Bundesfinanzhof, Urteil vom 04.05.2021, Az. VIII R 17/18

8. Senat | REWIS RS 2021, 6214

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Gegenstand

(Teilweise inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 4.5.2021 VIII R 14/20 - Besteuerung von Anteilszuteilungen durch eine EU-Kapitalgesellschaft - steuerneutrale Kapitalmaßnahmen i.S. des § 20 Abs. 4a EStG - Nachweis der Einlagenrückgewähr im Steuerfestsetzungsverfahren des Anteilseigners)


Leitsatz

1. Ein ausländischer Vorgang ist dann nicht mit einer Abspaltung i.S. des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG vergleichbar, wenn es an einer Übertragung von Vermögensteilen gegen Gewährung von Anteilen des übernehmenden Rechtsträgers an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers fehlt.

2. Die Ermittlung der Höhe des Kapitalertrags ist nicht bereits deshalb unmöglich i.S. des § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG, weil die Anteile von einer ausländischen Gesellschaft zugeteilt werden (entgegen BMF-Schreiben vom 18.01.2016, BStBl I 2016, 85, Rz 111).

3. Die Voraussetzungen des § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG liegen jedenfalls dann nicht vor, wenn die Steuerbarkeit der Anteilszuteilung dem Grunde nach --wegen der Fiktion des § 27 Abs. 8 Satz 9 KStG-- und der Höhe nach --wegen eines vorhandenen Börsenkurses der zugeteilten Anteile-- feststeht.

4. Es ist fraglich, ob die Regelung des § 27 Abs. 8 Satz 9 KStG, die keine individuelle Nachweismöglichkeit einer Einlagenrückgewähr für Anteilseigner von EU-Kapitalgesellschaften im Veranlagungsverfahren vorsieht, unter Berücksichtigung der EuGH-Rechtsprechung mit den Vorgaben der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) zu vereinbaren ist (Fortentwicklung des Senatsurteils vom 27.10.2020 - VIII R 18/17, BFHE 270, 495).

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des [X.] vom 28.02.2018 - 9 K 2117/16 E aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten um die einkommensteuerliche Behandlung der von einer ausländischen Kapitalgesellschaft vorgenommenen Zuteilung von Aktien an einem anderen Unternehmen, die mit einer Zuzahlung verbunden war.

2

Die für das [X.] (Streitjahr) zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Kläger und Revisionskläger (Kläger) hielten über ihre Depotbank seit mindestens dem 31.12.2008 ... Aktien der Firma [X.] ([X.]), einer AG nach dem Recht [X.]. [X.] war (mittelbar) zu 100 % an der [X.] 4 Ltd. beteiligt, die ihrerseits wiederum unmittelbar an der [X.] Americas Finance 1 beteiligt war. Die [X.] Americas Finance 1 hielt (mittelbar) 45 % der Anteile an dem [X.] Unternehmen [X.]. Mit [X.] veräußerte die [X.] 4 Ltd. ihre Beteiligung an der [X.] Americas Finance 1 an die [X.] ([X.]) gegen Zahlung eines Geldbetrages zuzüglich Anteilen an der [X.]; die Gegenleistung der [X.] betrug ca. ... US-$.

3

An diesem Erlös wollte [X.] ihre Aktionäre --vorbehaltlich der Zustimmung des High Court of Justice of England and Wales-- im Rahmen eines sog. Return of Value, technisch umgesetzt durch ein sog. "Scheme of Arrangement", teilhaben lassen. In der Hauptversammlung der [X.] vom 28.01.2014 wurde sodann beschlossen, dass die Aktionäre an rund ... US-$ des Verkaufserlöses beteiligt werden sollten. Auf Grundlage dieser Beschlüsse kam es bei den Klägern im Streitjahr zu folgenden Vorgängen:

4

Die Kläger erhielten ... [X.]-Aktien zugeteilt, die auf ihrem Depot eingebucht wurden. Sie hatten nicht die (Wahl-)Möglichkeit, anstelle der Zuteilung von [X.]-Aktien nur eine Barausschüttung zu erhalten. Die Depotbank behielt --ausgehend von einem unstreitigen Börsenkurs im Zeitpunkt der Einbuchung in Höhe von 33,7306 € je [X.]-Aktie-- bei einem Börsenwert der [X.]-Aktien in Höhe von insgesamt ... € Kapitalertragsteuer in Höhe von ... € sowie Solidaritätszuschlag in Höhe von ... € ein.

