Bundesgerichtshof, Urteil vom 01.06.2023, Az. III ZR 73/22

3. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 4215

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Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 20. April 2022 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt Vergütung für einen Lehrgang, an dem der Beklagte wegen der [X.] nicht teilnahm.

2

Am 16. Dezember 2019 buchte der Beklagte den von der Klägerin im Zeitraum vom 22. Mai bis 17. August 2020 veranstalteten Lehrgang "[X.] Module 4-8" ([X.] = geprüfter Fachwirt für Baumpflege und -sanierung). Am 12. Mai 2020 teilte er ihr per E-Mail (Anlage [X.]) Folgendes mit:

"…wie eben am Telefon besprochen, möchte ich hiermit von meiner Anmeldung zum [X.] 4-8 vom 22.05.2020 bis 17.08.2020 zurücktreten. Auf Grund der aktuellen Lage und der bis dato nicht klaren Zusage, ob der Kurs, und wenn ja, in welchem Rahmen stattfinden kann, möchte ich [X.] lieber zu einem anderen Termin machen…"

3

Der Beklagte nahm an dem im vorgesehenen Zeitraum abgehaltenen Unterricht, den er, wie von der Klägerin mit E-Mails vom 18. Mai 2020 (Anlage [X.]) angeboten, wahlweise im Schulungsraum oder - mit Ausnahme praktischer Vorführungen im Freien - per Videoübertragung in benachbarten Räumen oder zu Hause hätte verfolgen können, nicht teil.

4

Die auf Zahlung der gesamten Lehrgangsvergütung in Höhe von 2.310 € zuzüglich vorgerichtlicher Mahn- und Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

5

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

6

Das Berufungsgericht hat einen Zahlungsanspruch der Klägerin aus § 611 Abs. 1 [X.] mit der Begründung verneint, der Beklagte habe den [X.] nach § 626 [X.] wirksam gekündigt.

7

[X.] und die damit einhergehende Gesundheitsgefährdung sei ein zur Kündigung berechtigender wichtiger Grund gewesen. Ein solcher liege in der Regel vor, wenn einem Vertragspartner aus Gründen, die nicht in seinem Verantwortungsbereich lägen, die (weitere) Nutzung der Leistungen des anderen Vertragspartners nicht mehr zuzumuten sei. So sei es hier, da es dem Beklagten im Mai 2020 wegen des potentiell tödlichen Verlaufs der [X.], der nicht ausreichend geklärten Verringerung des Ansteckungsrisikos durch Tragen von Atemschutzmasken und Einhalten von Sicherheitsabständen sowie des Fehlens von Impfstoffen, Test- und wirksamen Behandlungsmöglichkeiten nicht zuzumuten gewesen sei, den angebotenen Lehrgang vor Ort wahrzunehmen.

8

Die erforderliche Interessenabwägung falle zugunsten des Beklagten aus, der bei einer Kursteilnahme vor Ort auf das ordnungsgemäße Verhalten der anderen Teilnehmer angewiesen gewesen wäre. Das Angebot der Klägerin, den Lehrgang per Videoübertragung zu verfolgen, stelle kein einer Präsenzveranstaltung gleichwertiges Kursangebot dar. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin unstreitig den Vorschlag des Beklagten abgelehnt habe, ihn gegen sofortige Zahlung der Vergütung auf [X.] im Folgejahr 2021 umzubuchen.

9

Die zweiwöchige Kündigungsfrist gemäß § 626 Abs. 2 [X.] sei gewahrt, da es sich bei der [X.] um einen zum Kündigungszeitpunkt am 12. Mai 2020 noch nicht beendeten Dauerzustand gehandelt habe.

II.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts genügen nicht, um einen Vergütungsanspruch der Klägerin gemäß § 611 Abs. 1, § 615 Satz 1 [X.] auszuschließen.

