Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30.08.2023, Az. 2 B 44/22

2. Senat | REWIS RS 2023, 6689

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Gegenstand

Entfernung eines Polizeibeamten aus dem Beamtenverhältnis wegen Kreditkartenbetrugs


Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 18. Mai 2022 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

1. [X.]er Beklagte wendet sich gegen seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.

2

[X.]er ... geborene Beklagte steht im [X.]mt eines Kriminalhauptmeisters (Besoldungsgruppe [X.]) im [X.]ienst des [X.] Im Jahr 2008 wurde gegen den [X.] ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wegen Betrugs zu Lasten von Versicherungen und Kreditinstituten eingeleitet. Nachdem die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren hinsichtlich der vorgeworfenen Taten aus den Jahren 2000 bis 2003 wegen Verfolgungsverjährung eingestellt hatte, stellte das [X.]mtsgericht ... mit Beschluss vom [X.]ugust 2012 das Strafverfahren wegen der noch angeklagten Taten aus den Jahren 2003 bis 2006 gegen Zahlung einer [X.]eldauflage in Höhe von 900 € ein.

3

In dem im Mai 2009 eingeleiteten und im Hinblick auf das Strafverfahren ausgesetzten [X.]isziplinarverfahren erhob der Kläger im September 2014 [X.]isziplinarklage. [X.]as Verwaltungsgericht hat den [X.] aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Im ersten Berufungsverfahren hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung des [X.] gegen das erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen. [X.]ieses erste Berufungsurteil hat das [X.] mit Beschluss vom 28. Januar 2020 - 2 [X.] - ([X.] 310 § 132 [X.]bs. 2 Ziff. 3 Vw[X.]O Nr. 87) wegen Verstoßes gegen den Überzeugungsgrundsatz aufgehoben; die Sache wurde zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. [X.]uch im zweiten Berufungsverfahren hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung des [X.] zurückgewiesen.

4

[X.]as Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: [X.]er Beklagte habe durch die Begehung von drei außerdienstlichen [X.] in besonderem Maße seine beamtenrechtliche Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verletzt. Nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage stehe zur Überzeugung des [X.]erichts fest, dass der Beklagte dem gesondert verfolgten [X.] im [X.]ezember 1998 einen Zahlungsbeleg überlassen habe, um diesem die [X.]brechnung eines angeblichen [X.]iebstahlschadens gegenüber der Versicherung zu ermöglichen. Weiter habe der Beklagte im Juli 2000 und im September 2006 jeweils einen Betrug zu Lasten eines Kreditinstituts in Mittäterschaft begangen, indem er seine Kreditkarte mit Wissen und Wollen dem gesondert verfolgten [X.] zur Verwendung unter seinem Namen überlassen, die Kreditkarte anschließend als verloren gemeldet und sich die mit ihr getätigten Umsätze vom Kreditinstitut erstatten lassen habe. Bei [X.]esamtbetrachtung aller Umstände sei es ausgeschlossen, dass dem [X.] die Kreditkarten entwendet worden seien. [X.]agegen könnten die weiteren, dem [X.] vorgeworfenen [X.], Betrug zu Lasten von Versicherungen wegen vorgetäuschten Einbruchdiebstählen, nicht mit der notwendigen Sicherheit nachgewiesen werden. [X.]ie festgestellten Straftaten des Betrugs zu Lasten der Kreditinstitute und der Beihilfe zum Betrug zu Lasten einer Versicherung seien ein schweres [X.]ienstvergehen des [X.], das nach einer [X.]esamtwürdigung sämtlicher zu berücksichtigender Umstände seine Entfernung aus dem [X.]ienst erfordere. In den persönlichen Lebensumständen des [X.] seien keine persönlichkeitsbezogenen Milderungsgründe zu erkennen, die ein [X.]bsehen von der [X.] rechtfertigen könnten.

