Bundessozialgericht, Urteil vom 18.11.2015, Az. B 9 V 1/15 R

9. Senat | REWIS RS 2015, 2163

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Gegenstand

Soziales Entschädigungsrecht - Soldatenversorgung - über 55-jähriger Wehrdienstbeschädigter - Besserung des Gesundheitszustands - Herabsetzung des Grads der Schädigungsfolgen - Zehn-Jahres-Zeitraum - Zeitpunkt des Fristbeginns - rückwirkende Festsetzung für die Vergangenheit - Festsetzungszeitpunkt - sozialgerichtliches Verfahren - Beklagtenwechsel kraft Gesetzes - Übertragung der Zuständigkeiten auf den Bund - sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - Ersetzung früherer Bescheide durch Folgebescheid


Leitsatz

Die Herabsetzung des für die Bemessung der gewährten Versorgung maßgeblichen Grads der Schädigungsfolgen (Minderung der Erwerbsfähigkeit) wegen einer Besserung des schädigungsbedingten Gesundheitszustands ist bei einem über 55-jährigen Wehrdienstbeschädigten innerhalb eines Zehn-Jahres-Zeitraums seit der letztmaligen Feststellung zulässig. Als Zeitpunkt der letztmaligen Feststellung gilt das Wirksamwerden des Festsetzungsbescheids bei dessen Bekanntgabe (Bestätigung von BSG vom 6.7.2006 - B 9a V 4/05 R = SozR 4-3100 § 62 Nr 1).

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 26. November 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über das Vorliegen einer wesentlichen Besserung der anerkannten [X.] beim Kläger sowie die Zulässigkeit der Herabsetzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) gemäß § 62 Abs 3 des [X.]esversorgungsgesetzes ([X.]).

2

Der 1941 geborene Kläger erlitt während seiner Wehrdienstzeit bei der [X.] am [X.] einen Verkehrsunfall. Im September 1997 wurden bei ihm zerebrale Krampfanfälle und rezidivierende Synkopen unklarer Genese bei Zustand nach Verkehrsunfall mit Schädelhirntrauma diagnostiziert und der Kläger im Februar 1999 im [X.]krankenhaus U. stationär behandelt. Entsprechend dem dort erstellten Gutachten anerkannte die Wehrbereichsverwaltung Süd mit [X.] vom 19.6.2000 als [X.] ein "posttraumatisches Anfallsleiden (Oligo-Epilepsie), Distorsion der Hals- und oberen Brustwirbelsäule mit zeitweisen Schmerzsyndromen vom [X.] bis 31.12.1968, Innenohrhochtonschwerhörigkeit beidseits" als Folge schädigender Einwirkungen iS des § 81 Soldatenversorgungsgesetz ([X.]) und gewährte Versorgung nach einer MdE von [X.] ab dem 1.11.1969.

3

Im anschließenden Widerspruchsverfahren hob die Wehrbereichsverwaltung Süd nach Einholung eines weiteren Gutachtens den [X.] vom 19.6.2000 gemäß § 45 [X.]B X auf, soweit darin die Diagnose eines posttraumatischen Anfallsleidens (Oligo-Epilepsie) festgestellt worden war und stellte die MdE mit [X.] fest ([X.] vom 14.6.2002; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Das [X.] ([X.]) verurteilte die [X.], ein "posttraumatisches Anfallsleiden (Oligo-Epilepsie)" als Wehrdienstbeschädigungsfolge anzuerkennen unter Gewährung von Versorgung gemäß § 85 [X.] nach einer MdE von [X.] (Urteil vom 14.7.2004).

4

Diese Wehrdienstbeschädigungsfolge wurde von der Wehrbereichsverwaltung Süd mit [X.] vom 8.11.2004 übernommen. Sie wurde sodann auch vom [X.] gemäß § 88 Abs 3 [X.] anerkannt, das dem Kläger ab dem 1.10.1994, dem Tag nach der Beendigung des Wehrdienstverhältnisses, Versorgung nach einer MdE von [X.] gewährte ([X.] vom 30.11.2005; Widerspruchsbescheid vom 19.1.2007).