5

Des Weiteren erhielten die Kläger eine Gutschrift in Höhe von umgerechnet ... €. Davon behielt die Depotbank Kapitalertragsteuer in Höhe von ... € sowie Solidaritätszuschlag in Höhe von ... € ein.

6

Darüber hinaus wurden die [X.]-Aktien im Verhältnis 11 zu 6 zusammengelegt (sog. reverse split). Die Kläger erhielten für ... alte ... neue [X.]-Aktien. Die Depotbank behielt insofern keine Steuerbeträge ein.

7

In der Jahressteuerbescheinigung der Depotbank für das Streitjahr waren die vorgenannten Beträge als steuerpflichtige Kapitalerträge ausgewiesen. Die Kläger, nach deren Auffassung die Zuteilung der [X.]-Aktien und die Gutschrift steuerneutral zu behandeln seien, beantragten in ihrer Einkommensteuererklärung die Überprüfung des [X.] für Kapitalerträge gemäß § 32d Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr anzuwendenden Fassung (EStG) sowie die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) folgte dem nicht, sondern rechnete die einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer lediglich auf die festgesetzte Einkommensteuer an, der die strittigen Kapitaleinkünfte zugrunde gelegt worden waren. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht ([X.]) Münster wies die Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2018, 1265 mitgeteilten Gründen ab.

8

Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügen. Die Zuteilung der [X.]-Aktien, die zusätzlich erhaltene Gutschrift und die Zusammenlegung der [X.]-Aktien seien als einheitliches Tauschgeschäft, zu dessen Auslegung der Begriff in § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG herangezogen werden könne, zu qualifizieren. Hierfür spreche, dass die [X.]-Stammaktien, der Barausgleich und die neuen [X.]-Aktien exakt dem Wert entsprachen, den die [X.]-Aktien vor den Kapitalmaßnahmen hatten. Daher handele es sich wirtschaftlich lediglich um eine Vermögensumschichtung. Dieses Tauschgeschäft unterliege wegen des Ablaufs der Jahresfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes in der am 01.01.1999 geltenden Fassung (EStG 1999) nicht der Einkommensteuer. Hilfsweise seien die Vorgänge steuerneutral zu behandeln, da sie nach § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG im Wege der Abspaltung erfolgt seien. Entgegen der Auffassung des [X.] sei die Vorschrift auch anwendbar, wenn die Abspaltung innerhalb des Konzerns und nicht auf der "Ebene" des Anlegers erfolge. Würden zusammen mit der Abspaltung Barauszahlungen vorgenommen, seien diese steuerneutral zu behandeln, wenn die Aktien vor dem 01.01.2009 erworben und steuerentstrickt seien. Zudem lägen auch die Voraussetzungen des § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG vor, so dass die Kapitalerträge insoweit mit 0 € anzusetzen seien. In [X.] gelte uneingeschränkt die Vermutung, dass eine Wertermittlung nicht möglich sei. Für diese Auslegung spreche auch das Schreiben des [X.] ([X.]) vom 18.01.2016 - IV C 1-S 2252/08/10004:017 (BStBl I 2016, 85, Rz 111).

9

Die Kläger beantragen,
die Vorentscheidung aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2014 vom 28.04.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.06.2016 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte, die nach § 32d Abs. 1 EStG besteuert werden, um ... € ermäßigt werden.

