Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.02.2024, Az. V ZR 6/23

5. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 1510

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Gegenstand

Wohnungseigentumsrecht: Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche in verwalterloser Zweiergemeinschaft


Leitsatz

1. Auch in einer verwalterlosen Zweiergemeinschaft können jedenfalls auf Beeinträchtigungen des gemeinschaftlichen Eigentums bezogene Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche (hier: Unterlassung einer zweckwidrigen Nutzung) nur von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und nicht im Wege der actio pro socio von einem einzelnen Wohnungseigentümer geltend gemacht werden (Fortführung von Senat, Urteil vom 28. Januar 2022 - V ZR 86/21, NJW-RR 2022, 733).

2. Die verwalterlose Zweiergemeinschaft wird bei der Geltendmachung von Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüchen, die sich auf Beeinträchtigungen des gemeinschaftlichen Eigentums durch einen der Wohnungseigentümer beziehen, von dem jeweils anderen Wohnungseigentümer vertreten; einer Vorbefassung der Eigentümerversammlung vor Klageerhebung bedarf es insoweit nicht (Fortführung von Senat, Urteil vom 16. September 2022 - V ZR 180/21, NJW 2022, 3577).

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des [X.] - vom 23. Dezember 2022 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien sind die einzigen Mitglieder einer aus zwei Einheiten bestehenden Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ([X.]), für die jedenfalls in den Vorinstanzen kein Verwalter bestellt war. Den Beklagten steht Sonder- und Teileigentum an den im Aufteilungsplan mit Nr. 1 bezeichneten Wohn- und Gewerberäumen in Verbindung mit 60/100 Miteigentumsanteilen zu. Die Räume im Erdgeschoss werden in der Teilungserklärung wie folgt beschrieben: „Wohn- und Gewerberäume, bestehend aus Küche, Ladenstube, Laden, Ladenkühlraum, Flur, Büro, Wasch- und Bügelraum, Lagerraum, Kühlraum, [X.], [X.], [X.], WC und Dusche“. Die Gewerberäume im Erdgeschoss, die früher als Metzgerei mit [X.] genutzt wurden, stehen seit einigen Jahren leer.

2

Mit ihrer im Jahr 2021 erhobenen Klage wenden sich die Kläger gegen die Absicht der Beklagten, die Gewerberäume einer Wohnnutzung zuzuführen. Das Amtsgericht hat die auf Unterlassung gerichtete Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen ist. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgen die Kläger ihr Unterlassungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

I.

3

Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Entscheidung in [X.] 2023, 167 veröffentlicht ist, fehlt den Klägern die Prozessführungsbefugnis. Ob die beabsichtigte Wohnnutzung bei typisierender Betrachtung weniger störe als die gewerbliche Nutzung, könne daher offenbleiben. Nach der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes müsse die [X.] die Unterlassung einer gegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 [X.] verstoßenden Nutzung geltend machen. Soweit eine zweckwidrige Nutzung das Eigentum aller Wohnungseigentümer mittelbar beeinträchtige, könnten diese zwar einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB haben; auch insoweit sei die Prozessführungsbefugnis aber der [X.] zugewiesen. Die Kläger könnten den Unterlassungsanspruch auch nicht für die [X.] geltend machen. Das aus dem [X.]srecht stammende Instrument der actio pro socio sei - auch im Falle einer verwalterlosen [X.] - nicht anwendbar. Der Rechtsschutz des einzelnen Wohnungseigentümers werde hierdurch nicht unzumutbar erschwert.

II.

4

Die Revision hat keinen Erfolg.

5

1. Die Kläger können, wie das Berufungsgericht zutreffend erkennt, den Anspruch auf Einhaltung des Binnenrechts nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 [X.] und den auf das gleiche Ziel gerichteten Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB nicht geltend machen.

