Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.03.2017, Az. NotSt (Brfg) 1/16

Senat für Notarsachen | REWIS RS 2017, 14247

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:130317BNOTST.BRFG.1.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
NotSt([X.]) 1/16
vom

13. März 2017

in der Disziplinarsache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 11 Abs. 2
a) Gefahr im Verzug im Sinne des §
11 Abs.
2 [X.] ist gegeben, wenn eine unabwendbare Eilbedürftigkeit für die vorzunehmende Amtshand-lung besteht. Dies ist dann der Fall, wenn die Beurkundung durch einen örtlich ansässigen Notar nicht vorgenommen werden kann, ohne dass ihr Zweck gefährdet wäre, d.h. der Urkundsgewährungsanspruch der Beteiligten nicht mehr erfüllt werden könnte.
b) Die Beschränkung seiner örtlichen Zuständigkeit hat der Notar zu be-achten, auch wenn der Zweck der Beurkundung darin liegt, einen ihm bei einer Beurkundung unterlaufenen Gestaltungsfehler zu korrigieren.
[X.], Beschluss vom 13. März
2017 -
NotSt([X.]) 1/16 -
[X.]

wegen Disziplinarverfügung
-

2

-

Der Bundesgerichtshof, [X.], hat am 13.
März 2017 durch den Vorsitzenden [X.], die Richterin von [X.],
den Richter
[X.] sowie die Notare Dr. Strzyz und [X.]
beschlossen:
Der Antrag des [X.], die Berufung gegen das Urteil des [X.] vom 21.
Oktober 2015 zuzulassen, wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000

t-gesetzt.

Gründe:
Der Antrag ist unbegründet. Ein Grund für die Zulassung der Berufung gemäß §
105 [X.], §
64 Abs.
2 Satz
2 [X.] i.V.m. §
124 Abs.
2 VwGO ist nicht gegeben.
1. Entgegen der Auffassung
des [X.] bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Das [X.] hat zu Recht angenommen, dass der Kläger ein Dienstvergehen leichterer Art im Sinne des §
94 Abs.
1 Satz
1 [X.] begangen hat, weil er fahrlässig die ihm gemäß §
11 Abs.
2 [X.] obliegende Amtspflicht verletzt hat.
1
2
-

3

-

a) Gemäß §
11 Abs.
2 [X.] darf der Notar Urkundstätigkeiten außer-halb seines Amtsbezirks nur vornehmen, wenn Gefahr im Verzug besteht
oder die Aufsichtsbehörde es genehmigt hat. Gefahr im Verzug ist gegeben, wenn eine unabwendbare Eilbedürftigkeit für die vorzunehmende Amtshandlung
be-steht. Dies ist dann der Fall, wenn die Beurkundung durch einen örtlich ansäs-sigen Notar nicht vorgenommen werden kann,
ohne dass ihr Zweck gefährdet
wäre, d.h. der Urkundsgewährungsanspruch der Beteiligten nicht mehr erfüllt werden könnte (vgl. [X.], Urteil vom 6.
September 2011 -
1
Not 2/11, juris Rn.
20 mit Nichtzulassungsbeschluss des Senats vom 23.
Juli 2011 -
NotSt([X.]) 5/11; [X.]/[X.]/Püls, [X.], 9.
Aufl., §
10a Rn.
6; [X.]/[X.]/[X.], aaO, [X.]/BNotK IX Rn.
3; Eylmann/Vaasen/
[X.], [X.], [X.], 4.
Aufl., §§ 10a, 11 [X.] Rn.
13, 15; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., § 11 Rn. 8; vgl. zu
§
105 Abs.
1 Satz
1 StPO: [X.]
103, 142, juris Rn.
42
f.; [X.], Urteil vom 10.
Juli 2014 -
3
StR 140/14, NStZ-RR 2014, 318 Rn.
15; zu §
1629 Abs.
1 Satz 4 [X.]:
[X.] in: [X.]/[X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., §
1629 Rn.
45;
Pa-landt/[X.], [X.], 76.
Aufl., §
1629 Rn.
12; [X.]/[X.], [X.], 14.
Aufl., § 1629 Rn. 4).
Diese Voraussetzungen hat das [X.] im vorliegenden Fall zu Recht verneint. Der Zweck der vom Kläger am 7.
August 2014 außerhalb seines Amtsbezirks vorgenommenen Amtshandlung -
die
wirksame
Bestellung von Grundschulden auf den mit Verträgen vom 4.
April 2014 verkauften [X.] zu Gunsten der [X.] -
hätte auch durch eine Beurkundung durch einen ortsansässigen Notar am
selben Tag oder ei-nem
der darauf folgenden Tage erreicht werden können. Insbesondere war der Verkäufer
der Grundstücke, der den Käufern in den
vom Kläger am 4.
April 2014 beurkundeten Kaufverträgen jeweils eine Belastungsvollmacht erteilt [X.], in der [X.] vom 7. bis jedenfalls 10. August 2014
nicht berechtigt, von den
3
4
-

