Bundespatentgericht, Beschluss vom 19.03.2013, Az. 27 W (pat) 519/12

27. Senat | REWIS RS 2013, 7293

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "FREUNDE AUF EWIG" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 068 496.8

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 19. März 2013 durch [X.] [X.], [X.] und die Richterin Hartlieb

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle vom 8. Dezember 2011 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die am 22. November 2010 für die Waren

2

„Leder- und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke, Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren; Geräte und Behälter für Haushalt und Küche; Kämme und Schwämme; Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit nicht in anderen Klassen enthalten; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“

3

angemeldete Wortmarke

4

[X.]

5

ist von der mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzten Markenstelle für Klasse 25 des [X.] mit Beschluss vom 8. Dezember 2011 wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen worden. Zur Begründung ist ausgeführt, bei der angemeldeten sloganartigen Wortfolge „[X.]“ handele es sich um eine dem Markenschutz nicht zugängliche anpreisende Werbeaussage allgemeiner Art. Die vermittelte [X.] sei ohne weiteres klar erkennbar. Die [X.] „[X.]“ habe den Charakter einer allgemein üblichen, in werblichen Zusammenhängen auf das Hervorrufen von Aufmerksamkeit zielenden Redewendung, welche die Kunden an das eigene Unternehmen bzw. an die angebotenen Leistungen zu binden versuche. In umgangssprachlich einfachster und direktester Form bringe sie unmittelbar erkennbar zum Ausdruck, dass der Anbieter ein besonderes Verhältnis, nämlich eine freundschaftliche oder dauerhafte Beziehung zu seinen Kunden aufbauen und/oder aufrechterhalten wolle, um diesen dauerhaft als Kunden zu halten. Dabei berühme sich der Spruch einer besonderen Verbundenheit zum Kunden. Darüber hinaus sei dem Slogan nicht zu entnehmen, was den Verbraucher zum Nachdenken und Interpretieren veranlassen könnte, zumal das angesprochene Publikum ein als Marke verwendetes Zeichen in der Regel keiner analysierenden Betrachtungsweise unterziehe, sondern es so aufnehme, wie es ihm entgegentrete.

6

Entsprechend werde der Verbraucher der angemeldeten Marke aufgrund des sich ohne weiteres erschließenden Sinngehalts der Wortfolge „[X.]“ auch keinen individualisierenden markenmäßigen Hinweis auf eine ganz bestimmte Firma, die entsprechende Waren herstelle oder anbiete, entnehmen, sondern in dieser eine verkaufsfördernde Werbeaussage erkennen, zumal die [X.] des aufmerksamen und verständigen Publikums beim Erkennen einer werblichen Aussage als solcher nicht zu gering veranschlagt werden dürfte. Das angesprochene Publikum sei an die Verwendung von derartigen Slogans und Redewendungen in der Werbesprache gewöhnt. Die Werbesprache stelle in zunehmendem Maße auf Redewendungen ab, die sich in emotionalen oder provokativen Aussagen erschöpften. Mit derartigen Aussagen solle die Aufmerksamkeit der Verbraucher auf die betreffenden Erzeugnisse und angebotenen Leistungen gelenkt werden, was dem angesprochenen Publikum auch völlig bewusst sei, weshalb es derartige Slogans oder [X.] nicht als neu und außergewöhnlich im kennzeichnungsmäßigen Sinne auffasse, sondern ihnen allenfalls eine mehr oder weniger intensive Werbekraft beimesse.

7

Somit stehe die sachbezogene Aussage, welche lediglich eine Werbefunktion ausübe, im Vordergrund und nicht das Verständnis als individualisierender betrieblicher Herkunftshinweis.

8

Auf die Eintragung von [X.] könne sich die Anmelderin nicht erfolgreich berufen.

9

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des [X.] vom 8. Dezember 2011 aufzuheben.

Unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Amtsverfahren vertritt die Anmelderin weiterhin die Auffassung, die angemeldete Marke sei unterscheidungskräftig. Die Auffassung der Markenstelle, die angemeldete Wortfolge „[X.]“ vermittle für das angesprochene Publikum ausschließlich die [X.] einer besonderen Verbundenheit zum Kunden, entspreche nicht den Tatsachen.

Der angemeldete Slogan „[X.]“ sei in vielfältiger Hinsicht mehrdeutig und interpretationsbedürftig. Er könne sich u. a. auf die Einstellung des Käufers zu der erworbenen Ware, auf das Verhältnis zwischen Anbietern der Waren und deren Käufer sowie auf die Beziehung zwischen den Personen, die sich diese Waren schenken, beziehen.

So habe die Markenstelle in dem Beanstandungsbescheid vom 17. März 2011 zunächst die Auffassung vertreten, dieser Slogan vermittle ein Leistungsversprechen, nämlich einen Hinweis auf die ewige, lebenslange Haltbarkeit/Verwendbarkeit der beanspruchen Waren, während sie nunmehr in dem angegriffenen Beschluss die angemeldete Wortfolge „[X.]“ anders auslege. Der Bedeutungsgehalt der angemeldeten Wortkombination „[X.]“ sei somit ersichtlich unscharf, ohne dass sich ein bestimmtes Verständnis für den Verkehr sofort erschließe.

