Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.02.2013, Az. 4 StR 246/12

4. Strafsenat | REWIS RS 2013, 8208

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 246/12

vom
13. Februar
2013
in der Strafsache
gegen

wegen des Verdachts der gewerbsmäßigen Fälschung von Schecks u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des Generalbun-desanwalts
und des Angeklagten
am 13.
Februar
2013
gemäß §
349 Abs.
1
[X.] beschlossen:

1.
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des [X.] vom 21.
Dezember 2011 wird als unzu-lässig verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklag-ten.
2.
Über die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die im vorgenannten Urteil getroffene Entscheidung zur [X.] hat das [X.] zu entscheiden.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten vom Anklagevorwurf der

teils gewerbsmäßigen

Fälschung von Schecks u.a. in mehreren Fällen freigespro-chen und ihm eine Entschädigung für die erlittene Untersuchungshaft zuer-kannt. Die Staatsanwaltschaft greift mit der Revision den Freispruch an und wendet sich zugleich mit der sofortigen Beschwerde gegen die Entschädi-gungsentscheidung der [X.]. Die vom [X.] vertretene Revision ist mangels rechtzeitiger
Rechtsmittelbegründung nicht zulässig.
1
-
3
-
I.
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist unzulässig, da bei Eingang der Begründungsschrift
der Beschwerdeführerin
beim [X.] am 26.
April 2012 die [X.] des §
345 Abs.
1 [X.] bereits abgelaufen war. Die am 3.
Februar 2012 bewirkte Zustellung des angefochtenen Urteils an die Staatsanwaltschaft war wirksam mit der Folge, dass die hierdurch gemäß §
345 Abs.
1 Satz
2 [X.] in Lauf gesetzte [X.] unter Be-rücksichtigung des §
43 Abs.
2 [X.] mit Ablauf des 5.
März 2012 endete.
1.
Der Zustellung liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde:
Die vom Vorsitzenden und den
jeweils zur Protokollierung herangezoge-nen Urkundsbeamten unterzeichnete Sitzungsniederschrift wurde ausweislich des in das [X.] vom letzten Hauptverhandlungstag aufgenommenen Fertigstellungsvermerks am 21.
Dezember 2011 fertiggestellt. Nachdem das schriftliche Urteil zu den Akten gelangt war, wurden die Verfahrensakten auf Anordnung des Vorsitzenden zum Zwecke der Zustellung des Urteils an die Staatsanwaltschaft übersandt, bei der sie am 3.
Februar 2012 eingingen. Zu diesem Zeitpunkt war das [X.] des letzten [X.] nicht in die Verfahrensakten eingeheftet. Mit Verfügung vom 22.
Februar 2012 schickte die Staatsanwaltschaft die Verfahrensakten unter Hinweis auf das feh-lende [X.] und die sich ihrer Auffassung nach daraus ergebende Un-wirksamkeit der Zustellung an das [X.] zurück und bat darum, das Urteil nach Fertigstellung des Protokolls erneut zuzustellen. Im Zuge der anschlie-ßenden Nachforschungen der [X.]geschäftsstelle wurde das [X.] vom letzten Hauptverhandlungstag im [X.] zur Akte, das dem Rechtspfleger des [X.]s zur Kostenbearbeitung vorlag, aufgefunden 2
3
4
-
4
-
und nunmehr in die Verfahrensakten eingeheftet, die sodann formlos der Staatsanwaltschaft zugeleitet wurden und ihr am 1.
März 2012 wieder vorlagen. Mit
Verfügungen
vom 2. und 16.
März 2012 ersuchte die Staatsanwaltschaft jeweils unter Übersendung der Akten um nochmalige Zustellung des Urteils. Der Vorsitzende der [X.] ordnete schließlich am 22.
März 2012 die neuerliche Zustellung des Urteils an, die durch Zuleitung
der Verfahrensakten
an die Staatsanwaltschaft
am 26.
März 2012 bewirkt wurde. Am 26.
April 2012 ging die [X.] der Staatsanwaltschaft beim [X.] ein.
2.
Die Urteilszustellung an die Staatsanwaltschaft am 3.
Februar 2012 war entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht wegen Verstoßes ge-gen §
273 Abs.
4 [X.] unwirksam.
a)
Nach §
273 Abs.
4 [X.] darf das Urteil nicht zugestellt werden, bevor das Protokoll fertiggestellt ist. Durch diese Regelung soll sichergestellt werden, dass mit dem Protokoll schon zu Beginn der regelmäßig mit der Urteilszustel-lung in Lauf gesetzten [X.] eine abgeschlossene Grund-lage für die Entscheidung über die Anbringung von Verfahrensrügen vorliegt, die dem [X.] während der gesamten [X.] (vgl. [X.], Beschlüsse vom 3.
Januar 1991