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass nach inländischem Recht die Ausschüttungen der [X.] nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG der Einkommensteuer unterliegen und nicht nach § 20 Abs. 4a EStG steuerneutral zu behandeln sind. Der [X.] hat jedoch Zweifel, ob die Regelung des § 27 Abs. 8 Satz 9 des Körperschaftsteuergesetzes in der für das Streitjahr anzuwendenden Fassung ([X.]), die keine individuelle Nachweismöglichkeit einer Einlagenrückgewähr für Anteilseigner von [X.] im Veranlagungsverfahren vorsieht, mit dem Unionsrecht zu vereinbaren ist. Die Sache ist nicht spruchreif. Die tatsächlichen Feststellungen des [X.] reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob ein --durch die Kläger selbst erbrachter-- individueller Nachweis einer Einlagenrückgewähr offensichtlich ausscheidet und die Klage abzuweisen oder das Revisionsverfahren --bei einem Nachweis der Einlagenrückgewähr entsprechend der im Urteil des [X.] ([X.]) vom 10.04.2019 - I R 15/16 ([X.]E 265, 56, Rz 27) aufgestellten [X.] nach § 74 [X.]O auszusetzen und ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] ([X.]) einzuleiten ist.

1. Das [X.] ist zunächst ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die Zuteilung der [X.]-Aktien und die Gutschrift an die Kläger gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG der Einkommensteuer unterliegen.

a) Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen u.a. Gewinnanteile (Dividenden), Ausbeuten und sonstige Bezüge aus Aktien. Unerheblich ist es insofern, ob es sich bei der ausschüttenden Gesellschaft um eine in- oder ausländische handelt (vgl. [X.]-Urteil vom 20.10.2010 - I R 117/08, [X.]E 232, 15, Rz 13, m.w.N.). Mit der Gutschrift bzw. Einbuchung der [X.]-Aktien auf ihrem Depot sind den Klägern Kapitalerträge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG in Form einer Bar- bzw. Sachausschüttung zugeflossen.

b) Entgegen der Auffassung der Kläger handelt es sich bei der Gutschrift und der Zuteilung der [X.]-Aktien --auch unter Berücksichtigung der Zusammenlegung der [X.]-Aktien-- um keine Gegenleistung im Rahmen einer Veräußerung i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG.

aa) Eine Veräußerung in diesem Sinne ist die entgeltliche Übertragung des --zumindest wirtschaftlichen-- Eigentums auf einen Dritten ([X.]surteile vom 03.12.2019 - VIII R 43/18, [X.]/NV 2020, 687; vom 12.06.2018 - VIII R 32/16, [X.]E 262, 74, [X.], 221; vom 24.10.2017 - VIII R 13/15, [X.]E 259, 535, BStBl II 2020, 831). Entscheidend ist insoweit, ob die [X.] durch die Gegenleistung veranlasst ist, mithin eine objektivierende, wertende Betrachtung des wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen [X.] und Gegenleistung vorliegt, wonach die [X.] die Gegenleistung "ausgelöst" haben muss.

bb) Nach diesen Maßstäben sind die nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des [X.] dahingehend, dass die Gutschrift sowie die Zuteilung der [X.]-Aktien keine Gegenleistung "für" die Aktienzusammenlegung darstellen, für den [X.] bindend (§ 118 Abs. 2 [X.]O). Danach war die Aktienzusammenlegung, die allein aus Gründen der Kursstabilisierung der [X.]-Aktien erfolgte, nicht "auslösendes Moment" für die Ausschüttungen (vgl. im Ergebnis ebenso BMF-Schreiben in [X.], 85, Rz 89a; [X.] EStG/[X.], [X.]. [01.06.2021], EStG § 20 Rz 1153.1; wohl auch [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 20 EStG Rz 431).

c) Für diese als Bar- und Sachausschüttung steuerbaren Kapitalerträge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG der in [X.] ansässigen [X.] steht der [X.] ([X.]) abkommensrechtlich das Besteuerungsrecht zu. Die Kläger waren im Streitjahr im Inland wohnhaft und danach mit sämtlichen Einkünften unbeschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 EStG). Das Abkommen zwischen der [X.] und dem Vereinigten Königreich [X.] und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen vom 30.03.2010 --DBA-[X.] 2010-- ([X.], 1333) weist das Besteuerungsrecht für Dividenden aus Aktien, die eine in [X.] ansässige Kapitalgesellschaft an eine im Inland ansässige Person zahlt, nach Art. 10 Abs. 1 DBA-[X.] 2010 dem Ansässigkeitsstaat des [X.] und damit [X.] zu.