5

Im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens ergab sich, dass beim Kläger keine sicheren typischen epileptischen Anfälle vorliegen, lediglich mehrmals im Jahr synkopenähnliche Zustände. Nach Anhörung des [X.] hob das [X.] gemäß § 48 Abs 1 [X.]B X den [X.] vom 30.11.2005 wegen wesentlicher Besserung auf und erkannte ab 1.4.2010 als [X.] mit einer nichtrentenberechtigenden MdE von [X.] ua noch eine Innenohrhochtonschwerhörigkeit und ein stattgehabtes Schädel-Hirn-Trauma 1968 an. Das posttraumatische Anfallsleiden (Oligo-Epilepsie) sei abgeklungen ([X.] vom [X.]; Teilabhilfebescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Das [X.] hat die Klage hiergegen abgewiesen, weil eine wesentliche Änderung im Vergleich zu den Verhältnissen eingetreten sei, die den [X.]en vom 30.11.2005 und 19.1.2007 zugrunde gelegen hätten. Die Epilepsie sei als ausgeheilt anzusehen. Folglich habe der Beklagte die Epilepsie zu Recht als Wehrdienstbeschädigungsfolge aberkannt und die Versorgungsrente entzogen (Urteil vom [X.]). Das L[X.] hat die Berufung hiergegen zurückgewiesen. In den gesundheitlichen Verhältnissen des [X.] sei eine wesentliche Besserung iS von § 48 Abs 1 S 1 [X.]B X eingetreten. Befunde, die eine weiterbestehende Oligo-Epilepsie belegen würden, lägen nicht vor. Eine Herabsetzung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) sei vorliegend auch nicht durch § 62 Abs 3 [X.] ausgeschlossen, weil der dort benannte Zehn-Jahres-Zeitraum ab dessen Feststellung noch nicht abgelaufen sei. Insoweit sei auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der [X.] über die Höhe des GdS ergangen sei, hier also erst ab dem 19.6.2000. Folglich sei zum Zeitpunkt der Erteilung des [X.]s vom [X.] der Zehn-Jahres-Zeitraum noch nicht abgelaufen gewesen (Urteil vom 26.11.2014).

6

Hiergegen richtet sich der Kläger mit seiner Revision. Er rügt eine Verletzung von [X.]esrecht. Das L[X.]-Urteil widerspreche dem Wortlaut des § 62 Abs 3 [X.] sowie der Rechtsprechung des B[X.] mit Urteil vom [X.] ([X.] - B[X.]E 19, 204 = [X.] zu § 62 [X.]). Danach sei maßgebend für den Beginn der [X.] nicht der Zeitpunkt, zu dem der [X.] über die Festsetzung der Höhe der MdE dem Berechtigten zugegangen sei, sondern der Zeitpunkt, zu dem die Festsetzung der MdE nach dem [X.] rechtlich wirksam geworden sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Urteil des B[X.] vom 6.7.2006 (- [X.] V 4/05 R - [X.] 4-3100 § 62 [X.] 1), da diesem nicht entnommen werden könne, dass eine Abkehr von der genannten älteren Rechtsprechung erfolgen sollte. Dort sei auch der Ablauf der [X.] nicht streitig gewesen. Im Ergebnis sei somit vorliegend die [X.] abgelaufen gewesen, da der [X.] vom 19.6.2000 die MdE mit Wirkung ab dem 1.11.1969 festgesetzt habe.

7

Der Kläger beantragt,
die Urteile des L[X.] Rheinland-Pfalz vom 26.11.2014 und des [X.] vom [X.] sowie den [X.] der Beklagten vom [X.] in der Gestalt des Teilabhilfebescheids vom [X.] und des Widerspruchsbescheids vom [X.] aufzuheben.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Ab dem 1.1.2015 sei nunmehr das [X.]esamt für das Personalmanagement der [X.] die zuständige Behörde nach § 88 Abs 1 S 1 [X.], weil mit dem Gesetz zur Übertragung der Zuständigkeiten der Länder im Bereich der Beschädigten- und Hinterbliebenenversorgung nach dem [X.] des [X.] auf den [X.] ([X.]esZustBHVersÜG) vom [X.] ([X.] 2416) die Zuständigkeit für die Versorgung der Wehrdienstbeschädigten nach Beendigung ihres Wehrdienstverhältnisses sowie die Versorgung ihrer Hinterbliebenen von den Ländern auf den [X.] übergegangen sei.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist nicht begründet.

Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass das [X.] sowie das [X.] des [X.] berechtigt waren, durch den Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Teilabhilfebescheids vom [X.] und des Widerspruchsbescheids vom [X.] die für die Bemessung der dem Kläger gewährten Beschädigtenversorgung maßgebliche MdE bzw den [X.] mit Wirkung vom [X.] auf [X.] herabzusetzen (vgl §§ 1, 30, 31 [X.] und § 48 Abs 1 [X.]). Der statthaften Anfechtungsklage des [X.] musste daher der Erfolg versagt bleiben.

1. Die ehemals beklagte Landesbehörde war zur Herabsetzung der MdE und Entziehung der Versorgung befugt. Dies ergibt sich aus § 88 Abs 2 [X.] iVm Abs 1 [X.] SVG in der bis zum 31.12.2014 gültigen alten Fassung (aF) vom [X.] ([X.] 3054), weil es um die Feststellung von Gesundheitsstörungen als Folgen einer Wehrdienstbeschädigung ([X.]) sowie um die Gewährung einer Leistung (Ausgleich) wegen dieser Folgen nach dem Ende des Wehrdienstverhältnisses geht (s hierzu insgesamt: [X.] vom 16.12.2014 - [X.] V 3/13 R - [X.] 4-3200 § 81 [X.] und Urteil vom 29.4.2010 - [X.] V[X.]/09 R - [X.] 4-3200 § 88 [X.] 4).

Ab dem 1.1.2015 ist nunmehr das beklagte [X.] zuständige Behörde gemäß § 88 Abs 1 S 1 SVG idF von Art 1 [X.] 12 [X.]esZustBHVersÜG vom [X.] ([X.] 2416).

Der Gesetzgeber wollte insoweit zur Vereinfachung für die Betroffenen unter Abschaffung der bisherigen [X.] eine "Versorgung aus einer Hand" schaffen (vgl [X.], 101/13). Danach wird die Versorgung nach dem [X.] von Behörden der [X.]esverwaltung durchgeführt, es sei denn, was hier nicht der Fall ist, die Versorgung besteht in Leistungen nach §§ 25 bis 27j [X.]. Folglich war das Passivrubrum auch noch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu berichtigen. Dieser [X.] kraft Gesetzes (zur Zulässigkeit s [X.] vom 17.4.2013 - [X.] V 1/12 R - [X.], 205 = [X.] 4-3800 § 1 [X.] 20, Rd[X.] 23) hat zur Folge, dass sich die (neue) Beklagte das vorprozessuale Handeln des Vorgängers zurechnen lassen muss (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 11. Aufl 2014, § 99 Rd[X.]a mwN). Zwar ist nach der Rechtsprechung im Senat ein Beklagtenwechsel kraft Gesetzes uneingeschränkt nur für kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen zulässig, weil mit diesen in der Regel "ein auch in die Zukunft gerichtetes Begehren verfolgt" wird, während sich die reine Anfechtungsklage grundsätzlich gegen die den Bescheid in der Vergangenheit erlassende Behörde richtet (vgl [X.] vom [X.] - [X.]/9a [X.] 2/07 R - [X.], 9 = [X.] 4-3250 § 69 [X.], Rd[X.] 13 mwN). Vorliegend handelt es sich jedoch um eine umfassende Funktionsnachfolge durch die Übertragung der Zuständigkeiten der Länder im Bereich der Beschädigten- und Hinterbliebenenversorgung ab dem 1.1.2015 auf den [X.] auch für in der Vergangenheit geltend gemachte Ansprüche, da die gewollte "Versorgung aus einer Hand" die Leistungsverpflichtung der Beklagten nicht auf die [X.] ab Geltung des [X.] begrenzt. Darüber hinaus begehrt der Kläger mit der Anfechtungsklage die Beseitigung der Aufhebungsentscheidung und damit naturgemäß das Wiederaufleben der Feststellung des Versorgungsleistungen in Form einer Grundrente nach § 31 [X.] begründenden [X.]. Damit richtet sich das Begehren des [X.] ausschließlich gegen die neue Beklagte. Vor diesem Hintergrund war eine Beiladung des früheren Beklagten nicht erforderlich. Die konkrete Zuständigkeit der [X.]esbehörde selbst ergibt sich aus dem Gesetz zur Übertragung von Aufgaben der [X.]eswehrverwaltungen auf neue Behörden der Personalmanagementorganisation der [X.]eswehr ([X.] - [X.] - vom [X.], [X.] 1583, 1590 iVm der Anordnung des [X.]esministers der Verteidigung über die Übertragung von Zuständigkeiten im Widerspruchsverfahren und über die Vertretung bei Klagen aus dem Beamten- oder Wehrdienstverhältnis in Angelegenheiten der Besoldung, der Versorgung, des Wehrsolds und der Beihilfe - BMVgWidAnO - vom 18.6.2013, [X.] 1642).

