Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.03.2013, Az. 3 AZR 89/11

3. Senat | REWIS RS 2013, 7033

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Gegenstand

Berufsbildung - Angemessene Ausbildungsvergütung - Abgrenzung von industrieller und handwerklicher Fertigung


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 30. November 2010 - 6 [X.]/10 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger die Zahlung einer höheren Ausbildungsvergütung verlangen kann.

2

Der Kläger wurde in der [X.] vom 1. August 2005 bis zum 31. Jan[X.]r 2009 im Betrieb der [X.] in [X.] zum Konstruktionsmechaniker, Fachrichtung Stahl- und Metallbau, ausgebildet. Die Beklagte stellt dort mit etwa 400 überwiegend in der Produktion beschäftigten Arbeitnehmern [X.] für die Chemie-, [X.]ebensmittel- und Mineralölindustrie her. Darüber hinaus produziert sie dort Silo-, Tank- und Gaseisenbahnwaggons sowie Container aus Aluminium und Edelstahl. Die Fahrzeuge werden nahezu ausschließlich auftragsbezogen nach den Bedürfnissen der Kunden konstruiert und hergestellt. Die Beklagte verfügt daneben über eine Betriebsstätte an ihrem Hauptsitz in [X.], in der etwa 300 Arbeitnehmer überwiegend in der Verwaltung beschäftigt sind. Die Beklagte stellt jährlich ca. 1.200 Fahrzeuge her und erwirtschaftete im Jahr 2004 einen Umsatz iHv. etwa 115 Mio. [X.]; im Jahr 2006 belief sich der Umsatz auf 160 Mio. [X.]. Die Beklagte ist nicht tarifgebunden.

3

Dem Ausbildungsverhältnis der Parteien lag der Berufsausbildungsvertrag vom 10. Juni 2005 zugrunde, der [X.]. bestimmt, dass der Ausbildende dem Auszubildenden eine Vergütung zahlt, die monatlich 310,00 [X.] brutto im ersten, 340,00 [X.] brutto im zweiten, 390,00 [X.] brutto im dritten und 400,00 [X.] brutto im vierten Ausbildungsjahr beträgt.

4

Die zwischen dem [X.] und der [X.] und [X.] abgeschlossenen Tarifverträge über [X.]öhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen der Metall- und Elektroindustrie in [X.] (im Folgenden: [X.]) sahen im streitgegenständlichen [X.]raum eine monatliche Ausbildungsvergütung iHv. 647,00 [X.] brutto im ersten, 725,00 [X.] bzw. 755,00 [X.] brutto im zweiten, 820,00 [X.] bzw. 834,00 [X.] brutto im dritten und 893,00 [X.] bzw. 937,33 [X.] brutto im vierten Ausbildungsjahr vor. Nach dem von den [X.]andesinnungsverbänden und der [X.] abgeschlossenen Tarifvertrag über Ausbildungsvergütungen für das Karosserie- und Fahrzeugbauerhandwerk in den [X.]ändern Brandenburg, [X.], [X.] und [X.] vom 6. Mai 2004 (im Folgenden: [X.]) betrug die monatliche Ausbildungsvergütung 250,00 [X.] brutto im ersten, 276,00 [X.] brutto im zweiten, 327,00 [X.] brutto im dritten und 368,00 [X.] brutto im vierten Ausbildungsjahr.

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die vereinbarte Ausbildungsvergütung sei nicht angemessen iSd. § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG, da sie die tarifliche Ausbildungsvergütung nach dem [X.] um [X.] unterschreite. Die sich während der Dauer seiner Ausbildung ergebende Differenz zwischen der vereinbarten Ausbildungsvergütung und der tariflichen nach dem [X.] belaufe sich auf insgesamt 15.859,36 [X.] brutto. Der [X.] sei der einschlägige Tarifvertrag für die Beurteilung der Angemessenheit der Ausbildungsvergütung. Der von der [X.] unterhaltene Betrieb sei der Metallindustrie zuzurechnen und [X.] deshalb dem fachlichen Geltungsbereich des [X.]. Die Beklagte stelle ihre Produkte industriell unter Nutzung von Maschinen und mit klassischer Arbeitsteilung her und sei kein Unternehmen des Spezialfahrzeugbauhandwerks.

