Bundespatentgericht, Beschluss vom 08.08.2012, Az. 28 W (pat) 14/12

28. Senat | REWIS RS 2012, 4026

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Der Kelte" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 046 684 .7

hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] am 8. August 2012 unter Mitwirkung der Richterin [X.] als Vorsitzende, der Richterin Winter und des Richters am [X.]

beschlossen:

Der Beschluss des [X.], Markenstelle für Klasse 29, vom 19. Dezember 2011 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen 30 2010 046 684.7

2

[X.]

3

ist am 6. August 2010 zur Eintragung in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 29, 30 und 43 angemeldet worden, u. a. für „Fisch, Fischfilets, Fischerzeugnisse, soweit in Klasse 29 enthalten".

4

Die Markenstelle für Klasse 29 hat die Anmeldung mit Beschluss vom 19. Dezember 2011 wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. „[X.]“ sei der geläufige Ausdruck für einen Angehörigen eines indogermanischen Stammes. In Bezug auf die beanspruchten Waren weise die Bezeichnung darauf hin, dass die so gekennzeichneten Waren im Zusammenhang mit „den [X.]“ stünden, etwa, weil sie nach „[X.]“ Art hergestellt würden oder zur Herstellung derartiger Waren geeignet und bestimmt seien. Die angesprochenen Verkehrskreise könnten sich unter „[X.] Küche“ auch durchaus etwas vorstellen. Es gebe Kochbücher, Restaurants und auch immer wieder Veranstaltungen zu diesem Thema. Es existierten typisch „[X.]“ Zubereitungsarten. Ob diese mit den ursprünglichen Essgewohnheiten der „[X.]“ übereinstimmten und ob es tatsächlich jemals eine typisch „[X.]“ Küche gegeben habe, sei markenrechtlich nicht relevant. An diesem sachbezogenen Verständnis verändere die personalisierte Wortform mit dem bestimmten Artikel „der“ nichts. Die Personifizierung von Waren aus dem Lebensmittelsektor sei weder originell noch phantasievoll oder ungewöhnlich.

5

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Nachdem sie mit Schriftsatz vom 25. Juni 2012, eingegangen am 26. Juni 2012, die Markenanmeldung unter teilweiser Rücknahme beschränkt hat auf die Waren der

6

Klasse 29: Fisch, Fischfilets, Fischerzeugnisse, soweit in Klasse 29 enthalten,

        

7

beantragt sie sinngemäß,

8

den Beschluss des [X.]es, Markenstelle für Klasse 29, vom 19. Dezember 2011 aufzuheben.

9

Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Zeichen „[X.]" habe in Bezug auf die beanspruchten Waren keinen eindeutigen Bedeutungsgehalt und sei damit unterscheidungskräftig. Ob dem maßgeblichen Durchschnittsverbraucher der Begriff „Kelte“ in der Bedeutung „Angehöriger eines indogermanischen Stammes“ bekannt sei, sei zweifelhaft. Die Bezeichnung „Kelte" sei historischer Natur und werde im modernen Sprachgebrauch so gut wie gar nicht mehr benutzt. „[X.]" sei in Bezug auf die beanspruchten Fischwaren nicht glatt beschreibend. Da es sich bei „Dem [X.]" nicht um einen Fisch bzw. eine Fischart handele und der Begriff auch sonst im modernen Sprachgebrauch nicht üblich sei, liege keine beschreibende Bedeutung auf der Hand. Es bedürfe vielmehr mehrerer Interpretationsschritte und überhaupt der Kenntnis des Begriffs „Kelte", um hieraus auf eine bestimmte Zubereitungsart des dahinter stehenden Fischprodukts zu schließen. Dies gelte umso mehr, als die „[X.]“ nach gesicherten historischen Erkenntnissen nie ein geschlossenes Volk gebildet hätten, es mithin keine gemeinsame Ernährungskultur gegeben habe. Der Begriff „Kelte" bezeichne vielmehr entweder Siedlungsgemeinschaften mit einer ähnlichen materiellen Kultur (archäologische Definition), eine Siedlungsgemeinschaft mit denselben Gebräuchen und Glaubensvorstellungen (ethnologische Definition) oder eine mittel- und westeuropäische Sprachengemeinschaft (sprachwissenschaftliche Definition). Den - von der Markenstelle zugrundegelegten - „Durchschnittskelten" habe es zu keinem [X.]punkt gegeben. „[X.]“ seien in ganz unterschiedlichen [X.] Regionen angesiedelt gewesen. Eine einheitliche „[X.]“ Zubereitungsart habe es niemals gegeben. Der von der Markenstelle angenommene Hinweis auf eine historische Darreichungsform der gekennzeichneten Waren bleibe völlig offen. Schließlich sei die [X.] aber auch aufgrund der gewählten personalisierten Wortform als auslegungsbedürftig anzusehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist auf der Grundlage des im Beschwerdeverfahren eingeschränkten [X.] begründet.

