Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.05.2012, Az. 6 AZR 586/10

6. Senat | REWIS RS 2012, 6090

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Gegenstand

Vergütungsgruppenzulage nach § 9 TVÜ-L - Sonderurlaub aus familiären Gründen - unschädliche Tätigkeitsunterbrechung


Leitsatz

Die Inanspruchnahme von Sonderurlaub ist für den Anspruch auf die Besitzstandszulage nach § 9 Abs. 1 TVÜ-Länder unschädlich. Deshalb ist nach Beendigung des Sonderurlaubs die Zulage weiterzuzahlen.

Tenor

1. Die Revision des beklagten [X.] gegen das Urteil des [X.]arbeitsgerichts Niedersachsen vom 9. September 2010 - 5 [X.] - wird zurückgewiesen.

2. Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob der Anspruch der Klägerin auf die Besitzstandszulage gemäß § 9 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den [X.] und zur Regelung des Übergangsrechts ([X.]) infolge der Inanspruchnahme von Sonderurlaub erloschen ist.

2

Die Klägerin ist seit 1992 beim beklagten Land beschäftigt. Auf ihr Arbeitsverhältnis fand bis zum 31. Oktober 2006 der [X.], seitdem der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder ([X.]) Anwendung. Die Klägerin erhielt bis zu ihrer Überleitung in den [X.] eine [X.] nach der Fußnote 1 zur [X.]. [X.] 1a des Teils II Abschn. [X.]. I (Angestellte im Justizverwaltungsdienst) der Anlage 1a zum [X.]. Danach wurde Angestellten im Justizverwaltungsdienst in der [X.]. [X.] in den Fallgruppen 1, 1a und 2 nach sechsjähriger Bewährung in diesen Gruppen eine monatliche [X.] in Höhe von 5 % der Anfangsgrundvergütung der [X.]. [X.] [X.] gezahlt.

3

Nach ihrer Überleitung in den [X.] erhielt die Klägerin die Besitzstandszulage nach § 9 [X.]. Diese Norm bestimmt:

        

„§ 9   

        

Vergütungsgruppenzulagen

        

(1) Aus dem Geltungsbereich des [X.]/[X.]-O übergeleitete Beschäftigte, denen am 31. Oktober 2006 nach der Vergütungsordnung zum [X.]/[X.]-O eine Vergütungsgruppenzulage zusteht, erhalten in der [X.], in die sie übergeleitet werden, eine Besitzstandszulage in Höhe ihrer bisherigen Vergütungsgruppenzulage.

        

...     

        

(4) Die Besitzstandszulage nach den Absätzen 1 ... wird so lange gezahlt, wie die anspruchsbegründende Tätigkeit ununterbrochen ausgeübt wird und die sonstigen Voraussetzungen für die Vergütungsgruppenzulage nach bisherigem Recht weiterhin bestehen. Sie verändert sich bei allgemeinen Entgeltanpassungen um den von den Tarifvertragsparteien für die jeweilige [X.] vereinbarten Vomhundertsatz.

        

Protokollerklärungen zu § 9 Absatz 4:

        

1.    

Unterbrechungen wegen Mutterschutz, Elternzeit, Krankheit und Urlaub sind unschädlich.

        

...“   

        

4

Im Hinblick auf die zum 1. Januar 2012 erfolgte Einführung der Entgeltordnung zum [X.] haben die Tarifvertragsparteien mit Wirkung zum 1. Januar 2012 § 9 Abs. 4 [X.] durch den Änderungstarifvertrag Nr. 4 zum [X.] vom 2. Januar 2012 um folgenden Satz 3 ergänzt:

        

„Daneben steht ein weiterer Anspruch auf eine [X.]nzulage nach der Entgeltordnung zum [X.] nicht zu.“

5

Die Klägerin nahm vom 24. Juli bis 17. August 2007 Sonderurlaub zur Betreuung ihres [X.] M. In dem von ihr gestellten Antrag versicherte sie, dass sie mindestens ein Kind unter 18 Jahren tatsächlich betreue oder pflege und kreuzte das Feld 2.5 des Antrags ([für Angestellte, Arbeiterinnen und Arbeiter ...] aus familiären Gründen nach §§ 50 Abs. 1 [X.]/55 Abs. 1 [X.]) an. Das beklagte Land gewährte der Klägerin mit Schreiben vom 26. Januar 2007 Urlaub ohne Bezüge aus familiären Gründen gemäß § 28 [X.] für den beantragten [X.]raum.