6

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15.859,36 [X.] nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 3. Juni 2009 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die vereinbarte Ausbildungsvergütung sei angemessen iSd. § 17 Abs. 1 BBiG. Sie habe sich an dem [X.] vom 6. Mai 2004 orientiert und die danach vorgesehene Ausbildungsvergütung leicht erhöht. Ihr Betrieb [X.] dem fachlichen Geltungsbereich des [X.], da es sich um einen Handwerksbetrieb und nicht um einen Industriebetrieb handele.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.]andesarbeitsgericht hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht kein weiterer Vergütungsanspruch nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG zu. Die dem Kläger von der [X.] gewährte Ausbildungsvergütung ist nicht unangemessen.

1. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG haben Auszubildende Anspruch auf eine angemessene Vergütung. § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG ist - wie schon die Vorgängernorm in § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG in der bis zum 31. März 2005 geltenden Fassung (aF) - nur eine Rahmenvorschrift und legt den Maßstab für die Angemessenheit der Ausbildungsvergütung nicht selbst fest ([X.] 22. Januar 2008 - 9 [X.] - Rn. 32, [X.]E 125, 285; vgl. auch BT-Drucks. V/4260 S. 9). Bei fehlender Tarifbindung ist es Aufgabe der Vertragsparteien, die Höhe der Vergütung zu vereinbaren. Sie haben dabei einen Spielraum. Die richterliche Überprüfung erstreckt sich nur darauf, ob die vereinbarte Vergütung die Mindesthöhe erreicht, die als noch angemessen anzusehen ist. Ob die Parteien den Spielraum gewahrt haben, ist unter Abwägung ihrer Interessen und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls festzustellen. Maßgeblich dafür ist die Verkehrsanschauung ([X.] 22. Januar 2008 - 9 [X.] - Rn. 33 mwN, aaO).

a) Wichtigster Anhaltspunkt für die Verkehrsanschauung sind die einschlägigen Tarifverträge. Bei ihnen ist anzunehmen, dass das Ergebnis der Tarifverhandlungen die Interessen beider Seiten hinreichend berücksichtigt. Eine Ausbildungsvergütung, die sich an einem entsprechenden Tarifvertrag ausrichtet, gilt deswegen stets als angemessen ([X.] 22. Januar 2008 - 9 [X.] - Rn. 34, [X.]E 125, 285; 15. Dezember 2005 - 6 [X.] - Rn. 11 f., [X.] BBiG § 10 Nr. 15 = EzA BBiG § 10 Nr. 11; 8. Mai 2003 - 6 [X.] - zu II 2 der Gründe, [X.] BBiG § 10 Nr. 14 = EzA BBiG § 10 Nr. 10). Eine Ausbildungsvergütung ist in der Regel nicht angemessen iSv. § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG, wenn sie die in einem einschlägigen Tarifvertrag enthaltenen Vergütungen um [X.] unterschreitet ([X.] 22. Januar 2008 - 9 [X.] - aaO).

Auch bei nicht tarifgebundenen Parteien ist es sachgerecht, vorrangig Tarifverträge als Vergleichsmaßstab heranzuziehen und nicht etwaige Empfehlungen der Kammern und Innungen. Diese sind nicht von Vertretern der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerseite ausgehandelt und bieten damit nicht die gleiche Gewähr für die angemessene Berücksichtigung der Interessen beider Seiten wie Tarifverträge ([X.] 15. Dezember 2005 - 6 [X.] - Rn. 13, [X.] BBiG § 10 Nr. 15 = EzA BBiG § 10 Nr. 11). Nur wenn tarifliche Regelungen fehlen, kann auf branchenübliche Sätze abgestellt oder eine der Verkehrsauffassung des betreffenden Gewerbezweigs entsprechende Vergütung zugrunde gelegt werden. In diesem Fall kann auf die Empfehlungen der Kammern oder Handwerksinnungen zurückgegriffen werden ([X.] 15. Dezember 2005 - 6 [X.] - Rn. 12, aaO).

