Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.03.2012, Az. VI ZR 114/11

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8008

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI [X.]
Verkündet am:

20. März 2012

Böhringer-Mangold

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
BGB §§ 253, 823 Abs. 1
Aa, F; [X.] § 7 Abs. 1, § 11 Satz 2, § 18 Abs. 1
Die Rechtsprechung zu [X.] in Fällen psychisch vermit-telter Gesundheitsbeeinträchtigungen mit Krankheitswert bei der Verletzung oder Tötung von Angehörigen oder sonst nahestehenden Personen (sog. [X.]) ist nicht auf Fälle psychischer Gesundheitsbeeinträchtigungen im Zusammenhang mit der Verletzung oder Tötung von Tieren zu erstrecken.
[X.], Urteil vom 20. März 2012 -
VI [X.] -
OLG [X.]

[X.]

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom
20.
März 2012
durch den Vorsitzenden [X.], die
[X.] Zoll und Wellner, die [X.]in [X.] und den [X.] Stöhr
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des [X.] vom 16.
März 2011 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin verlangt materiellen Schadensersatz und Schmerzensgeld im Zusammenhang mit der tödlichen Verletzung eines Hundes
bei einem [X.].
Am 24.
Oktober 2008 spazierte die Klägerin mit einer 14 Monate alten [X.] auf einem Feldweg. Die Hündin war nicht angeleint. Der [X.], der mit einem Traktor von einer angrenzenden Straße in den Feldweg einfuhr, überrollte die Hündin, die dadurch so schwere Verletzungen erlitt, dass sie von einem Tierarzt eingeschläfert werden musste.
Die Klägerin macht materiellen Schadensersatz wegen entstandener
Tierarztkosten, Kosten für die Anschaffung eines Labrador-Welpens
und au-ßergerichtlicher
Rechtsanwaltskosten
sowie einen Schmerzensgeldanspruch geltend mit der Begründung, sie habe durch das Erlebnis einen Schockschaden 1
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mit schweren Anpassungsstörungen und einer schweren depressiven Episode erlitten. Es sei zu einer pathologischen Dauerreaktion gekommen, welche [X.] habe behandelt werden müssen und die Durchführung einer [X.] erfordert habe. Der Zustand habe über einen Zeitraum von mindestens vier Monaten angedauert und sei bis heute nicht ausgestanden.
Das [X.] hat der Klage hinsichtlich der materiellen Schäden stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen.
Auf die Berufung des Beklagten hat das [X.] der Klage hinsichtlich der materiellen Schäden nur in Höhe von 50
% stattgegeben
und den Beklagten in entsprechender Abände-rung des erstinstanzlichen Urteils verurteilt, an die Klägerin 388

zu zahlen sowie sie von außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 83,54

rin und die [X.] Berufung des Beklagten hat es zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsge-richt zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter, so-weit das Berufungsgericht zu ihrem Nachteil erkannt hat.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht ist mit dem [X.] der Auffassung, dass ein Schmerzensgeld wegen eines Schockschadens nicht in Betracht kommt. Für die ersatzfähigen materiellen Schäden hafte der Beklagte als Fahrer des unfall-beteiligten Traktors nach §
18 [X.] für den Unfall, bei dem der Hund der Klä-gerin so schwer verletzt worden sei, dass er anschließend habe eingeschläfert werden müssen. Der Beklagte habe weder nachgewiesen, dass der Unfall für ihn unabwendbar gewesen sei, noch
dass ihn an dem Unfall kein Verschulden 4
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getroffen habe. Auf der anderen Seite müsse
sich die Klägerin nach §
17 Abs.
1 und 4 [X.] die Tiergefahr ihres frei laufenden Hundes im Sinne des §
833 BGB anrechnen lassen. Die Abwägung zwischen der Betriebsgefahr des Traktors mit Anhänger und der Tiergefahr des auf einem Feldweg frei laufenden Hundes rechtfertige unter den besonderen Umständen des Falles eine hälftige Scha-densteilung.