2. Beim Kläger liegt zwar eine Wehrdienstbeschädigung vor, der dadurch verursachte [X.] berechtigt jedoch nicht (mehr) zum Bezug einer Grundrente.

a) Materielle Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Versorgungsleistung ist § 80 S 1 SVG iVm §§ 30, 31 [X.]. Danach erhalten Soldaten, die eine [X.] erlitten haben, nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der [X.] auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des [X.]. Der Begriff der [X.] bezeichnet eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die im Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist (§ 81 Abs 1 SVG).

Der Kläger bezog auf dieser Rechtsgrundlage mit Bescheid vom 30.11.2005 ab dem 1.10.1994 Versorgungsleistungen aufgrund der festgestellten Wehrdienstbeschädigungsfolgen nach einer seit dem 1.11.1969 bestehenden MdE von 40 vH. Durch das Gesetz zur Änderung des [X.]esversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13.12.2007 führte der Gesetzgeber ua in dem hier maßgeblichen § 30 Abs 1 [X.] den Begriff [X.] ein und ersetzte damit die traditionelle Beschreibung MdE zum 21.12.2007 ([X.] 2904). Die Ersetzung des Begriffs sollte deutlich machen, dass das [X.] als "Grundgesetz der [X.] Entschädigung" keinen umfassenden Ersatz aller Gesundheitsschäden anstrebt und zudem auch nicht nur auf das Erwerbsleben beschränkt ist. Eine materielle Änderung oder gar Verschlechterung hinsichtlich der Feststellung des [X.] beabsichtigte der Gesetzgeber mit dieser sprachlichen Änderung ausdrücklich nicht (BT-Drucks 16/6541 S 31).

b) Der Beklagte hat diese Entscheidung zu Recht ab [X.] wieder aufgehoben.

Nach § 48 Abs 1 S 1 [X.] ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Nach den vom [X.] getroffenen, nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen, das Revisionsgericht somit bindenden Feststellungen (§ 163 [X.]), haben sich die gesundheitlichen Verhältnisse beim Kläger seit der letzten verbindlichen Verwaltungsentscheidung vom 30.11.2005 entsprechend dem Aufhebungsbescheid vom [X.] wesentlich gebessert. Danach liegt das ursprünglich anerkannte Anfallsleiden der Oligo-Epilepsie nicht mehr vor bei einem [X.] von [X.]. Diese Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen ermächtigte die früher zuständige Versorgungsverwaltungsbehörde mit Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Teilabhilfebescheids vom [X.] und des Widerspruchsbescheids vom [X.], den letzten maßgeblichen Verwaltungsakt vom 30.11.2005 über die für die Bemessung der dem Kläger gewährten Beschädigtenversorgung maßgebliche MdE ([X.]) für die Zukunft aufzuheben unter Feststellung der noch verbliebenen Folgen.

c) Die Herabsetzung des [X.] scheitert nicht an dem Umstand, dass die ehemals zuständige Landesbehörde mit Bescheid vom 30.11.2005 gemäß § 88 Abs 3 S 1 SVG aF lediglich die Entscheidung des [X.] mit Urteil vom 14.7.2004 ([X.] VS 7/02) und den Ausführungsbescheid der Wehrbereichsverwaltung Süd vom 8.11.2004 übernommen hat.