3
StR
377/90, [X.]St 37, 287, 288; vom 24.
Oktober 2001

1
StR
163/01, [X.], 160, 161; vom 17.
Juli 1991

3
StR
4/91, [X.], 502
f.; Entwurf der Bundesregierung zum [X.] 1964, BR-Drucks.
9/62, S.
41). §
273 Abs.
4 [X.] ist eine zwingende Verfahrensvorschrift, deren [X.] zur Unwirksamkeit der Zustellung führt (vgl. [X.], Beschluss vom 16.
Dezember 1976

4
StR
614/76, [X.]St 27, 80
f.; [X.] in Löwe/
[X.], [X.], 26.
Aufl., §
273 Rn.
65 mwN; BR-Drucks.
9/62 aaO). Gemäß 5
6
-
5
-
§
271 Abs.
1 Satz
1 [X.] ist die Niederschrift über die Hauptverhandlung vom Vorsitzenden und den mit der Protokollierung befassten Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben. Die Fertigstellung des Protokolls erfolgt nach ständiger
Rechtsprechung des [X.] zu dem Zeitpunkt, zu dem die letzte
der
für die Beurkundung des gesamten [X.] [X.] Unterschriften geleistet wurde (vgl. [X.], Beschlüsse vom 23.
April 2007

GSSt
1/06, [X.]St 51, 298, 317; vom 4.
Oktober 1991

1
StR
396/91, [X.]R [X.] §
271 Protokoll
1; vom 9.
April 1991

4
StR
158/91, bei [X.], NStZ 1992, 29; vom 11.
Juli 1990

2
StR
312/90, [X.]R [X.] §
145a Unterrich-tung
1; vom 3.
Januar 1991

3
StR
377/90 aaO; vom 7.
Oktober 1983

3
StR
358/83, [X.], 89; vom 15.
September 1969

[X.]
(B)
2/69, [X.]St 23, 115, 117; vgl. auch BR-Drucks.
9/62 aaO).
Wie sich
hier
aus dem in das [X.] vom letzten Hauptverhandlungstag aufgenommenen Fertig-stellungsvermerk ergibt, war die Sitzungsniederschrift mit den Unterschriften des Vorsitzenden und der
jeweils
zur Protokollierung herangezogenen Ur-kundsbeamten
bereits
am 21.
Dezember 2011, mithin vor der Zustellung des Urteils an die Staatsanwaltschaft am 3.
Februar 2012,
fertiggestellt.
b)
Die Wirksamkeit der Urteilszustellung wird durch das zum Zeitpunkt der Zustellung noch nicht erfolgte Einheften des letzten [X.]s in die [X.] nicht in Frage gestellt. Weder für die Fertigstellung des Protokolls gemäß §
271 Abs.
1 [X.] noch für die Wirksamkeit der Zustellung des Urteils nach §
273 Abs.
4 [X.] ist es erforderlich, dass die von den Urkundspersonen unterschriebene Niederschrift in tatsächlicher Hinsicht zur Akte genommen wird. Beide Bestimmungen enthalten bezüglich des Protokolls
keine mit der für das schriftliche Urteil geltenden Vorschrift des §
275 Abs.
1 Satz
1 [X.] ver-gleichbare Regelung, sondern stellen
ihrem Wortlaut nach bei der Fertigstellung des Protokolls allein auf die
nach §
271 Abs.
1 Satz
1 [X.]
erforderlichen
7
-
6
-
Unterschriften
der Urkundspersonen und für die Wirksamkeit der Zustellung des Urteils ausschließlich auf die Fertigstellung des Protokolls ab (vgl. [X.],
Beschluss vom 23.
April 2007

GSSt
1/06 aaO). Für die alleinige Maßgeblich-keit der Unterschriften für die
Fertigstellung des Protokolls spricht zudem der systematische Zusammenhang, in welchem die in §
271 Abs.
1 Satz
1 und 2 [X.] getroffenen Regelungen stehen. Der im Gesetz vorgesehene Vermerk über den Tag der Fertigstellung
dient
der Beurkundung des Fertigstellungszeit-punkts und soll eine spätere Prüfung der Wirksamkeit der Zustellung und damit regelmäßig des Laufs der [X.] ermöglichen (vgl. BR-Drucks.
9/62 aaO). Da er
nach der Regelung des §
271 Abs.
1 Satz
2 [X.] in das
Protokoll selbst aufgenommen werden
soll, kann er sich sinnvollerweise nur auf die gemäß §
271 Abs.
1 Satz
1 [X.] erforderlichen Unterschriften der
Urkundspersonen, nicht aber
auf nachfolgende Geschehnisse im Laufe des weiteren Geschäftsgangs beziehen. Auch der Gesetzeszweck des §
273 Abs.
4 [X.] gebietet es nicht, die Wirksamkeit der Urteilszustellung von einem Einhef-ten der Niederschrift
in die Verfahrensakten abhängig zu machen. Denn mit der Fertigstellung des Protokolls wird die Niederschrift, ohne dass es auf eine
äußerliche Verbindung mit den Verfahrensakten ankommt, zum Bestandteil der Akten und unterliegt dem Akteneinsichtsrecht der Verfahrensbeteiligten (vgl. [X.], Beschluss vom 29.
Oktober 1980

