Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26.04.2011, Az. 7 B 34/11

7. Senat | REWIS RS 2011, 7281

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Gegenstand

Zulässigkeit des Austausches der Begründung eines belastenden Verwaltungsakts durch die Widerspruchsbehörde


Gründe

I.

1

Der Kläger wendet sich gegen die Eintragung seines Fachwerkhauses in die Denkmalliste. Im angefochtenen [X.]escheid begründete die [X.]eklagte die Denkmalwürdigkeit des Gebäudes mit ortsgeschichtlichen, städtebaulichen und hauskundlichen Gründen. Sie nahm dabei [X.]ezug auf eine Stellungnahme der beigeladenen Fachbehörde. Darin ging diese davon aus, dass das in zwei [X.]auphasen errichtete [X.] seine jetzige Gestalt erhalten habe. In einer im Widerspruchsverfahren vorgelegten weiteren Stellungnahme korrigierte die Fachbehörde diese Annahme und datierte die zweite [X.]auphase, in der das Haus wesentlich vergrößert worden sei, auf die [X.] vor 1876, bestätigte aber den Denkmalwert des Gebäudes; auf diese Stellungnahme verwies die Widerspruchsbehörde im Widerspruchsbescheid. Der hiergegen erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht statt. Der angefochtene [X.]escheid sei wegen eines beachtlichen [X.]egründungsmangels, der auch nicht geheilt worden sei, rechtswidrig. Im [X.]escheid seien keine für die Erhaltung und Nutzung des [X.] benannt, die der zuletzt festgestellten [X.]augeschichte Rechnung trügen. Die erforderliche [X.]egründung sei im Widerspruchsverfahren nicht nachgeholt worden. Im gerichtlichen Verfahren sei die [X.]egründung in unzulässiger Weise ausgetauscht worden. Auf die [X.]erufung des [X.]eklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die [X.]eklagte habe das Fachwerkhaus zu Recht als Denkmal eingestuft. Der angefochtene [X.]escheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids enthalte die nach § 39 Abs. 1 VwVfG [X.] erforderliche [X.]egründung. Für die formelle Rechtmäßigkeit sei ohne [X.]elang, ob die angeführten Gründe die Unterschutzstellung letztlich trügen. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Eintragung in die Denkmalliste lägen vor. Die Denkmalwürdigkeit stehe zur Überzeugung des Senats fest.

2

Das Oberverwaltungsgericht hat die [X.]erufung gegen sein Urteil nicht zugelassen; hiergegen richtet sich die [X.]eschwerde des [X.].

II.

3

Die [X.]eschwerde ist unzulässig. Das Vorbringen des [X.] führt auf keinen der von ihm in Anspruch genommenen Zulassungsgründe; es genügt den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht.

4

1. Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nur dann ordnungsgemäß bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird. Das leistet der Kläger nicht. Er verkennt, dass die genannte gesetzliche Regelung nur Verstöße des [X.] gegen Vorschriften des gerichtlichen Verfahrensrechts erfasst, also Fehler, die das Gericht bei der Handhabung seines Verfahrens begeht und die folglich den Weg zur abschließenden Sachentscheidung und die Art und Weise ihres Erlasses, nicht aber deren Inhalt betreffen (vgl. [X.]eschlüsse vom 2. November 1995 - [X.]VerwG 9 [X.] - [X.] 310 § 108 VwGO Nr. 266 und vom 18. Juni 2007 - [X.]VerwG 2 [X.] 36.07 - juris Rn. 5). Die vom Kläger im [X.] an die Ausführungen des Verwaltungsgerichts gerügten Mängel des vorausgegangenen Verwaltungsverfahrens sind Gegenstand der materiell-rechtlichen [X.]eurteilung des Gerichts. Sie bleiben demnach grundsätzlich außer [X.]etracht (vgl. schon Urteil vom 4. Dezember 1959 - [X.]VerwG 6 [X.] - [X.]VerwGE 10, 37 <43> = [X.] 234 § 62 G 131 Nr. 11 sowie [X.]eschluss vom 8. Januar 2009 - [X.]VerwG 7 [X.] - [X.] 11 Art. 140 GG Nr. 77) und können nur ausnahmsweise als gerichtliche Verfahrensmängel angesehen werden, wenn sie sich auf das gerichtliche Verfahren, auf die verfahrensrechtliche Stellung und [X.]ehandlung des [X.]eteiligten in diesem Verfahren auswirken (vgl. [X.]eschlüsse vom 7. Dezember 1983 - [X.]VerwG 7 [X.] 159.83 - [X.] 451.171 AtG Nr. 13 und vom 1. Juni 1995 - [X.]VerwG 5 [X.] 30.95 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 7). Solche [X.]esonderheiten liegen hier ersichtlich nicht vor.