6

a) Der [X.] hat bereits entschieden, dass der einzelne Wohnungseigentümer nach Inkrafttreten des [X.] ([X.]) nicht mehr von einem anderen Wohnungseigentümer die Unterlassung einer zweckwidrigen Nutzung des Wohnungseigentums verlangen kann. Vielmehr besteht nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 [X.] die von konkreten Beeinträchtigungen losgelöste Pflicht der Wohnungseigentümer, das in der [X.] geltende Regelwerk einzuhalten, nur gegenüber der [X.]. Soweit ein Verstoß gegen das Regelwerk keinen Wohnungseigentümer konkret beeinträchtigt, ist es nach der Auffassung des Gesetzgebers sachgerecht, dass die damit zusammenhängenden Auseinandersetzungen nicht zwischen einzelnen Wohnungseigentümern geführt werden, sondern mit der [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 28. Januar 2022 - [X.], NJW-RR 2022, 733 Rn. 22 f. mwN). Diese ist hiernach Anspruchsinhaberin und damit (allein) prozessführungsbefugt (s.a. [X.], Urteil vom 16. Juli 2021 - [X.], [X.] 2021, 489 Rn. 13).

7

b) Nichts anderes folgt daraus, dass die einer Zweckbestimmung widersprechende Nutzung einer Sondereigentumseinheit sich zugleich als (mittelbare) Beeinträchtigung des Eigentums aller Wohnungseigentümer darstellt. Zwar begründet dies einen Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB, dessen Inhaber materiell-rechtlich nicht die [X.] ist; der Anspruch steht vielmehr den einzelnen Wohnungseigentümern zu. Die Wohnungseigentümer sind aber nicht (mehr) befugt, diesen Anspruch geltend zu machen. [X.] ist nach § 9a Abs. 2 [X.] nur die [X.], die nach dem Willen des Gesetzgebers für die Abwehr von Verletzungen des Binnenrechts allein zuständig und damit prozessführungsbefugt sein soll. Hiermit verträgt es sich nicht, wenn der Anspruch auf Einhaltung des Binnenrechts nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 [X.] der [X.] zugeordnet wird und der auf das gleiche Ziel gerichtete Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB individuell von den einzelnen Wohnungseigentümern geltend gemacht werden könnte (vgl. [X.], Urteil vom 28. Januar 2022 - [X.], NJW-RR 2022, 733 Rn. 24 mwN).

8

2. Diese Grundsätze zieht die Revision für sich genommen nicht in Zweifel. Sie meint aber, dass bei Geltendmachung von Ansprüchen auf Unterlassung einer zweckwidrigen Nutzung in einer - wie hier - verwalterlosen [X.] die Grundsätze der actio pro socio anzuwenden seien. Das trifft indes nicht zu. Auch in einer verwalterlosen [X.] können jedenfalls auf Beeinträchtigungen des gemeinschaftlichen Eigentums bezogene Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche (hier: Unterlassung einer zweckwidrigen Nutzung) nur von der [X.] und nicht im Wege der actio pro socio von einem einzelnen Wohnungseigentümer geltend gemacht werden.

9

a) Für das Revisionsverfahren ist mangels anderweitiger Feststellungen, die das Berufungsgericht, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, nicht treffen musste, davon auszugehen, dass die durch die Beklagten beabsichtigte Nutzungsänderung den Bestimmungen in der Teilungserklärung widerspricht.

b) Die Unterlassung einer solchen beabsichtigten zweckwidrigen Nutzung kann nur die [X.] verlangen. Die Grundsätze der actio pro socio sind insoweit auch im Fall einer verwalterlosen [X.] nicht übertragbar.

aa) Allerdings wird es teilweise für geboten erachtet, die für das [X.]srecht entwickelten Grundsätze der actio pro socio (vgl. hierzu u.a. [X.], Urteil vom 25. Januar 2022 - [X.]/20, [X.]Z 232, 275 Rn. 12, 16 jeweils mwN, aaO Rn. 21 auch zu dem am 1. Januar 2024 in [X.] getretenen § 715b BGB) dergestalt zu übertragen, dass ein Wohnungseigentümer Leistungs-, aber auch Unterlassungsansprüche direkt gegen einen anderen Wohnungseigentümer geltend machen kann (vgl. [X.] [X.]/[X.] [1.1.2024], § 43 Rn. 72 f.; Lieder/[X.], [X.] 2021, 105, 111); dies entspreche einem angemessenen Maß an Minderheitenschutz (Lieder/[X.] aaO). Jedenfalls dann, wenn die Geltendmachung durch die [X.] als Umweg und aussichtslos oder zumindest kaum realisierbar erscheine, müsse dies möglich sein (vgl. Hügel/[X.], [X.], 3. Aufl., § 9b Rn. 34).

