Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.03.2017, Az. XII ZB 245/16

12. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 14071

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Gegenstand

Familiensache: Vollstreckung der Verpflichtung zur Auskunftserteilung über die persönlichen Verhältnisse eines Kindes


Leitsatz

Eine Verpflichtung zur Auskunftserteilung über die persönlichen Verhältnisse eines Kindes wird durch die Verhängung von Zwangsmitteln gemäß §§ 95 Abs. 1 Nr. 3 FamFG, 888 ZPO vollstreckt.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des 2. Senats für Familiensachen des [X.] vom 14. April 2016 aufgehoben.

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des [X.] vom 17. November 2015 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass gegen die Antragsgegnerin zur Erzwingung der Auskunft über den Gesundheitszustand des Kindes F.              zum 15. August 2015 gemäß Absatz 4 des Beschlusses des 2. Senats für Familiensachen des [X.] vom 15. Juli 2015 ein Zwangsgeld in Höhe von 100 €, ersatzweise Zwangshaft von einem Tag für jeweils 50 €, festgesetzt wird.

Die Kosten des [X.] trägt die Antragsgegnerin.

[X.]: 100 €

Gründe

I.

1

Die Antragsgegnerin wendet sich gegen die Verhängung eines Ordnungsgeldes (ersatzweise Ordnungshaft) von 100 €.

2

Das [X.] hatte die Antragsgegnerin durch Beschluss vom 15. Juli 2015 (Absätze 3 bis 5) wie folgt verpflichtet:

Der Mutter wird aufgegeben, dem Vater zum 15. August 2015 und sodann jeweils zum 15. November, 15. Februar, 15. Mai und 15. August eines jeden Jahres ein Foto des gemeinsamen Kindes zu übersenden, ebenso Fotos des Kindes anlässlich von Feierlichkeiten, die in Bezug auf das Kind stattfinden, wie Feiern des Geburtstages des Kindes oder der Einschulung des Kindes.

Der Mutter wird aufgegeben, dem Vater zum 15. August 2015 und sodann jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres [X.] über den Gesundheitszustand des Kindes zu erteilen und hierzu jeweils aktuelle Atteste der behandelnden Ärzte und Therapeuten des Kindes vorzulegen.

Die Mutter wird darauf hingewiesen, dass das Gericht im Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehenden Anordnungen ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 25.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann oder die Anordnung eines [X.] keinen Erfolg verspricht, Ordnungshaft anordnen kann.

3

Die Antragsgegnerin hat [X.] über den Gesundheitszustand des Kindes zum 15. August 2015 nicht erteilt.

4

Das Amtsgericht hat auf Antrag des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 100 €, ersatzweise einen Tag Ordnungshaft je 50 €, festgesetzt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das [X.] zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin, mit der sie ihren Antrag auf Zurückweisung des Antrags auf Anordnung von [X.] weiterverfolgt.

II.

5

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO (vgl. Senatsbeschluss vom 17. August 2011 - [X.] 621/10 - FamRZ 2011, 1729 Rn. 4) statthaft, weil das [X.] sie in dem angefochtenen Beschluss zugelassen hat. Daran ist der Senat gebunden (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO).

6

In der Sache hat die Rechtsbeschwerde nur insoweit Erfolg, als gegen die Antragsgegnerin nicht ein Ordnungsgeld, sondern ein Zwangsgeld nach §§ 95 Abs. 1 Nr. 3 FamFG, 888 ZPO festzusetzen ist.

