Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.10.2010, Az. I ZR 4/06

I. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 2692

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.] DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 5. Oktober 2010 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: ja [X.]R: ja [X.] UWG 2008 § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 6; Richtlinie 2005/29/[X.]. 5 Abs. 2 a) Im Hinblick auf die erhebliche Anlockwirkung, die im Allgemeinen von einem an den Produktabsatz gekoppelten Preisausschreiben oder Gewinnspiel ausgeht, ist das Merkmal der [X.] (§ 3 Abs. 1 UWG) bei einer sol-chen Verkaufsförderungsmaßnahme in der Regel erfüllt. Bei der Regelung in §§ 3, 4 Nr. 6 UWG 2008 handelt es sich daher um ein generelles Verbot der Kopplung solcher Preisausschreiben und Gewinnspiele an ein Umsatz-geschäft, dem die Richtlinie 2005/29/[X.] über unlautere Geschäftspraktiken entgegensteht ([X.], Urteil vom 14. Januar 2010 - [X.]/08, [X.], 244 = [X.], 232 - Plus). Das generelle Verbot lässt sich insbesondere nicht damit rechtfertigen, dass die Kopplung solcher Preisausschreiben oder Gewinnspiele generell nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie den [X.] der beruflichen Sorgfalt widerspricht. b) Die Regelung in §§ 3, 4 Nr. 6 UWG 2008 ist in der Weise richtlinienkonform auszulegen, dass die Kopplung eines Preisausschreibens oder Gewinn-spiels an ein Umsatzgeschäft nur dann unlauter ist, wenn sie im Einzelfall eine irreführende Geschäftspraxis darstellt (Art. 6 und 7 der Richtlinie) oder den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt widerspricht (Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie). [X.], Urteil vom 5. Oktober 2010 - [X.] - [X.] [X.] - 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat am 5. Oktober 2010 durch [X.] [X.] und [X.], Dr. Schaffert und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der [X.] wird das Urteil des 20. Zivilsenats des [X.] vom 13. Dezember 2005 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Verurteilung der [X.] zur Unterlassung bestätigt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird das Urteil der [X.] für Han-delssachen des [X.] vom 24. Februar 2005 auf die Berufung der [X.] abgeändert. Die Klage wird mit dem Unterlassungsantrag abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. Von Rechts wegen Tatbestand:Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren [X.], nimmt die Beklagte, ein Einzelhandelsunternehmen, wegen wettbewerbswidri-ger Bewerbung einer "Bonusaktion" auf Unterlassung und Erstattung von [X.] in Anspruch. 1 - 3 - Die Beklagte, die in [X.] etwa 2.700 Filialen unterhält, warb in der [X.] vom 16. September bis 13. November 2004 mit dem Hinweis "Einkau-fen, Punkte sammeln, gratis Lotto spielen" für die Teilnahme an der [X.] "Ihre Millionenchance". Kunden konnten im genannten [X.]raum "[X.]" sammeln; sie erhielten bei jedem Einkauf für 5 • Einkaufswert je einen Bonuspunkt. Ab 20 Bonuspunkten bestand die Möglichkeit, kostenlos an den Ziehungen des [X.] am 6. oder 27. November 2004 [X.]. Hierzu mussten die Kunden auf einer in den Filialen der [X.] [X.] Teilnahmekarte unter anderem die Bonuspunkte aufkleben und sechs [X.] nach ihrer Wahl ankreuzen. Die Beklagte ließ die Teilnahmekarten in ihren Filialen einsammeln und leitete sie an ein drittes Unternehmen weiter, das dafür sorgte, dass die entsprechenden Kunden mit den jeweils ausgewähl-ten Zahlen an der Ziehung der [X.] teilnahmen. Das Werbematerial, mit dem die Beklagte für diese Aktion geworben hat, ist im Vorlagebeschluss des [X.]s vom 5. Juni 2008 ([X.], [X.], 807, 808 = [X.], 1175 - [X.]) wiedergegeben. 