5

2. [X.]ie auf den Zulassungsgrund des [X.] (§ 69 [X.]isziplinargesetz des [X.] - [X.] M-V - i. V. m. § 132 [X.]bs. 2 Nr. 3 Vw[X.]O) gestützte Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision ist unbegründet. [X.]as Berufungsgericht hat den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 [X.]bs. 1 Satz 1 Vw[X.]O) nicht verletzt.

6

[X.]emäß § 108 [X.]bs. 1 Satz 1 Vw[X.]O entscheidet das [X.]ericht nach seiner freien, aus dem [X.]esamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. [X.]ie Sachverhalts- und Beweiswürdigung einer Tatsacheninstanz ist der Beurteilung des [X.] nur insoweit unterstellt, als es um Verfahrensfehler im Sinne des § 132 [X.]bs. 2 Nr. 3 Vw[X.]O geht. [X.] ist damit nicht das Ergebnis der Beweiswürdigung, sondern nur der [X.] auf dem Weg dorthin. [X.]erartige Mängel liegen insbesondere vor, wenn das angegriffene Urteil von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, also beispielsweise entscheidungserheblichen [X.]kteninhalt übergeht oder auf einer aktenwidrigen Tatsachengrundlage basiert. [X.]ie Einhaltung der verfahrensmäßigen Verpflichtungen des [X.]s ist nicht schon dann in [X.]rage gestellt, wenn ein Beteiligter ein aus seiner Sicht fehlerhaftes Ergebnis der gerichtlichen Verwertung des vorliegenden Tatsachenmaterials rügt, aus dem er andere Schlüsse ziehen will als das angefochtene Urteil. [X.]ie Beweiswürdigung des [X.]s darf vom Revisionsgericht nicht daraufhin überprüft werden, ob sie überzeugend ist, ob festgestellte Einzelumstände mit dem ihnen zukommenden [X.]ewicht in die abschließende Beweiswürdigung eingegangen sind und ob diese Einzelumstände die Würdigung tragen. Solche [X.]ehler sind revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen und können einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 [X.]bs. 2 Nr. 3 Vw[X.]O grundsätzlich nicht begründen. Ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz hat jedoch dann den Charakter eines Verfahrensfehlers, wenn das [X.] allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze verletzt (stRspr, vgl. [X.], Beschlüsse vom 8. [X.]ebruar 2017 - 2 B 2.16 - juris Rn. 15 und vom 8. Juni 2017 - 2 B 5.17 - juris Rn. 17). [X.]as Ergebnis der gerichtlichen Beweiswürdigung selbst ist vom Revisionsgericht nur daraufhin nachzuprüfen, ob es gegen Logik ([X.]enkgesetze) und Naturgesetze verstößt oder gedankliche Brüche und Widersprüche enthält (stRspr, vgl. [X.], Urteil vom 3. Mai 2007 - 2 C 30.05 - [X.] 310 § 108 [X.]bs. 1 Vw[X.]O Nr. 50 Rn. 16 sowie Beschlüsse vom 23. September 2013 - 2 B 51.13 - juris Rn. 19 und vom 28. März 2017 - 2 B 9.16 - juris Rn. 17).

7

a) [X.]emessen daran greift die Rüge der Beschwerde nicht durch, das Berufungsgericht habe gegen den Überzeugungsgrundsatz verstoßen, weil es aus dem Umstand der verzögerten Benennung von Entlastungszeugen entgegen einem im Beschluss des [X.]s vom 28. Januar 2020 - 2 [X.] - ([X.] 310 § 132 [X.]bs. 2 Ziff. 3 Vw[X.]O Nr. 87 Rn. 27) aufgestellten Beweisgrundsatz widerstreitende Schlussfolgerungen gezogen habe.