StB
43/80, [X.]St 29, 394; Urteil vom 15.
April 1975

5
StR
508/74, bei [X.], [X.] 1975, 725). Sie steht damit als Grundlage für die Revisionsbegründung
uneingeschränkt
zur Einsichtnahme zur Verfügung. Schließlich ist selbst zu §
275 Abs.
1 Satz
1 [X.], der
für das schriftliche Urteil das [X.] ausdrücklich vorschreibt, in der Recht-sprechung
anerkannt, dass die Vorschrift nicht verlangt, dass das Urteil in tat-sächlicher Hinsicht in die [X.] eingelegt werden muss. Es genügt viel-mehr, dass es fristgerecht auf den Weg zur Geschäftsstelle gebracht wird (vgl. [X.], Beschlüsse vom 9.
November 2006

1
StR
388/06, [X.], 53; -
7
-
vom 4.
Oktober 1989

3
StR
155/89, [X.]R [X.] §
275 Abs.
1 Satz
1 Akten
1; [X.] in Löwe/[X.], aaO, §
275 Rn.
6 mwN).
c)
Durch die von der Beschwerdeführerin
angeführte
Entscheidung des 3.
Strafsenats vom 7.
Oktober 1983

3
StR
358/83 ([X.], 89) ist der [X.] nicht gehindert, wie dargelegt zu entscheiden. Es ist schon zweifelhaft, ob dem genannten Beschluss des 3.
Strafsenats überhaupt eine abweichende Rechtsansicht zu entnehmen ist, weil die Frage, ob die Fertigstellung des [X.] eine äußerliche Verbindung der Niederschrift mit den Akten voraussetzt, für den damals zu entscheidenden Fall ersichtlich keine Rolle spielte. Jedenfalls wäre eine möglicherweise abweichende Rechtsauffassung für die Entscheidung des 3.
Strafsenats nicht tragend gewesen und damit für den Senat nicht bin-dend.
3.
Durch die wirksame erste Zustellung des Urteils an die Staatsanwalt-schaft am 3.
Februar 2012 wurde nach §
345 Abs.
1 Satz
2 [X.] die Frist zur Begründung der Revision in Lauf gesetzt, die unter Berücksichtigung des
§
43 Abs.
2 [X.] mit Ablauf des 5.
März 2012 endete. Die weitere am 22.
März 2012 angeordnete Zustellung des Urteils an die Staatsanwaltschaft war [X.] für das Revisionsverfahren ohne Bedeutung (vgl. [X.], Urteil vom 27.
Oktober
1977

4
StR
326/77, NJW 1978, 60; [X.], [X.], 55.
Aufl., §
37 Rn.
29). Der Eingang der [X.] der Staatsanwaltschaft beim [X.] am 26.
April 2012 erfolgte daher verspä-tet.
Für die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
in die versäumte [X.] bezüglich der verfristet erhobenen Ver-fahrensrüge
von Amts wegen
besteht keine Veranlassung, weil das vollständige 8
9
10
-
8
-
Protokoll der
Staatsanwaltschaft noch innerhalb der laufenden [X.] vorlag, so
dass nach Aktenlage nicht davon ausgegangen wer-den kann, dass die Staatsanwaltschaft ohne Verschulden an der rechtzeitigen Anbringung der Verfahrensbeanstandung gehindert
war.
II.
Das Revisionsgericht ist für die Entscheidung über die sofortige Be-schwerde gegen die Entschädigungsentscheidung der [X.] im Urteil gemäß §
8 Abs.
3 Satz
2 StrEG, §
464 Abs.
3 Satz
3 [X.] nur dann zuständig, wenn es zugleich über eine vom Beschwerdeführer eingelegte Revision in der Sache zu befinden hat, weil nur in diesem Fall der erforderliche enge Zusam-menhang zwischen den Rechtsmitteln besteht (vgl. [X.], Beschlüsse vom 9.
Mai 2012

4
StR
649/11; vom 25.
November 2008

4
StR
418/08,
NStZ-RR 2009, 96). Diese Voraussetzung ist wegen der Unzulässigkeit der Revision der Staatsanwaltschaft nicht gegeben.
Mutzbauer
Roggenbuck
Cierniak

Bender
Reiter
11

Meta

4 StR 246/12

13.02.2013

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.02.2013, Az. 4 StR 246/12 (REWIS RS 2013, 8208)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8208

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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4 StR 246/12

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