7

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner in [X.], 1943 veröffentlichten Entscheidung ausgeführt, das Amtsgericht habe zu Recht ein Ordnungsgeld gegen die Mutter festgesetzt. Auf eine [X.]sverpflichtung nach § 1686 BGB seien entgegen der überwiegenden Auffassung nicht die Regeln über die Vollstreckung einer nicht vertretbaren Handlung nach §§ 95 Abs. 1 Nr. 3 FamFG, 888 ZPO anzuwenden, sondern die §§ 88 ff. FamFG. Denn bei dieser [X.]sverpflichtung handele es sich um einen Annexanspruch zum Anspruch auf Regelung des Umgangs. Dass ein isoliertes [X.]sverfahren nach § 1686 BGB im Gegensatz zur Regelung des persönlichen Umgangs eines Kindes zu den Rechtspflegergeschäften gehöre, spreche nicht notwendig dafür, dass auch hinsichtlich der jeweiligen Vollstreckung unterschiedliche Wege eingeschlagen werden müssten. Das [X.]srecht nach § 1686 BGB sei nach seiner systematischen Stellung den Umgangsregelungen zugeordnet. Es entspreche einem praktischen Bedürfnis, dass ein umgangsberechtigter Elternteil sein [X.]srecht nach § 1686 BGB bereits im [X.] zur Sprache bringen könne. Dann liege es nahe, dass das Gericht in einer einheitlichen Entscheidung die Ausgestaltung des Umgangs und die [X.]sverpflichtung regele. Angesichts dessen sei auch eine einheitliche Vollstreckung der Verpflichtungen wünschenswert. Vorliegend habe die Antragsgegnerin ihre Verpflichtung zur [X.]serteilung und [X.] aus dem Beschluss des [X.] vom 15. Juli 2015 nicht vollständig erfüllt. Unabhängig davon, welche Atteste oder sonstigen Belege hinsichtlich des Gesundheitszustands des Kindes vorzulegen wären, habe die Antragsgegnerin offensichtlich eine [X.] über den Gesundheitszustand zum 15. August 2015 nicht erteilt. Die Höhe des [X.] sei mit 100 € nicht unangemessen, denn der Umstand, dass die [X.]sverpflichtete nach ihren eigenen Angaben nur Leistungen nach [X.] beziehe, könne nicht zu einem Verzicht auf Festsetzung eines [X.] führen.

8

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.

9

a) Nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 FamFG ist auf die Vollstreckung zur Vornahme einer nicht vertretbaren Handlung - soweit es nicht um die Herausgabe von Personen und die Regelung des Umgangs geht - § 888 ZPO entsprechend anzuwenden. Danach ist der Schuldner durch Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft, oder durch Zwangshaft zur Vornahme der Handlung anzuhalten, wobei eine Androhung der Zwangsmittel nach § 888 Abs. 2 ZPO nicht stattfindet.

Anders als diese Zwangsmittel, die ausschließlich der Einwirkung auf den Willen der pflichtigen Person dienen, haben Ordnungsmittel nach § 89 FamFG daneben Sanktionscharakter. Sie können deshalb auch dann festgesetzt und vollstreckt werden, wenn die zu vollstreckende Handlung, Duldung oder Unterlassung wegen Zeitablaufs nicht mehr vorgenommen werden kann (Senatsbeschluss vom 17. August 2011 - [X.] 621/10 - FamRZ 2011, 1729 Rn. 14 mwN). Mit dieser weitergehenden Sanktionsmöglichkeit der Ordnungsmittel korrespondiert die Hinweispflicht nach § 89 Abs. 2 FamFG.

b) Nach weit überwiegender Auffassung ([X.], 162; [X.] Beschluss vom 12. September 2011 - 6 UF 193/11 - juris Rn. 11 f.; [X.] FamFG 19. Aufl. § 95 Rn. 12; [X.]/Feskorn, ZPO 31. Aufl. § 95 FamFG Rn. 6; [X.]/[X.] BGB [2014] § 1686 Rn. 17; [X.]/[X.] BGB [2014] § 1686 Rn. 1; [X.]/[X.] 7. Aufl. § 1686 BGB Rn. 14; Prütting/[X.]/[X.] FamFG 3. Aufl. § 95 Rn. 6; a.A.: NK-BGB/[X.]. § 1686 Rn. 13 [X.]. 48; Völker/[X.] Das familienrechtliche Mandat § 2 Rn. 214 iVm § 6 Rn. 30) handelt es sich bei der Verpflichtung zur [X.]serteilung nach § 1686 BGB nicht um eine Regelung des Umgangs im Sinne des § 89 Abs. 1 FamFG, sondern um eine nicht vertretbare Handlung nach §§ 95 Abs. 1 Nr. 3 FamFG, 888 ZPO.

Die überwiegend vertretene Auffassung ist zutreffend.