8

Mit dem Hinweis im Beschluss vom 28. Januar 2020 - 2 [X.] - ([X.] 310 § 132 [X.]bs. 2 Ziff. 3 Vw[X.]O Nr. 87 Rn. 27) hat der [X.] keinen Rechtssatz des Inhalts gebildet, es stelle einen allgemeinen Beweisgrundsatz dar, dass die verzögerte Benennung von Entlastungszeugen in der Regel ein für die [X.]chaft sprechendes Indiz sei. [X.]er [X.] hat lediglich angemerkt, dass bei der erneuten Prüfung, ob dem [X.] neben dem Kreditkartenbetrug weitere außerdienstliche [X.] wegen Versicherungsbetrugs vorzuwerfen seien, vom Berufungsgericht zu bedenken sein wird, dass nach den konkreten Umständen des Einzelfalls auch eine Reihe für die [X.]chaft sprechende Indizien vorliegen, die in die tatrichterliche Überzeugungsbildung einzubeziehen und abzuwägen sind. [X.]abei ist der Tatrichter grundsätzlich in der Beurteilung frei, welche Beweiskraft er den für oder gegen die [X.]chaft sprechenden Beweisanzeichen im Einzelnen und in einer [X.] für seine Überzeugungsbildung beimisst.

9

[X.]ie unter Berücksichtigung dieser Vorgaben des [X.]s gewonnene Überzeugung des Berufungsgerichts ist entgegen der [X.]nnahme der Beschwerde nicht widersprüchlich. [X.]as Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein Beklagter grundsätzlich sein Verteidigungsverhalten an der für ihn erkennbaren Erkenntnislage ausrichten und schrittweise Beweisanträge stellen darf, wenn es aus seiner Sicht nach der Beweissituation erforderlich erscheint. In Widerspruch dazu steht nicht die Wertung des Berufungsgerichts, dass die verzögerte Benennung des [X.] zum Tatkomplex des Kreditkartenmissbrauchs ein für die [X.]chaft des [X.] sprechendes Indiz sei (vgl. U[X.] S. 19, 32 f.). [X.]iese in [X.] aller relevanten Umstände vorgenommene Würdigung des Berufungsgerichts ist aufgrund der besonderen [X.]egebenheiten des Einzelfalls nachvollziehbar. [X.] war ein im Jahr 2008 angeblich geführtes [X.]espräch zwischen dem [X.] und dem Zeugen [X.], bei dem der Zeuge [X.] erzählt habe, dem [X.] die Kreditkarten gestohlen zu haben. Nach den nicht angegriffenen tatsächlichen [X.]eststellungen des [X.] (§ 137 [X.]bs. 2 Vw[X.]O) hat der Beklagte den [X.] zu dieser entlastenden Behauptung erst mit Schriftsatz vom 18. Januar 2022 benannt, obwohl er von diesem [X.]espräch bereits vor der erstinstanzlichen Entscheidung im Jahr 2016 Kenntnis erlangt hatte (U[X.] S. 19). Hinzu kommt, dass im ersten Berufungsurteil vom September 2018 der Kreditkartenbetrug in Mittäterschaft als erwiesen festgestellt worden war und der [X.] [X.]nfang Januar 2020 auf die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] hin die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung über diesen Vorwurf an das Berufungsgericht zurückverwiesen hatte. [X.]araufhin hatte der Beklagte bereits im Mai 2020 zur weiteren Begründung der Berufung ergänzend vorgetragen.

b) Unbegründet ist auch der weitere Einwand, das Berufungsgericht habe bei der Beweiswürdigung (U[X.] S. 15 ff.) aus demselben Umstand - Entdeckungsrisiko einer Tat - widerstreitende Schlussfolgerungen gezogen.