1. Nicht zu beanstanden ist allerdings, dass das Berufungsgericht ohne nähere Begründung von einer Kündigungserklärung des Beklagten am 12. Mai 2020 ausgegangen ist. Insoweit liegt entgegen der Ansicht der Revision kein absoluter Revisionsgrund nach § 547 Nr. 6 ZPO vor. Eine Entscheidung ist nicht schon dann im Sinne dieser Vorschrift "nicht mit Gründen versehen", wenn Urteilsgründe unrichtig, unzureichend oder unvollständig sind (vgl. [X.], Urteile vom 26. April 1991 - [X.], NJW 1991, 2761, 2762 und vom 3. Oktober 1980 - [X.], NJW 1981, 1045, 1046), sondern nur, wenn aus ihr nicht zu erkennen ist, welche tatsächlichen Feststellungen und welche rechtlichen Erwägungen für sie maßgebend waren, weil beispielsweise dem Entscheidungstenor gar keine Gründe beigegeben sind, diese ganz unverständlich oder inhaltslos sind oder auf einzelne prozessuale Ansprüche oder einzelne selbständige Angriffs- und Verteidigungsmittel überhaupt nicht eingehen (vgl. [X.], Beschluss vom 21. Dezember 1962 - [X.], [X.]Z 39, 333, 337; [X.]/[X.], ZPO, 34. Aufl., § 547 Rn. 7). Dies ist hier nicht der Fall. Das [X.] hat das erstinstanzliche Urteil gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO unter Bezugnahme auf dessen tatsächliche Feststellungen mit kurzer Begründung bestätigt, soweit das Amtsgericht eine wirksame Kündigung nach § 626 [X.] bejaht hat. Dabei hat es sich ersichtlich dessen ausdrücklich formulierter Ansicht angeschlossen, dass die E-Mail vom 12. Mai 2020 als Kündigungserklärung aufzufassen sei, weil sie die Absicht des Beklagten erkennen lasse, sich von dem Vertrag zu lösen.

Diese tatrichterliche Auslegung hält der eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung stand. Mit ihrem Einwand, dem Beklagten sei es nur um eine Terminsverschiebung, nicht aber um eine endgültige Beendigung der Lehrgangsteilnahme gegangen, übersieht die Revision, dass Vertragsgegenstand nur die Teilnahme an dem Lehrgang "[X.]" im konkret gebuchten Zeitraum gewesen ist.

2. Dagegen hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft die [X.]lage und die damit einhergehende Gesundheitsgefährdung im Mai 2020 als einen den Beklagten zur Kündigung berechtigenden wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 [X.] angesehen.

a) Voraussetzung für eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund ist, dass dem Kündigenden die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zugemutet werden kann. Dies ist im Allgemeinen nur dann anzunehmen, wenn die Gründe, auf die die Kündigung gestützt wird, im Risikobereich des [X.] liegen (Senat, Urteil vom 11. November 2010 - [X.], NJW-RR 2011, 916 Rn. 9; [X.], Urteile vom 19. April 2023 - [X.], juris Rn. 11; vom 9. März 2010 - [X.], NJW 2010, 1874 Rn. 15 und vom 26. September 1996 - I ZR 265/95, [X.]Z 133, 316, 320). Wird der Kündigungsgrund hingegen aus Vorgängen hergeleitet, die dem Einfluss des [X.] entzogen sind und aus der eigenen Interessensphäre des Kündigenden herrühren, rechtfertigt dies nur in Ausnahmefällen die fristlose Kündigung (Senat aaO; [X.], Urteile vom 19. April 2023 aaO; vom 13. Dezember 1995 - [X.], juris Rn. 25 und vom 29. November 1995 - [X.], NJW 1996, 714). Die Abgrenzung der Risikobereiche ergibt sich dabei aus dem Vertrag, dem Vertragszweck und den anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen (Senat aaO; [X.], Urteile vom 19. April 2023 aaO und vom 9. März 2010 aaO). Ob nach diesen Kriterien bestimmte Umstände als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung zu werten sind, hat in erster Linie der Tatrichter zu entscheiden. Die revisionsgerichtliche Kontrolle erstreckt sich allein darauf, ob das [X.] den Rechtsbegriff des wichtigen Grunds richtig erfasst, ob es auf Grund vollständiger Sachverhaltsermittlung geurteilt und ob es in seine Wertung sämtliche Umstände des konkreten Falls einbezogen hat (vgl. Senat, Urteile vom 7. Mai 2020 - [X.], BeckRS 2020, 12789 Rn. 15 und vom 11. November 2010 aaO Rn. 10; [X.], Urteil vom 19. April 2023 aaO Rn. 13).