[X.]) Nach anderer Ansicht sind die Grundsätze der actio pro socio nicht übertragbar. Der Minderheitenschutz werde im Wohnungseigentumsrecht - auch in der verwalterlosen [X.] - auf andere Weise gewährleistet (vgl. [X.], [X.] 2021, 277, 278 f.; [X.]/[X.], [X.], 15. Aufl., Vorbemerkungen zu §§ 43 ff. Rn. 34; [X.] [X.]/Müller [1.1.2024], § 14 Rn. 50a; Zschieschack in [X.], [X.], 8. Aufl., § 9b Rn. 113, 115; [X.]/[X.] [2023], § 14 [X.] Rn. 70; [X.]/[X.] [2023], Vorbemerkungen zu §§ 43-45 [X.] Rn. 42; [X.] in [X.] Handbuch des Wohnungseigentumsrechts, 8. Aufl., § 32 Rn. 20 f.; [X.]/[X.], [X.]-Reform 2020, Rn. 64 f.; Suilmann, [X.] 2021, 281, 282).

cc) Zutreffend ist die zuletzt genannte Ansicht. Eine auf Leistung an die [X.] gerichtete Klage einzelner Wohnungseigentümer im Wege der actio pro socio kommt von vornherein nicht in Betracht, sofern ein Verwalter bestellt ist; es widerspräche nämlich der Zielsetzung des Reformgesetzgebers, wenn neben einem bestellten Verwalter einzelne Wohnungseigentümer Klage auf Leistung an die [X.] erheben könnten. Aber auch in einer - wie hier - verwalterlosen [X.] gilt jedenfalls für Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche nichts anderes.

(1) Als actio pro socio wird regelmäßig die Geltendmachung eines Anspruchs aus dem [X.]sverhältnis durch einen [X.]er im eigenen Namen gegen einen Mitgesellschafter auf Leistung an die [X.] bezeichnet. Die Befugnis wurzelt im [X.]sverhältnis und ist Ausfluss des Mitgliedschaftsrechts des [X.]ers. Aufgrund dieser besonderen gesellschaftsrechtlichen Beziehung kann ein [X.]er einen Mitgesellschafter im Interesse der [X.] in Anspruch nehmen. Der einzelne [X.]er kann eine [X.]sforderung einklagen, wenn er an der Geltendmachung ein berechtigtes Interesse hat, die anderen [X.]er die Einziehung der Forderung aus gesellschaftswidrigen Gründen verweigern und zudem der verklagte [X.]sschuldner an dem gesellschaftswidrigen Verhalten beteiligt ist. Den klagenden [X.]er in einem solchen Fall darauf zu verweisen, zunächst die anderen [X.]er auf Mitwirkung an der Geltendmachung der Forderung zu verklagen, wird bei Beteiligung des beklagten [X.]ers am gesellschaftswidrigen Verhalten als unnötiger Umweg erachtet (vgl. [X.], Urteil vom 25. Januar 2022 - [X.]/20, [X.]Z 232, 275 Rn. 12, 16 jeweils mwN). Im Einzelfall werden diese Grundsätze auch angewandt, wenn es sich nicht um Ansprüche auf Leistung an die [X.] handelt (vgl. etwa [X.], Urteil vom 11. Juli 2023 - [X.], [X.]Z 237, 331 Rn. 14 ff.: Ausschließungsklage).

