Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.11.2008, Az. 5 StR 384/08

5. Strafsenat | REWIS RS 2008, 867

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5 [X.][X.] DES VOLKES URTEIL vom 13. November 2008 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen versuchten Totschlags u. a. - 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 13. No-vember 2008, an der teilgenommen haben: [X.] [X.] als Vorsitzender, [X.] Dr. Raum, [X.] [X.], [X.]in Dr. [X.], [X.] [X.]als beisitzende [X.], Staatsanwalt beim [X.]als Vertreter der [X.], Rechtsanwalt [X.]als Verteidiger des Angeklagten [X.], Rechtsanwalt [X.]. , Rechtsanwalt [X.]als Verteidiger des Angeklagten [X.], Rechtsanwalt S. als Vertreter des [X.], Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, - 3 - für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des [X.] gegen das Urteil des [X.]s [X.]rlin vom 27. November 2007 und die sofortigen [X.]schwerden der Staatsanwaltschaft gegen die den Angeklagten zuge-sprochene Entschädigung werden verworfen. 2. Die Staatskasse hat die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. [X.] hat die Kosten seiner Rechtsmittel und die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendi-gen Auslagen zu tragen. [X.] Von Rechts wegen [X.]
G r ü n d e Das [X.] hat die Angeklagten vom Vorwurf des (gemeinschaft-lichen) versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung freigesprochen. Die dagegen gerichteten Revisionen der Staatsanwaltschaft und des [X.] [X.]. haben keinen Erfolg. 1 1. Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen: 2 - 4 - a) In den Abendstunden des 31. August 2006 trafen sich die Ange-klagten, die [X.]rufsboxer sind, mit drei jungen Männern und fuhren in zwei Personenkraftwagen den [X.] auf und ab. Sie kauften in der [X.] zwei Schachteln Eier. Damit bewarfen sie auf dem Breitscheid-platz Passanten. Die Jacke und der Rucksack des [X.] wurden getroffen. Dieser war darüber außer sich. Er nahm eine am Boden liegende Flasche auf und schlug deren Kopf ab. Danach rief er telefonisch die Polizei, entledigte sich der Flasche und verfolgte mit seinen [X.] Freunden die Angeklagten. Diese zogen sich in ihren Pkw zurück. [X.] trat gegen die rechte Seite des Wagens und versuchte vergeblich, dessen [X.] zu öffnen. Weitere [X.] umstellten drohend das Fahrzeug der [X.]. Diesen gelang die Flucht. Sie hielten in Höhe des [X.] an und stellten [X.]schädigungen am Pkw fest. Die darüber erbosten Angeklagten und der ehemalige [X.]schuldigte [X.]kehrten zum Breit-scheidplatz zurück, der Angeklagte [X.] als Erster mit einem Taxi, um [X.]. zur Rede zu stellen und die Angelegenheit —zu klärenfi. 3 4 [X.] und dessen [X.]kannte umringten den Angeklagten [X.] . [X.] hob erneut eine Flasche auf, zerschlug sie und hielt deren Hals in der Hand. [X.]. beleidigte den Angeklagten [X.], der den Nebenkläger daraufhin beschimpfte. Ein Vermittlungsversuch des [X.]scheiterte. Die Stimmung wurde aggressiver. Der Angeklagte [X.]

versetzte einem —kleinen [X.], der sich vor ihm aufgebaut hatte, aus —Reflexfi eine Ohrfeige oder einen Faustschlag und flüchtete über den Kur-fürstendamm in die [X.] ([X.]). [X.]i dessen Verfolgung —rannte der Nebenkläger den Angeklagten [X.]fast über den [X.] ([X.]. Der Angeklagte [X.] wich ihm etwas aus und schubste ihn kräftig in die Seite von sich weg. [X.] stürmte etwas verlangsamt weiter. Der Angeklagte [X.]

griff während des [X.] nach ihm, —ohne ihn richtig zu packen zu be-kommenfi ([X.]. 5 - 5 - Der mit einem abgebrochenen Flaschenhals bewaffnete Nebenkläger holte mit seinen [X.]kannten den Angeklagten [X.] in der [X.] ein. Sie umzingelten ihn. [X.] schlug einem —kleineren [X.], der ihn mit einem Messer bedroht hatte, mit einem Faustschlag nieder ([X.]). [X.] Messer hob [X.] auf und hielt es drohend gegen die ihn umringenden [X.]. [X.] kam mit dem Flaschenhals in der Hand auf ihn zu und machte Anstalten, [X.] anzugreifen. Der Angeklagte stach achtmal auf [X.]. ein. Dies führte zu acht Verletzungen, von denen zwei lebensge-fährlich waren: Ein Stich in den Oberbauch verletzte Leber und Zwerchfell; ein weiterer Stich in den Rücken reichte bis zur Fettkapsel der rechten Niere. 6 Nach einem Zuruf von [X.]flüchtete [X.] mit diesem vor den sie verfolgenden [X.]n. 7 8 b) Das [X.] vermochte die Reihenfolge der beigebrachten Stichverletzungen nicht zu klären. Zu Gunsten des Angeklagten [X.]

ging es davon aus, dass die beiden lebensgefährlichen Stichverletzungen zum Schluss gesetzt wurden. Es hat die Messerstiche des [X.] als durch Notwehr gerechtfertigt angesehen. Hilfsweise hat es im Blick auf den gravierenden psychischen Ausnahmezustand des Angeklagten jedenfalls eine Entschuldigung gemäß § 33 StGB angenommen. 9 Den Freispruch des Angeklagten [X.] hat es damit begründet, dass dieser noch nicht unmittelbar zur Vornahme einer Körperverletzungs-handlung angesetzt habe. 10 2. Die nur mit Sachrügen angegriffenen Freisprüche halten rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand. 11 - 6 - a) Hinsichtlich des Angeklagten [X.]