[X.]as Berufungsgericht hat angenommen, es widerspreche allgemeiner Lebenserfahrung, dass ein [X.]ieb zwischen dem [X.]iebstahl der Kreditkarte und deren Einsatz mehrere Tage verstreichen lasse und das Risiko eingehe, dass der Verlust der Karte entdeckt und ihre Sperrung veranlasst werde, damit ihr [X.]ebrauch scheitern und mit einer [X.]eststellung des [X.] "auf frischer Tat" verbunden sein könne. Umstände, die diesen Erfahrungssatz vorliegend in [X.]rage stellen, hat die Beschwerde nicht aufgezeigt und sind nicht erkennbar. [X.]uch besteht kein Widerspruch zu dem im Rahmen der Beweiswürdigung vom Berufungsgericht als wahr unterstellten Sachverhalt, dass die Kreditkarte auch noch an dem auf die Verlustmeldung folgenden Tag im [X.]usland eingesetzt worden sei. Im Hinblick auf den zeitlichen Handlungsrahmen ist entgegen der Beschwerde nicht der Schluss zu ziehen, mit dem weiteren [X.]ebrauch der Kreditkarte sei der Zeuge [X.] ein Entdeckungsrisiko eingegangen, das für einen [X.]iebstahl und gegen einen gemeinschaftlichen Kreditkartenbetrug spreche. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass es auch bei einer einvernehmlichen Tatbegehung aufgrund von [X.]bstimmungsmängeln oder -schwierigkeiten zwischen den Tatbeteiligten zu einer solchen Situation kommen kann.

Weiter ist das Berufungsgericht zu der in sich stimmigen Überzeugung gelangt, dass allein der Umstand des Überziehens des [X.] kein Indiz dafür sei, dass der Zeuge [X.] die Kreditkarte gestohlen habe (U[X.] S. 17 f.). Nach den nicht angegriffenen tatsächlichen [X.]eststellungen des [X.] (§ 137 [X.]bs. 2 Vw[X.]O) hat der Zeuge [X.] die Karten bewusst an Orten im [X.]usland eingesetzt, bei denen er aufgrund seiner dienstlich erworbenen Kenntnisse gewusst habe, dass die Sicherheitsvorkehrungen gering seien und deshalb auch bei Käufen über dem Kreditkartenlimit nicht die unmittelbare [X.]efahr einer Nachforschung zum unbefugten [X.]ebrauch der Karte drohe.

c) Unbegründet ist der Vorwurf der Beschwerde, das Oberverwaltungsgericht konstruiere mit den [X.]usführungen im Berufungsurteil auf Seite 13, letzter [X.]bsatz ein inkonsistentes [X.]ussageverhalten des Zeugen [X.], das mit den protokollierten Zeugenaussagen nicht in Einklang zu bringen sei. [X.]as Berufungsgericht hat ausgeführt, die [X.]ussage des Zeugen [X.] bei seiner Vernehmung im Mai 2022, es sei üblich gewesen, dass Mitglieder, darunter auch Polizisten, [X.]reunde und Verwandte in die Sportanlage und damit in den Kraftraum mitgebracht hätten (vgl. Protokoll der Berufungsverhandlung vom 9. Mai 2022 S. 3, [X.]. 1400 der [X.]erichtsakte), sei mit seiner früheren [X.]ussage nicht vereinbar, andere Personen als Polizisten seien nicht in den Kraftraum gekommen. [X.]iese Wertung steht nicht in einem unauflösbaren Widerspruch zu dem protokollierten Inhalt der früheren [X.]ussage des Zeugen [X.]. Bei seiner Vernehmung im ersten Berufungsverfahren im Mai 2018 hat er ausgesagt, der Sportbereich sei überwiegend von Polizeibeamten genutzt worden; [X.]remde seien dort nicht hingekommen (vgl. Protokoll der Berufungsverhandlung vom 28. Mai 2018, [X.], [X.]. 762 der [X.]erichtsakte). [X.]amit hat der Zeuge einen anderen üblichen Benutzerkreis beschrieben als bei seiner Einvernahme im Mai 2022. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch hat er mit dem Begriff "überwiegend" eine [X.]ruppe von Nutzern beschrieben, die in aller Regel, normalerweise und damit üblicherweise zusammengekommen ist.