Die einschlägige tarifliche Vergütung bestimmt sich nicht danach, für welchen Ausbildungsberuf die Ausbildung erfolgt. Entscheidend ist die fachliche Zuordnung des Ausbildungsbetriebs (vgl. [X.] 15. Dezember 2005 - 6 [X.] - [X.] BBiG § 10 Nr. 15 = EzA BBiG § 10 Nr. 11).

b) Der Auszubildende trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die vereinbarte Ausbildungsvergütung unangemessen ist. Er genügt seiner Darlegungslast regelmäßig damit, dass er sich auf die einschlägige tarifliche Vergütung - oder falls es eine solche nicht gibt - auf Empfehlungen von Kammern und Innungen stützt und darlegt, dass die ihm gezahlte Vergütung um [X.] darunter liegt (vgl. [X.] 19. Februar 2008 - 9 [X.] 1091/06 - Rn. 35, [X.]E 126, 12; 25. Juli 2002 - 6 [X.] 311/00 - zu I 4 der Gründe, [X.] BBiG § 10 Nr. 11 = EzA BBiG § 10 Nr. 9).

2. Danach ist die von der [X.] gezahlte Ausbildungsvergütung nicht unangemessen. Sie unterschreitet die in dem [X.] bestimmte Ausbildungsvergütung nicht um [X.], sondern übersteigt diese. Für die Frage der Angemessenheit der vereinbarten Ausbildungsvergütung iSv. § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG ist - entgegen der Auffassung der Revision - auf den [X.] und nicht auf den [X.] abzustellen. Das [X.] hat angenommen, der Ausbildungsbetrieb weise handwerkliche Elemente auf. Der Kläger habe nicht hinreichend dargelegt, dass die Beklagte einen Industriebetrieb führe. Diese Würdigung weist keine revisiblen Rechtsfehler auf.