II.
Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
1. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis
mit Recht einen auf Schmer-zensgeld gerichteten Schadensersatzanspruch der Klägerin aus dem Gesichts-punkt eines -
durch den Tod des Tieres psychisch vermittelten
-
sogenannten Schockschadens
verneint.
a) Ein solcher Schadensersatzanspruch aus §
7 Abs.
1,
§
11 Satz 2, §
18 Abs.
1 [X.], §
823 Abs.
1, §
253
BGB
wäre zwar, obwohl die Klägerin einen Gesundheitsschaden nur mittelbar als (psychische) Folge des tödlichen (Ver-kehrs-)Unfalls ihrer Hündin erlitten haben will, ein eigener
Schadensersatzan-spruch wegen
der Verletzung eines eigenen Rechtsguts (vgl. Senatsurteile
vom 11.
Mai 1971 -
VI
ZR 78/70,
[X.]Z 56, 163, 168; vom 13.
Januar 1976 -
VI
ZR 58/74, [X.], 539, 540 und vom 6.
Februar 2007 -
VI
ZR 55/06, [X.], 803 Rn.
10). Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats genügt jedoch
nicht jede psychisch vermittelte Beeinträchtigung der körperli-chen Befindlichkeit, um einen Schadensersatzanspruch eines dadurch nur "mit-telbar" Geschädigten im Falle der Tötung oder schweren Verletzung eines [X.] auszulösen. Dies widerspräche der Intention des Gesetzgebers, die De-6
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liktshaftung gerade in §
823 Abs.
1 BGB sowohl nach den Schutzgütern als auch den durch sie gesetzten
Verhaltenspflichten auf klar umrissene [X.] zu beschränken (vgl. Senatsurteile
vom 11.
Mai 1971 -
VI
ZR 78/70, aaO S.
168
f.
und vom 4.
April 1989 -
VI
ZR 97/88, [X.], 853, 854). Deshalb setzt die Zurechnung psychischer Beeinträchtigungen wie Trauer und Schmerz nicht nur eine -
hier zugunsten der Klägerin revisionsrechtlich
zu un-terstellende pathologisch
fassbare
-
Gesundheitsbeschädigung voraus, sondern auch eine besondere personale Beziehung des solcherart "mittelbar" Geschä-digten zu einem schwer verletzten oder getöteten Menschen (vgl. Senatsurteile vom 11.
Mai 1971 -
VI
ZR 78/70, aaO S. 170; vom 31.
Januar 1984 -
VI
ZR 56/82, [X.], 439; vom 12.
November 1985 -
VI
ZR 103/84, [X.], 240, 241; vom 4.
April 1989 -
VI
ZR 97/88, aaO; vom 13.
Januar 1976 -
VI
ZR 58/74, aaO und vom 6.
Februar 2007 -
VI
ZR 55/06,
Rn. 8,
10). Bei derartigen Schadensfällen dient die enge personale Verbundenheit dazu, den Kreis derer zu beschreiben, die den [X.] des Opfers als Beeinträchtigung der eigenen Integrität und nicht als "normales" Lebensrisiko der Teilnahme an den Ereignissen der Umwelt empfinden (vgl. Senatsurteil vom 14.
Juni 2005 -
VI
ZR 179/04, [X.]Z 163, 209, 220 f.).
b) Aus den vorgenannten, die Schadensersatzpflicht bei [X.] eng umgrenzenden Grundsätzen ergibt sich
bereits, dass eine von der Revision geforderte Ausdehnung dieser Rechtsprechung auf psychisch vermittelte [X.] bei der Verletzung oder Tötung von Tieren nicht in Betracht kommt (so auch zutreffend [X.], [X.], XI Nr.
128;
KreisG
Cottbus, NJW-RR 1994, 804, 805; [X.], [X.], 191
und [X.], [X.] 1986, 1494; MünchKommBGB/[X.], 5.
Aufl., §
251 Rn.
55). Dem entspricht es, dass der Gesetzgeber keinen Anlass für einen besonderen Schmerzensgeldanspruch des Tierhalters gesehen hat; die Verletzung oder Tötung von Tieren sollte den 9
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von der Rechtsprechung anerkannten Fällen von [X.] mit Krank-heitswert
bei der Verletzung oder Tötung von Angehörigen oder sonst dem Be-troffenen nahestehenden Menschen
nicht gleichgestellt werden (vgl. [X.]. 11/7369, S.
7).
Derartige Beeinträchtigungen
bei der Verletzung oder Tötung von Tieren, mögen sie auch
als schwerwiegend empfunden werden und
menschlich noch so verständlich erscheinen, gehören zum allgemeinen Lebensrisiko und vermö-gen damit Schmerzensgeldansprüche nicht zu begründen.
2. Die Revision beanstandet schließlich ohne Erfolg die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Abwägung der beiderseitigen Verursachungs-
und Verantwortungsbeiträge im Zusammenhang mit den geltend gemachten materi-ellen Schadensersatzansprüchen der Klägerin. Die Entscheidung über eine Haftungsverteilung im Rahmen des §
254 BGB oder des §
17 [X.] ist grund-sätzlich Sache des Tatrichters und im Revisionsverfahren nur darauf zu über-prüfen, ob der Tatrichter alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zu-grunde gelegt hat. Die Abwägung ist aufgrund aller festgestellten, d.h. unstreiti-gen, zugestandenen oder nach §
286 ZPO bewiesenen Umstände des Einzel-falls vorzunehmen, wenn sie sich auf den Unfall ausgewirkt haben; in erster Linie ist hierbei das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben (vgl. etwa Senatsurteil vom 7.
Februar 2012 -
VI
ZR 133/11, juris Rn.
5
mwN).
Einer Überprüfung nach diesen Grundsätzen hält das Berufungsurteil stand. Nach den [X.] Feststellungen des Berufungsgerichts sind
gefahrerhöhende Umstände von beiden Seiten nicht
bewiesen worden.
Auf die-ser Grundlage ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Beru-10
11
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7

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fungsgericht in tatrichterlicher Würdigung unter den besonderen Umständen des [X.] unter Berücksichtigung der Tiergefahr des freilaufenden Hundes einerseits und der Betriebsgefahr des Traktors andererseits zu einer hälftigen Schadensteilung gelangt ist.
Galke
Zoll
Wellner

[X.]
Stöhr

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 19.08.2010 -
8 [X.]/09 -

OLG [X.], Entscheidung vom 16.03.2011 -
16 [X.] -

Meta

VI ZR 114/11

20.03.2012

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.03.2012, Az. VI ZR 114/11 (REWIS RS 2012, 8008)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8008

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

7 U 30/14

Zitiert

VI ZR 114/11

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