Diese Entscheidungen entfalten keine Bestandskraft mehr. Zum einen durfte nach der früheren Rechtslage die Versorgungsverwaltung von den zu übernehmenden Entscheidungen gemäß § 48 [X.] abweichen (vgl § 88 Abs 3 S 3 SVG aF; s auch [X.] in [X.], Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 1. Aufl 2012, § 88 SVG Rd[X.] 14). Zum anderen haben die vorangegangenen Verwaltungsentscheidungen iS von § 39 Abs 2 [X.] ihre Erledigung "auf andere Weise" dadurch gefunden, dass der auf sie folgende Bescheid vom 30.11.2005 erneut die früheren Anspruchsvoraussetzungen und deren Regelungsgehalt übernommen hat. Dadurch wurden die früheren Entscheidungen ersetzt und sind diese ohne formelle Feststellung gegenstandslos geworden (vgl zB [X.] vom [X.] - B 3 P 8/04 R - [X.], 57 Rd[X.] 10 = [X.] 4-1300 § 48 [X.] Rd[X.] 11; [X.] in [X.] Komm, [X.], Stand Einzelkommentierung April 2011, § 39 Rd[X.] 24 f).

d) Entgegen dem Vorbringen der Revision scheitert die Herabsetzung des [X.] und die Entziehung der Versorgung ab dem [X.] auch nicht an der Vorschrift des § 62 Abs 3 S 1 [X.].

Diese Vorschrift ist zwar gegenüber den verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen der §§ 45, 48 [X.] die speziellere Norm (vgl BSG [X.] 3-3100 § 62 [X.] 4 S 13, 17 mwN) und soll den Versorgungsempfänger sowohl gegen den Eingriff wegen einer rechtswidrig gewordenen als auch wegen einer anfänglich rechtswidrigen Anerkennung schützen (vgl BSG [X.] 3-3100 § 62 [X.] 1, 2, 3 [X.] mwN; s insgesamt zum Umfang des zulässigen Regelungsvorbehalt iS von § 37 [X.]: Senatsurteil vom 2.12.2010 - [X.] V 1/10 R - [X.] 4-3100 § 62 [X.] 2 Rd[X.] 27 ff). Vorliegend scheitert ihre Anwendung jedoch - wie das [X.] zu Recht ausgeführt hat - bereits daran, dass seit der aufzuhebenden letzten Feststellung der MdE/[X.] nach dem [X.] noch keine zehn Jahre vergangen sind.

§ 62 Abs 3 S 1 [X.] in der hier anzuwendenden Fassung der Bekanntmachung vom 13.12.2007 ([X.] 2904) lautet:

        

"Bei Versorgungsberechtigten, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, ist der Grad der Schädigungsfolgen wegen Besserung des schädigungsbedingten Gesundheitszustandes oder einer Änderung der Verordnung nach § 30 Abs 7 infolge neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht niedriger festzusetzen, wenn er in den letzten zehn Jahren seit Feststellung nach diesem Gesetz unverändert geblieben ist. "

Im [X.]punkt der Herabsetzung des [X.] (MdE) von 40 auf [X.] hatte der Kläger zwar die Altersgrenze von 55 Lebensjahren überschritten. Auch war sein Gesundheitszustand ab November 1969 über zehn Jahre unverändert geblieben. Allerdings fehlt es am Ablauf der [X.] seit der letzten [X.]-(MdE) Feststellung. Die "letzte" Festsetzung des [X.] bzw einer MdE (s zuvor § 62 Abs 3 S 1 [X.] in der Fassung vom [X.], [X.] 21) um 40 nach dem [X.] erfolgte bei dem Kläger erst mit dem Wirksamwerden des Bescheids vom 19.6.2000 bei dessen Bekanntgabe nach § 39 Abs 1, § 37 Abs 2 [X.] (vgl hierzu: [X.] vom [X.] - [X.]a V 4/05 R - [X.] 4-3100 § 62 [X.] 1 Rd[X.] 20 mwN; [X.] vom 12.12.1974 - 10 RV 317/73 - [X.] 3100 § 62 [X.] 1, [X.]; [X.] vom 17.5.1977 - 10 RV 53/76 - [X.] 3100 § 62 [X.] 9, [X.]6). Folglich war nach den nicht angegriffenen Feststellungen des [X.] zum [X.]punkt der Herabsetzung des [X.] mit Bescheid vom [X.] der Zehn-Jahres-[X.]raum ab Wirksamwerden des Bescheids vom 19.6.2000 noch nicht abgelaufen. Dies wird von der Revision auch nicht bestritten.

