Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.08.2017, Az. XII ZB 450/16

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 6565

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:BGH:2017:160817B[X.]0.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.]/16
vom
16. August
2017
in der [X.]
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
FamFG § 276; BGB § 1903
a)
Das Betreuungsgericht muss durch die rechtzeitige Benachrichtigung des Verfahrenspflegers
vom Anhörungstermin sicherstellen, dass dieser an der Anhörung des Betroffenen teilnehmen kann (im [X.]
an Senatsbe-schluss vom 21.
Juni 2017 -
XII
[X.]
45/17
-
juris).
b)
Bei dem Einwilligungsvorbehalt handelt es sich um einen gravierenden Ein-griff in die Grundrechte des Betroffenen, der sich ohne weitere Feststellun-gen nicht rechtfertigen lässt (im [X.] an Senatsbeschluss vom 1.
März 2017 -
XII
[X.]
608/15
-
FamRZ 2017, 754).
BGH, Beschluss vom 16. August 2017 -
XII [X.]/16 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII. Zivilsenat des [X.] hat am 16.
August
2017 durch
den [X.] und [X.], Dr.
Nedden-Boeger, Dr.
Botur und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen
wird der Beschluss der 2.
Zivilkammer des [X.] vom 24.
August
2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Land-gericht zurückverwiesen.
Wert:
5.000

Gründe:
I.

Der Betroffene wendet sich gegen die Einrichtung seiner Betreuung.
Das Amtsgericht hat dem Betroffenen
eine Verfahrenspflegerin bestellt, ein psychiatrisches Sachverständigengutachten eingeholt und ihn angehört. Danach hat es
den Beteiligten zu
3 zum Betreuer für den Aufgabenkreis [X.], Behördenangelegenheiten, Entscheidung über Unterbrin-gung, Gesundheitssorge, Vermögensangelegenheiten, Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern
und Wohnungsangelegenheiten be-1
2
-
3
-
stellt.
Darüber hinaus hat es
für den Bereich der Vermögensangelegenheiten einen Einwilligungsvorbehalt angeordnet. Der Beteiligte zu
4 ist zum Ersatzbe-treuer bestellt
worden. Das [X.] hat die Beschwerde des Betroffenen
zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich dieser mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefoch-tenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].
1. Das [X.] hat ausgeführt, der Sachverständige sei überzeugend zu dem Ergebnis gelangt, dass bei dem Betroffenen anamnestisch eine Psy-chose aus dem schizophrenen Formenkreis bestehe. Nachvollziehbar habe der Sachverständige die Schlussfolgerung gezogen, dass der Betroffene
nicht in der Lage sei, Wesentliches von Unwichtigem zu unterscheiden. Dieser [X.] des Sachverständigen sei aufgrund eigener Überzeugungsbildung zu folgen. Der Betroffene sei wegen seiner Erkrankung nicht ausreichend in der Lage, vernunftgeleitet seine Angelegenheiten zu besorgen. Der objektive Be-treuungsbedarf sei aufgrund der konkreten, gegenwärtigen Lebenssituation des Betroffenen zu beurteilen. Der Sachverständige habe insofern ausgeführt, dass der Betroffene wegen der angegebenen psychischen Störung nicht in der Lage sei, seine Angelegenheiten im Rahmen des später angeordneten Aufgaben-kreises
zu erledigen. Soweit das Amtsgericht für den Aufgabenkreis der [X.] einen Einwilligungsvorbehalt angeordnet habe, sei dies aufgrund der Ablehnungshaltung des Betroffenen erforderlich. Schließlich sei der Be-troffene krankheitsbedingt zu einer freien Willensbildung und -bekundung nicht in der Lage.
3
4
-
4
-
2. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde, dass die Anhörung durch das [X.] erfolgt war, weshalb das [X.] den Be-troffenen
erneut hätte anhören müssen.
aa) Zwar räumt §
68 Abs.
3 Satz
2 FamFG dem Beschwerdegericht auch in einem Betreuungsverfahren die Möglichkeit ein, von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abzusehen. Im Beschwerdeverfahren darf allerdings nicht von einer Wiederholung solcher Verfahrenshandlungen abgesehen werden, bei de-nen das Gericht des ersten Rechtszugs zwingende Verfahrensvorschriften ver-letzt hat. In diesem Fall muss das Beschwerdegericht den betreffenden Teil
des Verfahrens nachholen (Senatsbeschluss vom 21.
Juni 2017

XII
[X.]
45/17

juris Rn.
9 mwN).
bb) Das Amtsgericht hat die Anhörung [X.] durchgeführt, weil es der Verfahrenspflegerin
des Betroffenen
keine Gelegenheit gegeben hat, an ihr teilzunehmen.
(1) Der Verfahrenspfleger ist vom Gericht im selben Umfang an den [X.] zu beteiligen
wie der Betroffene. Das Betreuungsgericht muss durch die Benachrichtigung des Verfahrenspflegers vom Anhörungster-min sicherstellen, dass dieser an der Anhörung des Betroffenen teilnehmen kann. Außerdem steht dem Verfahrenspfleger ein eigenes Anhörungsrecht zu. Erfolgt die Anhörung dennoch ohne die Möglichkeit einer Beteiligung des [X.], ist sie [X.] und verletzt den Betroffenen in sei-nem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art.
103 Abs.
1 GG (Senatsbeschluss vom 21.
Juni 2017

XII
[X.]
45/17

juris Rn.
11 mwN).