6

Der [X.]raum des [X.] fiel in die Sommerferien, die in [X.] im Jahr 2007 vom 19. Juli bis 29. August 2007 andauerten. Nach Beendigung des [X.] zahlte das beklagte Land der Klägerin die Zulage nach § 9 [X.] zunächst weiter, zuletzt - unter Berücksichtigung einer Teilzeitbeschäftigung der Klägerin von 19,9 Wochenstunden - in Höhe von 32,81 Euro brutto monatlich. Mit Schreiben vom 6. Mai 2009 teilte es der Klägerin mit, dass sie seit dem 24. Juli 2007 die Besitzstandszulage zu Unrecht erhalten habe. Der Sonderurlaub sei eine schädliche Unterbrechung der anspruchsbegründenden Tätigkeit gewesen. Es stellte die weitere Zahlung der Zulage seit Juni 2009 ein und machte deren Rückzahlung im Rahmen der Ausschlussfrist für die [X.] ab November 2008 geltend.

7

Mit ihrer am 22. Juli 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt die Klägerin noch die Zahlung der Zulage für Juni 2009 bis Februar 2010 sowie die Feststellung der Unschädlichkeit der Unterbrechung des [X.] für den Anspruch der Besitzstandszulage.

8

Die Klägerin hat geltend gemacht, hätten die Tarifvertragsparteien nur bestimmte Arten des Urlaubs als unschädlich ansehen wollen, hätten sie dies deutlich machen müssen. Die Streichung der Besitzstandszulage aufgrund der Gewährung von Sonderurlaub führe zu einer mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung, weil Sonderurlaub zur Betreuung von Kindern beim beklagten Land - unstreitig - zu 95 % von weiblichen Beschäftigten beantragt werde.

9

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

1.    

das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin 304,11 Euro brutto als Besitzstandszulage für die Monate Juni 2009 bis Februar 2010 zu zahlen;

        

2.    

festzustellen, dass der Anspruch der Klägerin auf eine Besitzstandszulage gemäß § 9 TVÜ-Länder nicht durch die Gewährung des [X.] für die [X.] vom 24. Juli 2007 bis zum 17. August 2007 entfallen ist.

Das beklagte Land hat zur Begründung seines Antrags auf Abweisung der Klage unter Bezug auf die Durchführungshinweise der [X.] zum [X.] vom 18. August 2006, Stand 30. März 2007, die Ansicht vertreten, Unterbrechungen der Tätigkeit wegen eines [X.] beendeten den Anspruch auf Zahlung der Zulage nach § 9 [X.]. Der Begriff „Urlaub“ erfasse weder vom Wortlaut noch vom Sinn und Zweck der Regelung her einen im Interesse des Arbeitnehmers gewährten unbezahlten Sonderurlaub. Darunter werde allgemein eine der Erholung dienende, bezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung verstanden. Hätten die Tarifvertragsparteien vor diesem Hintergrund auch den Sonderurlaub als unschädlich für die Zulage ansehen wollen, hätten sie dies ausdrücklich regeln müssen. Auch aus der Struktur des [X.] und dessen Abschn. IV könne nicht der Schluss gezogen werden, dass von der Protokollerklärung zu § 9 Abs. 4 [X.] auch der Sonderurlaub iSd. § 28 [X.] erfasst sei. Die Formulierung zum Urlaub in der Protokollerklärung zu § 9 [X.] knüpfe nicht direkt an die Vorschriften des [X.] an. Vielmehr ergebe sich aus § 15 [X.], dass in diesem Tarifvertrag mit dem Wort „Urlaub“ lediglich der Erholungs- und der Zusatzurlaub gemeint sei. Ohnehin seien nach der Protokollerklärung zu § 9 Abs. 4 [X.] nur die Unterbrechungen unschädlich, die auf einer gesetzlichen Grundlage basierten. Den Tarifvertragsparteien sei es unbenommen, den Sonderurlaub anders als die Elternzeit, die Rente auf [X.] oder die Arbeitsunfähigkeit nach Ablauf der Entgeltfortzahlung zu regeln.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Sie haben angenommen, nach Wortlaut und Systematik des § 9 Abs. 4 [X.] sei der Sonderurlaub als Unterfall des Urlaubs ein unschädlicher Unterbrechungstatbestand. Hiergegen wendet sich das beklagte Land mit seiner vom [X.] zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe

Die Revision des beklagten [X.] ist unbegründet. Die Inanspruchnahme von Sonderurlaub in der [X.] vom 24. Juli bis 17. August 2007 war für den Anspruch der Klägerin auf die Besitzstandszulage nach § 9 Abs. 1 [X.] unschädlich.

A. Die Klage bedarf der Auslegung.

I. Der Feststellungsantrag erfasst nur die [X.] seit März 2010, so dass keine teilweise Überschneidung von Leistungs- und Feststellungsklage vorliegt. Die Klägerin hat zunächst Leistungsklage für den Monat Juni 2009 und Feststellungsklage für die [X.] ab Juli 2009 erhoben. Im Kammertermin des Arbeitsgerichts hat sie den Leistungsantrag lediglich um die bis zum Termin verstrichene [X.] erweitert und den Feststellungsantrag inhaltlich konkretisiert. Sie hat jedoch die zeitliche Verknüpfung von Leistungs- und Feststellungsantrag nicht geändert, so dass nach wie vor Feststellung nur für den [X.]raum begehrt wird, der von der Zahlungsklage nicht erfasst ist.

II. In dieser Auslegung ist die Klage auch hinsichtlich des [X.] zulässig. Für den damit verfolgten Anspruch liegt ein aktuell noch bestehendes Feststellungsinteresse vor. Das Inkrafttreten der Entgeltordnung zum [X.] mit Wirkung zum 1. Januar 2012 hat gemäß § 9 Abs. 4 [X.]tz 3 [X.] auf den Anspruch der Klägerin auf die Besitzstandszulage nach § 9 [X.] keine Auswirkungen.

B. Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, dass der Anspruch der Klägerin auf die Besitzstandszulage nach § 9 Abs. 1 [X.] durch die Inanspruchnahme von Sonderurlaub für die [X.] vom 24. Juli bis 17. August 2007 nicht gemäß § 9 Abs. 4 [X.]tz 1 [X.] erloschen ist. [X.] iSd. Protokollerklärung Nr. 1 zu § 9 Abs. 4 [X.] ist auch unbezahlter Sonderurlaub. Deshalb ist nach der Beendigung des [X.] die Zulage weiterzuzahlen (im Ergebnis ebenso [X.] in [X.] Bd. IV Stand Februar 2012 G § 9 [X.] Rn. 3; [X.]/B/M/S/[X.] [X.] Stand 15. November 2011 § 9 [X.] Rn. 13a; [X.]. [X.] 2011, 20; [X.][X.]/[X.]/Wiese [X.] Stand April 2011 Teil IV/3 [X.] Rn. 293).

I. Gemäß § 9 Abs. 4 [X.]tz 1 [X.] wird die Besitzstandszulage für die [X.] nur solange gezahlt, wie die anspruchsbegründende Tätigkeit ununterbrochen ausgeübt wird. Nach der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 9 Abs. 4 [X.] sind Unterbrechungen wegen Mutterschutz, Elternzeit, Krankheit und [X.] unschädlich. Insoweit wird die weitere ununterbrochene Ausübung der anspruchsbegründenden Tätigkeit fingiert. Bereits nach dem Wortlaut dieser Protokollerklärung wird von der Fiktion der weiteren Ausübung der Tätigkeit auch der Sonderurlaub erfasst. [X.] ist aus dem mittelhochdeutschen „urloup“ hervorgegangen, das allgemein „Erlaubnis“ bedeutete. [X.] ist also im Wortsinn nichts anderes als die Erlaubnis, wegzugehen bzw. von der Arbeit fernzubleiben. Im Arbeitsleben ist darunter die dienst- bzw. arbeitsfreie [X.], die jemand erhält, zu verstehen ([X.] [X.] [X.] 3. Aufl.; [X.] Deutsches Wörterbuch 8. Aufl.; [X.]/[X.] Deutsches Wörterbuch, jeweils zum Stichwort „[X.]“). [X.] umfasst als Oberbegriff damit neben bezahltem Erholungsurlaub und tariflichem oder gesetzlichem Zusatzurlaub auch Sonderurlaub.