b) Auch bei Anlegung dieses eingeschränkten revisionsrechtlichen [X.] hat das Berufungsgericht die vorstehend dargelegten Grundsätze verkannt. Denn danach ist ein Kündigungsgrund, anders als im Berufungsurteil ausgeführt, nicht schon dann regelmäßig gegeben, wenn einem Vertragspartner aufgrund nicht in seinem Verantwortungsbereich liegender Umstände die (weitere) Nutzung der Leistungen des anderen Vertragspartners nicht mehr zuzumuten ist. Vielmehr kommt es maßgeblich darauf an, ob diese Umstände dem Risikobereich des [X.] zuzuordnen sind. Dies trifft auf die vom Berufungsgericht als Kündigungsgrund angesehene [X.]lage und die damit einhergehende Gesundheitsgefährdung nicht zu. Insbesondere unterfallen die - auch auf staatliche Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung zurückzuführenden - Folgen der [X.] für die Durchführung des [X.]s, so wie sie sich zum Zeitpunkt der Kündigung am 12. Mai 2020 konkret dargestellt haben, nicht der der Klägerin dienstvertragsrechtlich zugewiesenen [X.]. Nach § 611 Abs. 1 [X.] wird durch den Dienstvertrag derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Grundsätzlich liegt also beim [X.] die Verantwortung für die Erbringung der Dienstleistung, während - wie auch aus § 615 Satz 1 [X.] folgt - das Risiko, sie nicht verwenden zu können, regelmäßig den Dienstberechtigten trifft (vgl. [X.]/[X.], [X.], 82. Aufl., § 615 Rn. 21). Vorliegend hat der gebuchte Lehrgang termingemäß ab dem 22. Mai 2020 in den Räumlichkeiten der Klägerin als Präsenz- und als audiovisuelle Veranstaltung, die die Teilnehmer wahlweise auch zu Hause hätten verfolgen können, stattgefunden, nachdem zuvor der erste sogenannte "[X.]" schrittweise beendet worden war. An diesem Lehrgang hat der Beklagte nicht teilgenommen, wobei er sich vorinstanzlich einerseits auf die in Anbetracht seiner familiären und häuslichen Verhältnisse nicht hinnehmbare Ansteckungsgefahr und andererseits auf das aus seiner Sicht nicht akzeptable Fehlen des unmittelbaren Kontakts zum Dozenten bei einer Videoübertragung in Räumlichkeiten außerhalb des Kursraums berufen hat (vgl. Klageerwiderung [X.] f, [X.]). Auch wenn diese Nichtteilnahme des Beklagten an der durchgeführten Lehrveranstaltung auf der dem Einfluss beider [X.]en entzogenen Covid-19-[X.] beruht, ist sie durch seine eigenen Interessen motiviert und fällt jedenfalls nicht in den der Klägerin dienstvertragsrechtlich zugewiesenen Risikobereich.

c) In einem solchen Fall ist, was das Berufungsgericht nicht beachtet hat, eine Kündigung aus wichtigem Grund nur ausnahmsweise gerechtfertigt, nämlich dann, wenn die Voraussetzungen gegeben sind, die nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zur Lösung vom Vertrag berechtigen (vgl. [X.], Urteil vom 29. November 1995 aaO). Dies kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht angenommen werden.

