Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.11.2000, Az. III ZR 1/00

III. Zivilsenat | REWIS RS 2000, 500

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]/00Verkündet am:16. November 2000F r e i t a gJustizamtsinspektorals Urkundsbeamterder Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]:[X.]:[X.] § 839 [X.] Frage, inwieweit ein Steuerpflichtiger ein Rechtsmittel gegen die Voll-ziehung eines noch nicht bestandskräftigen und später aufgehobenen [X.] einlegen muß, um einen Schadensersatzanspruch wegenamtspflichtwidriger Vollziehung erheben zu können.ZPO § 717 Abs. 2Auch nach Einführung der sog. Vollverzinsung für die in § 233 a [X.] ge-nannten Steuerarten kann der Steuerpflichtige im Fall der Vollziehung ei-nes nicht bestandskräftigen [X.] nach dessen Aufhebung- 2 -keinen Schadensersatz in entsprechender Anwendung des § 717 Abs. [X.] fordern (Fortführung der [X.]surteile [X.], 77 und [X.] 83,190).BGH, Urteil vom 16. November 2000 - [X.]/00 -OLG [X.] [X.] hat auf die mündliche [X.] 16. November 2000 durch [X.] [X.], [X.], Dr. [X.], [X.] Recht erkannt:Die Revision des [X.] gegen das Urteil des Oberlandes-gerichts [X.] - 13. Zivilsenat in [X.] - vom [X.] wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Klage inso-weit unzulässig ist, als mit ihr ein auf eine analoge Anwendungdes § 236 [X.] gestützter Anspruch auf [X.] wird.Der Kläger hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.Von Rechts wegen- 4 -TatbestandDer Kläger wurde durch [X.] des Finanzamts vom28. August 1984 und 11. Januar 1985 gemäß § 42 d EStG auf Zahlung [X.], die er als Arbeitgeber hätte einbehalten und abführen müssen, [X.] genommen. Hintergrund war der aufgekommene Verdacht, der Klä-ger habe für den Bau seines Hauses Schwarzarbeiter aus der Schweiz be-schäftigt. Die Ermittlungen hierzu waren aufgrund einer Kontrollmitteilung inGang gekommen, aus der sich ergab, daß der Kläger seinen [X.]als Bauführer für dieses Vorhaben gegen Entgelt zugezogen hatte. Der [X.] höhere [X.] wurde in der Einspruchsentscheidung vom13. April 1988 für die Lohnsteuer auf 60.082,22 DM und für die ev. und rk. [X.] auf jeweils 2.403,29 DM herabgesetzt. Das Finanzamt [X.] mit Verfügungen vom 25. Juli 1985 [X.] und Bankguthabendes [X.]. Nachdem der Kläger am 1. und 7. August 1985 Sicherheit durchHinterlegung eines Geldbetrages über insgesamt 50.000 DM geleistet hatte,setzte das Finanzamt am 7. August 1985 die Vollziehung nach § 361 [X.] aus.Durch Urteil des [X.] vom 26. August 1997 wur-de der Haftungsbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung [X.] aufgehoben. Das Finanzamt zahlte darauf an den Kläger 50.000 [X.].Mit der Behauptung, er habe die an das Finanzamt gezahlten [X.], begehrt der Kläger vom beklagten Land Ersatz der dafür entrichtetenZinsen in Höhe von 39.118 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit. [X.] 5 -Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit seiner zugelassenen Revi-sion verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.Entscheidungsgründe:Die Revision ist im wesentlichen unbegründet. Lediglich soweit der Klä-ger [X.] in entsprechender Anwendung des § 236 [X.] be-gehrt, kann ihm dieser Anspruch durch die ordentlichen Gerichte nicht in [X.] aberkannt [X.] Berufungsgericht hat Amtshaftungsansprüche des [X.] im Er-gebnis zutreffend verneint.a) Soweit die Revision geltend macht, nicht erst die Vollziehung, son-dern bereits der Erlaß des [X.] stelle eine Amtspflichtverletzungdar, auf die der eingetretene Schaden zurückzuführen sei, handelt es sich [X.] in der Revisionsinstanz nicht mehr zulässige Einführung eines zusätzli-chen Klagegrundes. Zwar steht aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung [X.] mit Bindung auch für das vorliegende Verfahren fest, daß dergegen den Kläger erlassene Haftungsbescheid rechtswidrig gewesen ist.Gleichwohl hat der Kläger in den Vorinstanzen nicht geltend gemacht, den [X.] des Finanzamts seien im Zusammenhang mit dem Erlaß des Haftungs-bescheids vorwerfbare Fehler unterlaufen. Da das Urteil des [X.] darauf enthält, der Kläger habe sich erst in einem späteren [X.] dahin eingelassen, daß man nicht ihn als den Bauherrn, sondernden von ihm als Bauführer zugezogenen [X.] als Arbeitgeber derbeschäftigten Schwarzarbeiter habe ansehen müssen, hätte der Kläger zu den- 6 -Tatbestandsvoraussetzungen eines Amtshaftungsanspruchs Näheres vortra-gen müssen, wenn er den Erlaß des [X.] zum Gegenstand sei-ner Klage machen wollte. Dies ist aber in den Tatsacheninstanzen nicht ge-schehen, auch nicht in der Berufungsbegründung, auf die die Revision [X.] nimmt. Gleiches gilt für den in der Revisionsverhandlung hervorgehobe-nen Gesichtspunkt, das Finanzamt habe spätestens im [X.] erkannt, daßnicht der Kläger als Arbeitgeber der Beschäftigten in Betracht gekommen sei.b) Der Kläger hat in den Vorinstanzen nicht bezweifelt, daß das Finanz-amt für die Durchsetzung des [X.] die Bestandskraft des [X.] nicht unbedingt abwarten mußte. Die Revision ist jedoch [X.], die Vollstreckungsbehörde habe ihr Ermessen nicht ausgeübt, an-stelle der ausgebrachten Pfändungen eine Sicherungshypothek auf demGrundstück des [X.] eintragen zu lassen. Der Kläger habe nämlich unwi-dersprochen vorgetragen, das von ihm gebaute Haus hätte als Sicherheit aus-gereicht.Der Streitfall gibt keinen Anlaß, näher darauf einzugehen, unter welchenVoraussetzungen die [X.] eine Gehalts- und Kontenpfändungvornehmen darf und inwieweit sie verpflichtet ist, vorrangig andere pfändbareVermögenswerte in Anspruch zu nehmen. Abschnitt 23 Absatz 2 der [X.] über die Durchführung der Vollstreckung nach [X.] vom 13. März 1980 (BStBl. [X.]) stellt die Entschei-dung hierüber in das pflichtgemäße Ermessen der [X.]. [X.] und 3 dieser Bestimmung sollen in erster Linie solche Vollstreckungs-maßnahmen ergriffen werden, von denen nach den besonderen Umständendes Falles bei angemessener Berücksichtigung der Belange des [X.] 7 -kungsschuldners am schnellsten und sichersten ein Erfolg zu erwarten ist. Diebeabsichtigte Vollstreckungsmaßnahme muß in angemessenem Verhältnis zudem erstrebten Erfolg stehen, die Höhe der Forderung den mit ihr verbundenenVerwaltungsaufwand rechtfertigen. Das beklagte Land hat sich zur konkretenErmessensausübung nicht näher geäußert, die [X.] aberals verhältnismäßig bezeichnet, weil die Eintragung einer Sicherungshypothekteuerer sei und bei neu bebauten Grundstücken im Hinblick auf in der Regelerhebliche Vorbelastungen keine hinreichende Sicherheit