(2) Diese speziellen Vorgaben sind auf die Geltendmachung eines Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruchs - wie des hier geltend gemachten Anspruchs auf Unterlassung einer (beabsichtigten) zweckwidrigen Nutzung - auch in einer verwalterlosen [X.] nicht übertragbar. Das ergibt sich schon daraus, dass, anders als im Grundfall der actio pro socio, kein Anspruch auf Leistung an die [X.], sondern die Einhaltung der die Nutzung betreffenden [X.] der [X.] durchgesetzt werden soll. Insoweit entspricht es gerade dem erklärten Willen des Gesetzgebers, den Verband zu stärken und für Ansprüche auf Einhaltung des Binnenrechts nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 [X.] nur noch die [X.] für prozessführungsbefugt zu erachten. Auseinandersetzungen über die von konkreten Beeinträchtigungen losgelöste Einhaltung des in der [X.] geltenden Regelwerks sollen nicht mehr zwischen einzelnen Wohnungseigentümern geführt werden (vgl. BT-Drucks. 19/18791 S. 52 f.). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber diese von ihm gewollte Abkehr von der bisherigen Rechtslage (vgl. [X.], Urteil vom 28. Januar 2022 - [X.], NJW-RR 2022, 733 Rn. 22) bei Geltendmachung von Ansprüchen auf Unterlassung einer zweckwidrigen Nutzung in einer verwalterlosen [X.] nicht intendiert und vielmehr insoweit eine Übertragung des im [X.]srecht entwickelten Instruments der actio pro socio für richtig gehalten haben könnte, sind nicht ersichtlich. Schließlich kommt die Übertragung der Grundsätze der actio pro socio auf einen (auch) aus § 1004 Abs. 1 BGB folgenden Unterlassungsanspruch einzelner Wohnungseigentümer wegen mittelbarer Beeinträchtigung ihres Sondereigentums durch eine zweckwidrige Nutzung schon deshalb nicht in Betracht, weil es sich nicht um einen Anspruch der [X.] handelt, sondern um einen solchen der Wohnungseigentümer (s.o. Rn. 7).

(3) Die Durchsetzung von Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüchen wird hierdurch auch nicht unzumutbar erschwert.

(a) Dies gilt gerade bei einer verwalterlosen [X.]. Denn die verwalterlose [X.] wird bei der Geltendmachung von Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüchen, die sich auf Beeinträchtigungen des gemeinschaftlichen Eigentums durch einen der Wohnungseigentümer beziehen, von dem jeweils anderen Wohnungseigentümer vertreten; einer Vorbefassung der Eigentümerversammlung vor Klageerhebung bedarf es insoweit nicht.

(aa) Die verwalterlose [X.] wird gemäß § 9b Abs. 1 Satz 2 [X.] von den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich vertreten. Unterliegt ein Wohnungseigentümer einem Vertretungsverbot, ist er allerdings von der gemeinschaftlichen Vertretung ausgeschlossen. Verbleibt nur ein Wohnungseigentümer, der keinem Vertretungsverbot unterliegt, vertritt dieser die [X.] allein (vgl. [X.], Urteil vom 8. Juli 2022 - [X.], NJW 2022, 3003 Rn. 36). Dies gilt, wie der [X.] bereits entschieden hat, auch für [X.], da andernfalls ohne erkennbaren Nutzen prozessuale Hürden für Klagen gegen einzelne Wohnungseigentümer, die ihre wohnungseigentumsrechtlichen Verpflichtungen nicht einhalten, entstünden (vgl. [X.], Urteil vom 16. September 2022 - [X.]/21, NJW 2022, 3577 Rn. 9 f.).

([X.]) Für [X.] hat der [X.] außerdem bereits entschieden, dass es in einer verwalterlosen [X.] vor Erhebung einer gegen einen einzelnen Wohnungseigentümer gerichteten Klage auf Zahlung einer Sonderumlage an die von den übrigen Wohnungseigentümern vertretene [X.] keiner vorherigen Beschlussfassung über die Klageerhebung bedarf (vgl. [X.], Urteil vom 16. September 2022 - [X.]/21, NJW 2022, 3577 Rn. 15). Denn der künftige Beklagte wäre hierbei, anders als die die Klageerhebung befürwortenden verbleibenden Wohnungseigentümer, nicht stimmberechtigt (§ 25 Abs. 4 Alt. 2 [X.]). Eine förmliche Beschlussfassung zu verlangen, deren Ergebnis bereits zweifelsfrei feststeht, wäre eine unnötige [X.]. Das gilt umso mehr, als die Einberufung und Durchführung einer Eigentümerversammlung in einer zerstrittenen verwalterlosen [X.] beträchtliche Probleme aufwirft (vgl. zum Ganzen [X.], Urteil vom 16. September 2022 - [X.]/21, aaO). Soweit der [X.]srechtsprechung zufolge die üblichen Verwaltungsregeln auch in einer zerstrittenen [X.] eingehalten werden müssen, bezieht sich dies auf Sachverhalte, in denen die Beschlussfassung gerade keine unnötige [X.] ist, so dass ggf. eine Beschlussersetzung durch Gestaltungsurteil herbeigeführt werden muss; in diese Fallgruppe gehört auch die von den Parteien im Revisionsverfahren zitierte [X.]sentscheidung zur Ausübung des Selbstbeseitigungsrechts (Urteil vom 5. Juli 2019 - [X.], NJW 2020, 42 Rn. 17).