II. Auch nach der tariflichen Systematik ist der Sonderurlaub eine unschädliche Unterbrechung iSd. Protokollerklärung Nr. 1 zu § 9 Abs. 4 [X.].

1. Die Tarifvertragsparteien des [X.] haben im [X.] den [X.] als Oberbegriff für die verschiedenen Arten des [X.]s verwendet, worauf bereits die Vorinstanzen zutreffend abgestellt haben. Im [X.] ist der Abschn. IV mit „[X.] und Arbeitsbefreiung“ überschrieben. In diesem Abschnitt sind unter § 26 der Erholungsurlaub, unter § 27 der Zusatzurlaub und unter § 28 der Sonderurlaub geregelt.

2. Aus § 15 [X.] ergibt sich entgegen der Auffassung des beklagten [X.] nichts anderes. Diese mit „[X.]“ überschriebene Vorschrift regelt die Abwicklung von [X.]sansprüchen, die noch unter dem bisherigen Tarifrecht erworben wurden, nach Inkrafttreten des [X.]. Sie trifft zwar lediglich Übergangsregelungen für den Erholungs- und Zusatzurlaub. Für den Sonderurlaub bestand in diesem [X.] jedoch kein Regelungsbedarf. Deshalb kann aus der Nichterwähnung des [X.] in § 15 [X.] kein Rückschluss darauf gezogen werden, dass die Tarifvertragsparteien im [X.] generell oder jedenfalls in der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 9 Abs. 4 [X.] unter „[X.]“ ausschließlich Erholungs- und Zusatzurlaub verstanden haben.

III. Schließlich spricht entscheidend der Zweck der Besitzstandszulage nach § 9 [X.] dafür, dass auch unbezahlter Sonderurlaub nach dem Willen der Tarifvertragsparteien eine unschädliche Unterbrechung iSd. Protokollerklärung Nr. 1 zu § 9 Abs. 4 [X.] ist.

1. Die Tarifvertragsparteien wollten mit § 9 [X.] den Besitzstand der Beschäftigten, denen bei Inkrafttreten des [X.] eine [X.] zustand, schützen. Eine solche Zulage hatten die Tarifvertragsparteien häufig in den Fällen vereinbart, in denen sie sich nicht auf einen Bewährungsaufstieg oder [X.]aufstieg in die nächsthöhere Vergütungsgruppe hatten einigen können. Sie stellte insoweit einen Ersatz für eine nicht vorhandene Zwischengruppe zwischen den Vergütungsgruppen dar ([X.] 13. November 2002 - 4 [X.] - [X.]E 103, 346, 351). Erst die Summe des Entgelts aus der Vergütungsgruppe und der Zulage bildete also nach Auffassung der Tarifvertragsparteien die tarifliche Gesamtwertigkeit der Tätigkeit ab. Diese Wertigkeit hatte im [X.] bis zum Inkrafttreten der Entgeltordnung zum [X.] am 1. Januar 2012 keinen vollständigen Niederschlag gefunden und bedurfte deshalb nach Auffassung der Tarifvertragsparteien eines besonderen Bestandsschutzes. Vor diesem Hintergrund haben sie auch langfristige Unterbrechungen wegen Krankheit, Elternzeit oder [X.] als unschädlich für den schützenswerten Besitzstand angesehen. Sie haben deshalb in der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 9 Abs. 4 [X.] Krankheit im Unterschied zu anderen Regelungszusammenhängen unabhängig von ihrer Dauer als unschädlichen Unterbrechungstatbestand festgelegt. So stehen [X.] nach § 17 Abs. 3 [X.]tz 1 Buchst. b [X.] den [X.]en einer ununterbrochenen Tätigkeit, die für die Stufenlaufzeit berücksichtigungsfähig sind, lediglich [X.]en einer Arbeitsunfähigkeit bis zu 39 Wochen gleich.