biete. Deshalb werdeder Vollstreckungsschuldner in der Vollstreckungsankündigung - wie auchhier - auf Lohn- und Forderungspfändungen hingewiesen.Der [X.] muß nicht entscheiden, ob diese allgemeinen Erwägungengenügen, um die Entschließung der [X.] im vorliegenden Fallzu rechtfertigen. Selbst wenn man annehmen wollte, die [X.]habe ihr Ermessen, welche Vollstreckungsmaßnahmen einzuleiten seien,überhaupt nicht ausgeübt, scheitert eine Inanspruchnahme des beklagten [X.] auf Schadensersatz jedenfalls daran, daß der Kläger es unterlassen hat,den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden (§ 839 Abs. 3BGB). Die [X.] vom 25. Juli 1985 waren Verwaltungsakte,die nach § 349 [X.] in der damals geltenden Fassung mit der Beschwerde an-fechtbar waren (vgl. Tipke/[X.], [X.]/FGO, 16. Aufl. 1996, § 249 [X.] Rn. 22);im Rahmen dieses Verfahrens hätte die Rechtmäßigkeit der Vollstreckungs-maßnahmen überprüft werden können. Zwar hat der Kläger - offenbar im [X.] auf die ausgebrachten Pfändungen - einen Antrag auf Aussetzung [X.] nach § 361 Abs. 2 [X.] gestellt, dem das Finanzamt gegen undnach Hinterlegung der [X.] in Höhe von 50.000 DM entsprochen hat.Da dem schon früher durch seinen Prozeßbevollmächtigten der [X.] bekannt sein mußte, daß die hinterlegte [X.] nach§ 242 Satz 2 [X.] nicht zu verzinsen ist, durfte er sich mit dieser Entscheidungnicht zufrieden geben, wenn er damals bereits - wie jetzt - die Auffassung ver-trat, die [X.] müsse sich mit einer Sicherheit begnügen, die [X.] belaste, gleichwohl aber auch das mit dem Erlaß des [X.] zu verfolgende Allgemeininteresse hinreichend wahre. Insoweit kannim Hinblick auf die Vertretung des [X.] durch einen Rechtsanwalt [X.] ein schuldhaftes Verhalten nicht verneint werden, wenn es sich - wie der Kläger im anhängigen Rechtsstreit geltend macht - tatsächlich so ver-hielt, daß sich die [X.] mit der Eintragung einer Sicherungshy-pothek (siehe jedoch die Einschränkung auf erstrangige Sicherheiten in § 241Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a [X.]) hätte zufrieden geben [X.] für seine Zinsbelastung kann der Kläger auch nicht in entspre-chender Anwendung des § 717 Abs. 2 ZPO verlangen, weil der zunächst [X.] später aufgehoben worden ist. Zwar beruht dieNorm des § 717 Abs. 2 ZPO auf dem Grundsatz, daß der Gläubiger, der auseinem nicht rechtsbeständigen Titel vollstreckt, dies auf seine Gefahr tut unddeshalb die Folgen zu tragen hat, wenn der Vollstreckungstitel im [X.] Bestand hat (vgl. [X.] 54, 76, 80; 62, 7, 9). Wie der [X.] jedoch be-reits früher entschieden hat, ist dieser Grundsatz weder auf die [X.] einem Steuerbescheid ([X.], 77) noch aus einem noch nicht rechts-beständigen Verwaltungsakt ([X.] 83, 190, 196) zu übertragen. Während [X.] des Gläubigers, der eine vorläufig vollstreckbare Entscheidung erlangthat, ist, sich mit Risiko für oder ohne Risiko gegen einen vorzeitigen Gebrauchdes Titels zu entscheiden, liegt die Vollziehung eines Steuer- oder Haftungs-bescheids im überwiegenden öffentlichen Interesse, so daß auch die [X.] -eines Rechtsmittels den Vollzug nicht hemmt. Diese auf dem Vorrang des [X.] vor dem Einzelinteresse abstellende Regelung der [X.] läßt einen Vergleich mit vorläufig vollstreckbaren Titeln des [X.] nicht zu ([X.]surteile [X.], 77, 79 f; [X.] 83, 190, 196).Der Umstand, daß für einige wichtige Steuerarten ab dem [X.] durch die Vorschrift des § 233 a [X.] die sogenannte Vollverzin-sung in das Steuerrecht eingeführt worden ist, nach der - unter Berücksichti-gung eines Karenzzeitraums - die betreffenden Steuern vor ihrer durch [X.] begründeten Fälligkeit von ihrer Entstehung an zu [X.] und auch zuviel gezahlte Steuern verzinst werden (vgl. Gesetzentwurf ei-nes Steuerreformgesetzes 1990 BT-Drucks. 11/2157, [X.]), ändert an denvorbeschriebenen grundsätzlichen Unterschieden zwischen der [X.] im Zivilprozeß erlangten Titels und von [X.] nichts. [X.] der eingetretene Schaden eines zunächst auf einen zu hohen Steuerbe-trag in Anspruch genommenen Pflichtigen durch die angeführte [X.] oder teilweise ausgeglichen werden. Dennoch läßt sich die Regelung des§ 233 a [X.], die vor allem mehr Steuergerechtigkeit bewirken wollte, indem dererst spät Veranlagte hieraus keine Vorteile ziehen sollte - die Verzinsung [X.] ist nur die Kehrseite dieses Gedankens -, nicht auf [X.] zurückführen, der Gläubiger müsse das Risiko tragen, das sich ausder Vollstreckung eines noch nicht rechtsbeständigen Titels ergibt. Es ist [X.] nicht Aufgabe der Zivilgerichte, im Rahmen einer entsprechenden An-wendung des § 717 Abs. 2 ZPO wirkliche oder vermeintliche Lücken zu schlie-ßen, die sich nach Auffassung des [X.] daraus ergeben, daß ein Teil [X.] der Abgabenordnung, namentlich die §§ 233 a und- 10 -236 [X.], auf [X.] nicht anzuwenden sind (vgl. [X.], 322,324 = BStBl. II 1989, 821, 822).3.Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, ihm stehe in entsprechenderAnwendung des § 236 [X.] für die Dauer der Rechtshängigkeit des finanzge-richtlichen Verfahrens ein Anspruch auf Verzinsung des zur Sicherheit hinter-legten Betrages zu, ist die Klage nicht zulässig.Der insoweit erhobene Anspruch müßte - für sich allein betrachtet - beimFinanzamt geltend gemacht und von ihm beschieden werden; im [X.] das Finanzgericht über ihn befinden. Bei isolierter Geltendmachung wä-re eine unmittelbar auf Zahlung gerichtete Leistungsklage - wie sie auch [X.] wird - erst zulässig, wenn der Anspruch vorher durch [X.] festgestellt worden wäre und es nur noch um die Erfüllung diesesAnspruchs ginge (vgl. [X.], 1, 3 = BStBl. II 1986, 702, 703; BFH/[X.], 678; Tipke/[X.], § 40 FGO Rn. 17). An einem entsprechenden Verwal-tungsakt des Finanzamts fehlt es hier.Der bezeichnete Weg ist nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger [X.] auf Zinsen in entsprechender Anwendung des § 236 [X.] neben demauf Amtshaftung gestützten Anspruch zur Entscheidung der ordentlichen Ge-richte stellt. Der [X.] ist daher - wie in anderen Fällen eines fehlenden be-hördlichen Vorverfahrens (vgl. [X.]sbeschl. v. 19. Dezember 1995 - [X.] 11 -190/94 - NVwZ-RR 1997, 204, 205 zum Vorverfahren nach §§ 5, 6 DDR-StHG) - mangels Vorliegens einer Sachurteilsvoraussetzung insoweit an einerSachentscheidung gehindert.[X.][X.][X.]DörrGalke

Meta

III ZR 1/00

16.11.2000

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.11.2000, Az. III ZR 1/00 (REWIS RS 2000, 500)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 500

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