Revisionsrechtlich ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht dieses [X.]ussageverhalten als ein an der jeweiligen Prozesssituation orientiertes Verhalten gewürdigt und auch deshalb die [X.]ussage des Zeugen [X.] als unglaubhaft angesehen hat. Entgegen der Beschwerde stellt es keinen Widerspruch dar, wenn das Berufungsgericht die [X.]ussage eines anderen Zeugen für glaubhaft hält, dessen im Mai 2022 getätigte [X.]ussage zur Nutzung der Sporträume mit der zuletzt getroffenen [X.]ussage des Zeugen [X.] übereingestimmt habe.

d) [X.]erner ist das Berufungsgericht zu der in sich widerspruchsfreien [X.]nnahme gelangt, dass der behauptete [X.]iebstahl der Kreditkarte des [X.] durch den Zeugen [X.] nur bei einem Saunabesuch an einem Sonntag, spätestens dem 2. Juli 2000, hätte begangen werden können (U[X.] S. 11 ff.). [X.]er Beklagte hat nach den nicht angegriffenen tatsächlichen [X.]eststellungen des [X.] (§ 137 [X.]bs. 2 Vw[X.]O) angegeben, an den darauffolgenden Werktagen bis zum Einsatz der Kreditkarte in der ... am 6. Juli 2000 aus beruflichen [X.]ründen ortsabwesend gewesen zu sein und den Verlust der Kreditkarte am 4. Juli 2000 bemerkt zu haben. [X.]er Zeuge [X.] hat ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 10. [X.]ebruar 2016 (vgl. Protokoll [X.], [X.]. 163 der [X.]erichtsakte) bekundet, in die Sauna nach gemeinsamem Sport "meistens sonntags", "nicht in der Woche" gegangen zu sein. Nach diesen [X.]ngaben ist der vom Berufungsgericht im Rahmen der [X.]esamtwürdigung gezogene Schluss nachvollziehbar, dass die Wahrscheinlichkeit einer persönlichen Begegnung des [X.] und des Zeugen [X.] an den vor dem [X.]ebrauch der Karte liegenden Werktagen äußerst gering gewesen sei und deshalb nur der vorangegangene Sonntag als Tattag für den behaupteten [X.]iebstahl habe in Betracht kommen können.

e) Unrichtig ist, dass das Berufungsgericht - wie die Beschwerde meint - schlicht angenommen habe, es sei lebensfremd, [X.]reunde und Kollegen zu bestehlen. [X.]as Berufungsgericht hat plausibel ausgeführt, es sei lebensfremd, dass der Zeuge [X.] dem [X.], seinem [X.]reund und Kollegen, die Kreditkarte bei einem gemeinsamen Saunabesuch gestohlen habe. Ungeachtet des Entdeckungsrisikos hätte der Zeuge [X.] damit rechnen müssen, dass der Verlust der Karte unmittelbar beim [X.]nkleiden bemerkt werde und der Verdacht auch auf ihn - den Zeugen [X.] - falle, zumal dieser sich mit dem [X.] einen Spind geteilt haben will (vgl. U[X.] S. 14 zweiter [X.]bsatz).

f) Schließlich liegt keine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 [X.]bs. 1 Satz 1 Vw[X.]O) vor, soweit die Beschwerde beanstandet, das Berufungsgericht habe die Einvernahme von Zeugen abgelehnt und die [X.]en als wahr unterstellt, ohne darauf bei der Beweiswürdigung einzugehen und sich damit auseinanderzusetzen.

[X.]ie Verfahrensweise der "Wahrunterstellung" setzt voraus, dass die behauptete [X.] im [X.]olgenden so behandelt wird, als wäre sie wahr. [X.]as [X.]ericht darf sich im weiteren Verlauf nicht in Widerspruch zu der als wahr unterstellten [X.]nnahme setzen und muss sie "ohne jede inhaltliche Einschränkung" in ihrem mit dem Beteiligtenvorbringen gemeinten Sinn behandeln, als wäre sie nachgewiesen. [X.]ie Wahrunterstellung einer unter Beweis gestellten Tatsache verpflichtet das [X.], diese Tatsache der Sachverhalts- und Beweiswürdigung zugrunde zu legen. [X.]abei entfaltet eine Wahrunterstellung jedoch keine Bindungswirkung für die Würdigung des betreffenden [X.]. Sie verbietet nicht, aus diesem Sachverhalt unter Beachtung des Überzeugungsgrundsatzes bestimmte, andere Schlüsse zu ziehen, solange die als wahr unterstellten Tatsachen zugrunde gelegt werden (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Januar 2020 - 2 [X.] - [X.] 310 § 132 [X.]bs. 2 Ziff. 3 Vw[X.]O Nr. 87 Rn. 21 m. w. N.).

