Bundesfinanzhof, Beschluss vom 08.04.2021, Az. VIII B 86/20

8. Senat | REWIS RS 2021, 7148

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Gegenstand

Aufwendungen für den Blindenführhund einer in der Kanzlei des Ehemanns mitarbeitenden Rechtsanwältin


Leitsatz

NV: Ob Aufwendungen für einen Blindenführhund, der einer als Rechtsanwältin in der Kanzlei des Ehemanns tätigen Steuerpflichtigen auch die Teilnahme an Gerichtsverhandlungen und Mandantenbesprechungen für die Kanzlei ermöglicht, Betriebsausgaben der Kanzlei sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und betrifft keine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Tenor

Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 02.07.2020 - 5 K 164/19 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Gründe

1

Die Beschwerde ist teilweise unzulässig, teilweise unbegründet und insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

2

Gemäß § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) ist die Revision nur zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] ([X.]) erfordert oder 3. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 [X.]O in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde dargelegt werden. Im Streitfall legen die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Voraussetzungen der angesprochenen Zulassungsgründe nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O genügend dar (s. unter 1. und 2.) und werfen keine abstrakt klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage auf (s. unter 3.).

3

1. Soweit die Kläger geltend machen, das Finanzgericht ([X.]) habe bei seiner Entscheidung die Vorgaben des [X.]-Urteils vom 17.07.2013 - X R 31/12 ([X.]E 242, 209, [X.], 1015) nicht beachtet, zielt ihr Vorbringen auf die Darlegung des [X.] der Divergenz gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O ab. Sie begründen jedoch nicht schlüssig, dass die Voraussetzungen des [X.] erfüllt sein können.

4

a) Die Kläger begründen das Vorliegen einer Divergenz damit, das [X.]-Urteil weiche vom [X.]-Urteil in [X.]E 242, 209, [X.], 1015 ab, weil das [X.] für die Würdigung, ob ein fremdübliches Arbeitsverhältnis vorgelegen habe und der Betriebsausgabenabzug für Altersvorsorgeaufwendungen der Klägerin zu gewähren sei, statt die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten des Streitfalls in den Blick zu nehmen, tragend darauf abgestellt habe, dass über die Mitarbeit der Klägerin in der Kanzlei des [X.] zwischen den Klägern weder ein mündlicher noch ein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen worden sei.

5

b) Die Zulassung der Revision wegen Divergenz setzt voraus, dass das [X.] bei gleichem oder vergleichbarem festgestellten Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als u.a. der [X.] oder ein anderes [X.]. Es muss seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den tragenden Rechtsausführungen in der bezeichneten Divergenzentscheidung nicht übereinstimmt. Eine solche Abweichung kann nicht nur vorliegen, wenn das [X.] ausdrücklich einen abstrakten Rechtssatz abweichend von einem solchen Rechtssatz des [X.] formuliert. Es genügt, wenn das [X.] in fallbezogenen Rechtsausführungen abweicht und sich dies aus den Entscheidungsgründen hinreichend deutlich ergibt (vgl. aus der Senatsrechtsprechung den Beschluss vom 19.05.2020 - VIII B 126/19, [X.]/NV 2020, 1264, Rz 10, m.w.N.).

6

c) Die Kläger legen mit ihrem Vorbringen nach diesem Maßstab keine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O dar. Das [X.] hat das Vorliegen eines steuerrechtlich anzuerkennenden Ehegatten-Arbeitsverhältnisses als Voraussetzung für den Betriebsausgabenabzug von Altersvorsorgeaufwendungen für die Klägerin nicht nach anderen abstrakten Voraussetzungen als in der von den Klägern bezeichneten Divergenzentscheidung beurteilt. Es hat vielmehr die Voraussetzungen, die im [X.]-Urteil in [X.]E 242, 209, [X.], 1015 für die Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses unter Ehegatten formuliert worden sind, ausdrücklich zitiert und angewendet. Soweit die Kläger geltend machen, das [X.] habe nach den Kriterien des [X.]-Urteils in [X.]E 242, 209, [X.], 1015 zu dem Ergebnis kommen müssen, ein in der Kanzlei des anderen Ehegatten in Vollzeit mitarbeitender Ehegatte (hier: die Klägerin), der ebenfalls Berufsträger (hier: Rechts- und Fachanwältin) sei, müsse auch ohne den Abschluss eines Arbeitsvertrags bei Entrichtung von Vorsorgeaufwendungen steuerrechtlich als Arbeitnehmer-Ehegatte behandelt oder einem solchen gleichgestellt werden, rügen sie keine Divergenz, sondern eine aus ihrer Sicht fehlerhafte rechtliche Würdigung des Streitfalls durch das [X.], die nicht zur Revisionszulassung führen kann (vgl. [X.]-Beschluss vom 21.01.2014 - X B 181/13, [X.]/NV 2014, 523, Rz 16).

