Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.03.2012, Az. 10 AZR 173/11

10. Senat | REWIS RS 2012, 8171

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Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 24. Januar 2011 - 12 Sa 1012/10 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass ein Zinsanspruch erst ab dem 1. August 2008 besteht.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch auf eine tarifliche Kompensationszahlung für eine im [X.] nicht gezahlte tarifliche Zuwendung.

2

Die 1955 geborene Klägerin stand seit dem 1. April 1989 zunächst in einem Arbeitsverhältnis zum „[X.]“. Sie war zuletzt als Verwaltungsangestellte in der [X.] in [X.] beschäftigt. Am 4. August 1994 wurde die „[X.] [X.] gGmbH“ ([X.]) in das Handelsregister eingetragen. Gegenstand des Unternehmens war „die medizinische und pflegerische Versorgung von Personen, insbesondere der [X.]etrieb eines Akutkrankenhauses und eines medizinischen Rehabilitationszentrums in [X.], der [X.]etrieb von Dialyseabteilungen (-stationen)“ sowie damit zusammenhängender Geschäfte.

3

Am 30. September 1994 schlossen die [X.] und die [X.] einen Tarifvertrag ([X.]), wonach ab dem 1. Januar 1995 für die [X.]eschäftigten der [X.] der [X.]undes-Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der [X.] ([X.]MT-AW II) vom 1. November 1977 und seine Zusatztarifverträge in der jeweils gültigen Fassung Anwendung finden sollten. § 46 [X.]MT-AW II sah einen Anspruch auf eine Zuwendung vor, § 54 [X.]MT-AW II enthält folgende Regelung:

        

„Ausschlussfrist

        

(1)     

Ansprüche aus diesem Tarifvertrag müssen innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht werden.

        

(2)     

Nach [X.]eendigung des Arbeitsverhältnisses müssen Ansprüche aus diesem Tarifvertrag innerhalb von drei Monaten geltend gemacht werden.“

4

Am 19. Januar 1995 schlossen die Parteien mit Wirkung ab 1. Januar 1995 einen neuen schriftlichen Arbeitsvertrag, der den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die [X.] regelte und dessen Nr. 12 lautet:

        

„Alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, sind von den Vertragsschließenden innerhalb einer Ausschlussfrist von 6 Monaten nach Fälligkeit geltend zu machen. Nach [X.]eendigung des Arbeitsverhältnisses müssen Ansprüche innerhalb von 3 Monaten geltend gemacht werden. Im Falle der Ablehnung durch die Gegenpartei sind sie binnen einer Frist von 2 Monaten einzuklagen.“

5

Am 17. Oktober 1996 wurde eine Änderung der Firma und des Gegenstands des Unternehmens in das Handelsregister eingetragen. Die [X.]eklagte erhielt ihren jetzigen Namen „[X.] Gesundheitsdienste gGmbH“. Gegenstand des Unternehmens war nunmehr „die medizinische und pflegerische Versorgung von Personen, insbesondere der [X.]etrieb von Krankenhäusern, medizinischen Rehabilitationskliniken, Pflegeeinrichtungen und der [X.]etrieb von ambulanten [X.]ehandlungszentren“ sowie damit zusammenhängender Geschäfte.

6

Am 25. Juni 1997 schloss die [X.]eklagte mit den [X.] [X.] und [X.] „infolge des politisch indizierten [X.]elegungsrückganges in der Rehabilitationsklinik [X.] (...) zur Sicherung der Arbeitsplätze der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter” einen „Änderungs- und [X.] zu den gleichlautenden Tarifverträgen vom 30.09.1994“ (1. [X.]). Gegen eine von den [X.]eschäftigten zu leistende „[X.]eschäftigungssicherungsabgabe” wurde diesen für das [X.] der Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen zugesagt. Nach § 3 des 1. [X.] sollten im Falle eines positiven [X.]etriebsergebnisses in definierter Größenordnung Kompensationszahlungen von der [X.]eklagten erbracht werden. Gleichzeitig wurde ein sog. Transparenzausschuss eingerichtet. Die insoweit von den [X.]eschäftigten erbrachten Einsparungen sind später kompensiert worden. Am 31. Dezember 1997 schlossen die [X.] einen zweiten Änderungs- und [X.] (2. [X.]), am 8. September 1998 einen dritten Änderungs- und [X.] (3. [X.]). § 1 des 3. [X.] bestimmt, dass die im [X.] als „[X.]eschäftigungssicherungsabgabe” nach den allgemeinen tariflichen [X.]estimmungen zu zahlende Zuwendung je nach wirtschaftlicher Lage anteilig oder gar nicht gezahlt werden sollte. In Umsetzung dieser [X.]estimmung erhielt die Klägerin die ihr zustehende Sonderzahlung nicht ausgezahlt.