(cc) Diese für [X.] entwickelte Handhabung gilt auch für die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen. Insbesondere trägt die teilweise geäußerte Kritik, dass die [X.] auf beiden Seiten eines Verfahrens zu stehen drohe, wenn sie, vertreten durch einen Wohnungseigentümer, Unterlassung einer gegen die [X.] verstoßenden Nutzung von dem anderen Wohnungseigentümer verlange, dieser aber deren Duldung begehre, nicht (so aber [X.], [X.] 2023, 101, 102). Denn eine Klage auf Duldung einer gegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 [X.] verstoßenden Nutzung wäre gegen die die Unterlassung begehrende [X.] zu richten, sodass die [X.], ggf. nach einer Verfahrensverbindung (§ 147 ZPO), als Klägerin und [X.] gerade auf derselben Seite stünde; nichts anderes ergäbe sich bei einer auf § 1004 Abs. 1 BGB gestützten Unterlassungsklage durch die insoweit prozessführungsbefugte [X.] (vgl. Rn. 7). Die Austragung interner Streitigkeiten in zerstrittenen verwalterlosen [X.]en wird durch diese Lösung eher erleichtert denn erschwert (ebenso Zschieschack in [X.], [X.], 8. Aufl., § 9b Rn. 71). Ebenso wenig lässt sich ihr entgegenhalten, dass auf diese Weise - gerade in [X.] verwalterlosen [X.]en - eine gerichtlich überprüfbare Willensbildung unterbleibe (so aber [X.] aaO). Denn zum einen wird es im Regelfall - schon um der Kostenfolge des § 93 ZPO zu entgehen - vorab jedenfalls zu Gesprächen der Wohnungseigentümer gekommen sein. Und zum anderen lässt sich die Frage, ob eine beabsichtigte Nutzungsänderung zu unterlassen (oder zu dulden) ist, in einer zerstrittenen [X.] naturgemäß nur durch das Gericht klären. Dann ist es aber sinnvoll und effizient, das (gleichermaßen) zuständige Gericht unmittelbar mit der Frage des Bestehens eines Unterlassungs- oder Duldungsanspruchs zu befassen.

(b) In größeren verwalterlosen [X.]en ist dagegen, wenn die Mehrheit der Wohnungseigentümer Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche nicht durchsetzen möchte, die Beschlussersetzungsklage gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 [X.] der richtige Weg, um den Minderheitenschutz zu gewährleisten. Die Beschlussersetzungsklage dient unter anderem der gerichtlichen Durchsetzung des Anspruchs des Wohnungseigentümers auf ordnungsmäßige Verwaltung (vgl. [X.], Urteil vom 16. September 2022 - [X.], NJW 2023, 63 Rn. 8 mwN). Es ist aber nicht zwangsläufig so, dass (nur) die gerichtliche Verfolgung eventuell bestehender Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche ermessensgerecht wäre. Denn es mag durchaus beachtliche Gründe geben, warum die Mehrheit der Wohnungseigentümer von einer Rechtsverfolgung absieht; daher bedarf es einer Überprüfung und ggf. Ersetzung der gemeinschaftlichen Willensbildung durch das Gericht (vgl. [X.]/[X.], [X.], 15. Aufl., Vorbemerkungen zu §§ 43 ff. Rn. 34; siehe auch [X.], Beschluss vom 20. April 1990 - [X.], [X.]Z 111, 148, 152).