Der Eintragung des angemeldeten [X.] als Marke stehen in Bezug auf die noch beanspruchten Waren der Klasse 29 keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] entgegen.

Dem Anmeldezeichen kann zunächst nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] 2012, 19, Rdnr. 8 - Link economy; [X.], 1100, Rdnr. 10 - [X.]!; [X.], 825, 826, Rdnr. 13 - [X.]; [X.], 850, 854, Rdnr. 18 - [X.]). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. [X.] [X.], 411, 412, Rdnr. 24 - Matratzen Concord/[X.]; [X.], 943, 944, Rdnr. 24 - [X.] 2; [X.] - [X.]). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. [X.] [X.], 428, 431, Rdnr. [X.]; [X.], 1151, 1152 - marktfrisch; [X.] 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. [X.] [X.], 674, 678, Rdnr. 86 – Postkantoor; [X.], 952, 953 Rdnr. 10 - [X.]; a. a. [X.], Rdnr. 19 - [X.]; [X.], 417, 418 – [X.]; a. a. [X.] - marktfrisch; [X.], 1153 - anti [X.]) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. [X.] - [X.]; GRUR 2003, 1050, 1051 - [X.]; [X.], 1043, 1044 - [X.]). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen ([X.] 855, Rdnr. 19, 28 f. - [X.]).

Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] genügt das angemeldete Zeichen. Denn es weist für die noch beanspruchten Waren „Fisch, Fischfilets, Fischerzeugnisse, soweit in Klasse 29 enthalten“ weder einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt auf, noch handelt es sich um eine Angabe, durch die ein enger beschreibender Bezug zu ihnen hergestellt werden kann.

Der Senat teilt nicht die Auffassung der Markenstelle, die angesprochenen Verkehrskreise würden sofort und eindeutig erfassen, dass die mit „[X.]“ gekennzeichneten Waren „[X.]“ Art seien und was dies bedeute. Die vom Senat durchgeführte Recherche hat vielmehr ergeben, dass der Verbraucher von „[X.] Küche“ keine bestimmte Vorstellung hat, zumal belastbare Erkenntnisse über eine „[X.] Esskultur“ im Zusammenhang mit Fisch oder Fischgerichten nicht vorliegen.

Die Wortfolge „[X.]“ bezeichnet einen männlichen Angehörigen eines indogermanischen Volkes ([X.] - [X.], 6. Auflage, [X.], 2006 [CD-ROM]). Ein „Staatsvolk der [X.]“ hat es niemals gegeben. Als „[X.]“ wurden seit der Antike Siedlungsgemeinschaften der Eisenzeit mit einer ähnlichen materiellen Kultur, denselben Gebräuchen und Glaubensvorstellungen oder einer ähnlichen Sprache bezeichnet. Schriftzeugnisse zu den als „keltisch“ angenommenen Kulturen aus der [X.] vor der endgültigen Romanisierung ihrer Siedlungsgebiete (d. h. vor dem [X.] nach [X.]) sind nicht vorhanden. Kenntnisse über die frühen „[X.]n“ Kulturen erschließen sich hauptsächlich über archäologische Funde und einzelne allgemein gehaltene Berichte [X.] und [X.] Chronisten (z. B. [X.] in „Germania“ oder [X.] in „[X.]“), die sowohl zeitlich als auch räumlich nur einen Teil der archäologisch, ethnisch oder sprachlich als „keltisch“ angesehenen Völker kannten und entsprechend einheitlich benannten, da sie diese als zusammengehörend wahrnahmen. Diese Gruppen bildeten dabei allenfalls verwandte Volksstämme, die kulturelle Gemeinsamkeiten hatten und sich dadurch von den [X.] unterschieden. Archäologisch reichte die weiteste Ausbreitung der materiellen „[X.]n“ Kultur von [X.], [X.] und [X.] im Westen bis nach [X.], [X.] und [X.] im Osten; von [X.] im Süden bis zum nördlichen Rand der [X.]. Einzelne Funde „[X.]n“ Ursprungs finden sich auch auf dem [X.] bis hin nach [X.] (vgl. [X.], [X.], zum Eintrag „[X.]“).