2 Die Klägerin sieht in der Bonusaktion der [X.] eine wettbewerbs-widrige Verknüpfung des Warenabsatzes mit einem Gewinnspiel. Die Kunden der [X.] erlangten zwar eine kostenlose Teilnahme an der Lotterie, jedoch bestehe eine rechtliche Abhängigkeit zwischen der kostenlosen Teilnahme und dem Erwerb von Waren bei der [X.]. Eine derartige Verknüpfung versto-ße gegen § 4 Nr. 6 UWG. 3 Die Klägerin hat die Beklagte nach erfolgsloser Abmahnung auf Unter-lassung und auf Zahlung einer Abmahnpauschale in Anspruch genommen. Das [X.] hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt ([X.], [X.], 764). Die dagegen gerichtete Berufung der [X.] hat das Berufungsgericht zurückgewiesen ([X.], Urteil vom 13. Dezember 2005 - 20 U 81/05, juris). Der [X.] hat die Revision zugelassen. 4 - 4 - Mit Beschluss vom 5. Juni 2008 hat der [X.] dem Gerichtshof der [X.] folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt ([X.], [X.], 807 - [X.]): 5 Ist Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2005/29/[X.] über unlautere Geschäftspraktiken dahin auszulegen, dass diese Vorschrift einer nationalen Regelung entgegen-steht, nach der eine Geschäftspraktik, bei der die Teilnahme von Verbrauchern an einem Preisausschreiben oder Gewinnspiel vom Erwerb einer Ware oder von der Inanspruchnahme einer Dienstleistung abhängig gemacht wird, grund-sätzlich unzulässig ist, ohne dass es darauf ankommt, ob die Werbemaßnahme im Einzelfall Verbraucherinteressen beeinträchtigt? Der [X.] hat diese Frage wie folgt [X.] ([X.], Urteil vom 14. Januar 2010 - [X.]/08, [X.], 244 = [X.], 232 - Plus): 6 Die Richtlinie 2005/29/[X.] des [X.] und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/[X.], 98/27/[X.] und 2002/65/[X.] des [X.] und des Rates sowie der Verordnung ([X.]) Nr. 2006/2004 des [X.] und des Rates (Richtlinie über unlautere [X.]) ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, nach der Geschäftsprakti-ken, bei denen die Teilnahme von Verbrauchern an einem Preisausschreiben oder Gewinnspiel vom Erwerb einer Ware oder von der Inanspruchnahme einer Dienstleistung abhängig gemacht wird, ohne Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls grundsätzlich unzulässig sind. Die Beklagte verfolgt mit ihrer Revision den [X.]. Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Revision. 7 Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht hat die Klage aus § 4 Nr. 6 UWG für begründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt: 8 Die beanstandete Werbung sei wegen unzulässiger Kopplung der Teil-nahme an der Lotterie an einen vorherigen Warenkauf wettbewerbswidrig. Der Gesetzgeber habe durch § 4 Nr. 6 UWG jegliche Kopplung des Absatzes von Waren oder Dienstleistungen mit der Teilnahme an Gewinnspielen unter dem 9 - 5 - Gesichtspunkt einer unsachlichen Beeinflussung des Verkehrs durch Ausnut-zung der Spiellust und der Hoffnung auf einen leichten Gewinn als unlauter klassifiziert. Eine solche unzulässige Kopplung sei im Streitfall gegeben. Die Vorschrift des § 4 Nr. 6 UWG sei so zu verstehen, dass es an einer Abhängig-keit nur dann fehle, wenn dem angesprochenen Verkehr eine "diskriminierungs-freie" Alternative der Teilnahme an dem [X.]. Eine solche Alternative bestehe beim beanstandeten Gewinnspiel nicht. Der [X.]verstoß sei auch nicht unerheblich im Sinne von § 3 UWG. Einer solchen Annahme stünden bereits die Marktmacht der [X.] und die Vielzahl der angesprochenen Kunden entgegen. Ohne Bedeutung sei der nur geringe Wert der in Aussicht gestellten Vergünstigung. Zudem würden jedenfalls diejenigen Personen angesprochen, die ansonsten kein Lotto spiel-ten, aber von der kostenlosen Teilnahmemöglichkeit profitieren wollten. 