a) Die Frage, ob ein Betrieb ein Handwerksbetrieb oder ein Industriebetrieb ist, kann nur nach dem Gesamtbild des Betriebs beantwortet werden (vgl. [X.] 27. Juni 1984 - 5 [X.] 25/83 - zu II 2 a der Gründe). Die Abgrenzung hat nicht in erster Linie nach gewerberechtlichen, handelsrechtlichen oder betriebswirtschaftlichen Kriterien zu erfolgen, sondern vorrangig danach, ob die überwiegende Tätigkeit der Arbeitnehmer im Betrieb eine handwerkliche oder nicht handwerkliche ist (vgl. [X.] 11. März 1981 - 4 [X.] 1022/78 - [X.]E 35, 133, 137). Deshalb ist von einem Handwerksbetrieb nicht schon dann auszugehen, wenn der Gewerbebetrieb in die Handwerksrolle eingetragen ist. Zwar stellt die Eintragung in die Handwerksrolle, insbesondere wenn sie mit Zustimmung der Industrie- und Handelskammer erfolgt ist, ein wesentliches Kriterium für die Handwerkseigenschaft dar. Der jeweilige Betrieb muss aber nicht nur formell, sondern auch materiell den Anforderungen eines Handwerksbetriebs entsprechen (vgl. [X.] 27. Juni 1984 - 5 [X.] 25/83 - zu II 2 c der Gründe). Dafür ist entscheidend, dass die Handfertigkeit der am Produktionsprozess beteiligten Mitarbeiter prägend für die Produktherstellung ist, die dabei eingesetzten Maschinen und technischen Hilfsmittel nur der Erleichterung der händischen Tätigkeit, dh. der Unterstützung der Handfertigung, dienen und durch ihren Einsatz nicht wesentliche Kenntnisse und Fertigkeiten des Handwerks entbehrlich werden. Der Handwerksbetrieb zeichnet sich gegenüber dem Industriebetrieb dadurch aus, dass die Produktion von dem Können sowie den Fertigkeiten zumindest einer Vielzahl der beschäftigten Arbeitnehmer und nicht von dem Einsatz der solche Arbeitnehmer ersetzenden Maschinen abhängt und die Arbeitsteilung nicht so weit fortgeschritten ist, dass jede einzelne Arbeitskraft nur bestimmte - in der Regel immer wiederkehrende - und eng begrenzte Teilarbeiten auszuführen hat, wie dies in einem Industriebetrieb der Fall ist. Für eine handwerksmäßige Betriebsweise spricht es daher, wenn überwiegend fachlich qualifizierte, handwerklich ausgebildete Arbeitskräfte beschäftigt werden (vgl. [X.] 27. Juni 1984 - 5 [X.] 25/83 - zu II 2 g der Gründe). Allerdings darf nicht außer [X.] gelassen werden, dass die technische Entwicklung dazu geführt hat, dass auch Handwerksbetriebe, um wettbewerbsfähig bleiben zu können, in zunehmendem Maße auf die Verwendung von Maschinen und vorgefertigtem Material angewiesen sind (vgl. BVerwG 1. April 2004 - 6 [X.] - [X.] 2004, 488; Günther [X.] 2012, 16 mwN). Die Nutzung von technischen Hilfsmitteln spricht daher nicht zwingend für einen Industriebetrieb und gegen einen Handwerksbetrieb. Erst wenn die Technisierung zur Folge hat, dass wesentliche Kenntnisse und Fertigkeiten des betreffenden Handwerks durch den Einsatz von Maschinen entbehrlich werden und kein Raum mehr für das handwerkliche Können bleibt, spricht dies gegen eine handwerksmäßige Betriebsform und für einen Industriebetrieb (vgl. [X.] 27. Juni 1984 - 5 [X.] 25/83 - zu II 2 d der Gründe). Steht das handwerkliche Element im Vordergrund, liegt auch dann ein Handwerksbetrieb vor, wenn es sich um einen umsatz- und personalstarken Betrieb handelt (sog. Betrieb des „[X.]“). Auch eine auftragsbezogene Produktion von Waren für bestimmte Kunden spricht für einen Handwerksbetrieb ([X.] 11. März 1981 - 4 [X.] 1022/78 - aaO; 2. November 1960 - 1 [X.] 251/58 - [X.] TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 8).

Die Beurteilung der Frage, ob ein Betrieb dem Handwerk zuzuordnen ist oder ob es sich um einen Industriebetrieb handelt, obliegt in erster Linie den Gerichten der Tatsacheninstanzen. Ihnen kommt insoweit ein Beurteilungsspielraum zu, der nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt ([X.] 13. April 2011 - 10 [X.] 838/09 - Rn. 23, [X.] TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 330).

b) Dieser eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung hält die Würdigung des [X.]s stand.

