Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.09.2007, Az. 1 StR 295/07

1. Strafsenat | REWIS RS 2007, 1811

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 295/07 vom 25. September 2007 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u. a. - 2 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom [X.] 2007, an der teilgenommen haben: [X.] am [X.] [X.] und [X.] am [X.] Dr. Wahl, [X.], [X.], Dr. [X.], [X.] als Vertreter der [X.]schaft, Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 3 - Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 12. Februar 2007 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Schwurgerichtskam-mer des [X.] zurückverwiesen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverlet-zung und Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren ver-urteilt. Hiergegen richtet sich die zuungunsten des Angeklagten eingelegte Re-vision der Staatsanwaltschaft mit formellen und sachlich-rechtlichen Beanstan-dungen. Die Revision hat auf die Sachrüge Erfolg, ohne dass es auf die Verfah-rensrügen ankommt. Der Senat hat daher das Urteil mit den Feststellungen aufgehoben. 1 I. Der nicht unerheblich sowohl in [X.] als auch in [X.] vorbe-strafte Angeklagte ist zwar in [X.] geboren, jedoch als [X.] eines ita-lienischen Vaters [X.] Staatsangehöriger. Er wuchs zunächst in [X.] auf, ging aber 1994 nach dem Selbstmord seiner Mutter nach [X.], wo er in der Folge arbeitete, aber auch sehr bald straffällig wurde. So [X.] - 4 - büßte er von 1995 bis zu seiner Haftentlassung im Jahr 2005 mit kurzen [X.] eine Freiheitsstrafe von knapp neun Jahren. In [X.] hatte er mit dem [X.] von Kokain und Heroin begonnen, den er auch nach seiner [X.] fortsetzte. Am 26. Juni 2006 reiste der Angeklagte nach [X.] ein, um hier seinen Vater und seine Schwester zu besuchen. Nachdem der Vater von sei-nem Besuch aber nicht sehr erfreut war, wollte der Angeklagte nach [X.] zu-rückfahren. Er traf davor allerdings einen Bekannten und begann mit diesem Bier zu trinken. In der Folge übernachtete er einige Tage bei diesem Bekannten in der Obdachlosenunterkunft. In diesen Tagen befand er sich unter anderem in Polizeigewahrsam, da er an einer Tankstelle in einen Streit geraten war. Nach der Entlassung aus dem Polizeigewahrsam wollte er erneut nach [X.] zurück-fahren, als er wiederum den Bekannten traf und mit diesem erneut zu trinken begann. Zusammen trank man einen Sechserpack mit Bier und 1,5 Liter Weiß-wein, danach weitere Alkoholika. Als sich die beiden abends auf den Rückweg zur Obdachlosenunterkunft begaben, wurde der Angeklagte gegen 20.30 Uhr von der Polizei kontrolliert, welche ein Wurfmesser mit einer Klingenlänge von 12,5 cm sicherstellte. Danach tranken sie in einem Wohncontainer der [X.] weiter. Gegen 22.00 Uhr begab sich der Angeklagte zu dem Wohncontainer des Geschädigten [X.] , welcher sich bereits zum Schlafen ge-legt hatte. [X.] sagte, er wolle weiterschlafen, und wollte die Tür schließen. Der Angeklagte drückte diese daraufhin auf und versetzte dem Geschädigten [X.] mit einem Messer oder einem abgebrochenen Flaschenhals mehrere Stiche an der linken Halsseite nahe des Unterkiefers, am rechten und am linken [X.] sowie am rechten Oberbauch. Durch den letztgenannten Stich erlitt der Geschädigte auch eine Leberverletzung. Dennoch konnte er aus dem [X.] seines Wohncontainers fliehen und die Polizei und den Notarzt verständigen lassen. 3 - 5 - Der Angeklagte begab sich daraufhin in den Wohncontainer des [X.], welchem er ohne erkennbaren Anlass mit einem harten Gegenstand, möglicherweise mit der Schnalle seines Hosengürtels oder einer Flasche oder einer Kaffeetasse, auf den Kopf schlug, wodurch [X.]eine blutende Kopfplatzwunde erlitt. 4 II. 1. Die Kammer hat zu einem möglichen Tötungsvorsatz des Angeklagten gegenüber dem Geschädigten [X.] keine Feststellungen getroffen. Auch wenn weder die Staatsanwaltschaft die Sache vor dem Schwurgericht angeklagt [X.], noch offenbar die Frage in der Hauptverhandlung irgendwie thematisiert wurde, war dennoch eine Auseinandersetzung damit aus Rechtsgründen letzt-lich nicht entbehrlich. Nachdem der medizinische Sachverständige angegeben hatte, dass die Stiche in den Hals und in den Oberbauch generell dazu geeignet waren, das Leben zu gefährden, und - je nach Art der Stiche - auch die Mög-lichkeit bestanden hätte, dass eine rechtzeitige Rettung des Geschädigten [X.] nicht mehr möglich hätte sein können, lag die Notwendigkeit der Prüfung eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht allzu fern. 5 2. Rechtsfehlerhaft erscheint zudem der Umstand, dass das [X.] hinsichtlich der Verletzung des Zeugen [X.]neben der Alternative des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht auch die angesichts der entstandenen Verletzung naheliegende Möglichkeit des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB geprüft hat; denn sowohl eine aus Porzellan hergestellte Kaffeetasse als auch eine Gürtelschnalle, erst recht eine Flasche, können nach Art der objektiven Beschaffenheit und nach Art der Benutzung geeignet sein, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen. Die [X.] teilt in dem angefochtenen Urteil aber weder mit, um was für 6 - 6 - eine Kaffeetasse es sich gehandelt haben könnte, noch wie groß und schwer die in Betracht kommende Gürtelschnalle war. 3. Nicht ohne Rechtsfehler ist zudem die Entscheidung hinsichtlich der Anordnung einer Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 1 StGB. Zwar ist die Kammer wohl den Ausführungen des Sachverständigen gefolgt, welcher einen Hang des Angeklagten zur Begehung körperlicher Gewalttaten bejaht hat, nimmt dann aber zugunsten des Angeklagten an, dass die vorliegende Tat als Gelegenheitstat nicht dem vorbezeichneten Hang des Angeklagten entspringt. Insoweit bleibt jedoch offen, wie das [X.] zu der Annahme kommt, der Geschädigte [X.] habe den Angeklagten auf verbale oder sonstige Art zu der Tat provoziert, nachdem zuvor mitgeteilt wird, der Geschädigte [X.] habe sich bereits Schlafen gelegt gehabt, bevor der Angeklagte seinen Einlass erzwungen habe. Selbst die nicht näher spezifizierte Annahme, dass es der Zeuge [X.] ge-wesen sein könnte, mit dem der Angeklagte mehr als eine Stunde vor der Tat einen dann abgebrochenen und nicht mehr fortgeführten Streit über Fußball gehabt habe, würde entgegen der Auffassung der [X.] keine zuguns-ten des Angeklagten zuzurechnende Provokation darstellen. Der neue Tatrich-ter wird auch insoweit die Voraussetzungen des § 66 StGB nochmals zu 7 - 7 - überprüfen haben, wobei die bislang nicht berücksichtigten Straftaten des [X.] in [X.] (vgl. § 66 Abs. 4 Satz 5 StGB) für die Prognoseentschei-dung mit heran zu ziehen sind. [X.] Wahl Boetticher [X.] [X.]

Meta

1 StR 295/07

25.09.2007

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.09.2007, Az. 1 StR 295/07 (REWIS RS 2007, 1811)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 1811

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