10 I[X.] Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben im Wesentlichen Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage, soweit die Beklagte zur Unterlassung verurteilt worden ist. Keinen Erfolg hat die Revision, soweit sie sich gegen die Verurteilung der [X.] zur Zahlung von Abmahnkosten richtet. 11 - 6 - 1. Die Klägerin hat ihren Unterlassungsanspruch auf [X.] (§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG) und auf eine Verletzungshandlung gestützt, die vom September bis November 2004 begangen worden sein soll. Da der [X.] künftiger Rechtsverstöße gerichtet ist, ist er nur begründet, wenn auf der Grundlage des zum [X.]punkt der Entscheidung geltenden Rechts Unterlassung verlangt werden kann. Zudem muss die Hand-lung zum [X.]punkt ihrer Begehung wettbewerbswidrig gewesen sein, weil es anderenfalls an der Wiederholungsgefahr fehlt (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 29. April 2010 - [X.], [X.], 652 Rn. 10 = [X.], 872 - [X.], mwN). Für den auf § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG gestützten [X.] auf Erstattung der Abmahnkosten kommt es hingegen darauf an, ob die Abmahnung zu dem [X.]punkt, in dem sie dem Schuldner zugegangen ist, [X.] war (vgl. [X.] in [X.]/[X.], UWG, 29. Aufl., § 12 Rn. 1.84). 12 Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 (UWG 2004), das zum [X.]punkt des beanstandeten Verhaltens galt, ist Ende 2008, also nach Verkündung des Berufungsurteils, geändert worden (UWG 2008). Diese - der Umsetzung der Richtlinie 2005/29/[X.] über unlautere Geschäfts-praktiken dienende - Gesetzesänderung ist insofern von Bedeutung, als die Be-stimmung des § 3 UWG geändert worden und die unverändert gebliebene Be-stimmung des § 4 Nr. 6 UWG nunmehr - genauer: seit dem endgültigen Ablauf der Umsetzungsfrist am 12. Dezember 2007 - im Lichte der Richtlinie und unter Berücksichtigung der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der [X.] auszulegen ist. 13 2. Der [X.] hat bereits im Vorlagebeschluss vom 5. Juni 2008 ([X.], 807 Rn. 11 ff. - [X.]) im Einzelnen dargelegt, dass die be-anstandete Werbung im [X.] 2004 nach §§ 3, 4 Nr. 6 UWG 2004 wettbe-werbswidrig war. Es handelt sich nicht lediglich um ein [X.], sondern um die Werbung für ein Gewinnspiel ([X.], [X.], 807 Rn. 12 f.), an dem nur teilnehmen konnte, wer zuvor bei der [X.] Waren in 14 - 7 - einem bestimmten Umfang erworben hatte ([X.], [X.], 807 Rn. 14). Die beanstandete Werbung war auch geeignet, den Wettbewerb nicht nur uner-heblich zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer zu beeinträchtigen (§ 3 UWG 2004; [X.], [X.], 807 Rn. 15). Da der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zum [X.]punkt der Abmahnung zustand (§ 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2 UWG), ist die [X.] zu Recht zur Zahlung der Abmahnkosten verurteilt worden (§ 12 Abs. 1 Satz 2 UWG). 3. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch steht der Klägerin da-gegen auf der Grundlage des heute geltenden Rechts nicht (mehr) zu. Auch wenn der Wortlaut der Bestimmung des § 4 Nr. 6 UWG im Rahmen der [X.] unverändert geblieben ist und sich die Verbotsnorm des § 3 UWG 2004 mit nur geringfügigen Änderungen in § 3 Abs. 1 UWG 2008 [X.], verbietet eine richtlinienkonforme Auslegung dieser Bestimmungen die Anwendung auf den Streitfall. Ein Verstoß gegen einen anderen Unlauterkeits-tatbestand des Gesetzes scheidet ebenfalls aus. 15 a) Nach § 4 Nr. 6 UWG handelt unlauter, wer die Teilnahme von [X.] an einem Gewinnspiel vom Erwerb einer Ware abhängig macht. Die Bestimmung enthält - anders als vergleichbare Beispielstatbestände des § 4 UWG - keine Wertungsmöglichkeit. Die Kopplung eines Gewinnspiels an ein Umsatzgeschäft führt zwar nach dieser Bestimmung nicht stets zur Unzulässig-keit des fraglichen Verhaltens; hinzu kommen muss, dass die [X.]