Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.04.2018, Az. 2 StR 194/17

2. Strafsenat | REWIS RS 2018, 10147

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:250418U2STR194.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
2
StR 194/17
vom
25. April
2018
in der Strafsa[X.]he
gegen

wegen sexuellen Missbrau[X.]hs eines Kindes

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.]s hat in der Verhandlung vom 25.
April 2018, an der
teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Dr. Appl

als Vorsitzender,

die [X.] am [X.]
Prof. Dr. [X.],
[X.],
[X.],
[X.],

[X.] beim [X.]

als Vertreterin
der Bundesanwalts[X.]haft,

Re[X.]htsanwalt

als Verteidiger,

Re[X.]htsanwältin

als Vertreterin der Nebenklägerin,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Ges[X.]häftsstelle,

für Re[X.]ht erkannt:
-
3
-

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 26. Oktober 2016 im Strafausspru[X.]h aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sa[X.]he zu neuer [X.] und Ents[X.]heidung, au[X.]h über die Kosten des Re[X.]htsmittels und die der Nebenklägerin insoweit entstan-denen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des [X.]s zurü[X.]kverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verwor-fen.

Von Re[X.]hts wegen

Gründe:
Das [X.] hatte
den Angeklagten in einem ersten Urteil wegen se-xuellen Missbrau[X.]hs eines Kindes in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheits-strafe von vier Jahren und elf Monaten verurteilt. Na[X.]h Aufhebung dieses Ur-teils dur[X.]h Senatsurteil vom 20.
Mai 2015

2
StR 455/14 ([X.], 9 f.) und Zurü[X.]kverweisung der Sa[X.]he an das [X.], hat dieses den Angeklagten erneut wegen sexuellen Missbrau[X.]hs von Kindern in sieben Fällen verurteilt, nunmehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren. Hiergegen ri[X.]htet si[X.]h 1
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-
die auf die Sa[X.]hrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Re[X.]htsmittel hat in dem aus der Urteilsformel ersi[X.]htli[X.]hen Umfang Erfolg, im Übrigen ist es un-begründet.

I.
Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. [X.] lernte der Angeklagte die Zeugin I.

H.

ken-
nen, die verheiratet war und aus deren Ehe die Kinder S.

(1985), M.

(1987) und J.

H.

(1990) hervorgegangen waren. Ihre Ehe war von
Alkoholmissbrau[X.]h dur[X.]h den Ehemann belastet. Der Angeklagte hielt si[X.]h oft in der Ehewohnung auf und übernahm dort Hausmeistertätigkeiten. Anfang 1997 kam es zur Trennung der Eheleute. Am 6.
Februar 1997 bezog I.

H.

mit ihren Kindern eine Wohnung im ersten Oberges[X.]hoss eines
Wohnhauses, die sie sodann gemeinsam mit dem Angeklagten bewohnte. Etwa zweieinhalb Jahre später mieteten der Angeklagte und I.

H.

eine
Wohnung im zweiten Oberges[X.]hoss hinzu. In der [X.], in wel[X.]her sie dort wohn-ten, kam es zu einer Mehrzahl von sexuellen Übergriffen des Angeklagten auf die Nebenklägerin J.

H.

. Dabei manipulierte der Angeklagte an der
S[X.]heide der Nebenklägerin und ließ si[X.]h von ihr mit der Hand bis zum [X.]. Die Taten wurden, soweit sie konkretisierbar sind,
zwis[X.]hen Februar 1997 und Oktober 2001 beim gemeinsamen Bad des Angeklagten mit der Nebenklägerin (Taten 1 und 2) oder im Wohnzimmer (Tat 3), im [X.]raum von 1999 bis Oktober 2001 im Kinderzimmer und im S[X.]hlafzimmer der [X.] (Tat 4) oder nur im S[X.]hlafzimmer der Erwa[X.]hsenen (Tat 5) sowie im [X.]-raum von Februar 1997 bis Oktober 2001 in einem Lastkraftwagen begangen (Taten 6 und 7).
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2. Im Frühjahr 1999 beri[X.]htete die Nebenklägerin erstmals ihrer Mutter von den sexuellen Übergriffen. Diese konfrontierte den Angeklagten mit den Vorwürfen, der jedo[X.]h Missbrau[X.]hshandlungen abstritt und die Nebenklägerin eindringli[X.]h ansah, worauf diese die Ans[X.]huldigungen zurü[X.]knahm. In den Sommerferien 1999 hielt si[X.]h die Nebenklägerin bei ihrer Großmutter auf und äußerte au[X.]h dieser gegenüber Missbrau[X.]hsvorwürfe gegen den Angeklagten. Die Großmutter informierte ihren [X.] Mi.

, der am 6.
August 1999 Strafan-
zeige erstattete. Dadur[X.]h erfuhr au[X.]h das Jugendamt von den [X.]. Dessen Mitarbeiterin P.

wurde bei einem Gesprä[X.]h in der
Familie von M.