7

§ 2 Abs. 1 des 3. [X.] lautet:

        

„Kompensation

        

Zum Ausgleich der von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der [X.] GSD gGmbH im [X.] getragenen [X.]eschäftigungssicherungsabgabe wird zukünftig jährlich ab einem positiven [X.]etriebsergebnis von 200.000,00 DM, höchstens 500.000,00 DM jährlich an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gezahlt werden, bis die [X.] kompensiert ist.“

8

In Umsetzung dieser Vorschrift erhielt die Klägerin im Dezember 1998 und im November 1999 zwei [X.] in Höhe von insgesamt 1.063,10 Euro brutto.

9

Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Änderungs- und [X.] betrieb die [X.]eklagte im Wesentlichen die Klinik in [X.] nebst zwei Dialyseeinrichtungen. [X.] erwarb sie das [X.] in M mit Nebeneinrichtungen und führte es als eigenen [X.]etrieb weiter. Dies war zum Zeitpunkt des Abschlusses des 3. [X.] nicht absehbar.

[X.]is einschließlich 2004 waren die Jahresabschlüsse der [X.]eklagten negativ. Der am 12. Mai 2006 erstellte Jahresabschluss der [X.]eklagten zum 31. Dezember 2005 wies für das Geschäftsjahr 2005 ein positives Ergebnis in Höhe von 312.247,33 Euro aus. Nach Angaben der [X.]eklagten wurde er am 30. November 2006 im [X.]undesanzeiger veröffentlicht. In der Sitzung des [X.] am 8. November 2006 legte die [X.]eklagte den Vertretern des [X.]etriebsrats eine auf den „[X.]uchungskreis [X.] ” beschränkte Ergebnisrechnung vor, welche einen Verlust auswies.

Am 18. Januar 2008 wurde der Tarifvertrag für die [X.] Gesundheitsdienste gGmbH (TV [X.] GSD) unterzeichnet. § 40 TV [X.] GSD lautet auszugsweise:

        

„(1)   

Diese Regelungen treten am 1. Januar 2008 in [X.] und ersetzten in ihrem Geltungsbereich zu diesem Zeitpunkt den Tarifvertrag der [X.] Gesundheitsdienste vom 30.09.1994.“

§ 38 TV [X.] GSD enthält folgende Regelung:

        

„(1)   

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von der/dem [X.]eschäftigten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden. Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällige Leistungen aus.

        

(2)     

Absatz 1 gilt nicht für Ansprüche aus einem Sozialplan.“

Mit Schreiben vom 15. Juli 2008 verlangte die Klägerin unter Fristsetzung bis zum 31. Juli 2008 die Zahlung eines [X.]etrags in Höhe von 1.786,44 Euro als Kompensation für die Einbehaltung der Zuwendung.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, für das Kalenderjahr 2005 sei ein Kompensationsanspruch zu ihren Gunsten entstanden. [X.] werde nach dem eindeutigen Tarifwortlaut lediglich auf ein positives [X.]etriebsergebnis der [X.]eklagten. Unerheblich sei, durch welche [X.]etriebsstätte das positive Ergebnis erwirtschaftet worden sei. Der Anspruch auf eine Kompensationszahlung sei weder nach arbeitsvertraglichen noch nach tarifvertraglichen Ausschlussfristen verfallen. Die Regelung in Nr. 12 des Arbeitsvertrags vom 19. Januar 1995 sei unwirksam, da dort ein Hinweis auf die Rechtsfolgen des fruchtlosen Ablaufs der Frist fehle. Die Ausschlussfrist aus § 38 TV [X.] GSD habe noch nicht zu laufen begonnen, da die [X.]eklagte der Klägerin nicht diejenigen Auskünfte erteilt habe, die die Klägerin überhaupt in die Lage versetzen würden, den ihr zustehenden Anspruch geltend zu machen. Die [X.]eklagte habe der Klägerin weder das Jahresergebnis 2005 mitgeteilt, noch welche weiteren Ansprüche anderer Arbeitnehmer aus diesem Überschuss bedient werden müssten. Auch habe keine Empfehlung des [X.] vorgelegen.