aa) Die Kündigung aus wichtigem Grund nach Maßgabe der obigen Ausführungen zu Buchstabe a) einerseits und wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage andererseits unterscheiden sich im Anwendungsbereich und im Zumutbarkeitsmaßstab. Die außerordentliche Kündigung eines [X.] nach § 314 [X.] - oder nach dem dieser Vorschrift bei Dienstverträgen als lex specialis vorgehenden, aber in Bezug auf die Anforderungen an einen wichtigen Grund im Wesentlichen inhaltsgleichen § 626 Abs. 1 [X.] (vgl. Senat, Urteil vom 11. November 2020 aaO Rn. 8; BeckOGK/Maties, Stand 1. Januar 2023, [X.] § 611 Rn. 169) - stellt ein vertragsimmanentes Mittel zur Beendigung der Vertragsbeziehung dar. Dagegen handelt es sich bei der Auflösung eines Vertrags wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 [X.] (konkret nach dessen Abs. 3) um eine von vornherein auf besondere Ausnahmefälle beschränkte rechtliche Möglichkeit, die zur Vermeidung untragbarer, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin unvereinbarer Folgen unabweisbar erscheinen muss. An die Vertragsauflösung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage sind daher strengere Anforderungen zu stellen als an die außerordentliche Kündigung eines [X.] (vgl. [X.], Urteile vom 8. Mai 2014 - [X.], juris Rn. 23 und vom 26. September 1996 aaO). Geht es im Einzelfall nicht um eine Anpassung, sondern eine Beendigung des [X.], ist diese über die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung nach § 314 oder § 626 [X.], die der wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 3 Satz 2 [X.] vorgeht, vorzunehmen (vgl. [X.], Urteile vom 8. Mai 2014 aaO Rn. 24 und vom 9. Oktober 1996 - [X.], [X.]Z 133, 363, 369; MüKo[X.]/[X.], 9. Aufl., § 313 Rn. 170). Dabei muss allerdings, soweit sich das Verlangen nach Vertragsauflösung auf einen außerhalb des [X.] beider [X.]en liegenden Umstand stützt, in materieller Hinsicht der wichtige Grund eine Grundlagenstörung und eine - an sich vorrangige - Vertragsanpassung unmöglich oder für den Kündigenden unzumutbar sein. Denn die Anwendung der Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage führt nur ausnahmsweise zur völligen Beseitigung des Vertragsverhältnisses; in aller Regel ist der Vertrag aufrechtzuerhalten und lediglich in einer den berechtigten Interessen beider [X.]en Rechnung tragenden Form der veränderten Sachlage anzupassen. Deshalb ist nicht nur bei der Prüfung des normativen Tatbestandsmerkmals des § 313 Abs. 1 [X.], sondern auch bei der Frage, welche Form der Vertragsanpassung im konkreten Fall angemessen ist, von besonderer Bedeutung, welche Regelung die [X.]en gewählt hätten, wenn sie das Ereignis, das zur Störung der Geschäftsgrundlage geführt hat, bei Vertragsschluss bedacht hätten. [X.] ist eine Vertragsanpassung dann, wenn sie gegenüber dem ursprünglichen Vertrag zu einer Mehrbelastung einer [X.] führen würde, der diese nicht wenigstens hypothetisch bei Vertragsschluss zugestimmt hätte, wenn sie die Grundlagenstörung vorausgesehen hätte. Nur wenn eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar ist, kann nach § 313 Abs. 3 [X.] der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten oder bei Dauerschuldverhältnissen den [X.] ([X.], Urteile vom 11. Januar 2023 - [X.], NJW-RR 2023, 514 Rn. 29 und vom 2. März 2022 - [X.], NJW 2022, 1382 Rn. 35 f mwN). Die Frage, ob und inwieweit gegebenenfalls eine Anpassung des Vertrags möglich und zumutbar ist oder der benachteiligte Vertragspartner eines [X.] das Recht zur Kündigung hat, ist unter Berücksichtigung der Interessen beider [X.]en zu entscheiden. Es genügt nicht, dass ein weiteres Festhalten am Vereinbarten nur für eine [X.] unzumutbar erscheint; vielmehr muss das Abgehen vom Vereinbarten der anderen [X.] auch zumutbar sein (vgl. [X.] Urteile vom 11. Januar 2023 aaO und vom 11. Januar 2018 - [X.]/17 - NJW-RR 2018, 877 Rn. 16 mwN).