[X.]as Berufungsgericht hat diese Beweisgrundsätze nicht verletzt. [X.]er Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 9. Mai 2022 durch die Einvernahme des [X.] die Behauptung unter Beweis gestellt, der Zeuge [X.] habe den [X.] in einem [X.]espräch darüber informiert, dass der Zeuge [X.] seine - des Zeugen [X.] - Kreditkarte gestohlen habe. Weiter hat der Beklagte durch die Einvernahme der [X.], [X.] und [X.] die Behauptung unter Beweis gestellt, dass der Zeuge [X.] diesen Zeugen berichtet habe, die Kreditkarten des [X.] entwendet zu haben (vgl. Protokoll [X.], [X.]. 1406 der [X.]erichtsakte). [X.]as Oberverwaltungsgericht hat die Beweisanträge ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2022 (vgl. Protokoll S. 10, [X.]. 1407 der [X.]erichtsakte) mit der Begründung abgelehnt, dass die unter Beweis gestellten Tatsachen als wahr unterstellt werden.

Verfahrensfehlerfrei hat das Oberverwaltungsgericht die Wahrunterstellung der [X.]n seiner Sachverhalts- und Beweiswürdigung im Berufungsurteil zugrunde gelegt. Es ist davon ausgegangen, dass auch ein [X.]iebstahl der Kreditkarte des Zeugen [X.] nichts daran ändere, dass der Zeuge [X.] Kreditkarten auch einvernehmlich an sich gebracht und missbräuchlich verwendet habe; er habe beide [X.]rten des [X.]nsichbringens von Kreditkarten angewendet (vgl. U[X.] S. 19 zweiter [X.]bsatz). [X.]ass es dabei nicht zu dem von der Beschwerde geforderten günstigeren Schluss für den [X.] - [X.]iebstahl seiner Kreditkarten - gelangt ist, vermag einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz nicht zu begründen. [X.]leiches gilt, soweit das Berufungsgericht bei seiner Beweiswürdigung das vom Zeugen [X.] mit den [X.], [X.] und [X.] geführte [X.]espräch als wahr unterstellt, darin aber ebenso wie im [X.]espräch mit dem als glaubhaft angesehenen [X.] nach [X.]esamtwürdigung aller Umstände nachvollziehbar ein taktisches Verhalten des Zeugen [X.] gesehen hat, um seine unwahre Version des [X.]eschehens weiterzugeben (vgl. U[X.] S. 16).

g) [X.]as übrige Beschwerdevorbringen erschöpft sich darin, die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts durch eine eigene, dem [X.] günstigere Einschätzung zu ersetzen. [X.]ies ist nicht [X.]egenstand einer Verfahrensrüge. Unter dem Vorwand eines Verstoßes gegen § 108 [X.]bs. 1 Satz 1 Vw[X.]O kann nicht die inhaltliche Richtigkeit der Sachentscheidung des Berufungsgerichts gerügt werden.

3. [X.]ie Kostenentscheidung folgt aus § 78 [X.]bs. 1 [X.] M-V i. V. m. § 154 [X.]bs. 2 Vw[X.]O. Einer [X.]estsetzung des Streitwerts bedarf es nicht, weil für das Beschwerdeverfahren gemäß § 77 [X.]bs. 1 Satz 1 [X.] M-V [X.]estgebühren erhoben werden.

Meta

2 B 44/22

30.08.2023

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, 18. Mai 2022, Az: 10 L 115/16, Urteil

§ 108 Abs 1 S 1 VwGO, § 137 Abs 2 VwGO, § 69 DG MV 2015

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30.08.2023, Az. 2 B 44/22 (REWIS RS 2023, 6689)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 6689

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