Die Klägerin hat, soweit noch erheblich, beantragt,

        

        

die [X.]eklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.786,44 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem [X.]asiszinssatz seit dem 1. August 2008 zu zahlen.

Die [X.]eklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Voraussetzungen für weitere Kompensationszahlungen hätten weder 2005 noch in den Folgejahren vorgelegen. Es fehle schon an einer positiven Empfehlung des [X.]. Zudem komme es für das [X.] darauf an, dass der Standort [X.] einen Fehlbetrag von mehr als [X.] Euro aufzuweisen gehabt habe. Dieses isolierte Ergebnis sei maßgeblich. Die Tarifvertragsparteien hätten bei Abschluss der Änderungs- und [X.] 1997 und 1998 nicht vorhersehen können, dass die [X.]eklagte im Jahr 2003 das [X.] in M erwerben werde. Es sei daher eine planwidrige Regelungslücke eingetreten, die nicht von den Gerichten geschlossen werden könne. Im Übrigen habe der TV [X.] GSD alle zuvor abgeschlossenen Tarifverträge - auch etwaige Ansprüche aus den Änderungs- und [X.]n von 1997 und 1998 - abgelöst. Schließlich sei der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch verfallen. Die Klägerin sei nicht gehindert gewesen, ihren Anspruch zumindest dem Grunde nach geltend zu machen.

Arbeitsgericht und [X.] haben der Klage stattgegeben. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die [X.]eklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat Anspruch auf eine Kompensationszahlung nach § 2 Abs. 1 des 3. [X.] vom 8. September 1998 in Höhe von 1.786,44 Euro. Dieser Anspruch ist nicht verfallen.

I. Die Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 1 des 3. [X.] liegen vor.

1. Die [X.]eklagte hat der Klägerin die ihr nach § 46 f. [X.][X.]T-AW II zustehende Zuwendung im Jahr 1998 gemäß § 1 Abs. 1 des 3. [X.] nicht gezahlt (sog. [X.]eschäftigungssicherungsabgabe). Eine Kompensation ist in den Jahren 1998 und 1999 lediglich in Höhe von insgesamt 1.063,10 Euro brutto erfolgt.

2. Die [X.]eklagte hat im Jahr 2005 ein positives [X.]etriebsergebnis iSv. § 2 Abs. 1 des 3. [X.] erzielt. Dabei ist auf das [X.]etriebsergebnis der [X.]eklagten insgesamt, nicht auf das Ergebnis einzelner [X.]etriebe oder [X.]etriebsteile abzustellen. Dies ergibt eine Auslegung der tariflichen Regelung.

a) Der Wortlaut der Regelung, von dem bei der Tarifauslegung vorrangig auszugehen ist (st. Rspr., z[X.] [X.] 14. September 2011 - 10 [X.] - Rn. 15, [X.], 1358), spricht bereits deutlich für eine solche Annahme.