Wegen der historischen Natur der fraglichen Bezeichnung und der weiten Ausbreitung von Kulturen, die man mit „den [X.]“ verbindet, wird das Anmeldezeichen vom inländischen Publikum im Zusammenhang mit den noch beanspruchten Waren nicht mit einem bestimmten Ort in Verbindung gebracht.

Es gibt auch keine überlieferten spezifischen „[X.]n Rezepte“ für die Zubereitung von Fisch. Außer in [X.] im [X.] in [X.] aufgefundenen Speiseresten, aus denen sich die Erkenntnis ergibt, dass die „[X.]“ ein noch heute in [X.] - unter der Bezeichnung „[X.]“ - übliches Gericht kannten, einen Eintopf aus Graupen und Bohnen, ist nicht bekannt, was und wie „die [X.]“ aßen (vgl. [X.], [X.], zum Eintrag „[X.]“). Wenn es also, entsprechend der im angegriffenen Beschluss vom 19. Dezember 2011 dokumentierten Recherche der Markenstelle Kochbücher gibt, wie beispielsweise

- das Buch „[X.] Kochbarkeiten: Mit 60 Rezepten vom "Fünf-Steine-Koch"“ von Achim Werner,

- „[X.]s Kochbuch: Eine Sammlung [X.]r Speisen auf Basis archaeologischer Erkenntnisse und historischer Quellen“ von Evert Kornmayer,

- das Buch „Was gab [X.] in seinen Kessel?: Das [X.]-Kochbuch für junge Küchedruiden“ von [X.] oder

- „Das [X.]-Kochbuch“ aus dem Felix-Verlag

oder Veranstaltungen, die das Thema „[X.]“ Küche zum Gegenstand haben, wie beispielsweise

- ein „[X.]essen auf dem Panoramaschiff Altmühlperle im Naturpark Altmühltal“,

- das Projekt „Essen und Trinken wie [X.] & [X.]“ im [X.] Land,

- ein Event-Dinner namens „Winter bei den [X.]“ oder

- das Event „Speisen wie die [X.]“ für die Hausgäste der [X.] KELTENBLICK in GLAUBURG Stockheim,

oder gastronomische Einrichtungen mit den Bezeichnungen

- „Das [X.] Pub TirNaNog“ in [X.] oder

- „Das [X.]“ in Bad Zwesten,

dann handelt es sich dabei nicht um eine Referenz an eine bestimmte „[X.]“ Koch- oder Esskultur, sondern um eine rein subjektive Vorstellung der jeweiligen Anbieter davon, was „keltisch“ gewesen sein könnte. Die Bezeichnung „[X.]“ ist mithin nicht geeignet, auf eine typisch [X.] Zubereitungsart oder andere Eigenschaften der beanspruchten Waren „Fisch, Fischfilets, Fischerzeugnisse, soweit in Klasse 29 enthalten“, hinzuweisen. Die diffuse Bezeichnung „[X.]“ stellt auch keine Verbindung zwischen diesen Waren und einer bestimmten Region her, mit der die angesprochenen Verbraucher positiv besetzte Vorstellungen verbinden würden (vgl. [X.] GRUR 1999, 723-728 - [X.], [X.], 149-151 - [X.]; [X.], in [X.]/[X.], [X.], 10. Auflage, 2012, § 8 Rdnr. 341). Damit kommt dem Zeichen die Bedeutung eines betrieblichen Herkunftshinweises zu.

Wegen der fehlenden Eignung zur Beschreibung der noch beanspruchten Waren kommt auch ein Ausschluss von der Eintragung nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] nicht in Betracht.

Meta

28 W (pat) 14/12

08.08.2012

Bundespatentgericht 28. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 08.08.2012, Az. 28 W (pat) 14/12 (REWIS RS 2012, 4026)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4026

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