Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.09.2003, Az. VI ZR 335/02

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 1548

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[X.] DES [X.]/02Verkündet am:23. September 2003Böhringer-Mangold,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z: neinBGB § 823 [X.], Ia) Die Voraussetzungen der Verantwortlichkeit nach § 5 Abs. 2 [X.] in [X.] vom 22. Juli 1997 ([X.] I 1870) sind als [X.] für eine Haftung des fremde Inhalte anbietenden [X.]providersnach § 823 BGB anzusehen.b) Die Bestimmung des § 5 Abs. 2 [X.] a.F. hat an dem allgemeinen Grund-satz nichts geändert, daß der Kläger bei einer deliktischen Haftungsgrundla-ge grundsätzlich alle Umstände darzulegen und zu beweisen hat, aus denensich die Verwirklichung der einzelnen Tatbestandsmerkmale ergibt.[X.], Urteil vom 23. September 2003 - [X.][X.] -- 3 -Der VI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 23. September 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. [X.] und [X.] Dr. [X.], Pauge, [X.] und [X.] Recht erkannt:Die Revision des [X.] gegen das Urteil der 9. Zivilkammer desLandgerichts [X.] vom 26. Juli 2002 wird zurückgewiesen.Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.Von Rechts wegenTatbestandDie Beklagte ist ein [X.]provider, der u.a. [X.] und [X.] unter deren In-ternetdomains den [X.]zugang sowie Webspace zur Verfügung gestellt hat.Der Kläger verlangt von ihr Ersatz immateriellen Schadens in Höhe von 9.500DM. Er behauptet, auf den von [X.] und [X.] unterhaltenen [X.]seiten seien biszum 28. Februar 2001 gegen ihn übelste rassistisch-neonazistische Be-schimpfungen in volksverhetzender Art sowie Morddrohungen und [X.] Straftaten veröffentlicht worden. Darauf habe er die Beklagte durch Telefo-nate, e-mails und Faxnachrichten mehrfach [X.] 4 -Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.]hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgtder Kläger sein Klagebegehren weiter.Entscheidungsgründe:[X.] Berufungsgericht hat eine Haftung der Beklagten verneint, da [X.] nicht nachgewiesen habe, daß die Beklagte eine positive Kenntnis vondem vom Kläger behaupteten Inhalt der beanstandeten [X.]seiten beses-sen habe. Eine Haftung des Diensteanbieters für fremde [X.]-Inhalte [X.] gemäß § 5 Abs. 2 [X.] a.F. (Gesetz über die Nutzung von Telediensten- [X.]) jedoch nur bei positiver Kenntnis des Inhalts in Betracht.Es sei Sache desjenigen, der Ansprüche gegen einen Diensteanbieter für [X.] fremder Inhalte zur Nutzung geltend mache, zu beweisen, daß die-ser von diesen Inhalten Kenntnis hatte.[X.] Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfungstand. Als Anspruchsgrundlage kommt § 823 Abs. 1 BGB wegen einer Verlet-zung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Betracht. Im Ergebnis zu [X.] das Berufungsgericht angenommen, daß eine Haftung nach dieser Vor-schrift voraussetzt, daß zugleich die Voraussetzungen des im maßgeblichenZeitraum geltenden § 5 Abs. 2 [X.] in der Fassung vom 22. Juli 1997 ([X.] I- 5 -1870) gegeben sind. Dies hat es unter den Umständen des Streitfalls zu Rechtverneint.1. Ein [X.]provider war nach § 5 Abs. 2 [X.] a.F. für fremde Inhalte,die er zur Nutzung bereithielt, nur dann verantwortlich, wenn er von diesen In-halten Kenntnis hatte und es ihm technisch möglich und zumutbar war, derenNutzung zu verhindern. Hinsichtlich der notwendigen Kenntnis kommt es [X.] nahezu einhelliger Meinung auf die positive Kenntnis des einzelnen kon-kreten Inhalts an, so daß ein "Kennenmüssen" nicht genügt. Dies zieht die [X.] nicht in Zweifel. Ein solches Verständnis entspricht sowohl dem Wortlautder Vorschrift als auch ihrem Sinn und Zweck, den Diensteanbietern die not-wendige Rechtssicherheit zu geben (vgl. etwa [X.]/[X.]/[X.], 2981, 2985; [X.] NJW 1997,3193, 3196; [X.]/Müthlein, [X.]/[X.], § 5 [X.] Rdn. 7.4.2; [X.], [X.] nach § 5 Abs. 2 [X.] am Beispiel des [X.], 2000, S. 65 f., 71 m.w.[X.] sowie Begründung zu § 5 [X.],[X.]. 13/7385, S. 20 und Antwort Nr. 14e der Bundesregierung [X.]