7

2. Soweit die Kläger verfassungswidrige Ungleichbehandlungen i.S. des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ([X.]) gegenüber anderen Steuerpflichtigen als Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O aufwerfen, erfüllen sie die Darlegungsanforderungen nicht.

8

a) Die Darlegung der Voraussetzungen des [X.] der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O verlangt u.a. substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer zweifelhaften Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärungsfähig ist. Macht ein Beschwerdeführer --wie die Kläger im [X.] mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfassungsrechtliche Fragen als Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung geltend, so erfordert die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung eine substantiierte, an den Vorgaben des [X.] und der einschlägigen Rechtsprechung des [X.] und des [X.] orientierte Auseinandersetzung mit der Problematik. Wird ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 [X.] geltend gemacht, ist auf naheliegende Gründe für und gegen die angegriffene Differenzierung einzugehen (vgl. zum Ganzen z.B. [X.]-Beschluss vom 18.04.2017 - V B 147/16, [X.]/NV 2017, 1052, Rz 8, 11, m.w.N.; Senatsbeschluss vom 13.11.2019 - VIII B 42/19, [X.]/NV 2020, 234, Rz 5).

9

b) An einer solchen Verdeutlichung und Begründung fehlt es, soweit die Kläger die Frage als grundsätzlich bedeutsam erachten, ob eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung vorliegt, weil Vorsorgeaufwendungen für die in der Kanzlei des [X.] als Rechtsanwältin mitarbeitende Klägerin nicht als Betriebsausgaben abziehbar seien, die mitarbeitende Ehefrau eines Landwirts hingegen eine eigene Versorgung aus betrieblichen Mitteln erhalte. Die Kläger behaupten zwar eine Ungleichbehandlung und einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 [X.], leiten dieses Ergebnis jedoch weder anhand der jeweils einschlägigen Vorschriften des einfachen Rechts für die genannten Vergleichsgruppen noch anhand der einschlägigen Maßstäbe des Verfassungsrechts her. Ferner setzen sie sich nicht ansatzweise mit höchstrichterlicher und verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung zu der Problematik auseinander.

c) Soweit die Kläger meinen, ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 [X.] liege "auf der Hand", da sie wegen der gesetzlichen Höchstbeträge ihre kumulierten Beiträge zu vor dem 01.01.2005 abgeschlossenen privaten Lebens- und Rentenversicherungen und aus an das [X.] geleisteten 5/10-Pflichtbeiträgen nicht vollständig abziehen könnten, obwohl andere Rechtsanwälte in der Summe vergleichbare 10/10-Pflichtbeiträge zum Versorgungswerk als Sonderausgaben abziehen könnten, fehlt es ebenfalls an der schlüssigen Darlegung der Voraussetzungen des [X.].