4

-

Kaufverträgen
zurückzutreten. Nach den vertraglichen Vereinbarungen stand dem Verkäufer
ein Rücktrittsrecht entweder nach den gesetzlichen Bestimmun-gen oder aber in dem
Fall zu, dass sich die Käufer
mit der Zahlung des Kauf-preises länger als vier Wochen in Verzug befanden. Gemäß Ziffer 2 der [X.] sollte der Kaufpreis erst vier Wochen nach Zugang einer Bescheinigung des [X.], dass die Auszahlungsvoraussetzungen erfüllt seien, fällig sein. Da der Kläger das entsprechende Schreiben am 26.
Juni 2014 versandt hatte, war die Fälligkeit des Kaufpreises -
je nach [X.] -
frühestens am 25.
Juli 2014 eingetreten. Ein vertragliches Rücktrittsrecht konnte damit nicht vor dem 23.
August 2014 entstehen. Ein gesetzliches Rücktrittsrecht stand dem
Verkäu-fer
ebenfalls nicht zu. Es
ist weder ersichtlich noch dargetan, dass der Verkäu-fer
den Käufern eine Frist zur Zahlung des Kaufpreises im Sinne des §
323 Abs.
1 Satz
1 [X.] gesetzt hatte. Die vom Kläger behauptete Ankündigung des Verkäufers, vom Vertrag zurückzutreten, wenn der Kaufpreis nicht "bald" [X.] werde, genügt hierfür nicht. Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung setzt vielmehr voraus, dass der Gläubiger
durch das Verlangen nach sofortiger, un-verzüglicher oder umgehender Leistung oder durch vergleichbare Formulierun-gen deutlich macht, dass dem Schuldner für die Erfüllung nur ein begrenzter
und
bestimmbarer [X.]raum zur Verfügung steht
(vgl. [X.], Urteil vom 13. Juli 2016 -
VIII ZR 49/15, NJW 2016, 3654 Rn. 25).
Entgegen der Auffassung des [X.] vermag auch weder die Vergröße-rung des infolge der Nichtzahlung des Kaufpreises bei Fälligkeit bereits einge-tretenen Verzugsschadens noch die Entstehung von Verzugsschäden wegen nicht rechtzeitiger Bezahlung von Handwerkerrechnungen noch der daraus möglicherweise resultierende
Ansehensverlust der Käufer
Gefahr im Verzug im Sinne des §
11 Abs.
2 [X.] zu begründen. Gleiches gilt für das Interesse des [X.], seinen Gestaltungsfehler möglichst schnell und kostenneutral zu [X.]
-

