Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.09.2014, Az. 2 StR 269/14

2. Strafsenat | REWIS RS 2014, 3012

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Gegenstand

Strafverfahren wegen besonders schweren Raubes und Freiheitsberaubung: Aufhebung der Fortbewegungsfreiheit bei Fesselung der Hände; Zurücktreten der Freiheitsberaubung im Wege der Gesetzeskonkurrenz


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten B.     wird das Urteil des [X.] vom 22. Januar 2014, auch soweit es die nicht revidierenden Angeklagten S.    und [X.]     betrifft,

a) im Schuldspruch im Fall der Urteilsgründe dahin abgeändert, dass die Angeklagten des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig sind,

b) im Ausspruch über die Einzelstrafen im Fall II.1. der Urteilsgründe und

c) im Ausspruch über die Gesamtstrafen aufgehoben.

2. Auf die Revision des Angeklagten A.    wird das vorgenannte Urteil, soweit es diesen Angeklagten betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

4. Die weiter gehende Revision des Angeklagten B.     wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den [X.]und den [X.] S.     jeweils wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und in weiterer Tateinheit mit Freiheitsberaubung in zwei Fällen verurteilt, den [X.] [X.]               wegen einer solchen Tat. Gegen den [X.]hat das [X.] unter Einbeziehung der Strafen aus zwei früheren Urteilen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten, gegen den [X.] S.     unter Einbeziehung von Strafen aus zwei früheren Urteilen eine solche von elf Jahren und sechs Monaten und gegen den [X.] [X.]               unter Einbeziehung der Strafe aus einem früheren Urteil eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verhängt. Den Angeklagten [X.]hat es wegen [X.]ihilfe zum schweren Raub zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.

2

Das [X.] hat hinsichtlich aller Angeklagten eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung festgestellt. Zugunsten des Angeklagten [X.]hat es deshalb angeordnet, dass ein Monat der verhängten Freiheitsstrafe als vollstreckt gilt.

3

Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten B.    und [X.]mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel des Angeklagten B.    führt zu einer Änderung des [X.]uldspruchs zu Fall der Urteilsgründe dahin, dass die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Freiheitsberaubung entfällt, ferner zur Aufhebung der dafür verhängten [X.] und der Gesamtstrafe. Insoweit ist die [X.] auf die [X.] zu erstrecken. Die Revision des Angeklagten [X.]führt zur Aufhebung des Urteils, soweit es ihn betrifft.

I.

4

Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

5

1. In der Nacht vom 12. zum 13. September 2010 überfielen die maskierten und mit Reizstoffsprühgeräten sowie mit einer Spielzeugpistole ausgerüsteten Angeklagten B.    , S.     und [X.]                die Angestellten des [X.] in [X.].   . Der Angeklagte S.     bedrohte die [X.].      und [X.]      mit der Pistole, die [X.]und [X.]                jeweils mit Reizstoffsprühgeräten, die sie im Anschlag hielten. Die Angeklagten fesselten die Zeuginnen so mit Kabelbindern, dass sie schmerzhafte Einschnürungen an den Handgelenken erlitten. Der [X.]    zog die Zeugin [X.].     an den Haaren und schüttelte sie, bis sie dazu bereit war, die Kasse zu öffnen. Aus der Kasse nahmen die Täter 155 Euro Wechselgeld weg, ferner entnahmen sie den Portemonnaies der Zeuginnen deren [X.]rgeld von 150 Euro. Dann entfernten sie sich vom [X.]. Nachdem sie festgestellt hatten, dass sie ein Reizstoffsprühgerät am [X.] vergessen hatten, drang der [X.]     durch ein Fenster nochmals in das Gebäude ein, um das Gerät zu holen. Die Zeuginnen hatten sich unter der Ladeneinrichtung versteckt, wurden vom [X.]nicht mehr entdeckt und dieser nahm an, dass sie in der Zwischenzeit geflohen seien.