[X.]ei dem [X.]egriff „[X.]etriebsergebnis“ handelt es sich um einen betriebswirtschaftlichen Fachbegriff. Er bezeichnet „im Rechnungswesen das getrennt vom Unternehmensergebnis ermittelte Ergebnis des betrieblichen Leistungsprozesses ([X.]etriebsgewinn oder -verlust), festzustellen durch Gegenüberstellung der Kosten und [X.]etriebserträge“ ([X.] 17. Aufl. Stichwort: [X.]etriebsergebnis). Enthält eine Tarifnorm einen bestimmten Fachbegriff, ist im Zweifel anzunehmen, dass dieser im Geltungsbereich des betreffenden Tarifvertrags in seiner allgemeinen fachlichen [X.]edeutung Geltung haben soll (st. Rspr., z[X.] [X.] 19. [X.]ai 2011 - 6 [X.] 841/09 - Rn. 15, [X.] § 1 Krankenanstalten Nr. 9). Abweichende Anhaltspunkte gibt es nicht, insbesondere haben die Tarifvertragsparteien den [X.]egriff nicht selbst definiert. Deshalb ist nach dem Wortlaut auf das Ergebnis des betrieblichen Leistungsprozesses der [X.]eklagten insgesamt und nicht auf das Ergebnis eines [X.]etriebs im betriebsverfassungs- oder kündigungsrechtlichen Sinn abzustellen. Auch enthält die Regelung keine [X.]eschränkung auf ein Teilbetriebsergebnis oder einen bestimmten [X.]uchungskreis.

b) Dieses Ergebnis wird gestützt von der Systematik der tariflichen Regelung. Der Geltungsbereich der Änderungs- und [X.] entsprach demjenigen des [X.]; erfasst waren alle Arbeitnehmer der [X.]eklagten. Die Präambel des 3. [X.] spricht ausdrücklich von der „derzeitigen wirtschaftlichen Situation der [X.]“. Zwar wird in der Präambel des 1. [X.] vor allem auf die [X.] in [X.] abgestellt; Ziel ist aber die Sicherung der Arbeitsplätze aller [X.]itarbeiterinnen und [X.]itarbeiter. Der als Ausgleich für die [X.]eschäftigungssicherungsabgabe zugesagte Kündigungsschutz nach § 4 des 3. [X.] differenziert nicht danach, ob die Arbeitnehmer unmittelbar in der Klinik [X.], in der Verwaltung oder in einem Dialysezentrum beschäftigt waren. Alle damaligen [X.]itarbeiterinnen und [X.]itarbeiter mussten [X.] die [X.]eschäftigungssicherungsabgabe leisten, erhielten dafür Kündigungsschutz für einen bestimmten Zeitraum und die Aussicht auf eine zukünftige Kompensation.

c) Diese Tarifauslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung. Das [X.] weist zutreffend daraufhin, dass ein zwischen [X.] und Unternehmen abgeschlossener Sanierungstarifvertrag im Zweifel der Sicherung aller Arbeitsplätze im Unternehmen und der wirtschaftlichen Stabilisierung des gesamten Unternehmens dient. Würde es auf das positive [X.]etriebsergebnis einzelner Standorte ankommen, könnte dies die Verpflichtung zur Zahlung einer Kompensation begründen, selbst wenn der Arbeitgeber aufgrund anderweitiger Verluste aus dem betrieblichen Leistungsprozess nicht leistungsfähig wäre. Für eine solche Auslegung bräuchte es konkrete Anhaltspunkte. Zwar stellt die tarifliche Regelung nicht auf das Unternehmensergebnis, sondern auf das Ergebnis des betrieblichen Leistungsprozesses ab. Dies liegt aber nahe, da die [X.]eschäftigten nur hierauf durch die Erbringung ihrer Arbeitsleistung mindestens mittelbar Einfluss nehmen können. Dass der Arbeitgeber gemäß § 1 Abs. 2 des 3. [X.] ebenfalls einen [X.]eitrag zur Sicherung der Arbeitsplätze geleistet hat, ist entgegen der Auffassung der Revision ein weiteres Indiz dafür, dass es auf seine wirtschaftliche Lage und nicht auf die Ergebnisse einzelner [X.]etriebe ankommt.

d) Hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke gibt es nicht. Zwar bestanden zum Zeitpunkt der Vereinbarung des 3. [X.] lediglich die Klinik in [X.], zwei Dialysezentren und die Verwaltung. Deswegen konnten damals auch nur diese Teile des Unternehmens zum [X.]etriebsergebnis beitragen und nur die dort beschäftigten Arbeitnehmer mussten die [X.]eschäftigungssicherungsabgabe leisten. Auch war nicht absehbar, dass es im [X.] zum Erwerb des Standorts [X.] kommen werde. Allerdings war nach den Eintragungen im Handelsregister seit 1996 Gegenstand des Unternehmens nicht mehr ausschließlich oder vorrangig der [X.]etrieb der Klinik in [X.]. Vielmehr ist dieser durch Änderung des Gesellschaftsvertrags allgemein auf den [X.]etrieb von Krankenhäusern, medizinischen Rehabilitationseinrichtungen etc. erweitert worden. Kommt es vor diesem Hintergrund zum Abschluss einer tariflichen Regelung, die allgemein auf das [X.]etriebsergebnis abstellt und keine [X.]eschränkung auf ein bestimmtes Teilbetriebsergebnis oder auf einen bestimmten [X.]uchungskreis enthält, ist die Regelung nicht lückenhaft. Vielmehr musste den tarifvertragschließenden Parteien zumindest die [X.]öglichkeit einer Erweiterung des Geschäftsbetriebs klar sein.

e) Entgegen der Rüge der Revision musste das [X.] dem Vortrag der [X.]eklagten zur Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags nicht nachgehen. Nur dann, wenn bei der Auslegung einer Tarifnorm nach Wortlaut, Wortsinn und tariflichem Gesamtzusammenhang Zweifel an deren Inhalt und dem wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien bleiben, kann auf die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags zurückgegriffen werden ([X.] 24. Februar 2010 - 10 [X.] 1035/08 - Rn. 29 mwN, [X.] § 1 Auslegung Nr. 220). Führt die Auslegung aber zu einem zweifelsfreien Ergebnis, bedarf es keiner Einholung einer Tarifauskunft. Eine solche darf zudem nicht auf die [X.]eantwortung der prozessentscheidenden Rechtsfrage gerichtet sein ([X.] 14. September 2011 - 10 [X.] - Rn. 28, [X.], 1358). Der Vortrag der [X.]eklagten in der [X.]erufung benennt im Übrigen keine konkreten Abläufe oder Erklärungen einer oder beider Tarifvertragsparteien aus den Verhandlungen, sondern weist lediglich auf den - nicht streitigen - Umstand hin, dass keine Tarifvertragspartei in den Jahren 1997 und 1998 Kenntnis über die zum 1. Januar 2003 erfolgende Übernahme des Standorts [X.] hatte; ansonsten handelt es sich um Wertungen der tariflichen Regelungen, die einem Zeugenbeweis nicht zugänglich sind.

3. Eine Empfehlung des [X.] ist keine Voraussetzung für das Entstehen eines Anspruchs nach § 2 Abs. 1 des 3. [X.]. Zwar geht § 1 Abs. 1 des 3. [X.] vom [X.]estehen des [X.], der im 1. [X.] etabliert wurde, aus. Seine Aufgabe bestand jedoch lediglich in der Abgabe einer Empfehlung über den Umfang der Zuwendungsminderung. Hinsichtlich der vom Arbeitgeber zu zahlenden Kompensation hatte der Transparenzausschuss schon nach § 8 Abs. 2 des 1. [X.] nur eine Überwachungsaufgabe. Wegen der paritätischen [X.]esetzung des [X.] wäre eine andere Regelung auch zwecklos, da jeweils eine Seite eine Empfehlung blockieren und den [X.] damit beseitigen könnte.

4. Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass die [X.]eklagte im Jahr 2005 ein positives [X.]etriebsergebnis im og. Sinn in Höhe von 312.247,33 Euro erzielt hat. Ebenso wendet sich die [X.]eklagte nicht gegen die Annahme des [X.]s, dass diese Summe für die vollständige Kompensation der Ansprüche aller Arbeitnehmer ausreicht. Auch steht die Höhe der noch zu kompensierenden Zuwendung zwischen den Parteien nicht im Streit.