. 13/8153 S. 9).2. Entgegen der Ansicht der Revision ist auch die Auffassung des [X.] zutreffend, daß der Kläger als Anspruchsteller die [X.] Beweislast für die hiernach erforderliche Kenntnis der Beklagten vom In-halt der [X.]seiten trägt. Stützt der Kläger sich wie hier auf eine deliktischeHaftungsgrundlage, so hat er grundsätzlich alle Umstände darzulegen und zubeweisen, aus denen sich die Verwirklichung der einzelnen Tatbestandsmerk-male der Anspruchsgrundlage ergibt (vgl. Senatsurteile vom 11. [X.] - VI ZR 350/00 - VersR 2002, 321 und vom 24. November 1998 - [X.] 6 -388/97 - [X.], 774, 775 m.w.[X.]). An diesem Grundsatz hat die Bestim-mung des § 5 Abs. 2 a.F. [X.] nichts geändert.a) Soweit ersichtlich hat sich die Rechtsprechung bislang mit der Frageder Beweislast im Rahmen des § 5 Abs. 2 [X.] a.F. nicht ausdrücklich befaßt.Nach wohl überwiegender Meinung in der Literatur obliegt dem [X.] Darlegungs- und Beweislast für die Kenntnis des Providers [X.],Die Haftung gem. § 5 [X.] am Beispiel des News-Dienstes, 1999, [X.], [X.], 7, 9; [X.], Haftung im Netz, 1999, S. 202 f.; [X.],Von der Presse- zur Providerhaftung, 2000, [X.]; [X.], [X.], 79, 87;[X.]-Müthlein, [X.]/[X.], 2000, § 5 [X.] Rdn. 7.4.2; nicht eindeutig [X.],aaO, [X.] ff.). Dies wird damit begründet, daß die Voraussetzungen der Ver-antwortlichkeit und damit auch die Kenntnis anspruchsbegründende Tatbe-standsmerkmale seien, die der Anspruchsteller darzulegen und zu beweisenhabe. Eine Umkehr der Beweislast ergebe sich aus dem vom Gesetzgeber ge-wählten Wortlaut nicht.Die Gegenmeinung macht geltend, bei § 5 Abs. 2 [X.] a.F. handele essich um eine Haftungsprivilegierung für den Diensteanbieter. Da es sich umeine Ausnahmebestimmung zum allgemeinen Haftungsrecht handele, müsseder Anbieter darlegen und beweisen, daß er keine Kenntnis im Sinne dieserVorschrift hatte (vgl. [X.], NJW 1997, 3193, 3198 und NJW 2002, 921,925; [X.], [X.], 969, 973).b) Nach Auffassung des erkennenden Senats sind die Voraussetzungender Verantwortlichkeit nach § 5 Abs. 2 [X.] a.F. als [X.] für eine Haftung des fremde Inhalte anbietenden [X.]providersnach § 823 BGB anzusehen mit der Folge, daß die Darlegungs- und Beweis-last den Anspruchsteller [X.] 7 -aa) Aus der Fassung des § 5 [X.] a.F. ergibt sich, daß die Vorschriftnicht eine selbständige Anspruchsgrundlage für die Haftung des Dienstean-bieters ist. So heißt es in den Motiven des Gesetzgebers, wenn die Vorausset-zungen der Verantwortlichkeit für fremde Inhalte vorlägen, bestimmten sich [X.] nach der geltenden Rechtsordnung (vgl. [X.]. 13/7385S. 20). Auch der Bundesrat ging in seiner, insoweit von der Bundesregierungunwidersprochen gebliebenen Stellungnahme, davon aus, daß die Regelungenzur Verantwortlichkeit der straf- und zivilrechtlichen Prüfung vorgelagert seien.[X.] sich danach im Grundsatz eine Verantwortlichkeit des Anbieters, sei ineinem zweiten Schritt die straf- und zivilrechtliche Beurteilung vorzunehmen([X.]. 13/7385 [X.]). Wegen dieser Konstruktion wird dem § 5 [X.] a.F.im Schrifttum eine Art "Filterfunktion" beigelegt, weil die Vorschrift so auszu-legen sei, daß die Voraussetzungen dieser Norm erfüllt sein müßten, bevor diePrüfung der einschlägigen Vorschriften nach den Maßstäben des jeweiligenRechtsgebiets erfolge (vgl. [X.]/[X.]/[X.],2981, 2984; [X.]/[X.], aaO, § 5 [X.] Rdn. 40, 43; [X.], aaO,[X.] ff.; [X.], Die zivilrechtliche Haftung des [X.]-Providers, insbeson-dere für die Weiterverbreitung rechtswidriger Äußerungen durch dritte Perso-nen im [X.], 2000, [X.]; [X.]/[X.]/[X.]