-handlung geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer spürbar zu beeinträchtigen (§ 3 Abs. 1 UWG 2008). An der [X.] wird es aber bei intensiv beworbe-nen Gewinnspielen schon im Hinblick auf die erhebliche Anlockwirkung, die von ihnen ausgeht, nicht fehlen (vgl. [X.], [X.], 807 Rn. 21 - [X.], zu § 3 UWG 2004). Damit untersagt die Vorschrift des § 4 Nr. 6 UWG im Zusammenwirken mit § 3 Abs. 1 UWG 2008 gekoppelte Preisausschreiben und Gewinnspiele generell und unabhängig von einer Gefährdung der [X.] - 8 - cherinteressen im Einzelfall. Denn das Verbot beansprucht auch dann Geltung, wenn von dem beworbenen Angebot keine unsachliche Beeinflussung der Verbraucher ausgeht, die Teilnahmebedingungen klar und deutlich angegeben sind und die Verbraucher über ihre Gewinnchancen nicht irregeführt werden ([X.], [X.], 807 Rn. 21 - [X.]). 17 b) Mit diesem Inhalt ist § 4 Nr. 6 UWG mit der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken nicht vereinbar. aa) Bei einem Angebot, das den Erwerb von Waren oder die Inan-spruchnahme von Dienstleistungen mit der Teilnahme der Verbraucher an ei-nem Gewinnspiel oder einem Preisausschreiben koppelt, handelt es sich um eine Geschäftspraxis im Sinne von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken. Werbemaßnahmen, die - wie im Streitfall - die kostenlose Teilnahme des Verbrauchers an einer Lotterie davon abhängig machen, dass in einem bestimmten Umfang Waren erworben oder Dienstleistungen in Anspruch genommen werden, zielen unmittelbar auf die Förderung des Absatzes des betreffenden Gewerbetreibenden ab und fallen damit in den Geltungsbereich von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken ([X.], [X.], 244 Rn. 37 - Plus; vgl. dazu [X.], [X.] 2010, 186, 187). Die beanstandete Werbung der [X.] ist daher an den in der Richtlinie über un-lautere Geschäftspraktiken aufgestellten Vorschriften zu messen. 18 - 9 - bb) Die Regeln über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen ge-genüber Verbrauchern sind mit der Richtlinie 2005/29/[X.] auf Unionsebene vollständig harmonisiert worden. Daher dürfen die Mitgliedstaaten keine stren-geren als die in der Richtlinie festgelegten Maßnahmen erlassen (Art. 4 der Richtlinie), und zwar auch nicht zur Erreichung eines höheren Verbraucher-schutzniveaus ([X.], [X.], 244 Rn. 41 - Plus; [X.], [X.], 807 Rn. 17 - [X.]). 19 cc) Nach der Generalklausel des Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie über unlau-tere Geschäftspraktiken ist eine Geschäftspraxis unlauter, wenn sie den [X.] der beruflichen Sorgfaltspflicht widerspricht und in Bezug auf das je-weilige Produkt das wirtschaftliche Verhalten des [X.] wesentlich beeinflusst oder dazu geeignet ist, es wesentlich zu beeinflussen. Eine in diesem Sinne wesentliche Beeinflussung ist nach der Definition des Art. 2 Buchst. e der Richtlinie immer dann gegeben, wenn eine Geschäftspraxis die Fähigkeit des Verbrauchers, eine "informierte Entscheidung" zu treffen, spürbar beeinträchtigt und damit den Verbraucher zu einer geschäftlichen Ent-scheidung veranlasst, die er andernfalls nicht getroffen hätte. 