2. Auch längerfristige Unterbrechungen der Tätigkeit wegen [X.] lassen den an die Wertigkeit dieser Tätigkeit geknüpften Besitzstand bei Wiederaufnahme der Tätigkeit nicht erlöschen. Vor diesem Hintergrund ist kein Grund ersichtlich, warum die Tarifvertragsparteien Sonderurlaub im Unterschied zu Erholungs- oder Zusatzurlaub anders als Krankheit, Mutterschutz oder Elternzeit behandeln wollten. Das gilt um so mehr, als jedenfalls Sonderurlaub, der wie im Fall der Klägerin zur Kinderbetreuung gewährt worden ist, den gleichen Zweck wie Elternzeit verfolgt. Er dient ebenso wie diese der von Art. 6 GG geschützten Betreuung von Kindern durch ihre Eltern ([X.] 24. Juni 2010 - 6 [X.] 1037/08 - Rn. 33, [X.]E 135, 66).

Die dagegen angeführten Argumente des beklagten [X.] überzeugen nicht.

a) Gegen eine Berücksichtigung des [X.] spricht nicht die Tatsache, dass der Sonderurlaub in Fällen wie dem der Klägerin nicht im dienstlichen oder betrieblichen Interesse steht und allein auf einer Entscheidung des Arbeitnehmers beruht. Insoweit rekurriert das beklagte Land zu Unrecht auf § 34 Abs. 3 [X.]tz 2 [X.]. Danach wird zwar nur die [X.] eines [X.], für den der Arbeitgeber vor Antritt ein dienstliches oder betriebliches Interesse anerkannt hat, auf die Beschäftigungszeit angerechnet. Aus dieser in einem gänzlich anderen [X.] stehenden Bestimmung können aber keine Rückschlüsse auf den Bedeutungsgehalt der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 9 Abs. 4 [X.] gezogen werden. Im Gegenteil stehen auch die anderen in dieser Protokollerklärung aufgeführten Tatbestände einer unschädlichen Unterbrechung der Tätigkeit nicht im dienstlichen Interesse. Jedenfalls die Unterbrechung wegen Elternzeit beruht zudem wie die wegen [X.] auf einer autonomen Entscheidung der Beschäftigten.

b) Entgegen der Ansicht des beklagten [X.] lässt sich der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 9 Abs. 4 [X.] auch nicht der Wille der Tarifvertragsparteien entnehmen, nur solche Unterbrechungen als unschädlich anzusehen, die eine gesetzliche Grundlage haben. Zum einen hat auch der Erholungsurlaub, den das beklagte Land in vollem Umfang als unschädlich ansieht, seine Grundlage nicht ausschließlich im Gesetz. Jedenfalls die über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehende [X.] findet ihre Stütze, worauf die Klägerin zutreffend hingewiesen hat, allein in § 26 [X.]. Auch der Zusatzurlaub, den das beklagte Land im [X.] an die Durchführungshinweise der [X.] ebenfalls für unschädlich hält, erfasst nicht allein den gesetzlich vorgesehenen Zusatzurlaub für Schwerbehinderte gemäß § 125 SGB IX, wovon das beklagte Land auszugehen scheint. Umfasst ist vielmehr auch der allein tariflich geregelte Zusatzurlaub für Wechselschicht- und Schichtarbeit nach § 27 Abs. 2 und Abs. 3 [X.]. Ferner sind entgegen der stillschweigenden, nicht näher begründeten Annahme des beklagten [X.] von „Krankheit“ im Sinne der Protokollerklärung nicht nur die [X.]en der gesetzlichen Entgeltfortzahlung umfasst, sondern sämtliche krankheitsbedingten Ausfallzeiten.

IV. Schließlich würde die Protokollerklärung Nr. 1 zu § 9 Abs. 4 [X.] Art. 3 Abs. 1 iVm. Art. 6 GG verletzen, wenn dadurch den Beschäftigten, die wie die Klägerin Sonderurlaub zur Betreuung von Kindern genommen haben, nach Beendigung des [X.] die Weiterzahlung der Zulage verwehrt würde (ebenso [X.] 1. April 2011 - 6 [X.] 1252/10 - für die nach Maßgabe des § 9 [X.] übertariflich gezahlte Bewährungszulage und [X.] 1. April 2011 - 6 [X.] 1253/10 - für die übertariflich weitergezahlte Leistungszulage).