dd) Ob bezogen auf [X.] einer verwalterlosen [X.] eine actio pro socio in Betracht kommen kann, lässt der [X.] dagegen ausdrücklich offen. Es ist nämlich, auch wenn dies ein generelles Problem bei gesetzlich angeordneter Gesamtvertretung ist (vgl. [X.], Urteil vom 8. Juli 2022 - [X.], NJW 2022, 3003 Rn. 50 mwN), nicht von der Hand zu weisen, dass die Rechtsdurchsetzung gerade bei größeren verwalterlosen [X.]en - anders als im hier gegebenen Fall einer verwalterlosen [X.] - seit dem 1. Dezember 2020 ganz erheblich erschwert ist. Schon die Einberufung und Durchführung einer Eigentümerversammlung wirft beträchtliche Probleme auf (vgl. [X.], Urteil vom 16. September 2022 - [X.]/21, NJW 2022, 3577 Rn. 15). Selbst bei Durchführung einer Eigentümerversammlung und Fassung eines auf Erhebung einer Zahlungsklage gerichteten Mehrheitsbeschlusses wäre begründungsbedürftig, warum daraus eine persönliche Mitwirkungspflicht der (mit Ausnahme des künftigen Beklagten nur gemeinsam vertretungsberechtigten) Wohnungseigentümer folgen sollte (vgl. allg. zu der Begründung von Leistungs- und Mitwirkungspflichten [X.], Urteil vom 18. Juni 2010 - [X.], NJW 2010, 2801 Rn. 11; Urteil vom 9. März 2012 - [X.], [X.], 1724 Rn. 11 f.). Vor allem aber müsste ggf. die Mitwirkung klageunwilliger Wohnungseigentümer ihrerseits im Klagewege durchgesetzt werden, da die Regelung des § 27 Abs. 3 Satz 3 [X.] aF, die die mehrheitliche Ermächtigung eines einzelnen Wohnungseigentümers zur Vertretung der [X.] genügen ließ, entfallen ist. Dem steht die gewichtige Verpflichtung der Wohnungseigentümer gegenüber, für eine ordnungsgemäße Finanzausstattung der [X.] zu sorgen (vgl. [X.], Urteil vom 25. März 2022 - [X.], NJW-RR 2022, 955 Rn. 12); die Finanzausstattung wird schon dadurch gefährdet, dass [X.] der Verjährung unterliegen. Es bedarf hier aber keiner Entscheidung, ob den auf die verwalterlose [X.] bezogenen Problemen, solange der Gesetzgeber insoweit nicht tätig wird, trotz fortbestehender Bedenken (eingehend [X.], Beschluss vom 20. April 1990 - [X.], [X.]Z 111, 148, 152) mit Blick auf den [X.] durch die Anwendung der insbesondere für [X.] entwickelten Grundsätze der actio pro socio (vgl. Rn. 14) oder vielmehr durch praktikable Anforderungen an die Bestellung eines Notverwalters zu begegnen ist.

3. Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen haben ebenfalls keinen Erfolg. Insbesondere hat das Berufungsgericht unter Berücksichtigung seiner Neutralitätspflicht (vgl. [X.], Urteil vom 17. März 2023 - [X.]/22, NJW-RR 2023, 791 Rn. 32 mwN) die im Rahmen materieller Prozessleitung gebotenen Hinweise gemäß § 139 ZPO erteilt. Im Übrigen wird von einer Begründung abgesehen (§ 564 Satz 1 ZPO).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Brückner     

      

Göbel     

      

Haberkamp

      

Laube     

      

Grau     

      

Meta

V ZR 6/23

09.02.2024

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Karlsruhe, 6. Dezember 2022, Az: 11 S 135/21, Urteil

§ 9a Abs 2 WoEigG, § 9b Abs 1 S 2 WoEigG, § 14 Abs 1 Nr 1 WoEigG, § 1004 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.02.2024, Az. V ZR 6/23 (REWIS RS 2024, 1510)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 1510

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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