6

2. Am 13. Dezember 2010 überfielen die [X.]und S.     ein [X.]kleidungsgeschäft in M.    . Der [X.]     führte dabei eine funktionsfähige [X.] als Drohmittel mit. Die maskierten Täter überwältigten und fesselten die Zeuginnen [X.]und [X.].       an Händen und Füßen. Mit Hilfe eines [X.]lüssels der Zeugin [X.]     öffnete der [X.]     [X.], in dem sich der [X.]lüssel zu [X.] befand. Daraus nahmen die Täter rund 32.000 Euro weg.

7

Hinweise auf die Öffnungszeiten des Geschäfts, das Personal, die [X.] und eine Alarmvorrichtung hatte der Angeklagte [X.] als Angestellter des [X.] in früheren Gesprächen mit dem [X.]erteilt. Der [X.]     hatte [X.] "berichtet, dass er eine Pistole habe, die er einsetzen wollte, um jede Gegenwehr zu unterbinden und somit an die Tresorbestände zu gelangen". Auch wenn der Angeklagte [X.] "nicht von einer echten und damit 'scharfen' Waffe ausging, war er sich darüber im Klaren, dass seine Kolleginnen hiermit in Todesangst versetzt werden sollten".

8

3. Das [X.] hat die Angeklagten B.    , [X.]und [X.]                im Fall der Urteilsgründe wegen Verwendens der Reizstoffsprühgeräte als Drohmittel, die [X.]und S.     auch im Fall II.2. wegen Verwendens einer funktionsfähigen Gasdruckpistole des besonders schweren Raubes gemäß §§ 249, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB und in weiterer Tateinheit mit Freiheitsberaubung gemäß § 239 Abs. 1 StGB schuldig gesprochen. Dem Angeklagten [X.] als Gehilfen hat es nach dessen Vorstellung im Fall II.2. die Verwendung einer Pistole als [X.]einwaffe zugerechnet und ihn deshalb wegen [X.]ihilfe zum schweren Raub im Sinne der §§ 249, 250 Abs. 1 Nr. 1b, 27 StGB verurteilt.

II.

9

Die Revision des [X.]ist begründet, soweit im Fall tateinheitlich eine Freiheitsberaubung angenommen wurde. Wird das Opfer eines Raubüberfalls nur an den Händen gefesselt, liegt darin noch keine Freiheitsberaubung, weil diese Fesselung nicht die Fortbewegungsfreiheit aufhebt. Soweit das Opfer während des Raubüberfalls daran gehindert wird, diesen Ort zu verlassen, tritt der Tatbestand der Freiheitsberaubung im Wege der [X.] hinter den Tatbestand des Raubes zurück, da die Freiheitsberaubung insoweit nur das Mittel zur [X.]gehung des Raubes ist (vgl. [X.], [X.]schluss vom 30. Oktober 2007 - 4 StR 470/07).

Nach den Feststellungen lag im Fall keine Aufhebung der Fortbewegungsfreiheit vor, weil die Zeuginnen sich unter der Ladeneinrichtung verstecken konnten, so dass der [X.]     auch glaubte, sie seien geflohen. Anders als im Fall II.2. ist eine Fesselung an den Füßen nicht festgestellt.

Der Senat ändert den [X.]uldspruch dahin, dass die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Freiheitsberaubung entfällt. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen.

Die Änderung des [X.]uldspruchs zwingt zur Aufhebung der [X.] im Fall weil das [X.] die tateinheitliche Verwirklichung einer Freiheitsberaubung als Strafschärfungsgrund hervorgehoben hat. Der Wegfall der [X.] führt zur Aufhebung der Gesamtstrafe.

Eine Aufhebung von Feststellungen ist nicht erforderlich.

Die [X.] weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des [X.]auf.

III.