-Terpitz, Handbuch zum[X.]recht, 2000, [X.]; im Ergebnis ebenso: [X.], aaO, [X.]; [X.], [X.] 1999, 309, 313). Dies entspricht der eingangs dargelegten rechtli-chen Beurteilung, die in § 5 Abs. 2 [X.] a.F. genannten Voraussetzungen füreine Verantwortlichkeit des Diensteanbieters als zusätzliche anspruchsbegrün-dende Merkmale einzuordnen und demgemäß dem Anspruchsteller die [X.] und Beweislast aufzuerlegen.bb) Diese Auffassung entspricht auch dem Sinn und Zweck der Rege-lung. Nach der amtlichen Begründung trägt die Begrenzung der [X.] 8 -keit des Diensteanbieters der Tatsache Rechnung, daß es ihm aufgrund dertechnisch bedingten Vervielfachung von Inhalten und der [X.] in ihnen gebundenen Risiken von [X.] zunehmendunmöglich ist, alle fremden Inhalte zur Kenntnis zu nehmen und auf ihreRechtmäßigkeit zu überprüfen. § 5 Abs. 2 [X.] a.F. soll dem [X.], daß für die Verantwortlichkeit seine Kenntnis von dem fremden Inhaltverlangt wird, die erforderliche Rechtssicherheit verschaffen ([X.]. 13/-7385, S. 20). Dieses Ziel ließe sich nicht erreichen, würde dem Anbieter [X.] für seine mangelnde Kenntnis des fremden Inhalts auferlegt.3) Es besteht auch kein Bedürfnis, die Position des [X.] eine Beweislastumkehr oder Beweiserleichterungen zu Lasten des Dien-steanbieters zu stärken. Auch wenn der Betroffene unter Umständen im Ein-zelfall den "Urheber", der die fremden Inhalte geschaffen hat, nicht in Anspruchnehmen kann, kann er doch jederzeit dem Anbieter "Kenntnis geben" und diesentsprechend den allgemeinen zivilprozessualen Vorschriften beweisen, [X.] sich für diesen Nachweis Besonderheiten gegenüber anderen Fällen er-geben, bei denen eine [X.] eine positive Kenntnis beweisen muß (vgl. etwa§ 407 BGB, § 814 BGB oder § 819 BGB). Zwar ist die tatsächliche [X.] vom fremden Inhalt dem Beweis nicht unmittelbar [X.], sondern kann nur aus den Umständen geschlossen werden. Dies ist insolchen Fällen jedoch nicht außergewöhnlich, da die Kenntnis als innere Tat-sache regelmäßig nur durch einen [X.] oder Anzeichenbeweis geführtwerden kann.Es ist dem Betroffenen als Anspruchsteller weder unzumutbar noch un-möglich nachzuweisen, daß er den [X.]-Provider konkret auf einen von ihmbereitgehaltenen rechtswidrigen fremden Inhalt in seinem [X.]angebot [X.] 9 -gewiesen hat. Wenn er ein konkretes Angebot auf den Servern des [X.] und beschreibt, indem er etwa den Aufbau, die wesentlichen Text- [X.] und den Dateinamen einer Website auf dem Server mitteiltund gegebenenfalls einen entsprechenden Ausdruck beifügt, wird der [X.] Hinweises in aller Regel als Beweis für die Kenntnis des Providers aus-reichen, wenn dieser hiermit die fraglichen Inhalte ohne unzumutbaren Auf-wand auffinden kann (vgl. [X.], Rechtliche Verantwortlichkeit im [X.]:unter besonderer Berücksichtigung des [X.]es und des [X.], 1999, [X.] f.; [X.], [X.], 7, 9; [X.], aaO,S. 73; [X.], MMR 2001, 737, 741; [X.], Haftung für Informationen im[X.], 2002, [X.] f.). 4. Unter den Umständen des zu entscheidenden Falles ist [X.] nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht bei der in erster Li-nie dem Tatrichter vorbehaltenen Würdigung zu dem Ergebnis gekommen ist,der Kläger habe den ihm nach den vorstehenden Ausführungen obliegendenBeweis nicht geführt. Die Revision weist zwar darauf hin, daß der Kläger [X.] hat, er habe die Beklagte an von ihm im einzelnen genannten Tagenaufgefordert, ihre [X.]seiten für die Verbreitung der von ihm [X.] zu sperren. Der Kläger hat diese Behauptung jedoch nicht weiter sub-stantiiert und insbesondere auch nicht dargelegt, welchen konkreten Inhalt sei-ne Aufforderungen hatten. Dies wäre aber erforderlich gewesen, um [X.] zu genügen.Bei dieser Sachlage bedarf es keiner abschließenden Überlegungen zurWissenszurechnung im Bereich des Providers (vgl. dazu [X.]Z 132, 30, 37;135, 202, 206; [X.], Urteile vom 12. November 1998 - [X.] - [X.] 10 -1999, 284, 286 und vom 13. Oktober 2000 - [X.] - NJW 2001, 359,360).5. Die Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und als nicht durchgrei-fend erachtet. Von weiteren Ausführungen hierzu wird gemäß § 564 ZPO ab-gesehen.6. Die Revision des [X.] ist daher mit der Kostenfolge aus § 97Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.[X.][X.]Pauge[X.]Zoll

Meta

VI ZR 335/02

23.09.2003

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.09.2003, Az. VI ZR 335/02 (REWIS RS 2003, 1548)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 1548

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