5

2. Mit der auf Fehler des behördlichen Verfahrens bezogenen Grundsatzrüge dringt der Kläger ebenso wenig durch. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer [X.]edeutung über den der [X.]eschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. An der entsprechenden Darlegung fehlt es.

6

Der Kläger möchte sinngemäß die Frage geklärt wissen, ob die Widerspruchsbehörde die von der Ausgangsbehörde zur [X.]egründung der [X.] angeführten Annahmen im Laufe des Verwaltungsverfahrens austauschen darf. [X.] Überprüfung zugänglich ist nach § 137 Abs. 1 VwGO allein die auf die allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Anforderungen bezogene Frage der Zulässigkeit des [X.] der [X.]egründung eines belastenden Verwaltungsakts durch die Widerspruchsbehörde. Ein Klärungsbedarf wird insoweit indessen nicht aufgezeigt; denn die Frage ist auf der Grundlage der einschlägigen gesetzlichen [X.]estimmungen ohne Weiteres zu bejahen.

7

Im Rahmen ihrer Entscheidungsbefugnis nimmt die Widerspruchsbehörde gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO bei Erlass des Widerspruchsbescheids nach § 73 Abs. 1 Satz 1 VwGO eine umfassende Überprüfung der Rechtmäßigkeit sowie bei Ermessensentscheidungen - vorbehaltlich von Sonderregelungen bei Selbstverwaltungsangelegenheiten - der Zweckmäßigkeit des [X.] vor. Eine [X.]indung an die Rechtsauffassung und die Sachverhaltsfeststellungen der Ausgangsbehörde besteht dabei nicht, sodass die Widerspruchsbehörde deren Entscheidung ggf. auch mit abweichenden Erwägungen bestätigen kann. Für die gerichtliche Nachprüfung der [X.]ehördenentscheidung ist dann der Widerspruchsbescheid von maßgeblicher [X.]edeutung. Ausgangs- und [X.] stellen zwar zwei Verwaltungsverfahren dar. Diese bilden aber eine Einheit, denn gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO gibt erst der Widerspruchsbescheid der behördlichen Entscheidung die für das gerichtliche Verfahren maßgebliche Gestalt. Das gilt auch dann, wenn der Widerspruchsbescheid den [X.] unverändert lässt; in dieser Situation kommt es für die Überprüfung der formellen Rechtmäßigkeit in [X.]ezug auf die [X.]estimmtheits- und [X.]egründungsanforderungen ebenfalls auf die Gestalt an, die der ursprüngliche Verwaltungsakt durch den Widerspruchsbescheid erhalten hat (Urteil vom 29. Juni 2006 - [X.]VerwG 7 [X.] 14.05 - [X.] 310 § 162 VwGO Nr. 42; [X.]eschluss vom 30. April 1996 - [X.]VerwG 6 [X.] 77.95 - [X.] 310 § 79 VwGO Nr. 32). Die daran anschließende Frage, ob der angefochtene [X.]escheid materiell rechtmäßig oder rechtswidrig ist, richtet sich nach dem Recht, das geeignet ist, die getroffene Regelung zu rechtfertigen. Erweist sie sich aus anderen als in dem [X.]escheid angegebenen Gründen als rechtmäßig, ohne dass sie durch den Austausch der [X.]egründung in ihrem Wesen geändert würde, ist der Verwaltungsakt im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht rechtswidrig (vgl. Urteile vom 19. August 1988 - [X.]VerwG 8 [X.] 29.87 - [X.]VerwGE 80, 96 <98> = [X.] 406.11 § 135 [X.][X.]auG[X.] Nr. 30 und vom 31. März 2010 - [X.]VerwG 8 [X.] 12.09 - [X.] 451.20 § 33c [X.] Nr. 8).

Meta

7 B 34/11

26.04.2011

Bundesverwaltungsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 18. Januar 2011, Az: 10 A 7/08, Urteil

§ 68 Abs 1 S 1 VwGO, § 73 Abs 1 VwGO, § 79 Abs 1 Nr 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26.04.2011, Az. 7 B 34/11 (REWIS RS 2011, 7281)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7281

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9 C 4/11 (Bundesverwaltungsgericht)


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Wird zitiert von

6 A 11730/17

1 K 1001/17.MZ

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