II. Der Anspruch der Klägerin aus § 2 Abs. 1 des 3. [X.] ist nicht durch den [X.] vom 18. Januar 2008 beseitigt worden.

Im Verhältnis zweier zeitlich aufeinanderfolgender gleichrangiger Tarifnormen gilt das Ablösungsprinzip (st. Rspr., z[X.] [X.] 14. September 2011 - 10 [X.] - Rn. 17 mwN, [X.], 1358). Dementsprechend legt § 40 Abs. 1 [X.] fest, dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens am 1. Januar 2008 der [X.] vom 30. September 1994 (und damit auch der [X.][X.]T-AW II) ersetzt wird. Die Regelungen des [X.] lassen aber keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass bereits in den Vorjahren entstandene Ansprüche auf Kompensationszahlungen rückwirkend beseitigt werden sollten. Um einen solchen Anspruch wird vorliegend gestritten. [X.]aßgebliche Anspruchsvoraussetzung nach § 2 Abs. 1 des 3. [X.] ist das im Jahr 2006 festgestellte [X.]etriebsergebnis des Jahres 2005; der [X.] ist damit im Jahr 2006 entstanden, weit vor Inkrafttreten des [X.].

III. Der Anspruch der Klägerin ist nicht verfallen.

1. Der Anspruch auf Kompensationszahlung unterfiel der Ausschlussfrist des § 54 [X.][X.]T-AW II. Es handelte sich um einen Anspruch „aus diesem Tarifvertrag“.

a) Zwar sind Ausschlussfristen grundsätzlich eng auszulegen. Im Vordergrund steht aber die Ausgestaltung des einzelnen Tarifvertrags. Eine enge Auslegung setzt voraus, dass der weitergehende Umfang der Ausschlussfrist nicht zweifelsfrei feststeht ([X.] 18. August 2011 - 8 [X.] 187/10 - Rn. 26, [X.] 2012, 31; 7. Februar 1995 - 3 [X.] 483/94 - zu II 1 e der Gründe, [X.] § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 54 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 112). Letzteres ist hier der Fall.

b) Durch den [X.] wurde die Anwendung des [X.][X.]T-AW II auf die [X.]eschäftigten der damaligen „[X.]“ mit Wirkung ab 1. Januar 1995 vereinbart. Die drei Änderungs- und [X.] aus den Jahren 1997 und 1998 gestalteten den Inhalt des [X.] und damit des [X.][X.]T-AW II für die [X.]eschäftigten der [X.]eklagten in Teilen befristet um. Vergütungs- und Zuwendungsansprüche sind entfallen und durch Ansprüche auf Kompensationszahlungen nach bestimmten [X.]aßgaben ersetzt worden. Damit sind auch solche Kompensationsansprüche Ansprüche aus dem [X.][X.]T-AW II (in der geänderten und ergänzten Fassung). Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Tarifvertragsparteien diese Ansprüche aus der Anwendung der allgemeinen Regeln des [X.][X.]T-AW II ausnehmen wollten.

2. [X.]it Wirkung ab 1. Januar 2008 wurde § 54 [X.][X.]T-AW II durch § 38 [X.] ersetzt. [X.]ei den Kompensationszahlungen handelt es sich um Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis iSd. Tarifnorm.

3. Entgegen der Auffassung der [X.]eklagten konnten die Fristen nach § 54 [X.][X.]T-AW II bzw. § 38 Abs. 1 [X.] so lange nicht anlaufen, wie die [X.]eklagte nicht ihr [X.]etriebsergebnis des Jahres 2005 und dessen [X.]edeutung für den Ausgleich noch ausstehender Kompensationsansprüche gegenüber den Arbeitnehmern bekannt gemacht hat. Eine Fälligkeit iSd. Ausschlussfristen trat damit erst im Laufe des Rechtsstreits ein.