Der genannte Rechtsfehler im Fall [X.] der Urteilsgründe betrifft in gleicher Weise die Angeklagten [X.]  und [X.]         , die keine Revision eingelegt haben. Daher ist die Erstreckung der [X.] auf sie gemäß § 357 StPO geboten.

IV.

Die Verurteilung des Angeklagten [X.]wegen [X.]ihilfe zum schweren Raub hat keinen [X.]stand, weil die Feststellung, der Angeklagte [X.] sei über den Einsatz einer Pistole unterrichtet worden und habe daher den Gehilfenvorsatz zur [X.]gehung eines schweren Raubes durch die [X.]und [X.]unter Verwendung einer [X.]einwaffe gehabt, nicht rechtsfehlerfrei belegt wurde.

Der Einlassung des [X.]war nicht zu entnehmen, dass er dem Angeklagten [X.] gesagt hatte, er werde eine Pistole mitführen und als Drohmittel verwenden. Auch der Angeklagte [X.] hat eine solche Äußerung nicht eingeräumt. Das [X.] hat gleichwohl angenommen, dass er über die wesentlichen Umstände des geplanten Tatablaufs im Bilde gewesen sei. Dies habe die Tatsache eingeschlossen, dass zumindest ein Gegenstand, der einer echten [X.]usswaffe ähnlich sehen sollte, als Drohmittel vorgesehen war. Es sei nach [X.]merkungen des Angeklagten [X.] in seiner Einlassung darum gegangen, den Angestellten des [X.] Angst zu machen. [X.]on dies deute darauf hin, dass die Verwendung einer [X.]einwaffe vorgesehen war, "da es sich hierbei um ein äußerst naheliegendes Mittel handelt, die Überfallopfer in Angst - nämlich um das eigene Leben - zu versetzen". Zudem dränge sich angesichts der sonstigen Informationen der [X.]luss auf, dass der [X.]     von sich aus oder auf Nachfrage des Angeklagten [X.] von dem geplanten Einsatz einer Pistole gesprochen habe. Zu seinen Gunsten sei allerdings davon auszugehen, dass dabei keine Angabe zur Funktionsfähigkeit der [X.] gemacht wurde.

Diese Überlegung ist widersprüchlich. Die Feststellung, der [X.]     habe den Pistoleneinsatz ausdrücklich erwähnt, wird von dem Hauptargument der [X.] in ihren [X.]weisgründen, angesichts des Tatplans den Angestellten "Angst" zu machen, habe der Angeklagte [X.] darauf geschlossen, es solle eine Pistole als Drohmittel eingesetzt werden, widerlegt. Eine solche [X.]lussfolgerung des Angeklagten [X.] wäre entbehrlich gewesen, wenn der [X.]     den Einsatz der Pistole ausdrücklich angekündigt hätte.

Die anschließende Hilfsüberlegung der [X.], angesichts der sonst besprochenen Tatumstände sei es nahe liegend gewesen auch zu besprechen, womit die Haupttäter den Raubopfern "Angst machen" wollten, rechtfertigt nicht die Feststellung der Hilfstatsache für den Gehilfenvorsatz zum schweren Raub, dass der [X.]     das Mitführen der Pistole ausdrücklich erwähnt habe. Dies gilt besonders deshalb, weil die [X.] zugleich Zweifel an der [X.]zeichnung der Qualität der Pistole nicht überwinden konnte.

Ist demnach der [X.] nicht ausreichend belegt, muss der [X.]uldspruch im Ganzen aufgehoben werden.

Fischer                              Appl                        Krehl

                Eschelbach                        Ott

Meta

2 StR 269/14

11.09.2014

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Darmstadt, 22. Januar 2014, Az: 400 Js 29131/11 - 9 KLs

§ 239 Abs 1 StGB, § 249 StGB, § 250 Abs 2 Nr 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.09.2014, Az. 2 StR 269/14 (REWIS RS 2014, 3012)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3012

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

1 StR 424/18

2 StR 92/17

2 StR 269/14

21 KLs-15 Js 825/19-8/20

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