Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.02.2016, Az. 3 StR 547/15

3. Strafsenat | REWIS RS 2016, 15780

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:230216B3STR547.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 547/15
vom
23. Februar 2016
in der Strafsache
gegen

wegen Nötigung
u.a.

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] -
zu 2. auf dessen Antrag -
am 23.
Februar 2016
gemäß
§
349 Abs. 2
und 4 StPO einstimmig beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 11.
September 2015 im Rechtsfolgen-ausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im
Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.]s zurückver-wiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Nötigung und versuchter sexueller Nötigung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf sachlich-rechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie un-begründet im Sinne von §
349 Abs.
2 StPO.
1
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3
-

1. Nach den Feststellungen forderte der Angeklagte die Geschädigte un-ter Vorhalt eines Messers auf, sich auszuziehen. Er wollte sie einschüchtern, um sie nackt zu sehen und anschließend mit ihr -
freiwilligen -
Geschlechtsver-kehr auszuüben. Die Geschädigte zeigte ihm daraufhin ihre nackte Brust, wo-rauf er keine weiteren Forderungen mehr stellte (Tat [X.] 1.). Einige Wochen [X.] lockte der Angeklagte eine weitere Geschädigte unter dem Vorwand, dass er einen Babysitter suche, in seine Wohnung. Er schloss die Wohnungstür ab, bedrohte sie mit einem Messer und fragte, ob er ihre Brust anfassen dürfe. Der Zeugin gelang es, den ihr körperlich überlegenen Angeklagten wegzustoßen, die Wohnungstür aufzuschließen und zu fliehen (Tat [X.] 2.). Der Angeklagte lei-det an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit paranoiden, ängstlich-vermeidenden und narzisstischen Anteilen, Exhibitionismus sowie einer Alko-holabhängigkeit. Aufgrund der Persönlichkeitsstörung, die eine schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne des §
20 StGB darstelle, war nach Auffassung des [X.]s die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der festgestellten Straftaten erheblich beeinträchtigt.
2. Der gesamte Rechtsfolgenausspruch hat keinen Bestand.
a) Die Voraussetzungen für die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§
63 StGB) sind nicht rechtsfehlerfrei dargetan.
Die Anordnung nach §
63 StGB bedarf einer besonders sorgfältigen [X.] und Begründung, weil sie eine schwerwiegende und gegebenenfalls lang-fristig in das Leben des Betroffenen eingreifende Maßnahme darstellt. Sie setzt unter anderem die positive Feststellung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden Zustandes des [X.] voraus, der dazu führte, dass er
-
sicher feststehend -
die Tat zumindest mit erheblich eingeschränkter Schuld-fähigkeit im Sinne des §
21 StGB beging (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 2
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6.
März 1986 -
4 StR 40/86, [X.]St 34, 22, 27; Beschluss vom 6.
Februar 1997 -
4 [X.], [X.]St 42, 385). Auch das Vorliegen einer nicht pathologisch bedingten Störung kann Anlass für eine Unterbringung nach §
63 StGB sein. Doch stellt die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung nicht ohne Weiteres eine hinreichende Grundlage für die Annahme einer relevanten Verminderung der Schuldfähigkeit des [X.] dar und rechtfertigt nur bei Vorliegen weiterer Um-stände
die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Kranken-haus ([X.], Beschlüsse vom 6.
Februar 1997 -
4 [X.], [X.]St 42, 385, 386 f.; vom 11.
November 2003 -
4 [X.], [X.], 197, 198; vom 18.
Juli 2013 -
4 [X.], NJW 2013, 3383, 3385 mwN). Denn
bei solchen Störungen besteht häufig die Gefahr, dass Eigenschaften und Verhaltenswei-sen, die sich innerhalb der Bandbreite des Verhaltens voll schuldfähiger Men-schen bewegen, zu Unrecht als Symptome einer die Schuldfähigkeit erheblich beeinträchtigenden schweren seelischen Abartigkeit bewertet werden. Das gilt vor allem dann, wenn es um die Beurteilung kaum messbarer, objektiv schwer darstellbarer Befunde und Ergebnisse geht, wie es bei einer "kombinierten Per-sönlichkeitsstörung" der Fall ist ([X.], Beschlüsse vom 11.
November 2003

-
4 [X.], [X.], 197, 198; vom 9.
Mai 2012 -
4 [X.], [X.], 275).
Das sachverständig beratene [X.] stützt die Anordnung der [X.] vorliegend ohne nähere Ausführungen allein auf die Diagnose einer kom-binierten Persönlichkeitsstörung mit paranoiden, ängstlich-vermeidenden und narzisstischen Anteilen. Damit hat es die Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit nicht rechtsfehlerfrei begründet. Insbesondere sind keine Umstände dargelegt, die darauf hindeuten, dass die Störung das Leben des Angeklagten vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen belastet oder [X.] wie im Fall einer krankhaften seelischen Störung. Vielmehr beschränkt sich das [X.] im Wesentlichen auf eine Wiedergabe der vom [X.]
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ständigen
gestellten Diagnose. [X.] Ausführungen hätte es vorliegend aber umso mehr bedurft, als bei der Verurteilung des Angeklagten im Jahr 2012 we-gen Verbreitung pornographischer Schriften u.a. bei gleicher Diagnose das [X.] einer schweren anderen seelischen Abartigkeit verneint worden war, weil der Schweregrad der Störungen nicht ausreichend gewesen sei.
b) Auch der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben. Das [X.] hat die Strafe für die Tat [X.] 1. der Urteilsgründe dem Strafrahmen des §
240 Abs.
4 Satz
1, Satz 2 Nr. 1 StGB entnommen. Es hat allerdings die [X.] versäumt, ob von der Regelwirkung des §
240 Abs.
4 StGB abzusehen war. Hierzu hätte Anlass bestanden, weil der [X.] nach §§
21, 49 Abs.
1 StGB vorlag und die abgenötigte sexuelle Handlung im unte-ren Bereich der Erheblichkeitsschwelle des §
184h Nr. 1 StGB anzusiedeln ist. Der [X.] kann nicht ausschließen, dass das [X.] bei Berücksichtigung dieser Umstände einen besonders schweren Fall der Nötigung verneint und deshalb im Strafrahmen des §
240 Abs.
1 StGB zu einer insgesamt milderen Strafe gelangt wäre. Damit hat die in diesem Fall verhängte Strafe keinen [X.].
Der [X.] hebt auch die für den Fall [X.] 2. der Urteilsgründe verhängte [X.] auf, um der neu mit der Sache befassten [X.] eine insge-samt einheitliche Strafbemessung zu ermöglichen.
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Bei der neu zu treffenden Entscheidung wird Folgendes zu berücksichti-gen sein: Sollte der Angeklagte die im Jahr 1993 abgeurteilte sexuelle Nötigung im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen haben, bedarf es besonderer Be-gründung, warum von der Aburteilung dennoch eine Warnwirkung ausgegan-gen sein sollte, die der Angeklagte bei den vorliegenden Taten missachtet
hätte; allenfalls dann wird diese Aburteilung straferschwerend berücksichtigt werden dürfen.
[X.]Schäfer Gericke

Spaniol Tiemann
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Meta

3 StR 547/15

23.02.2016

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.02.2016, Az. 3 StR 547/15 (REWIS RS 2016, 15780)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 15780

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3 StR 547/15

4 StR 168/13

4 StR 120/12

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