5

-

gieren. Denn diese Umstände gefährdeten den Zweck der vorzunehmenden Beurkundung
-
die wirksame Bestellung von Grundpfandrechten -
nicht.
b) Das [X.] hat auch zu Recht angenommen, dass der Kläger jedenfalls fahrlässig gehandelt hat. Soweit er infolge unzutreffender rechtlicher Wertung der Interessenlage sein Verhalten für ausnahmsweise zu-lässig gehalten hat, liegt lediglich ein unschwer zu vermeidender Verbotsirrtum vor, der der Annahme eines fahrlässigen Pflichtverstoßes nicht entgegensteht (vgl. Senatsurteil vom 8.
Mai 1995 -
NotSt([X.]) 3/94, juris Rn.
45).
c) Entgegen der Auffassung des [X.] ergeben sich ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils auch nicht daraus, dass das [X.] die Anschrift des [X.] im Rubrum und das Datum der [X.] der Kaufvertragsurkunden im Tatbestand unrichtig wiedergegeben hat. Denn diese Unrichtigkeiten haben sich offensichtlich nicht auf das Ergebnis ausgewirkt
(vgl. Senatsbeschluss vom 24. November 2014 -
[X.]([X.]) 6/14, juris
Rn. 15; BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 -
7 AV 4/03, NVwZ-RR 2004, 542 f.). Gleiches gilt für den Umstand, dass das Berufungsgericht die ge-naue Höhe der für die Grundstücke zu zahlenden Kaufpreise im Tatbestand nicht ausdrücklich erwähnt hat.
d) Der
Kläger rügt auch ohne Erfolg, dass das [X.] die auf das nationale Recht ausstrahlende Wirkung des Europarechts, insbesondere des Urteils des [X.] vom 24.
Mai 2011 ([X.]/08, [X.], 2941) verkannt habe. Die durch das Amtsbezirksprinzip in §
11 [X.] begründete Beschränkung der örtlichen Zuständigkeit der Notare -
unabhängig davon, dass dem vorliegenden Rechtsstreit ein rein innerstaatlicher Sachverhalt zugrunde liegt (vgl. [X.], Urteil vom 13.
Februar 2014 -
C-367/12, [X.] 6
7
8
-

6

-

2014, 307 Rn.
10
ff.)
-
greift nicht in unzulässiger Weise in
die Niederlassungs-
oder Dienstleistungsfreiheit der Notare
ein.
Der Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 24.
Mai 2011 ausdrücklich her-vorgehoben, dass die örtliche Zuständigkeit der
Notare
zur Verfolgung von im Allgemeininteresse liegenden Zielen beschränkt werden kann, soweit die Be-schränkung zur Erreichung der Ziele geeignet und erforderlich ist. Wie der [X.] im Urteil vom 4.
März 2013 ([X.]([X.]) 9/12, [X.]Z 196, 271) entschieden hat, erfüllt das in
§
11 Abs. 2 [X.] geregelte Amtbezirksprinzip diese Voraus-setzungen. Die aus §
11 folgenden Beschränkungen der Berufsausübung der Notare dienen in gleicher Weise wie die in §
10a [X.] enthaltenen örtlichen Restriktionen der Sicherung der Lebensfähigkeit und gleich bleibenden [X.] der Notarstellen und der insgesamt bedarfsgerechten und flä-chendeckenden Organisation des Notariats. Es soll ein "Reisenotariat" verhin-dert werden, das die Fundamente des Zulassungswesens unterminieren würde. Es soll dabei nicht nur verhindert werden, dass durch die Tätigkeit auswärtiger Notare in lukrativen Bezirken eine Überversorgung entsteht. Vielmehr geht der Schutzzweck auch dahin, zu vermeiden, dass Notare, die für einen bestimmten Amtsbereich wegen
des dort bestehenden Bedürfnisses bestellt wurden, ihre Tätigkeit in erheblichem Maße an einem anderen, ihnen günstiger erscheinen-den Ort verlagern und so die bedarfsgerechte Versorgung mit notariellen Dienstleistungen in dem ihnen zugewiesenen Bereich gefährden (vgl. [X.] vom 4.
März 2013 -
[X.]([X.]) 9/12, aaO Rn.
23; Beschluss vom 16.
März 2015 -
NotSt([X.]) 9/14, NJW-RR 2016, 182 Rn.
3 m.w.[X.]). Sowohl die ausrei-chende Versorgung mit notariellen Dienstleistungen in den Bereichen, für die die Notare bestellt sind, als auch die Gewährleistung der möglichst umfassen-den rechtlichen Wirksamkeit der Beurkundungen dienen dazu, die [X.] und die Rechtssicherheit von Akten zwischen Privatpersonen zu [X.] und stellen daher gewichtige Allgemeininteressen dar, die die [X.]
-