20 In Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie werden zwei Arten von Geschäftspraktiken genannt, die als unlauter einzustufen sind, nämlich die "irreführenden Prakti-ken" im Sinne der Art. 6 und 7 und die "aggressiven Praktiken" im Sinne der Art. 8 und 9 der Richtlinie. Darüber hinaus stellt die Richtlinie in ihrem Anhang I eine erschöpfende Liste von 31 Geschäftspraktiken auf, die gemäß Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie "unter allen Umständen" als unlauter anzusehen sind. Nur diese Geschäftspraktiken können ohne eine Beurteilung des Einzelfalls anhand der Bestimmungen der Art. 5 bis 9 der Richtlinie über unlautere Geschäftsprak-tiken als unlauter gelten ([X.], [X.], 244 Rn. 44 f. - Plus). 21 - 10 - [X.]) Anhang I der Richtlinie und - ihm folgend - der Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG 2008 enthalten kein Verbot der Kopplung eines Gewinnspiels an ein [X.]. Es liegt auf der Hand, dass sich ein solches generelles Verbot nicht unter den Tatbestand einer irreführenden Geschäftspraxis (Art. 6 und 7 der Richtlinie) fassen lässt. Es kann aber auch nicht als aggressive Geschäfts-praxis im Sinne der Art. 8 und 9 der Richtlinie angesehen werden. Denn eine solche Kopplung stellt weder eine Belästigung oder Nötigung noch eine unzu-lässige Beeinflussung - also die Ausnutzung einer Machtposition zur Ausübung von Druck (Art. 2 Buchst. j der Richtlinie) - dar, weil von ihr für den Verbraucher nur ein besonderer Anreiz ausgeht, ohne dass der Verbraucher dadurch unter Druck gesetzt wird (vgl. [X.], [X.], 177, 182). 22 Damit stünde die [X.] Regelung mit der Richtlinie nur dann im Ein-klang, wenn das generelle Verbot der Kopplung eines Gewinnspiels an ein [X.] unter die Generalklausel des Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie fiele. Die Generalklausel setzt sich aus einem [X.] und einem Rele-vanzkriterium zusammen (vgl. [X.], [X.], 767, 773): Das fragliche Verhalten muss zum einen den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht widersprechen (Art. 5 Abs. 2 Buchst. a in Verbindung mit Art. 2 Buchst. h der Richtlinie), es muss zum anderen das wirtschaftliche Verhalten der Verbraucher zu beeinflussen geeignet sein (Art. 5 Abs. 2 Buchst. b in Verbindung mit Art. 2 Buchst. e der Richtlinie). Dass die Kopplung von Gewinnspielen an ein [X.] generell der beruflichen Sorgfalt widerspräche, lässt sich nicht an-nehmen. Dies entnimmt der [X.] der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der [X.], in der die Generalklausel zwar angeführt ([X.], [X.], 244 Rn. 43 - Plus), aber nicht als Rechtfertigung der [X.]n Regelung herangezogen worden ist ([X.], [X.], 244 Rn. 47 ff. - Plus). 23 - 11 - Noch deutlicher kommt diese Auffassung des Gerichtshofs in dem - noch vor dem Absetzen der vorliegenden Entscheidungsgründe ergangenen - Urteil "[X.]" zum Ausdruck ([X.], Urteil vom 9. November 2010 - [X.]/08, [X.], 76 = [X.], 45). Dort hatte der [X.] Oberste [X.] mit seiner zweiten Frage zum Zugabeverbot in § 9 Abs. 1 Nr. 1 des [X.]n UWG wissen wollen, ob die Kopplung eines Gewinnspiels an den Erwerb einer [X.]ung eine unlautere Geschäftspraxis im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie darstellt, wenn diese Teilnahmemöglichkeit für einen Teil der angesprochenen Verbraucher das ausschlaggebende Motiv für den Erwerb der [X.]ung bildet. In seiner Antwort weist der Gerichtshof darauf hin, dass das angeführte Motiv möglicherweise das Relevanzkriterium erfülle; daneben [X.] aber - um eine unlautere Geschäftspraxis zu bejahen - das fragliche Verhal-ten den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt widersprechen ([X.], [X.], 76 Rn. 46 - [X.]). Dass dies der Fall sein könnte, wird vom [X.] in der abschließenden Antwort auf diese Frage noch nicht einmal [X.] ([X.], [X.], 76 Rn. 47 - [X.]). 