1. Der Senat hat wiederholt entschieden, dass tarifliche Bestimmungen, die Nachteile an die Inanspruchnahme von Sonderurlaub zur Kinderbetreuung knüpfen, die Benachteiligten in ihrem Recht aus Art. 3 Abs. 1 iVm. Art. 6 GG verletzen ([X.] 24. Juni 2010 - 6 [X.] 1037/08 - [X.]E 135, 66; 18. Dezember 2008 - 6 [X.] 890/07 - [X.] 320 [X.] § 11 Abs. 1 Nr. 14). Das beachtet das beklagte Land bei seiner Auslegung der streitbefangenen Bestimmung nicht.

2. Die Zwecke von Sonderurlaub zur Kinderbetreuung und von Elternzeit entsprechen sich ([X.] 24. Juni 2010 - 6 [X.] 1037/08 - Rn. 33, [X.]E 135, 66). Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, warum die Tarifvertragsparteien bei der gebotenen typisierenden Betrachtung den Besitzstand von Arbeitnehmern, die Elternzeit in Anspruch genommen haben, weiterbestehen lassen, den von Arbeitnehmern, die Sonderurlaub zur Kinderbetreuung in Anspruch genommen haben, dagegen erlöschen lassen dürften. Ob die Betreuung von Kindern im Rahmen von Elternzeit oder (tariflichem) Sonderurlaub erfolgt, begründet im Hinblick auf die durch Art. 6 GG geschützten Belange keinen Unterschied (ebenso [X.]/B/M/S/[X.] [X.] Stand 15. November 2011 § 9 [X.] Rn. 13a). Vielfach wird es von Zufällen abhängen, ob der Arbeitnehmer Elternzeit oder Sonderurlaub beansprucht. Die Elternzeit ist zwar grundsätzlich auf die [X.] bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes begrenzt. Ein Anteil von bis zu zwölf Monaten ist jedoch mit Zustimmung des Arbeitgebers gemäß § 15 Abs. 2 [X.]tz 4 [X.] auf die [X.] bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes übertragbar. Der Arbeitgeber hat seine Entscheidung über die Zustimmung zur Übertragung nach billigem Ermessen zu treffen ([X.] 21. April 2009 - 9 [X.] 391/08 - [X.]E 130, 225). Der Antrag auf Übertragung muss jedoch bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes gestellt werden ([X.]/[X.] MuSchG, [X.] 8. Aufl. § 15 [X.] Rn. 16). Wird der Antrag auf eine Übertragung der Elternzeit nach § 15 Abs. 2 [X.]tz 4 [X.] nicht rechtzeitig gestellt, bleibt den Arbeitnehmern nur die Möglichkeit, Sonderurlaub, wie er in § 28 [X.] geregelt ist, in Anspruch zu nehmen. Bereits diese Abhängigkeit von Zufällen schließt eine unterschiedliche Behandlung der Tatbestände aus, soweit Sonderurlaub zur Kinderbetreuung beansprucht wird.

V. Der Zahlungsanspruch ist in voller Höhe begründet. Zwischen dem 1. März 2009 und dem 28. Februar 2010 betrug die gemäß der Protokollerklärung zu § 9 Abs. 4 [X.]tz 2 [X.] dynamisierte Zulage für Vollzeitbeschäftigte 67,59 Euro brutto monatlich. Angesichts des Teilzeitanteils der Klägerin von 19,9/[X.] stand ihr somit für die neun Monate von Juni 2009 bis einschließlich Februar 2010 ein Betrag von 33,80 Euro brutto monatlich zu, woraus sich eine Forderung von 304,20 Euro brutto ergäbe. Tatsächlich begehrt die Klägerin lediglich 304,11 Euro.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Döpfert    

        

    Augat    

                 

Meta

6 AZR 586/10

24.05.2012

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Hannover, 10. März 2010, Az: 8 Ca 434/09 Ö, Urteil

§ 9 Abs 1 TVÜ-L, § 9 Abs 4 TVÜ-L, § 9 Abs 4 ProtErkl 1 TVÜ-L

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.05.2012, Az. 6 AZR 586/10 (REWIS RS 2012, 6090)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6090

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