aa) Das [X.] hat angenommen, der Ausbildungsbetrieb weise - unstreitig - handwerkliche Elemente auf. Aus dem Vortrag des [X.] lasse sich nicht ableiten, dass eine industrielle Fertigung im Vordergrund stehe. Angesichts des detaillierten Sachvortrags der [X.] zu den Fertigungsvorgängen hinsichtlich der von ihr überwiegend hergestellten Tank- und Silofahrzeuge für den Straßenverkehr hätte es dem Kläger oblegen, die von ihm behauptete Fließbandproduktion detailliert darzulegen. Sein Vortrag zur Vorratsmontage von Containern stehe dem Vorbringen der [X.], es würden keine Containerfahrzeuge ohne Kundenauftrag gefertigt, nicht entgegen. Der Umstand, dass die Beklagte, um bei einem eingehenden Auftrag kurzfristig reagieren zu können, bestimmte Teile bereits vorfertigen lasse, gebe der Herstellung der Spezialfahrzeuge noch kein industrielles Gepräge. Das folge auch nicht aus dem Einsatz von Schweißautomaten und -robotern. Auch insoweit habe der Kläger nicht substantiiert darzulegen vermocht, dass dadurch die von ihm eingeräumten handwerklichen Elemente nicht mehr die Produktion individuell ausgerüsteter Fahrzeuge nach Wunsch des einzelnen Kunden präge. Bei der Herstellung von mehr als 1.000 Fahrzeugen pro Jahr sei der Einsatz dieser Maschinen angesichts der Art des Produktes kein Indiz für eine industrielle Fertigung, zumal die Beklagte darauf hingewiesen habe, dass kein Fahrzeug ohne konkreten Kundenauftrag gefertigt werde. Auch die Unterhaltung einer eigenen Reparaturabteilung, in der die produzierten Fahrzeuge sowohl in Stand gesetzt als auch nach Kundenauftrag modernisiert und umgebaut werden, stehe der Annahme, der Betrieb werde durch eine industrielle Fahrzeugproduktion geprägt, entgegen. Schließlich fehle substantiierter Sachvortrag des [X.] zum Einsatz der gewerblichen Arbeitnehmer in Form einer arbeitsteiligen Arbeit. Der Kläger sei auch dem Vortrag der [X.], sie setze überwiegend ausgebildete Schlosser und Schweißer ein, nicht entgegen getreten. Es sei nicht ausreichend, wenn der Kläger die Voraussetzungen für die Zuordnung des Betriebs zum Fahrzeugbauerhandwerk bestreite; vielmehr habe er Tatsachen vorzutragen, aus denen sich die von ihm behauptete Zuordnung zur Metallindustrie ergebe. Daran fehle es.

bb) Diese Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das [X.] ist von den zutreffenden Begriffen des Industrie- und Handwerksbetriebs ausgegangen. Es hat bei seiner Subsumtion den Sachvortrag der Parteien vollständig berücksichtigt und den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum eingehalten. Seine Würdigung, der Kläger habe nicht ausreichend dargelegt, dass die Beklagte einen Industriebetrieb führe, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Revisible Rechtsfehler werden von der Revision nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich.

(1) Der Kläger hat in der Revision nicht aufgezeigt, dass das [X.] seinen Sachvortrag zum Einsatz von Maschinen und zur Arbeitsteilung im Betrieb der [X.] nicht oder unzureichend berücksichtigt hat. Er hat nicht geltend gemacht, substantiierten Sachvortrag dazu gehalten zu haben, dass die Arbeitsteilung im Betrieb der [X.] so weit fortgeschritten ist, dass die Arbeitskräfte regelmäßig nur bestimmte, immer wiederkehrende und eng begrenzte Teilarbeiten auszuführen haben. Er hat sich insoweit auf eine abteilungsbezogene Produktion und einen fehlenden abteilungsübergreifenden Personaleinsatz berufen. Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass die Arbeitsteilung so ausgeprägt ist, dass die abteilungsbezogen beschäftigten Mitarbeiter nur bestimmte, regelmäßig wiederkehrende und begrenzte Teilarbeiten auszuführen haben. Auch unter Berücksichtigung der Auffassung des [X.], die Konstruktion und Fertigung der Fahrzeuge nach einem individuell gestalteten Kundenauftrag sei nicht handwerksspezifisch, sondern werde auch in Unternehmen industrieller Prägung praktiziert, erscheint die Würdigung des [X.]s nicht rechtsfehlerhaft. Die auftragsbezogene Fertigung ist für sich allein kein für das Vorliegen eines Handwerksbetriebs ausschlaggebendes Kriterium. Vielmehr ist sie - wie vom [X.] angenommen - ein in die Würdigung einzustellender Gesichtspunkt, der jedenfalls nicht charakteristisch für einen Industriebetrieb ist. Das [X.] hat auch zu Recht erkannt, dass der beträchtliche Jahresumsatz und die Betriebsgröße sowie die Zahl der bei der [X.] beschäftigten Arbeitnehmer nicht maßgeblich für einen Industriebetrieb und gegen einen Handwerksbetrieb sprechen.