Entgegen dem Vorbringen der Revision ist bei der Fristberechnung nach § 62 Abs 3 S 1 [X.] für den Beginn der [X.] nicht auf den [X.]punkt abzustellen, ab dem die MdE ([X.]) zuerkannt worden ist, hier der 1.11.1969. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Regelung. So hat der 9a Senat de[X.] bereits mit Urteil vom [X.] ([X.]a V 4/05 R - [X.] 4-3100 § 62 [X.] 1 Rd[X.] 24 f) ausgeführt, dass § 62 Abs 3 [X.] auf den Fristablauf "seit Feststellung nach diesem Gesetz" abstellt und damit deutlich macht, dass es auf einen mindestens zehnjährigen Leistungsbezug nach einer unveränderten MdE - jetzt [X.] - ankommt. Aus diesem Grunde ist es bei natürlichem Wortverständnis auch unerheblich, ob die MdE bzw der [X.] ab einem früheren [X.]punkt festgestellt worden ist, der vor dem Festsetzungsakt selbst liegt. Es kommt nicht auf die Verhältnisse im [X.]punkt der Schädigung, sondern auf die gesundheitlichen Verhältnisse im Einzelfall des Versorgungsberechtigten im Festsetzungszeitpunkt an.

Dieses Verständnis der Fristenregelung findet seine Bestätigung in der Entstehungsgeschichte von § 62 Abs 3 S 1 [X.] sowie im Sinn und Zweck der Regelung. Bereits in der Ursprungsfassung von § 62 Abs 3 [X.] vom [X.] (damals noch § 62 Abs 4 [X.] in der Fassung des [X.]>; [X.] 453) mit der Altersgrenze von 60 Lebensjahren war die allgemeine gesetzgeberische Zielsetzung, die [X.] durch medizinische Ermittlungen über den Gesundheitszustand möglichst zu vermeiden und durch Schaffung eines Vertrauenstatbestandes für diese Beschädigten die Verwaltungsarbeit zu vereinfachen (vgl [X.]; BT-Drucks 3/1825 [X.]; vgl zur Entstehungsgeschichte insgesamt: Urteile vom 12.12.1974 - 10 RV 317/73 - [X.] 3100 § 62 [X.] 1, [X.] ff; vom 29.8.1990 - 9a/9 RV 32/88 - [X.] 3-3100 § 62 [X.] 1, [X.] und vom 28.7.1999 - [X.] V 18/98 R - [X.] 3-3100 § 62 [X.] 3 S 9 und 12 mwN). Wesentlicher Inhalt der [X.] ist der Besitzstandsschutz desjenigen MdE (jetzt [X.]) [X.], auf den die - seit der Neufassung vom 28.12.1966 ([X.] 750) - über 55 jährigen Leistungsempfänger durch [X.]ablauf vertraut haben (vgl [X.] vom [X.] - [X.]a V 4/05 R - [X.] 4-3100 § 62 [X.] 1 Rd[X.] 25 mwN). Ein solches Vertrauen kann aber [X.] erst ab dem Festsetzungsakt für die MdE gesetzt werden und nicht für einen früheren [X.]raum, da der Berechtigte den Vomhundertsatz vorher nicht kennt.