Von Bedeutung für die Eintragungsfähigkeit des angemeldeten Slogans „[X.]“ sei darüber hinaus, dass alle bereits genannten und ggf. weiteren Interpretationsmöglichkeiten dieses Slogans sich dem Verbraucher im Hinblick auf die angemeldeten Waren erst durch einen gewissen Denkprozess erschlössen.

Der angemeldete Slogan „[X.]“ besitze auch Originalität, die sich u. a. daraus ergebe, dass das Markenwort „FREUNDE“ in der [X.] sich ausschließlich auf Menschen beziehe und nicht auf Waren.

Da es sich bei der angemeldeten Wortkombination für die angemeldeten Waren nicht nur um eine gewöhnliche Werbemitteilung handele und diesem Slogan für die beanspruchten Waren kein beschreibender Sinngehalt bzw. keine [X.] beigemessen werden könne, besitze er die erforderliche Unterscheidungskraft und sei auch nicht wegen eines Freihaltungsbedürfnisses von der Eintragung ausgeschlossen.

In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin ihren Standpunkt aufrechterhalten und vertieft.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg. Der angemeldeten Wortmarke stehen für die beanspruchten Waren keine Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] entgegen.

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung als Unterscheidungsmittel für die beanspruchten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen (vgl. [X.] GRUR 2004, 1027, 1029, Nr. 33 - DAS [X.] DER BEQUEMLICHKEIT; [X.], 1050 - [X.]). Bei Wortmarken ist nach der Rechtsprechung des [X.] von fehlender Unterscheidungskraft auszugehen, wenn die Marke einen für die beanspruchten Waren im Vordergrund stehenden beschreibenden Sinngehalt hat oder wenn es sich um einen Begriff der [X.] oder einer bekannten Fremdsprache handelt, der etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung stets nur als solcher und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (st. Rspr.; vgl. [X.], a. a. [X.], - [X.]). Diese Kriterien sind auch für die Bedeutung der markenrechtlichen Schutzfähigkeit von Werbeslogans und -ausdrücken heranzuziehen (vgl. [X.] GRUR 2001, 735, 736 - Test it.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen kann der streitgegenständlichen Marke in ihrer Gesamtheit nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

Bei der angemeldeten Wortfolge „[X.]“ handelt es sich nicht um eine allgemeine Werbeaussage, die einen eindeutigen, in unmittelbarem Bezug zu den beanspruchten Waren stehenden Aussagegehalt vermittelt. Der von der Markenstelle angenommene Bedeutungsgehalt, der Anbieter der Waren wolle zu seinen Kunden ein dauerhaftes freundschaftliches Verhältnis aufbauen, erscheint dem Senat nicht naheliegend, sondern konstruiert. Zu einem solchen Verständnis wird der von den beanspruchten Waren angesprochene Verbraucher, soweit er sich hierüber überhaupt Gedanken macht, allenfalls erst nach einer eingehenden analysierenden Betrachtung kommen. Da der Verbraucher zu einer solchen analysierenden Betrachtungsweise aber gerade nicht neigt (vgl. [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 8 Rn. 105), kann die bloße Möglichkeit, dass sich der von der Markenstelle angenommene Bedeutungsinhalt erst aufgrund assoziierender Gedankenschritte einstellen mag, dem Schutz der hier zu beurteilenden Wortfolge nicht entgegenstehen. Gleiches gilt für den denkbaren Hinweis auf eine besondere Haltbarkeit so bezeichneter Gegenstände.

In Bezug auf die beanspruchten Waren bleibt der Bedeutungsgehalt der angemeldeten Wortfolge in ihrer Gesamtheit vage und unscharf. Die Mehrdeutigkeit und Interpretationsbedürftigkeit der Wortfolge spricht für deren Unterscheidungskraft ([X.]/[X.], a. a. [X.], § 8 Rn. 111, 113).

Belege für eine beschreibende oder anpreisende Verwendung der Wortfolge „[X.]“ im Inland hat die Markenstelle nicht ermittelt und konnten auch vom Senat nicht festgestellt werden. Das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft kann der angemeldeten Bezeichnung daher nicht abgesprochen werden.

Einer Registrierung steht auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] nicht entgegen, da „[X.]“ aus den genannten Gründen keine die beanspruchten Waren unmittelbar beschreibende Bedeutung hat.

Meta

27 W (pat) 519/12

19.03.2013

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 19.03.2013, Az. 27 W (pat) 519/12 (REWIS RS 2013, 7293)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7293

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

28 W (pat) 76/11 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "We do more" – Werbeaussage allgemeiner Art - keine Unterscheidungskraft – im Beschwerdeverfahren …


29 W (pat) 582/19 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – „NOW YOU CAN“ – Unterscheidungskraft -kein Freihaltungsbedürfnis


27 W (pat) 84/10 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "Young Wild & Sexy" – keine Unterscheidungskraft


27 W (pat) 574/10 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "Im richtigen Kino bist Du nie im falschen Film" – keine Unterscheidungskraft


27 W (pat) 80/11 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "customize your life" – fehlende Unterscheidungskraft -


Referenzen
Wird zitiert von

26 W (pat) 41/17

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.