Nach § 1686 BGB kann jeder Elternteil bei berechtigtem Interesse vom anderen Elternteil [X.] über die persönlichen Verhältnisse des Kindes verlangen, soweit dies dem Kindeswohl nicht widerspricht. Der [X.]sanspruch wurde durch das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts vom 16. Dezember 1997 ([X.] - [X.]; [X.] I S. 2942) mit Wirkung zum 1. Juli 1998 in § 1686 Satz 1 BGB geregelt. Während der zuvor in § 1634 Abs. 3 Satz 1 BGB geregelte [X.]sanspruch ursprünglich geschaffen wurde, um das mit Einschränkung oder Ausschluss des Umgangsrechts einhergehende Informationsdefizit des umgangsberechtigten Elternteils auszugleichen (BT-Drucks. 8/2788 S. 55 f.), kommt dem Anspruch nunmehr neben dieser reinen Ersatzfunktion zusätzlich eine [X.] gegenüber dem Umgangsrecht zu (Senatsbeschluss vom 14. Dezember 2016 - [X.] 345/16 - FamRZ 2017, 378 Rn. 15 mwN). § 1686 BGB will dem Grundsatz nach jedem Elternteil ohne Rücksicht auf die Verteilung des Sorgerechts ermöglichen, vom anderen Elternteil die wesentlichen Informationen zu den persönlichen Verhältnissen des Kindes zu erhalten, an die er anders nicht in zumutbarer Weise gelangen kann (BT-Drucks. 13/4899 S. 107; Senatsbeschluss vom 14. Dezember 2016 - [X.] 345/16 - FamRZ 2017, 378 Rn. 16). Danach steht die [X.]sverpflichtung selbständig neben einer Regelung des Umgangs.

Dass eine Verpflichtung zur Erteilung einer [X.], die nur aufgrund persönlichen Wissens des [X.]spflichtigen gegeben werden kann, regelmäßig als unvertretbare Handlung nach § 888 ZPO vollstreckt wird, entspricht im Übrigen allgemeiner Auffassung (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2011 - [X.] 465/11 - FamRZ 2012, 24 Rn. 21; [X.] Beschluss vom 3. Juli 2008 - [X.]/06 - NJW 2008, 2919, 2920 zur Vollstreckung des Anspruchs auf Nennung des Namens des Kindesvaters; [X.]Z 49, 11, 15 zur [X.]spflicht des Konkursverwalters; [X.]/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9. Aufl. § 1 Rn. 1191).

3. Die angefochtene Entscheidung kann danach keinen Bestand haben.

Der Senat kann in der Sache selbst abschließend entscheiden, weil die Voraussetzungen für die Verhängung eines Zwangsgelds gemäß §§ 95 Abs. 1 Nr. 3 FamFG, 888 ZPO nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des [X.]s vorliegen und eine Androhung der Zwangsmittel nach § 888 Abs. 2 ZPO nicht stattfindet.

Der Antrag des Antragstellers vom 23. September 2015 auf Verhängung eines [X.] gegen die Antragsgegnerin wegen der fehlenden [X.] über den Gesundheitszustand des Kindes zum 15. August 2015 ist nach seinen Interessen als Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes auszulegen.

Die Antragsgegnerin stellt im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht in Abrede, dass sie die ihr aus dem Beschluss des [X.]s vom 15. Juli 2015 obliegende Verpflichtung zur [X.]serteilung und Vorlage von Belegen zum 15. August 2015 nicht vollständig erfüllt hat. Ebenso wenig wendet sie sich gegen die Einschätzung des [X.]s, die Festsetzung von 100 € sei maßvoll, wenn auch die Antragsgegnerin nach ihren eigenen Angaben ausschließlich Leistungen nach [X.] bezieht.

Dose     

       

Klinkhammer     

       

Günter

       

Nedden-Boeger     

       

Krüger     

       

Meta

XII ZB 245/16

15.03.2017

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Brandenburgisches Oberlandesgericht, 14. April 2016, Az: 10 WF 48/16, Beschluss

§ 1686 BGB, § 95 Abs 1 Nr 3 FamFG, § 888 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.03.2017, Az. XII ZB 245/16 (REWIS RS 2017, 14071)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 14071

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