a) Nach den tariflichen Regelungen beginnt die Ausschlussfrist von sechs [X.]onaten mit der Fälligkeit des Anspruchs. Nach § 2 Abs. 1 des 3. [X.] entsteht der [X.], wenn ein positives [X.]etriebsergebnis vorliegt. Dabei bestimmt die Tarifnorm keinen Zeitpunkt, zu dem dies festzustellen ist oder zu dem die Kompensationszahlung zu erfolgen hat. Da es auf eine bestimmte betriebswirtschaftliche Kennziffer ankommt, kann die Fälligkeit des Anspruchs erst dann eintreten, wenn das [X.]etriebsergebnis nach den einschlägigen betriebswirtschaftlichen Regelungen feststeht. Dies ist mit Feststellung des Jahresabschlusses durch Erteilung des entsprechenden Testats des Wirtschaftsprüfers der Fall. Vorliegend war dies der 12. [X.]ai 2006.

b) Die Fälligkeit des Anspruchs gemäß § 271 [X.]G[X.] ist allerdings nicht stets mit der Fälligkeit im Sinne tariflicher oder vertraglicher Ausschlussfristen gleichzusetzen. Vielmehr ist ein Anspruch regelmäßig erst dann im Sinne einer Ausschlussfrist fällig, wenn der Gläubiger ihn annähernd beziffern kann (vgl. [X.] 18. August 2011 - 8 [X.] 187/10 - Rn. 43, [X.] 2012, 31; 27. Oktober 2005 - 8 [X.] 3/05 - AP [X.]G[X.] § 310 Nr. 5 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 181). Die Forderung muss in ihrem [X.]estand feststellbar sein und geltend gemacht werden können ([X.] 27. November 1984 - 3 [X.] 596/82 - zu II 2 a der Gründe, [X.] § 4 Ausschlussfristen Nr. 89 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 64).

Ausschlussfristen dienen dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit im Vertragsverhältnis. Der Schuldner soll binnen einer angemessenen Frist darauf hingewiesen werden müssen, ob und welche Ansprüche gegen ihn noch geltend gemacht werden. Ferner soll er sich darauf verlassen können, dass nach Fristablauf gegen ihn keine Ansprüche mehr erhoben werden ([X.] 11. Oktober 2000 - 5 [X.] 313/99 - zu II 2 c der Gründe, [X.]E 96, 28). Voraussetzung dafür ist aber, dass der Gläubiger weiß, dass überhaupt Ansprüche bestehen. Diese Annahme korrespondiert mit der Wertung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 [X.]G[X.], wonach die regelmäßige Verjährungsfrist erst beginnt, wenn der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

Eine solche Kenntnis ist für den Arbeitnehmer hinsichtlich der Ansprüche, die von der Erbringung seiner Arbeitsleistung abhängen, im Normalfall unproblematisch zu erlangen. Gleiches gilt für Gegenansprüche des Arbeitgebers im Zusammenhang mit der erbrachten Arbeitsleistung. Anders ist es beispielsweise bei Schadensersatzansprüchen. Eine Fälligkeit tritt erst dann ein, wenn der Schaden für den Gläubiger feststellbar ist und geltend gemacht werden kann (vgl. [X.] 20. Juni 2002 - 8 [X.] 488/01 - zu II 2 d der Gründe, EzA [X.]G[X.] § 611 Arbeitgeberhaftung Nr. 11). [X.] ist der Schaden, sobald der Gläubiger vom Schadensereignis Kenntnis erlangt oder bei [X.]eachtung der gebotenen Sorgfalt Kenntnis erlangt hätte (vgl. [X.] 27. April 1995 - 8 [X.] 582/94 - zu [X.] I 2 der Gründe; 16. [X.]ai 1984 - 7 [X.] 143/81 - [X.] § 4 Ausschlussfristen Nr. 85 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 58). Geltend gemacht werden können Schadensersatzforderungen, sobald der Gläubiger in der Lage ist, sich den erforderlichen Überblick ohne schuldhaftes Zögern zu verschaffen, und er seine Forderungen wenigstens annähernd beziffern kann (vgl. [X.] 30. Oktober 2008 - 8 [X.] 886/07 - EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 192). Gleiches gilt bei Ansprüchen auf Freistellung eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber wegen Schädigung eines [X.]. In einem solchen Fall wird der Anspruch iSd. tariflichen Ausschlussfristen erst dann fällig, wenn feststeht, dass der schädigende Arbeitnehmer von dem Geschädigten mit Erfolg in Anspruch genommen werden kann ([X.] 25. Juni 2009 - 8 [X.] 236/08 - Rn. 24, AP [X.]AT § 70 Nr. 40). Ausschlussfristen laufen auch nicht an, wenn der Arbeitgeber eine erforderliche Abrechnung unterlässt. Allerdings unterliegt auch der [X.] selbst ggf. solchen Ausschlussfristen ([X.] 10. August 1994 - 10 [X.] 937/93 - zu II 1 d der Gründe, [X.] § 4 Ausschlussfristen Nr. 126 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 105; 27. November 1984 - 3 [X.] 596/82 - [X.] § 4 Ausschlussfristen Nr. 89 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 64).