24 c) Ist ein generelles Verbot der Kopplung von Gewinnspielen mit [X.]en mit der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken nicht ver-einbar, ist die Bestimmung des § 4 Nr. 6 UWG richtlinienkonform in der Weise auszulegen, dass eine solche Kopplung nur dann unlauter ist, wenn sie im Ein-zelfall eine unlautere Geschäftspraxis im Sinne der Richtlinie darstellt. Da we-der der Verstoß gegen ein Per-se-Verbot des Anhangs I der Richtlinie noch ei-ne aggressive Geschäftspraxis nach Art. 8 und 9 der Richtlinie (vgl. dazu oben Rn. 22) in Betracht kommt, bleibt insofern lediglich zu prüfen, ob das beanstan-dete Verhalten im Einzelfall als irreführende Geschäftspraxis oder als Verstoß gegen die berufliche Sorgfalt einzuordnen ist. Dies ist zu verneinen. 25 - 12 - Dass die Beklagte die Verbraucher über die Gewinnchancen in die Irre geführt oder auch nur unzureichend über Teilnahmebedingungen oder Gewinn-möglichkeiten unterrichtet hätte, ist dem Vortrag der Klägerin nicht zu entneh-men. Ebenso fehlt es für einen Verstoß gegen die berufliche Sorgfalt (Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie) zumindest am [X.]. Dabei kann [X.], ob es im Einzelfall einen Verstoß gegen die berufliche Sorgfalt darstel-len kann, wenn von dem gekoppelten Gewinnspielangebot eine so starke An-lockwirkung ausgeht, dass die Rationalität der Nachfrageentscheidung der [X.] vollständig in den Hintergrund tritt (vgl. [X.], [X.] 2010, 417, 419 zu § 4 Nr. 1 UWG; ablehnend [X.], [X.], 767, 775). Denn im Streitfall ist eine solche von der Werbung ausgehende Wirkung ohne-hin ausgeschlossen. 26 d) Auch ein Verstoß gegen einen anderen Unlauterkeitstatbestand des Gesetzes kommt nicht Betracht. Für eine Irreführung nach § 5 UWG 2008 ist - wie sich bereits aus den Ausführungen zur richtlinienkonformen Auslegung (s. oben Rn. 26) ergibt - nichts ersichtlich. Für eine mangelnde Transparenz im Sinne von § 4 Nr. 4 und 5 UWG lässt sich weder dem festgestellten Sachverhalt noch dem Klagevortrag etwas entnehmen. Ob eine extreme Anlockwirkung un-ter § 4 Nr. 1 UWG zu subsumieren ist oder allenfalls von der Generalklausel des § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG erfasst wird, bedarf im Streitfall ebenfalls keiner Klärung, weil von der beanstandeten Werbung eine solche Anlockwirkung nicht ausgeht (s. oben Rn. 26). 27 II[X.] Danach ist das angefochtene Urteil auf die Revision der [X.] aufzuheben, soweit das Berufungsgericht die Verurteilung der [X.] zur Unterlassung bestätigt hat. Der [X.] hat selbst in der Sache zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsan-spruch nicht (mehr) zusteht, ist die Klage unter Abänderung des landgerichtli-chen Urteils mit dem Unterlassungsantrag abzuweisen. 28 Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. 29 - 13 - [X.] Pokrant Büscher
Schaffert Koch Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 24.02.2005 - 21 O 144/04 - [X.], Entscheidung vom 13.12.2005 - [X.] -

Meta

I ZR 4/06

05.10.2010

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.10.2010, Az. I ZR 4/06 (REWIS RS 2010, 2692)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2692

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I ZR 4/06 (Bundesgerichtshof)

Wettbewerbsrecht: Richtlinienkonforme Auslegung der Vorschriften über die Unlauterkeit der Koppelung eines Preisausschreibens oder Gewinnspiels an …


I ZR 4/06 (Bundesgerichtshof)


I ZR 192/12 (Bundesgerichtshof)

Wettbewerbsverstoß: Unlauterkeit einer Fruchtgummi-Fernsehwerbung gegenüber Kindern mit einem an den Warenumsatz gekoppelten Gewinnspiel - Goldbärenbarren


I ZR 31/06 (Bundesgerichtshof)


I ZR 192/12 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

I ZR 4/06

I ZR 23/08

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.