H.

, dem Bruder der Nebenklägerin, darauf hinge-
wiesen, er sei ebenfalls vom Angeklagten missbrau[X.]ht worden. Das Jugendamt s[X.]haltete deshalb die Zeugin Ha.

als Fa[X.]hkraft ein. Beide Kinder wiederholten
ihr gegenüber die Missbrau[X.]hsvorwürfe. Daraufhin organisierte das Jugendamt eine Therapie für die Kinder bei der Jugendhilfe F.

.
I.

H.

glaubte indes an eine Vers[X.]hwörung gegen den Ange-
klagten, weil die Großmutter
den Angeklagten ni[X.]ht als ihren Partner akzeptier-te. Die Kinder bemerkten, dass ihre Mutter unter der Trennung von dem Ange-klagten litt, der aus dem Haus verwiesen worden war. Sie vermissten ihn eben-gjährigen Orientierung am Angeklagten, die Vorwürfe zurü[X.]kzunehmen und stattdessen zu behaupten, sie seien von ihrer Großmutter instruiert worden, entspre[X.]hende Angaben zu

Die Missbrau[X.]hsvorwürfe fanden au[X.]h Eingang in das familiengeri[X.]htli-[X.]he Verfahren über die S[X.]heidung der Ehe von I.

und K.

H.

und das Re[X.]ht der elterli[X.]hen Sorge. Dort wurde ein psy[X.]hologis[X.]hes Guta[X.]h-ten dur[X.]h die Sa[X.]hverständige Dipl.-Psy[X.]h. Dr.
Ku.

eingeholt. Bei
deren Exploration erklärten J.

und M.

H.

, dass es keine
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6
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Missbrau[X.]hshandlungen gegeben habe, sondern ihre Großmutter sie zu ent-spre[X.]henden Behauptungen aufgefordert habe. Die Sa[X.]hverständige kam zu logi-s[X.]hen Überprüfung ni[X.]ht standhielten, es aber denno[X.]h viele Hinweise darauf gebe, dass die Zurü[X.]knahme der kindli[X.]hen Aussagen bewusst fals[X.]h von den den Angeklagten am 29.
Februar 2000 eingestellt. Der Angeklagte war im [X.] 1999 in die Wohnung von I.

H.

zurü[X.]kgekehrt und setzte da-
na[X.]h die sexuellen Übergriffe fort.
Aus der Beziehung mit I.

H.

ging die am 7. Mai 2001 gebore-
ne To[X.]hter B.

hervor. Kurz vor deren Geburt nahm der Angeklagte au[X.]h
eine intime Beziehung mit der damals 19-jährigen C.

L.

(später
P.

) auf. Als I.

H.

davon erfuhr, trennte sie si[X.]h vom Angeklag-
ten.

II.
Die Revision ist unbegründet, soweit sie si[X.]h gegen den S[X.]huldspru[X.]h ri[X.]htet. Jedo[X.]h ist der Strafausspru[X.]h wegen eines Wertungsfehlers aufzuhe-ben.
1. Die Beweiswürdigung unterliegt keinen re[X.]htli[X.]hen Bedenken.
a) Das Tatgeri[X.]ht ist ni[X.]ht s[X.]hon dann aufgrund des [X.] an steht und keine weiteren belastenden Indizien vorliegen (vgl. [X.], Urteil vom 29.
Juli 1998

1
StR 94/98, [X.]St 44, 153, 158). Wird die Tat vom mutmaßli-[X.]hen Opfer in einer
Zeugenaussage ges[X.]hildert, kann der Angeklagte auf die-7
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-
ser Grundlage verurteilt werden, wenn das Tatgeri[X.]ht von der Glaubhaftigkeit der Aussage dieses einzigen Belastungszeugen überzeugt ist. Der Tatri[X.]hter muss si[X.]h dabei bewusst sein, dass die Aussage dieses Zeugen einer beson-deren Glaubhaftigkeitsprüfung zu unterziehen ist, zumal der Angeklagte in [X.] Fällen wenige Verteidigungsmögli[X.]hkeiten besitzt. Na[X.]h der Re[X.]htspre-[X.]hung des [X.]s müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatri[X.]hter alle Umstände, wel[X.]he die Ents[X.]heidung beeinflussen [X.], erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (vgl. Senat, Bes[X.]hluss vom 10. Januar 2017

2
StR 235/16, [X.], 367, 368 mwN). Aus den [X.] muss si[X.]h ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse ni[X.]ht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. Senat, Urteil vom 22.
April 2015

2
StR 351/14). Hierbei sind das Gewi[X.]ht und Zusammenspiel der einzelnen Indizien in einer Gesamts[X.]hau
zu bewerten (vgl. Senat, Bes[X.]hluss vom 20.
Juli 2016