hat das [X.] sich da-von überzeugt, dass der Nebenkläger mit einem Flaschenhals bewaffnet auf den umzingelten Angeklagten eingedrungen ist und hierdurch ein gegenwär-tiger Angriff im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB vorlag, der [X.] zur Gegen-wehr berechtigte (vgl. [X.]R StGB § 32 Abs. 2 Angriff 1; [X.], Urteil vom 31. Januar 2007 [X.] 5 StR 404/06 Rdn. 16). Diese Würdigung ist vom Revisi-onsgericht nicht zu beanstanden (vgl. [X.] NJW 2006, 925, 928, insoweit nicht in [X.]St 50, 299 abgedruckt). 12 aa) Das Tatgericht ist gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO aus sachlich-rechtlichen Gründen verpflichtet, all das festzustellen und darzulegen, was für die [X.]urteilung des [X.] relevant und zur Überprüfung des [X.] durch das Revisionsgericht auf Rechtsfehler notwendig ist (vgl. [X.] NJW 2008, 2792, 2793 m.w.N., zur Aufnahme in [X.]St bestimmt). [X.]i der hier in Frage stehenden Prüfung einer Rechtfertigung durch Notwehr ist es geboten, Art und Umfang der vom Angegriffenen ausgeführten Verteidi-gungshandlungen festzustellen und darzulegen. Nur so kann bewertet wer-den, ob noch eine erforderliche Verteidigung im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB gegeben oder diese bereits überschritten ist (vgl. [X.]St 42, 97, 100). 13 Daran fehlt es hier allerdings. Zwar begegnet es keinen durchgreifen-den [X.]denken, dass das sachverständig beratene [X.] die beiden lebensgefährlichen Stiche als die zuletzt ausgeführten angesehen hat. Die Feststellungen zur Erforderlichkeit der Verteidigungshandlung im Sinne des § 32 StGB sind jedoch nicht ausreichend. Es lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen, wieso ein derartiges Maß an Einwirkung (u. a. zwei le-bensgefährliche Stiche) notwendig gewesen sein soll, um einen —bevorste-henden Angrifffi des [X.] abzuwehren ([X.], 21). 14 bb) Dieser Rechtsfehler nötigt aber nicht zur Aufhebung des [X.]. Als letztlich noch tragfähig erweist sich nämlich die Hilfserwägung des [X.]s, mit der es die Voraussetzungen des § 33 StGB ange-15 - 7 - nommen hat. Die Anwendung des § 33 StGB setzt voraus, dass während der Vornahme aller Verteidigungshandlungen, die unter § 33 StGB fallen sollen, eine Notwehrlage, mithin ein gegenwärtiger Angriff vorliegt (vgl. [X.] NStZ 1987, 20; 2002, 141, 142; [X.], StGB 55. Aufl. § 33 Rdn. 2). [X.] wird auch angenommen, wenn bei den das erforderliche Maß über-schreitenden [X.]en die Intensität des Angriffs bereits nachge-lassen hat oder die unmittelbare Wiederholung des Angriffs zu befürchten ist ([X.] NStZ 1987, 20). Das [X.] hat eine durchgängig bestehende Notwehrlage rechtsfehlerfrei festgestellt und zudem mit sachverständiger Hilfe bejaht, dass der Angeklagte [X.]

aufgrund einer akuten [X.]lastungs-reaktion (Angst) das erforderliche Maß der [X.] überschritten hat. Diese Darlegungen sind nachvollziehbar und belegen den für § 33 StGB erforderlichen asthenischen Affekt. Allein der Umstand, dass der Angeklagte [X.][X.]rufsboxer ist, widerspricht dem [X.] entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft [X.] nicht. 16 b) Die hinsichtlich der Mitwirkung des Angeklagten [X.] am Tatgeschehen getroffenen Feststellungen sind das Ergebnis einer vollständi-gen, das Revisionsgericht bindenden [X.]weiswürdigung. Der Senat ist zu [X.] abweichenden Gesamtwürdigung der belastenden Indizien nicht befugt ([X.] NJW 2005, 2322, 2326; [X.] NStZ-RR 2008, 146, 147). Die Subsumtion des [X.]s offenbart im Ergebnis keinen Rechtsfehler. Zwar ist den Revisionen zuzugeben, dass das festgestellte Zu-packen einen [X.]ginn der Ausführungshandlung einer Körperverletzung [X.] könnte. [X.] Erörterung bedarf dies aber nicht, weil der Ent-schluss des Angeklagten, den Nebenkläger zu verletzen, zu diesem Zeit-punkt noch nicht endgültig gefasst war. Der Angeklagte war nämlich zur Kör-perverletzung des [X.]. nur unter den [X.]dingungen einer Prügelei ent-schlossen ([X.]), was die [X.] indes noch ausstehende [X.] Entschließung des [X.] vorausgesetzt hätte, sich mit diesem Angeklagten prügeln zu wollen. 17 - 8 - Der Senat schließt aus, dass eine neue Hauptverhandlung eine Verur-teilung wegen versuchter Nötigung (§§ 240, 22, 23 StGB) ergeben kann, weil es jedenfalls insoweit an den Voraussetzungen des § 240 Abs. 2 StGB [X.] würde. 18 3. Damit bleiben auch die von der [X.]schwerdeführerin nicht näher be-gründeten sofortigen [X.]schwerden der Staatsanwaltschaft gegen die [X.] ohne Erfolg. 19 Brause Raum [X.] Dölp

Meta

5 StR 384/08

13.11.2008

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.11.2008, Az. 5 StR 384/08 (REWIS RS 2008, 867)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 867

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