2. Vorbehaltlich der Ausführungen unter [X.] bis II.7. ist das [X.] ebenfalls zutreffend davon ausgegangen, dass die Ausschüttungen gemäß § 27 Abs. 8 Satz 9 [X.] nicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG von der Besteuerung auszunehmen sind.

a) Zwar gehören Bezüge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nicht zu den Einnahmen, soweit sie aus Ausschüttungen einer Körperschaft stammen, für die Beträge aus dem steuerlichen [X.] § 27 [X.] als verwendet gelten. Allerdings ordnet § 27 Abs. 8 Satz 9 [X.] an, dass Leistungen, soweit sie nicht als Einlagenrückgewähr gemäß § 27 Abs. 8 Satz 1 [X.] gesondert festgestellt werden, als Gewinnausschüttung gelten, die beim Anteilseigner zu Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nrn. 1 oder 9 EStG führen. Da für die Ausschüttungen der [X.] nicht gesondert festgestellt worden ist, dass es sich um eine Einlagenrückgewähr gemäß § 27 Abs. 8 Sätze 1 und 2 [X.] handelt, gelten diese Ausschüttungen jedenfalls nach § 27 Abs. 8 Satz 9 [X.] als Kapitalerträge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

b) Die Fiktion des § 27 Abs. 8 Satz 9 [X.] hält zudem einer auf Grundlage des nationalen Rechts vorgenommenen Überprüfung stand. Insbesondere sind die Kläger durch diese Fiktion auch nicht dadurch in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes verletzt, dass die Regelung des § 27 Abs. 8 Satz 9 [X.] für Anteilsinhaber an [X.] keine individuelle Nachweismöglichkeit einer Einlagenrückgewähr durch den Anteilsinhaber selbst vorsieht, wohingegen Anteilseigner von [X.] eine Einlagenrückgewähr individuell im Veranlagungsverfahren nachweisen können (vgl. insoweit [X.]surteile vom 13.07.2016 - VIII R 47/13, [X.]E 254, 390; vom 13.07.2016 - VIII R 73/13, [X.]E 254, 404, und [X.]-Urteil in [X.]E 265, 56). Die unterschiedlichen Nachweismöglichkeiten einer Einlagenrückgewähr von Anteilseignern von [X.] einerseits und Anteilseignern von [X.] andererseits sind durch den sachlich einleuchtenden Grund gerechtfertigt, dass sich beide [X.] in einer verfahrensrechtlich nicht vergleichbaren Ausgangslage befinden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen im [X.]surteil vom 27.10.2020 - VIII R 18/17 ([X.]E 270, 495, Rz 24 ff.) verwiesen.

3. Zudem sind die Vorgänge --wie das [X.] im Ergebnis zutreffend entschieden [X.] auch nicht nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 1999 (§ 52 Abs. 31 Satz 2 EStG) wegen Ablaufs der Jahresfrist von der Besteuerung auszunehmen. Da die Ausschüttungen der [X.] bereits als Kapitaleinkünfte i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 27 Abs. 8 Satz 9 [X.] der Einkommensteuer unterliegen, können diese nicht zugleich Bestandteil eines Veräußerungspreises sein (vgl. [X.]-Urteil vom 13.03.2018 - IX R 35/16, [X.]/NV 2018, 936, Rz 17). Vielmehr treten Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften gemäß § 23 Abs. 2 EStG 1999 (§ 52 Abs. 31 Satz 2 EStG) gegenüber diesen zurück.

4. Schließlich hat das [X.] hinsichtlich der Besteuerung der zugeteilten [X.]-Aktien die Voraussetzungen des § 20 Abs. 4a EStG ohne Rechtsfehler abgelehnt. Es liegt keine im Sinne der Vorschrift "steuerneutrale Kapitalmaßnahme" vor.

a) Die Regelung des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG, die an einen Tausch und damit an einen Vorgang i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG anknüpft, scheidet bereits deshalb aus, weil die Kläger keine Aktien veräußert haben (s. oben, unter II.1.b).

b) Entgegen der Auffassung der Kläger sind auch die Voraussetzungen des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG nicht erfüllt. Danach gelten abweichend von § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG und § 15 des Umwandlungssteuergesetzes die Sätze 1 und 2 der Regelung entsprechend, wenn Vermögen einer Körperschaft durch Abspaltung auf andere Körperschaften übergeht.

