Insofern kann der Schutzzweck sogar haftungserweiternd wirken (vgl. [X.] in [X.], [X.], Neubearbeitung 2017, § 249 Rn. 27 f). Dies kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn ein Interessent um einen Rat für die Anlage nicht lediglich eines (bestimmten) Geldbetrags nachsucht und der Bera-ter in Kenntnis dessen eine Empfehlung abgibt, die sich nicht auf eine einmalige 28
-

14

-

Geldanlage beschränkt, sondern eine fortbestehende Möglichkeit zur wiederhol-ten Anlage noch unbestimmter Geldbeträge umfasst.

b) Das Berufungsgericht hat von seinem Rechtsstandpunkt
aus folgerich-tig die nach diesen Maßstäben erforderlichen Feststellungen bisher nicht getrof-fen. Dies ist nachzuholen, um sodann wertend unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, ob die neuen Anlageentscheidungen
des [X.]
jeweils vom Schutzzweck der durch die Beklagte verletzten Pflicht umfasst sind. Dabei wird das [X.] insbesondere auch die in der Revisionsinstanz von beiden Parteien vorgebrachten Gesichtspunkte zur Sach-verhaltswürdigung in seine Betrachtung mit einzubeziehen haben.

III.

Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zu-rückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Dabei wird es -
wie es dies in der Begrün-dung des Streitwertbeschlusses zutreffend zum Ausdruck gebracht hat -
alle Anhaben.

Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung dessen, dass das [X.] in seinem zusprechenden Urteil keine Teilabweisung ausgespro-chen sowie die Kosten des Rechtsstreits vollständig der [X.] auferlegt hat, geht der Senat davon aus, dass die Abweichung des Hauptsachetenors ("die diesem aus der Verletzung der Pflichten aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Beratungsvertrag zur Alterssicherung entstanden sind und 29
30
31
-

15

-

noch entstehen werden") vom Klageantrag ("die diesem aus der Verletzung der Pflichten aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Vermögensverwal-tungsvertrag, insbesondere aus der Verpflichtung zur Alterssicherung geeignete Anlagen
bezüglich der [X.] überlassenen Beträgen von insgesamt auszuwählen, entstanden sind und noch entstehen werden")
keine Einschränkung der Feststellungsverurteilung gegenüber dem Antrag bedeutet. Gegebenenfalls wird im neuen Berufungsverfahren noch eine
Klarstellung [X.] werden.

Herrmann

Tombrink

Remmert

[X.]
Kessen
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 09.02.2018 -
4 O 262/16 -

OLG Celle, Entscheidung vom 08.11.2018 -
11 U 40/18 -

Meta

III ZR 244/18

21.11.2019

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.11.2019, Az. III ZR 244/18 (REWIS RS 2019, 1307)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 1307

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

III ZR 244/18 (Bundesgerichtshof)

Fehlerhafte Kapitalanlageberatung: Zurechenbarkeit einer späteren Anlageentscheidung ohne erneute Beratung - Kapitalanlageberatung, Zurechnung


XI ZR 338/08 (Bundesgerichtshof)


III ZR 307/11 (Bundesgerichtshof)

Haftung bei Kapitalanlageberatung: Selbstständiges Unternehmen der "Finanzgruppe" einer Sparkasse als freier Anlageberater; Pflicht eines Anlageberaters …


III ZR 307/11 (Bundesgerichtshof)


XI ZR 337/08 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

III ZR 244/18

III ZR 291/11

III ZR 446/15

VI ZR 116/12

XI ZR 378/13

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.