Die Kläger verdeutlichen schon nicht, dass sie sich mit Steuerpflichtigen, die ihre Altersvorsorge allein darauf stützen, 10/10-Pflichtbeiträge an das berufsständische Versorgungswerk zu entrichten, um hieraus eine Altersrente zu beziehen, überhaupt in einer vergleichbaren Situation befinden. Nach den bindenden Feststellungen des [X.] haben die Kläger sich aus freien Stücken dafür entschieden, einen nach der Satzung des Versorgungswerks bindenden Pflichtbeitrag in Höhe von nur 5/10 (statt in Höhe von 10/10) zu leisten und ihre Altersvorsorge daneben auf Lebens- und Rentenversicherungen zu stützen, die vor dem 01.01.2005 abgeschlossen wurden (sog. [X.]) und die --anders als eine Altersrente aus dem berufsständischen [X.] unter bestimmten Voraussetzungen im Erlebensfall zu steuerfreien Leistungen führen können (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes 2004 i.V.m. § 52 Abs. 36 Satz 5 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren jeweils anzuwendenden Fassung). Es ist auf dieser Grundlage nicht erkennbar, dass ein im Ergebnis niedrigerer Sonderausgabenabzug der kumulierten Beiträge der Kläger zum Versorgungswerk und für die [X.] gegenüber solchen Steuerpflichtigen, die nur höhere und als Sonderausgaben abzugsfähige Beiträge an das berufsständische Versorgungswerk leisten, nicht ausschließlich auf der Disposition der Kläger, sondern auf einer die Kläger verfassungswidrig benachteiligenden Ausgestaltung der Regelungen des [X.] beruhen könnte.

3. Die Voraussetzungen des [X.] gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O sind auch für die weitere von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage nicht erfüllt, da es sich nicht um eine abstrakte Rechtsfrage handelt.

a) Macht ein Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O geltend, so hat er zunächst eine bestimmte, für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche, abstrakte Rechtsfrage herauszustellen. Dafür ist erforderlich, dass er die entscheidungserhebliche Rechtsfrage hinreichend konkretisiert; nicht ausreichend ist eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Die ordnungsgemäße Konkretisierung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O erfordert regelmäßig, dass die aufgeworfene Rechtsfrage mit "Ja" oder mit "Nein" beantwortet werden kann; das schließt nicht aus, dass eine Frage gestellt wird, die je nach den formulierten Voraussetzungen mehrere Antworten zulässt. Unzulässig ist jedoch eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt und damit auf die Antwort "Kann sein" hinausläuft (Senatsbeschluss in [X.]/NV 2020, 1264, Rz 4, m.w.N.).

b) Eine solche abstrakte Rechtsfrage werfen die Kläger nicht auf. Sie heben hervor, die Aufwendungen für den Blindenführhund der Klägerin müssten "neben und zusätzlich zum Behindertenpauschbetrag" abzugsfähig sein, weil dieser der Klägerin in Form der Teilnahme an Gerichtsverhandlungen und Mandantenbesprechungen die berufliche Tätigkeit für die Kanzlei des [X.] ermöglicht habe. Ob aufgrund des beschriebenen Einsatzes des Blindenführhunds für die rechtsanwaltliche Tätigkeit der Klägerin die Aufwendungen für das Tier vollständig als Betriebsausgaben bei den Einkünften des [X.] aus selbständiger Arbeit abzuziehen sein könnten (vgl. zum Werbungskostenabzug solcher Aufwendungen beim Arbeitnehmer [X.] München, Urteil vom 16.11.1984 - V 8/83 E, [X.], 672), hängt aber von den Umständen des Streitfalls als Einzelfall ab und betrifft keine abstrakte Rechtsfrage. Zudem ist die aufgeworfene Frage im Streitfall auch nicht entscheidungserheblich, denn das [X.] hat den von den Klägern beschriebenen Einsatz des Blindenführhunds für die berufliche Tätigkeit der Klägerin als Rechtsanwältin in der Kanzlei des [X.] in den Streitjahren nicht festgestellt.

4. Der Senat sieht gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 [X.]O von einer Darstellung des Tatbestands und einer weiteren Begründung ab.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VIII B 86/20

08.04.2021

Bundesfinanzhof 8. Senat

Beschluss

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 2. Juli 2020, Az: 5 K 164/19, Urteil

§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 4 Abs 4 EStG 2009, § 12 Nr 1 EStG 2009, EStG VZ 2013, EStG VZ 2015, § 116 Abs 3 S 3 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 08.04.2021, Az. VIII B 86/20 (REWIS RS 2021, 7148)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 7148

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