5
6
7
8
9
-
5
-
(2) Diesen Anforderungen wird das erstinstanzliche Verfahren nicht ge-recht.
Im Zeitpunkt der Anhörung des Betroffenen
am 12.
Mai 2016 war die Be-teiligte zu
1
zu seiner Verfahrenspflegerin
bestellt. Die zwischenzeitlich erfolgte Bestellung von Rechtsanwältin
F.-Ö. zur Verfahrenspflegerin
hatte das Amtsge-richt am 18.
April 2016 wieder aufgehoben.
Den Gerichtsakten lässt sich bezogen auf diese Anhörung weder eine Terminsverfügung noch eine Benachrichtigung der Beteiligten
zu
1
von dem Termin entnehmen. Demgemäß geht aus dem [X.] auch nicht hervor, dass sie an der Anhörung teilgenommen hat.
Dass die Beteiligte
zu
1
eine Verfahrensvollmacht des Betroffenen
zur Akte gereicht und damit auch seine anwaltliche Vertretung zu erkennen gege-ben hat, ändert an ihrer Stellung als Verfahrenspflegerin
nichts. Denn ihre Be-stellung wirkt gemäß §
276 Abs.
5 FamFG bis zum Abschluss des Verfahrens fort, wenn sie nicht vorher aufgehoben worden ist. Anders als im Fall der irrtüm-lich zur Verfahrenspflegerin
bestellten Rechtsanwältin
F.-Ö. hat das Amtsge-richt die Bestellung der Beteiligten
zu
1 indes nicht aufgehoben. Auch der [X.], dass das Amtsgericht mit Beschluss vom 23.
Mai 2016 zusätzlich die Beteiligte
zu
2
zur Verfahrenspflegerin
bestellt hat, ändert nichts daran, dass das Amtsgericht der
Beteiligten
zu
1 als wirksam bestellter
Verfahrenspflegerin
Gelegenheit hätte einräumen
müssen, an dem Anhörungstermin teilzunehmen. Im Übrigen hätte sie auch in ihrer Funktion als Verfahrensbevollmächtigte von dem Anhörungstermin benachrichtigt
werden müssen
(vgl. Senatsbeschluss vom 9.
November 2011

XII
[X.]
286/11

FamRZ 2012, 104
Rn.
25).
b) Zudem rechtfertigen die vom [X.] getroffenen Feststellungen nicht die Anordnung eines [X.].
10
11
12
13
14
-
6
-
aa) Soweit dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist, ordnet das Betreuungsge-richt nach §
1903 Abs.
1 BGB an, dass der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenbereich des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf (Einwilligungsvorbehalt). Ob dies der Fall ist, hat das Betreuungsgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht festzustellen. Der Umfang der Ermittlung richtet sich auch danach, dass es sich bei dem Einwilligungsvorbehalt um einen gravierenden Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen handelt, der sich ohne weitere Feststellungen nicht rechtfertigen lässt (Senatsbeschluss vom 1.
März 2017

XII
[X.]
608/15

FamRZ 2017, 754 Rn.
13 mwN).
bb) Danach ist das [X.] seiner Amtsermittlungspflicht nicht ge-recht geworden. Es hat zur Anordnung eines [X.] für die Vermögenssorge lediglich ausgeführt, dieser sei aufgrund der [X.] erforderlich. Weitergehende Ausführungen finden sich auch im amtsgerichtlichen Beschluss nicht. Es fehlen konkrete Feststellungen dazu, dass die Anordnung des [X.] zur Abwendung einer erheblichen Gefahr namentlich für das Vermögen des Betroffenen erforderlich ist. Abstrakte Ausführungen zu einer vom Betroffenen eingenommenen [X.] vermögen diese nicht zu ersetzen
(vgl.
Senatsbeschluss vom 15.
März 2017 -
XII [X.] 563/16 -
juris Rn. 7 ff.).
3. Gemäß §
74 Abs.
5 und 6 Satz
2 FamFG ist der angefochtene Beschluss
aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen, das die erforderlichen Feststellungen zu treffen
haben wird. Dabei wird das [X.] letztlich auch zu berücksichtigen haben, dass ein Betreuer nur für [X.] bestellt werden darf, in denen die Betreuung erforderlich ist, was wiederum aufgrund der konkreten, gegenwärtigen Lebenssituation des 15
16
17
-
7
-
Betroffenen
zu beurteilen ist (Senatsbeschluss vom 22.
März 2017

XII
[X.]
260/16

FamRZ 2017, 995
Rn.
7).
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeu-tung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Recht-sprechung beizutragen (§
74 Abs.
7 FamFG).
Dose
Schilling
Nedden-Boeger

Botur
Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 23.05.2016
-
25 XVII 5/16 -

LG [X.], Entscheidung vom 24.08.2016 -
I-2 [X.] -

18

Meta

XII ZB 450/16

16.08.2017

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.08.2017, Az. XII ZB 450/16 (REWIS RS 2017, 6565)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 6565

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XII ZB 450/16 (Bundesgerichtshof)

Betreuungsverfahren: Sicherstellung der Teilnahme des Verfahrenspflegers am Anhörungstermin; Voraussetzungen für die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts


XII ZB 570/19 (Bundesgerichtshof)

Betreuungsverfahren: Pflicht zur Benachrichtigung des Verfahrenspflegers trotz Vertretung durch Rechtsanwalt als Verfahrensbevollmächtigten


XII ZB 465/17 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 442/21 (Bundesgerichtshof)

Betreuungssache: Sicherstellung der Teilnahme des Verfahrenspflegers an der Anhörung des Betroffenen


XII ZB 106/21 (Bundesgerichtshof)

Betreuungssache: Betreuungsverlängerung trotz Vorsorgevollmacht bei Erforderlichkeit der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

XII ZB 450/16

XII ZB 563/16

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.