7

-

kung
der örtlichen Zuständigkeit der Notare
rechtfertigen (vgl. Senatsurteil vom 4.
März 2013 -
[X.]([X.]) 9/12, aaO Rn. 31). Die Beschränkung ist auch geeig-net, diese Zwecke zu erreichen. Mildere Mittel, die die Ziele in gleicher Weise verwirklichen können, stehen nicht zu Gebot. Schließlich ist
die Beschränkung
auch verhältnismäßig. Die betroffenen Notare werden nur geringfügig in der Ausübung ihres Berufs beeinträchtigt, weil sie im Hinblick darauf, dass Notar-stellen nach den Bedürfnissen einer geordneten Rechtspflege einzurichten sind (§
4 Satz
1 [X.]), in aller Regel auch ohne Auswärtsbeurkundungen ausge-lastet sind und wirtschaftlich bestehen können. Die Interessen der [X.] werden gleichfalls höchstens geringfügig betroffen, da es ihnen fast immer zuzumuten ist, sich entweder eines örtlich ansässigen Notars zu bedie-nen oder sich in die Geschäftsstelle des auswärtigen Notars zu begeben (ebenda). Das in §
11 geregelte Amtsbezirksprinzip beruht schließlich
auf
ob-jektiven, im Voraus bekannten und nicht diskriminierenden Kriterien (vgl. [X.], Urteil vom 13.
Februar 2014 -
C-367/12, [X.] 2014, 307 Rn.
27 -
Sokoll-Seebacher; Eylmann/Vaasen/[X.], [X.], 4.
Aufl., §§
10a, 11 Rn.
1).
e) Entgegen der Auffassung
des [X.] ist sein Verstoß gegen die ihm gemäß §
11 Abs. 2 [X.] obliegende Amtspflicht auch nicht wegen Wahrneh-mung berechtigter Interessen gerechtfertigt. Unter dem Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen können nur ehrenrührige -
und ggf.
sonst unzulässige
(vgl. [X.], Urteil vom 17. Juli 2014 -
III ZR 514/13, [X.], 71 Rn. 27; Beschluss vom 9.
Dezember 2014 -
IX ZB 279/03, [X.], 239 Rn.
24)
-
Äußerungen
gerechtfertigt sein (§
193 StGB). [X.] lässt sich aus §
193 StGB keine allgemeine "[X.]" für andere Delikte oder für Verstöße gegen andere Bestimmungen ableiten. Einen allge-meinen Rechtfertigungsgrund
der
Wahrnehmung berechtigter Interessen
kennt die Rechtsordnung nicht
(vgl. [X.] NStZ 1987, 121, 122; OLG Düs-seldorf NJW 2006, 630, 631; [X.], StGB, 64.
Aufl., §
193 Rn.
4; [X.]
-

8

-

Komm-StGB/[X.], 2. Aufl. Rn.
8; [X.] in [X.] Kommentar, StGB, 12.
Aufl., §
193 Rn.
11; [X.]/[X.], StGB, §
193 Rn.
3 [Stand: 1.9.2016]). Dementsprechend werten die Strafsenate den Rechtfertigungsgrund des §
193 StGB als eine "Ausprägung des Grundrechts der freien Meinungsäußerung" ([X.], Urteile vom 20. Januar 1959 -
1 StR 518/58, [X.]St 12, 287, 293
f.; vom 10.
November 1967 -
4 [X.], [X.]St 21, 334, juris Rn.
102; vgl. auch [X.] 12, 113, juris Rn.
50).

f) [X.] wegen unerlaubter Überschreitung des Amtsbezirks verstößt auch nicht gegen Art.
12 [X.]. Durch das in §
11 [X.] geregelte Amtsbezirksprinzip wird der betroffene Notar lediglich in seiner Berufsausübungsfreiheit (Art.
12 Abs.
1 Satz
2 [X.]), nicht aber in seiner Be-rufswahlfreiheit (Art.
12 Abs.
1 Satz
1 [X.]) betroffen. Die Einschränkung ist von geringem Gewicht, da die Notare im Hinblick darauf, dass ihre Stellen nach den Bedürfnissen einer geordneten Rechtspflege einzurichten sind (§
4 [X.]), in aller Regel auch ohne Auswärtsbeurkundungen ausgelastet sind und wirtschaft-lich bestehen können (vgl. Senatsurteil vom 4.
März 2013 -
[X.]([X.]) 9/12, aaO Rn.
16). Die Beschränkung seiner örtlichen Zuständigkeit hat der Notar zu beachten, auch wenn der Zweck der Beurkundung darin liegt, einen ihm
bei einer Beurkundung unterlaufenen Gestaltungsfehler zu korrigieren.
2. Auch der [X.] des §
124 Abs.
2 Nr.
5 VwGO i.V.m. §
105 [X.], §
64 Abs.
2 Satz
2 [X.] -
Vorliegen eines Verfahrensmangels, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann -
ist nicht gegeben.
a) Ein solcher ergibt sich nicht daraus, dass sich das [X.] nicht ausdrücklich mit dem Urteil des [X.]
vom 24.
Mai 2011 ([X.]/08, [X.], 2941) auseinandergesetzt hat. Hierin liegt [X.] kein Verstoß gegen das Recht des [X.] auf Gewährung rechtlichen 11
12
13
-