bb) Die Covid-19-[X.] war während der Dauer des staatlich angeordneten und zeitweilig zum Erliegen ganzer Wirtschaftszweige führenden ersten (und möglicherweise der nachfolgenden weiteren) "Lockdowns" eine sogenannte "große" Störung der Geschäftsgrundlage und damit der Erwartung der vertragsschließenden [X.]en, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und [X.] Rahmenbedingungen des Vertrags nicht durch Ereignisse wie beispielsweise [X.], Hyperinflation oder ([X.] (also auch Seuchen) ändern und die Sozialexistenz nicht erschüttert werde (vgl. [X.], Urteile vom 2. März 2022, aaO Rn. 30 und vom 12. Januar 2022 - [X.], [X.]Z 232, 178 Rn. 45). Ob die pandemische Lage darüber hinaus auch außerhalb der wiederkehrenden "Lockdowns" noch zu einer Störung der Geschäftsgrundlage geführt hat, kann nicht allgemein, sondern jeweils nur auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen zu den Umständen des konkreten Vertragsverhältnisses beantwortet werden. Aber selbst wenn man die [X.]lage auch nach dem Ende des ersten "Lockdowns" Anfang Mai 2020 mit ihren zum Kündigungszeitpunkt noch bestehenden Auswirkungen als Grundlagenstörung in Bezug auf das konkrete Vertragsverhältnis ansehen würde, kann der Beklagte darauf kein Kündigungsrecht stützen.

Denn nach dem bisherigen Sach- und Streitstand ist eine Anpassung des [X.]s als milderes Mittel weder unmöglich noch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und Abwägung der beiderseitigen Interessen - bei Anlegung des strengeren Zumutbarkeitsmaßstabs des § 313 [X.] - für den Beklagten unzumutbar gewesen. Indem das Berufungsgericht darauf verwiesen hat, dass es bei einer Kursteilnahme vor Ort auf das ordnungsgemäße Verhalten der anderen Teilnehmer angekommen wäre, eine Videoübertragung nach eigenem tatrichterlichen Erfahrungswissen kein einer Präsenzveranstaltung gleichwertiges Kursangebot darstelle und die Verweigerung einer Umbuchung des Beklagten auf [X.] im Folgejahr zu Lasten der Klägerin gehe, hat es diesen Maßstab verkannt und rechtsfehlerhaft zu geringe Anforderungen an die - vom Kündigenden darzulegende und zu beweisende - [X.]keit einer Anpassung gegenüber einer sofortigen Auflösung des Vertrags gestellt.

So hat nicht schon die - stets bestehende - abstrakte Möglichkeit, dass andere Menschen sich nicht an gesetzliche oder [X.] Regeln, hier vor allem an die weiter geltenden Abstands-, Hygiene- und Maskentragungsregeln, halten würden, die Teilnahme an der im betreffenden Zeitraum wieder erlaubten Präsenzveranstaltung von vornherein unzumutbar gemacht, zumal das Berufungsgericht Anhaltspunkte dafür, dass die Teilnehmer des vom Beklagten gebuchten Lehrgangs sich gegebenenfalls trotz Ermahnungen so verhalten würden, nicht festgestellt hat.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass es dem Beklagten nicht zuzumuten gewesen wäre, zur wirksamen Verringerung einer Ansteckungsgefahr den Unterricht per Videoübertragung zu Hause zu verfolgen und vor Ort nur an den beiden praktischen Vorführungen im [X.] unter Einhaltung eines genügenden Abstands zu anderen Personen teilzunehmen. Dafür hat das Berufungsgericht ebenfalls keine konkreten Umstände, sondern lediglich den - wie die Revision mit Recht rügt - nicht näher belegten pauschalen Erfahrungssatz angeführt, wonach eine Fortbildung, die nur online verfolgt werden könne, einer Präsenzveranstaltung nicht gleichwertig sei. Selbst wenn eine [X.] mit gewissen Qualitätsabstrichen gegenüber einer Präsenzveranstaltung verbunden gewesen sein sollte, bedeutet dies noch nicht, dass die Kursteilnahme per Video für den Beklagten nach dem für die Vertragsauflösung erforderlichen Maßstab unzumutbar war. Aus dem bisherigen Vortrag des Beklagten ergibt sich dies nicht. So ist insbesondere unklar, ob die Lehrinhalte des Kurses, soweit er nicht im [X.] abgehalten wurde, in der [X.] nicht oder nur untauglich vermittelt werden konnten.