Unabhängig davon, ob es sich bei dem Veräußerungsvorgang zwischen der [X.] 4 Ltd. und der [X.] um eine Abspaltung i.S. des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG gehandelt haben könnte, erfolgte die Zuteilung der [X.]-Aktien an die Kläger nach den Feststellungen des [X.] allein auf Grundlage der nach dieser Veräußerung auf der Hauptversammlung der [X.] vom 28.01.2014 gefassten Beschlüsse und stand in keinem Zusammenhang zur vorgenannten --auf einer anderen Beteiligungsebene stattfindenden-- Veräußerung. Diese nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des [X.] binden den erkennenden [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O). Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im [X.]surteil vom 04.05.2021 - VIII R 14/20 ([X.]E 273, 206, unter [X.]) verwiesen.

c) Schließlich liegen auch die Voraussetzungen des § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG nicht vor. Danach werden der Ertrag und die Anschaffungskosten von Anteilen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG, die einem Steuerpflichtigen zugeteilt werden, ohne dass dieser eine gesonderte Gegenleistung zu entrichten hat, mit 0 € angesetzt, wenn die Voraussetzungen der Sätze 3 und 4 nicht vorliegen und die Ermittlung der Höhe des [X.] nicht möglich ist.

aa) Zwar ist die Regelung bei Auslandssachverhalten --und damit im [X.] anwendbar. Jedoch ist auch bei diesen erforderlich, dass die Ermittlung der Höhe des [X.] nicht möglich ist. Dies wird nicht bereits deshalb unwiderleglich vermutet, weil die Anteile von einer ausländischen Gesellschaft zugeteilt wurden (anderer Ansicht BMF-Schreiben in [X.], 85, Rz 111). Zum einen unterscheidet der Wortlaut des § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG nicht zwischen inländischen und ausländischen Sachverhalten (ebenso [X.]/Lindenberg in Lademann, EStG, § 20 EStG Rz 828; [X.] in [X.][X.], EStG, § 20 Rz Fa 67). Zum anderen steht einer solchen Auffassung auch die --im Streitjahr noch nicht anwendbare (§ 52 Abs. 28 Satz 20 EStG)-- Änderung des § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG durch das Jahressteuergesetz 2020 vom [X.] ([X.], 3096) entgegen. Danach wird die Vorschrift --erst seit dem 01.01.2021-- auf Zuteilungen von Anteilen von einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse beschränkt, "die weder Geschäftsleitung noch Sitz im Inland hat".

bb) Soweit darüber hinaus vertreten wird, dass die Unmöglichkeit der Ermittlung der Höhe des [X.] zu vermuten sei, wenn zweifelhaft ist, ob die Anteilszuteilung im Rahmen einer steuerpflichtigen Sachausschüttung oder einer nichtsteuerbaren Einlagenrückgewähr erfolgte (z.B. [X.], [X.], 207, 208; [X.], [X.], 509, 512), braucht der [X.] hierüber nicht zu entscheiden. Im Streitfall war es wegen der Fiktion des § 27 Abs. 8 Satz 9 [X.] --vorbehaltlich dessen Unionsrechtskonformität (vgl. unter [X.])-- gerade nicht zweifelhaft, dass eine --dem Grunde nach-- steuerpflichtige Sachausschüttung und keine Einlagenrückgewähr vorlag. Zudem war die Ermittlung auch der Höhe des [X.] wegen des Börsenkurses der zugeteilten [X.]-Aktien ohne weiteres möglich.