e) Letztlich steht diesem Ergebnis auch das von der Revision angeführte Urteil de[X.] vom 25.6.1963 (- 11 RV 100/63 - [X.], 204 = [X.] [X.] 25 zu § 62 [X.]) nicht entgegen. Der damaligen Entscheidung lag noch die Rechtslage zugrunde, dass sich die [X.] des § 62 Abs 3 [X.] (damals noch § 62 Abs 4 [X.], [X.]) auf in der Vergangenheit liegende Tatsachen bezog, weil für die Umanerkennung oder Erstanerkennung der MdE auf die Feststellung in einem "eingehenden ärztlichen Gutachten" abgestellt wurde. Nach § 62 Abs 4 [X.] aF ist bei Versorgungsberechtigten, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, die Höhe der MdE wegen Besserung des Gesundheitszustandes nicht neu festzustellen, wenn sie bei der Umanerkennung oder Erstanerkennung nach dem [X.] aufgrund eines eingehenden ärztlichen Gutachtens festgestellt worden und seitdem [X.] ([X.], 204, 205). Daher entsprach es der damaligen Rechtslage, nicht auf den konkreten Akt der Feststellung abzustellen, sondern darauf, welchen [X.]raum die Rechtswirkung der Feststellung unverändert erfasst hat (vgl [X.] vom 12.12.1974 - 10 RV 317/73 - [X.] 3100 § 62 [X.] 1, [X.]). Diese Voraussetzung wurde mit § 62 Abs 3 [X.] in der Fassung des [X.] vom [X.] ([X.] 85) mit der Begründung aufgegeben (s hierzu [X.] vom 17.5.1977 - 10 RV 53/76 - [X.] 3100 § 62 [X.] 9, [X.]4 f), dass bei Beschädigten nach Vollendung des 55. Lebensjahres nur selten eine Besserung des schädigungsbedingten [X.] eintrete und man den Personenkreis der 55 bis 59 Jahre alten Beschädigten beruhigen wolle, deren MdE seit zehn Jahren unverändert sei (s auch [X.] vom 12.12.1974 - 10 RV 317/73 - aaO, [X.] f, unter Hinweis auf: [X.]/1216 zu [X.] 51 <§ 62>, zu [X.], [X.]). Dabei entfiel die Bezugnahme auf die Feststellung der MdE in einem ärztlichen Gutachten, weil teilweise keine ärztlichen Gutachten als Bemessungsgrundlagen für die MdE in den Versorgungsakten vorhanden waren (vgl Kurzprotokoll [X.] 25 des [X.] für [X.] vom 6.11.1963, [X.]3). Folglich kam es dem Gesetzgeber nunmehr im Rahmen des § 62 Abs 3 S 1 [X.] - ebenso wie bereits in § 62 Abs 2 [X.] (vgl hierzu [X.] vom [X.] - 10 RV 667/58 - [X.], 16, 18) - auf den formellen Akt der Zustellung bzw des Zugangs des [X.] sowie des [X.] an. Ein Minderungs- und Entziehungsbescheid sollte durch § 62 Abs 3 S 1 [X.] nach Vollendung des 55. Lebensjahres ebenso ausgeschlossen sein, wie nach § 62 Abs 2 S 1 [X.] bei der Grundrente vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des [X.] (vgl auch [X.] vom 12.12.1974 - 10 RV 317/73 - aaO, [X.]).

Nach alledem musste die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] Rheinland-Pfalz vom 26.11.2014 zurückgewiesen werden.

3. [X.] beruht auf § 193 [X.].

Meta

B 9 V 1/15 R

18.11.2015

Bundessozialgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: V

vorgehend SG Speyer, 14. Juli 2004, Az: S 12 VS 7/02, Urteil

§ 62 Abs 3 S 1 BVG vom 13.12.2007, § 62 Abs 4 BVG vom 27.06.1960, § 62 Abs 3 BVG vom 21.02.1964, § 30 BVG, § 31 BVG, § 80 S 1 SVG, § 81 Abs 1 SVG, § 88 Abs 1 S 1 SVG vom 15.07.2013, § 88 Abs 1 S 2 SVG vom 16.09.2009, § 88 Abs 2 S 1 SVG vom 16.09.2009, § 88 Abs 3 S 1 SVG vom 16.09.2009, § 88 Abs 3 S 3 SVG vom 16.09.2009, Art 1 Nr 12 BundZustBHVersÜG, § 39 Abs 1 SGB 10, § 39 Abs 2 SGB 10, § 48 Abs 1 S 1 SGB 10, § 54 Abs 1 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 18.11.2015, Az. B 9 V 1/15 R (REWIS RS 2015, 2163)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 2163

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