(2) Entgegen der Auffassung der Revision musste das [X.] aus dem Vortrag des [X.], die Geschäftsführer der [X.] hätten mangels handwerklicher Fähigkeiten weder die Möglichkeit noch seien sie in der Lage, im Betrieb persönlich mitzuarbeiten und diesen im handwerklich-fachlichen Bereich zu überwachen, keine abweichenden Schlüsse ziehen. Mit der Novellierung der Handwerksordnung durch das [X.] und anderer handwerksrechtlicher Vorschriften vom 24. Dezember 2003 ([X.]) wurde das [X.] durch das Betriebsleiterprinzip ersetzt. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] kann die fachliche Betriebsleitung nunmehr auf einen Angestellten übertragen werden, sofern dieser die Befähigungsvoraussetzungen erfüllt (vgl. zum Ganzen Günther [X.] 2012, 16, 18 f. mwN). Dass die Geschäftsführer der [X.] ggf. mangels eigener handwerklicher Fähigkeiten nicht persönlich im Betrieb mitarbeiten und diesen nicht in fachlich-handwerklicher Sicht leiten sowie überwachen können, spricht daher nicht für das Vorliegen eines Industriebetriebs. Da die Beklagte in die Handwerksrolle eingetragen ist und eine Eintragung in die Handwerksrolle nur erfolgt, wenn der Betriebsleiter seine Befähigung durch die bestandene Meisterprüfung (vgl. § 7 Abs. 1a [X.]), durch bestandene, der Meisterprüfung gleichwertige Prüfungen (vgl. § 7 Abs. 2 und Abs. 9 [X.]) oder aufgrund von Ausübungsberechtigungen, Ausnahmebewilligungen und sonstigen Bescheinigungen nach Maßgabe des § 7 Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 7 [X.] nachgewiesen hat, ist davon auszugehen, dass die Beklagte über einen Betriebsleiter mit der erforderlichen Befähigung verfügt. Gegenteiliges hat auch der Kläger nicht behauptet.

(3) Die Würdigung des [X.]s ist auch nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil die Beklagte nicht nur in die Handwerksrolle eingetragen, sondern auch Mitglied der [X.] ist. Gemäß § 2 Abs. 3 [X.]G gehören juristische Personen, die in der Handwerksrolle eingetragen sind, mit ihrem nicht handwerklichen oder nicht handwerksähnlichen Betriebsteil der [X.] an. Aus der Zugehörigkeit zur [X.] kann auch nicht geschlossen werden, dass in dem Betrieb der [X.] die industrielle Fertigung überwiegt und das handwerkliche Element von untergeordneter Bedeutung ist. Eine Beitragspflicht gegenüber der [X.] besteht gemäß § 3 Abs. 4 [X.]G nur, wenn der Gewerbebetrieb der in der Handwerksrolle eingetragenen juristischen Person nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert und der Umsatz des nicht handwerklichen oder handwerksähnlichen Betriebsteils 130.000,00 Euro übersteigt. Angesichts eines von der [X.] im Jahr 2006 erzielten Jahresumsatzes iHv. ca. 160 Mio. Euro ist die Überschreitung der Umsatzgrenze von 130.000,00 Euro, bezogen auf den nicht handwerklichen oder nicht handwerksähnlichen Betriebsteil, ohne Aussagekraft.

3. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Gräfl    

        

    Schlewing    

        

    Spinner    

        

        

        

    Lohre    

        

    [X.]     

                 

Meta

3 AZR 89/11

26.03.2013

Bundesarbeitsgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Dessau-Roßlau, 9. Dezember 2009, Az: 10 Ca 229/09, Urteil

§ 17 Abs 1 S 1 BBiG 2005, § 7 HwO, § 2 Abs 3 IHKG, § 3 Abs 4 IHKG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.03.2013, Az. 3 AZR 89/11 (REWIS RS 2013, 7033)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7033

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