Schließlich war die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für den Beklagten auch nicht deshalb unzumutbar, weil die Klägerin sein Angebot ablehnte, [X.] gegen sofortige Entrichtung des [X.] auf das Folgejahr umzubuchen. Die Klägerin konnte angesichts der im Mai 2020 fortbestehenden und sich seinerzeit unvorhersehbar entwickelnden [X.]lage nicht gewährleisten, dass sie im [X.] in der Lage sein würde, [X.] erneut anzubieten.

3. Die Sache ist nicht gemäß § 563 Abs. 3 ZPO zugunsten der Klägerin zur Endentscheidung reif, weil der Beklagte mit der Kündigungserklärung vom 12. Mai 2020 die zweiwöchige Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 [X.] versäumt hätte. Ein Dauerzustand, vor dessen Beendigung die Frist nicht beginnt (vgl. [X.], Urteil vom 20. Juni 2005 - [X.], [X.], 3069, 3070; [X.], Urteil vom 27. April 2021 - 2 [X.], juris Rn. 42), ist nach der Rechtsprechung des [X.] gegeben, wenn fortlaufend neue Tatsachen eintreten, die für die Kündigung maßgebend sind, nicht aber, wenn ein bereits abgeschlossener Tatbestand nur noch fortwirkt (vgl. [X.], Urteile vom 15. März 1984 - 2 [X.], juris Rn. 66 und vom 21. Dezember 1983 - 7 [X.], juris Rn. 21). Zwar dürfte der Beklagte nach den Darlegungen der Revision spätestens seit dem 25. März 2020, an dem der [X.] eine "Epidemische Lage von nationaler Tragweite" festgestellt hat (vgl. [X.]. 19/154 S. 19169C; BT-Drucks. 19/24387 [X.]), Kenntnis von der in seiner E-Mail vom 12. Mai 2020 erwähnten "aktuellen Lage" gehabt haben. Allerdings gründet sich die vom Beklagten angestrebte Vertragsauflösung nach dem Inhalt seiner Kündigungserklärung nicht auf die [X.] und die damit verbundenen Gesundheitsgefährdungen als solche, sondern auf die konkreten pandemiebedingten Auswirkungen auf den zwischen den [X.]en abgeschlossenen ([X.]. Diese veränderten sich, bedingt durch die dynamische Entwicklung der Infektionszahlen und durch Beginn und Ende des ersten "Lockdowns" im Frühjahr 2020 fortwährend, was einen damals noch nicht abgeschlossenen Dauerzustand begründete, der laufend neue Tatsachen hervorbrachte, die zum Anlass für eine auf Zumutbarkeitserwägungen gegründete Vertragskündigung hätten genommen werden können (vgl. [X.], Urteil vom 27. Juni 1980 aaO).

4. Nach alldem ist das Berufungsurteil gemäß § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird gegebenenfalls auch im Hinblick auf die - aus seiner Sicht folgerichtig - bislang unberücksichtigt gebliebenen Regelungen des § 615 Satz 1 und 2 [X.] zum Vergütungsanspruch des [X.] bei Annahmeverzug des Dienstberechtigten den [X.]en Gelegenheit zu ergänzendem Sachvortrag geben und erforderlichenfalls weitere Feststellungen zu treffen haben.

 

Remmert     

  

Arend     

  

Böttcher

  

Kessen     

  

Herr     

  

Meta

III ZR 73/22

01.06.2023

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Landshut, 20. April 2022, Az: 13 S 2736/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 01.06.2023, Az. III ZR 73/22 (REWIS RS 2023, 4215)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4215

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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