2
StR 59/16, [X.], 382; Bes[X.]hluss vom 4.
April 2017

2
StR 409/16, [X.], 193, 194).
b) Den dana[X.]h an die Sa[X.]hdarstellung und die Beweiswürdigung zu stel-lenden Anforderungen genügt das angefo[X.]htene Urteil.
Insbesondere sind keine Lü[X.]ken in der Beweiswürdigung oder Erörte-rungsmängel zu verzei[X.]hnen. Das sa[X.]hverständig beratene [X.] hat ni[X.]ht übersehen, dass die Äußerungen der Nebenklägerin na[X.]h erstmaliger Er-hebung von Missbrau[X.]hsvorwürfen we[X.]hselnd waren, was es jedo[X.]h mit den jeweiligen Gegebenheiten in der Familie erklärt hat. Au[X.]h hat es erkannt, dass die Nebenklägerin dur[X.]h vers[X.]hiedene Personen aus dem familiären Umfeld, Mitarbeitern des [X.] und Sa[X.]hverständigen im familiengeri[X.]htli[X.]hen Verfahren sowie im Strafverfahren vielfa[X.]h mit dem Thema des sexuellen [X.] konfrontiert war. Es hat aber eine suggestive Beeinflussung mit der Folge der Erinnerungsverfäls[X.]hung re[X.]htsfehlerfrei ausges[X.]hlossen. Re[X.]htli[X.]h 11
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-
ni[X.]ht zu beanstanden ist au[X.]h, dass das [X.] dem [X.] des Bruders der Nebenklägerin im Ergebnis keine Beweisbedeutung [X.] hat. Die Aussageentstehung und -entwi[X.]klung, die Aussagemotivation der Nebenklägerin sowie die Qualität ihrer Angaben hat das [X.] berü[X.]k-si[X.]htigt. Daraus hat es Hinweise auf die Glaubhaftigkeit der den Angeklagten belastenden Angaben gewonnen, die einzelne Glaubhaftigkeitsbedenken we-gen Inkonstanz in Teilberei[X.]hen der Angaben sowie Beurteilungsunsi[X.]herheiten wegen zwis[X.]henzeitli[X.]her [X.] der Nebenklägerin zurü[X.]ktreten lassen. Dagegen ist re[X.]htli[X.]h ni[X.]hts zu erinnern.
2. Die Strafzumessung enthält dagegen einen Wertungsfehler, der zur Aufhebung des Strafausspru[X.]hs führt.

e erhebli[X.]hen Folgen der Taten für die Neben-dem Täter Beeinträ[X.]htigungen des Opfers nur mit vollem Gewi[X.]ht bei den Ein-zeltaten anzulasten, soweit sie unmittelbare Folge der [X.] sind. Beein-trä[X.]htigungen, die si[X.]h erst aus der Vielzahl der Taten ergeben, können erst bei der Gesamtstrafenbildung gewi[X.]htet werden (vgl. Senat, Bes[X.]hlüsse vom 22.
Juli 2014

2
StR 84/14, [X.], 340, und vom 12.
September 2017

2
StR 101/17).
Den Urteilsgründen ist ni[X.]ht zu entnehmen, dass bereits bestimmte Ein-zeltaten die Nebenklägerin besonders belastet haben, so dass diese bei den Einzelstrafen uneinges[X.]hränkt berü[X.]ksi[X.]htigt werden könnten (vgl. [X.], [X.] vom 9.
Januar 2018

5
StR 541/17). Deshalb ist die paus[X.]hale Be-rü[X.]ksi[X.]htigung bei der Bemessung der Einzelstrafen

und erneut bei der Bil-dung der Gesamtfreiheitsstrafe

re[X.]htsfehlerhaft.

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b) Der Senat kann ni[X.]ht auss[X.]hließen, dass die verhängten Einzelstrafen auf dem Re[X.]htsfehler beruhen. Dies entzieht zuglei[X.]h der Gesamtstrafe die Grundlage.
[X.]) Der zur Aufhebung des Strafausspru[X.]hs führende [X.] die getroffenen Feststellungen ni[X.]ht; diese können bestehen bleiben (§
353 Abs.
2 [X.]). Der neue Tatri[X.]hter kann ergänzende Feststellungen treffen, die zu den bisherigen ni[X.]ht in Widerspru[X.]h stehen.
d) Bei der neuen Festsetzung der Einzelstrafen ist, was im angefo[X.]hte-nen Urteil hinsi[X.]htli[X.]h der Einzelstrafen in den Fällen 1

5 übersehen wurde, das Vers[X.]hle[X.]hterungsverbot gemäß §
358 Abs.
2 [X.] zu bea[X.]hten.

Appl [X.] Es[X.]helba[X.]h

[X.] [X.]

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Meta

2 StR 194/17

25.04.2018

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.04.2018, Az. 2 StR 194/17 (REWIS RS 2018, 10147)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 10147

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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