5. Das [X.] hat jedoch nicht geprüft, ob den Klägern in Bezug auf eine Einlagenrückgewähr i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ungeachtet der Regelung in § 27 Abs. 8 Satz 9 [X.] aus unionsrechtlichen Gründen eine individuelle Nachweisführung im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung einzuräumen ist und die Zuteilung der [X.]-Aktien und die Zuzahlung insofern als nichtsteuerbare Einlagenrückgewähr zu qualifizieren sind. Wie der [X.] im Parallelverfahren VIII R 14/20 für dieselben Ausschüttungen der [X.] an einen anderen Steuerpflichtigen entschieden hat, ist es nach seiner Auffassung fraglich, ob die Regelung des § 27 Abs. 8 Satz 9 [X.], die keine individuelle Nachweismöglichkeit einer Einlagenrückgewähr für Anteilseigner von [X.] im Veranlagungsverfahren vorsieht, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) mit den Vorgaben der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 [X.]) zu vereinbaren ist; insoweit wird auf die Ausführungen im [X.]surteil vom 04.05.2021 - VIII R 14/20 (unter [X.]) verwiesen.

6. Die Sache ist nicht spruchreif. Die tatsächlichen Feststellungen des [X.] reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob ein --durch die Kläger selbst erbrachter-- individueller Nachweis einer Einlagenrückgewähr offensichtlich ausscheidet und die Klage abzuweisen oder das Revisionsverfahren --bei einem Nachweis der Einlagenrückgewähr entsprechend der im [X.]-Urteil in [X.]E 265, 56, Rz 27 aufgestellten [X.] nach § 74 [X.]O auszusetzen und ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 Abs. 3 [X.] einzuleiten ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen im [X.]surteil vom 04.05.2021 - VIII R 14/20 (unter [X.]) verwiesen.

7. Das [X.] erhält Gelegenheit, im zweiten Rechtsgang Feststellungen zum individuellen Nachweis einer Einlagenrückgewähr nachzuholen. Für die Ausschüttungen aus [X.] ist dieser Nachweis durch den Anteilseigner ausgehend von der Höhe des ausschüttbaren Gewinns einer Drittstaatengesellschaft auf der Grundlage des jeweiligen ausländischen Handels- und Gesellschaftsrechts und unter Beachtung der Verwendungsreihenfolge der ausgeschütteten Beträge nach den Grundsätzen der Verwendungsfiktion des § 27 Abs. 1 Sätze 3 und 5 [X.] zu führen ([X.]-Urteil in [X.]E 265, 56, Rz 27). In entsprechender Weise ist auch der individuelle Nachweis einer Einlagenrückgewähr von Anteilseignern von [X.] Gesellschaften und somit von den Klägern zu führen (vgl. auch [X.]surteil vom 04.05.2021 - VIII R 14/20, unter [X.]c). [X.] nach diesen Grundsätzen eine Einlagenrückgewähr seitens der [X.] offensichtlich aus, handelt es sich bei der Zuteilung der [X.]-Aktien --wie vorstehend ausgeführt-- wegen der Fiktion des § 27 Abs. 8 Satz 9 [X.] um einen steuerbaren und steuerpflichtigen Kapitalertrag und die Klage wäre abzuweisen. Lässt sich demgegenüber eine Einlagenrückgewähr hinreichend erkennen, wird sich das [X.] mit der einschlägigen Rechtsprechung des [X.] auseinandersetzen (vgl. z.B. [X.]-Urteile van Caster vom 09.10.2014 - [X.]/12, [X.]:[X.], und [X.] u.a. vom 30.06.2011 - [X.]/09, [X.]:C:2011:438) und erwägen müssen, ob es ggf. ein Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 Abs. 2 [X.] einleitet.

8. Das Urteil ergeht nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 [X.]O im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.

9. [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VIII R 17/18

04.05.2021

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 28. Februar 2018, Az: 9 K 2117/16 E, Urteil

§ 20 Abs 4a S 5 EStG 2009, § 20 Abs 4a S 7 EStG 2009, § 27 Abs 8 S 9 KStG 2002, Art 63 AEUV, § 20 Abs 1 Nr 1 S 1 EStG 2009, EStG VZ 2014

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 04.05.2021, Az. VIII R 17/18 (REWIS RS 2021, 6214)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 6214

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