9

-

Gehörs aus Art.
103 Abs.
1 [X.]. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Gerichte brauchen sich dabei jedoch nicht mit jedem Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrück-lich auseinanderzusetzen. Denn es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene [X.] auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Ein
Verstoß gegen
Art.
103 Abs.
1 [X.] ist nur dann zu bejahen, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwo-gen worden ist. Geht das Gericht allerdings auf den
wesentlichen Kern des [X.] zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. [X.] 86, 133, 146; 96, 205, 216
f. [X.], DVBl 2001, 456, juris Rn.
22).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist ein Verstoß gegen Art.
103 Abs.
1 [X.] zu verneinen. Besondere Umstände, denen zu entnehmen wäre, dass das [X.] das in diesem Zusammenhang von dem Kläger Vorgetrage-ne nicht zur Kenntnis genommen oder erwogen hat, sind nicht
ersichtlich. Ab-gesehen davon ist das Vorbringen des [X.] zu den Auswirkungen des Euro-parechts auf die Verpflichtung
des [X.] zur Wahrung des Amtsbezirks -
wie unter 1. d) ausgeführt
-
unerheblich.
Entgegen der Auffassung des [X.] hat das [X.] auch nicht dessen Vortrag zur Rechtfertigung seines Verhaltens unter dem Gesichts-punkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen übergangen. Mit diesem Vor-14
15
-

10

-

bringen hat sich das [X.] sowohl im Tatbestand (S.
4) als auch in den Gründen seines Urteils (S.
7) befasst.
Abgesehen davon ist dieses [X.] -
wie unter 1. e) ausgeführt
-
nicht erheblich.
b) Ein Verfahrensmangel im Sinne des §
124 Abs.
2 Nr.
5 VwGO folgt auch nicht daraus, dass das [X.] den in der mündlichen Verhand-lung vom 21.
Oktober 2015 gestellten Beweisanträgen des [X.] nicht ent-sprochen hat. Wie sich aus den Ausführungen unter 1.
ergibt, hat das Oberlan-desgericht das vom Kläger unter Beweis gestellte Vorbringen zu Recht nicht für entscheidungserheblich gehalten. Auf die Frage, ob der Kläger die am 7.
August 2014 errichtete Urkunde noch am selben Abend beim Amtsgericht
Potsdam hat einreichen lassen,
kommt es vorliegend ebenso
wenig an wie [X.], ob den Erwerbern der Grundstücke infolge einer Verzögerung der Beur-kundung weitere Verzugsschäden entstanden sind. Gleiches gilt für die Be-hauptung des [X.], der Verkäufer habe mit der Geltendmachung des [X.] gedroht, wenn die Zahlung des Kaufpreises nicht "bald" erfolge. Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es -
auch unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens
-
nicht darauf an, ob die Erwerber dem Kläger am
7.
August 2014 mitgeteilt haben, das Darlehen müsse spätestens am 8.
August 2014 flie-ßen, weil der Käufer ansonsten von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch machen würde. Wie bereits ausgeführt lagen zu diesem [X.]punkt die Voraussetzungen für einen Rücktritt vom Kaufvertrag nicht vor. Dies hätte der Kläger bei der ge-botenen Überprüfung der Rechtslage auch unschwer erkennen können.
3. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung.
a) Eine Rechtssache hat grundsätzlich Bedeutung, wenn sie eine ent-scheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage [X.], die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und des-16
17
18
-