c) Geht man von diesen Grundsätzen aus, so setzt die Erkennbarkeit des [X.]estehens eines [X.]s aus § 2 Abs. 1 des 3. [X.] für die Arbeitnehmer voraus, dass die [X.]eklagte das [X.]etriebsergebnis des jeweiligen Jahres bekannt macht und im Falle eines positiven Ergebnisses deutlich macht, in welchem Umfang es für den Ausgleich noch offener Kompensationsansprüche ausreicht. Erst wenn dies erfolgt ist und die Arbeitgeberin trotzdem nicht leistet oder die Arbeitnehmer von einem weitergehenden Anspruch ausgehen, besteht Veranlassung, eine Kompensationsleistung in einer bestimmten Höhe nach den tariflichen [X.]estimmungen schriftlich geltend zu machen. Es ist den Arbeitnehmern in einer solchen Lage auch nicht zuzumuten, jährlich die Veröffentlichungen des [X.]undesanzeigers nach entsprechenden Angaben über die [X.]eklagte zu durchsuchen. Eine von der Revision geforderte Geltendmachung dem Grunde nach wäre ohne Kenntnis der entsprechenden Zahlen zwecklos und würde dem Arbeitgeber keinerlei Klarheit über den Umfang noch offener Ansprüche verschaffen.

d) Vorliegend hat die [X.]eklagte die Höhe des betriebswirtschaftlichen Ergebnisses erst im Laufe des vorliegenden Rechtsstreits mitgeteilt, sodass es im Hinblick auf das Klageverfahren keiner gesonderten Geltendmachung mehr bedurfte. Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin [X.]itglied des [X.] war. Auch gegenüber dem Transparenzausschuss hat die [X.]eklagte die für eine Erkennbarkeit des [X.]s erforderlichen Tatsachen nicht offengelegt.

4. Es kann deshalb dahinstehen, ob die vertraglich vereinbarte Ausschlussfrist (Nr. 12 des Arbeitsvertrags vom 19. Januar 1995) einer AG[X.]-Kontrolle standhielte (vgl. dazu [X.] 31. August 2005 - 5 [X.] 545/04 - [X.]E 115, 372).

IV. Ein Zinsanspruch besteht gemäß § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 [X.]G[X.] erst ab dem 1. August 2008; hierauf hat die Klägerin ihren Antrag zuletzt beschränkt. Die [X.]eklagte befand sich aufgrund der [X.]ahnung der Klägerin vom 15. Juli 2008 ab diesem Zeitpunkt im Verzug. Nach § 2 Abs. 1 des 3. [X.] fehlt es an einer kalendermäßigen [X.]estimmung der Fälligkeit des [X.]s; auf eine [X.]ahnung kann deshalb nicht verzichtet werden. Ein Fall des § 286 Abs. 2 [X.]G[X.] liegt nicht vor.

V. Die [X.]eklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    [X.]ikosch    

        

    W. Reinfelder    

        

    [X.]estwerdt    

        

        

        

    W. Guthier    

        

    [X.]    

                 

Meta

10 AZR 173/11

14.03.2012

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Hannover, 2. Juni 2010, Az: 8 Ca 531/08, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.03.2012, Az. 10 AZR 173/11 (REWIS RS 2012, 8171)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8171

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