11

-

wegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwick-lung und Handhabung des Rechts berührt. [X.] ist eine Rechts-frage grundsätzlich nur dann, wenn sie zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Ist die Rechtsfrage höchstrichterlich bislang nicht entschieden, bestehen derartige Unklarheiten u.a. dann, wenn sie von einigen Instanzgerichten unterschiedlich beantwortet werden oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten wer-den. Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ordnungsgemäß [X.], ist
es erforderlich, die durch das angefochtene Urteil aufgeworfene Rechtsfrage konkret zu benennen sowie ihre [X.]keit und ihre Be-deutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen im Einzelnen aufzuzeigen. Dabei müssen insbesondere auch Ausführungen darüber gemacht werden, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die Rechtsfrage umstritten ist (vgl. Senatsbeschluss vom 14.
März 2016 -
[X.]([X.]) 5/15, NJW-RR 2016, 1148 Rn.
15 mwN).
b) Gemessen hieran hat der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend dargelegt (§
124a Abs.
4 Satz 3, Abs.
5 Satz 2 i.V.m. §
105 [X.], §
64 Abs.
2 Satz 2 [X.]). Er macht geltend, von grundsätz-licher Bedeutung seien die Fragen, ob die Behebung eines Gestaltungsfehlers mittels einer kostenfreien Reparatururkunde außerhalb des Amtsbezirks durch einen Notar eine schuldhafte Amtspflichtverletzung nach §
11 Abs.
2 [X.] darstelle, ob der Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interes-sen gegenüber notariellen Amtspflichten wirke, wie sich die Rechtsprechung des [X.]
auf die Auslegung der Amtspflicht zur Wahrung des Amtsbezirkes auswirke und
ob die grundgesetzlich geschützte Berufsaus-übungsfreiheit für den staatlich gebundenen Beruf des Notars im Falle einer kostenfreien Reparatururkunde den §
11 [X.] zurücktreten lasse. Der Kläger
19
-

12

-

zeigt aber nicht auf, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von wel-cher Seite diese Fragen umstritten sind.
4. Auch der [X.] der besonderen tatsächlichen und rechtli-chen Schwierigkeiten der Rechtssache (§
124 Abs.
2 Nr.
2 VwGO i.V.m. §
105 [X.], §
64 Abs.
2 [X.]) liegt nicht vor. Eine Rechtssache weist dann beson-dere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn sie wegen einer erheblich über dem Durchschnitt liegenden Komplexität des Verfahrens oder der ihr zugrunde liegenden Rechtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hin-sicht das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten ver-ursacht und sich damit von den üblichen Streitigkeiten deutlich abhebt (vgl. [X.]sbeschluss vom 25.
November 2013 -
[X.]([X.]) 8/13, juris
Rn.
5). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die Rechtssache wirft keine komplexen Tatsachen-
oder Rechtsfragen auf, die ihre Beurteilung erschweren. Die sich stellenden Fragen sind ohne weiteres aufgrund des Gesetzes
zu lösen oder durch die Rechtsprechung geklärt.

Entgegen der Auffassung des [X.] ist der Antrag auf Zulassung der Berufung auch nicht seine
erste und einzige Möglichkeit, gegen die vom [X.] ausgesprochene Missbilligung vorzugehen. Das Oberlandesge-richt hat die von der Aufsichtsbehörde gegen den Kläger wegen schuldhaften Verstoßes gegen die ihm obliegende Amtspflicht aus §
11 Abs.
2 [X.] ver-hängte Disziplinarmaßnahme im Hinblick auf das geringe Gewicht der Pflicht-verletzung durch eine Missbilligung im Sinne des §
94 Abs.
1 [X.] ersetzt. Die Missbilligung ist ebenso wie eine Disziplinarmaßnahme die Reaktion auf ein Dienstvergehen des Notars (vgl. Senatsbeschluss vom
17.
März 2014
-
NotSt ([X.]) 1/13 Rn.
3). Das der Missbilligung vorliegend zugrunde liegende Dienstvergehen
des [X.]
und die Frage, wie die Aufsichtsbehörden
hierauf reagieren durften, war aber Gegenstand des
gesamten Verfahrens.
20
21
-

13

-

5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §
109 [X.], §
77 Abs.
1 [X.] i.V.m. §
154 Abs.
2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §
111g Abs.
1 Satz
1 [X.] i.V.m. §
52 GKG.
Galke
von [X.]
[X.]

Strzyz
Brose-Preuß

Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 21.10.2015 -
Not 1/15 -

22

Meta

NotSt (Brfg) 1/16

13.03.2017

Bundesgerichtshof Senat für Notarsachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.03.2017, Az. NotSt (Brfg) 1/16 (REWIS RS 2017, 14247)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 14247

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VIII ZR 49/15

III ZR 514/13

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