Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.04.2004, Az. XII ZB 279/03

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 3566

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[X.][X.]/03
vom 21. April 2004 in der Familiensache

Nachschlagewerk: ja [X.]: ja [X.]R: ja

ZPO §§ 574 Abs. 1 und 2, 707 Abs. 2 Satz 2, 769 Abs. 1, 793 Gegen eine einstweilige Anordnung nach § 769 Abs. 1 ZPO ist weder die sofortige Beschwerde noch eine außerordentliche Beschwerde statthaft. [X.], Beschluß vom 21. April 2004 - [X.] 279/03 - [X.] AG Ulm

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 21. April 2004 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und [X.], [X.], Prof. Dr. Wagenitz und [X.] beschlossen: [X.] gegen den Beschluß des 16. Zivilsenats - Familiensenat - des [X.] vom 18. November 2003 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen. [X.]: bis 150 •

Gründe: [X.] Die Parteien streiten um Abänderung eines Titels über Kindesunterhalt. Mit gerichtlichem Vergleich vom 1. Dezember 1998 verpflichtete sich der Klä-ger, an den Beklagten, seinen [X.] aus geschiedener Ehe, Unterhalt in Höhe von 170 % des [X.] abzüglich des hälftigen Kindergeldes zu zahlen. Mit der vorliegenden Klage begehrt er Herabsetzung des Kindesunterhalts auf 114 % des [X.] abzüglich des hälftigen Kindergeldes. Auf den Antrag des [X.] hat das Amtsgericht die Zwangsvollstrek-kung aus dem Vergleich einstweilen gegen Sicherheitsleistung in Höhe des sonst vollstreckbaren Betrages eingestellt, soweit der Titel 150 % des [X.] 3 - trages abzüglich des hälftigen Kindergeldes übersteigt. Das [X.] hat die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen und wegen der Frage "der [X.] gegen einen Beschluß nach § 769 ZPO" die Rechtsbeschwerde zugelassen.

I[X.] [X.] ist unzulässig. 1. Nach der Neuregelung des Beschwerderechts durch das Zivilprozeß-reformgesetz vom 27. Juli 2001 ([X.] I S. 1887, 1902) kann der Bundesge-richtshof gegen Beschlüsse des [X.], des Berufungsgerichts oder des [X.]s im ersten Rechtszug ausschließlich in den Fällen des § 574 Abs. 1 ZPO angerufen werden. Danach ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) oder das Berufungsgericht sie in dem angefochtenen Beschluß zuge[X.] hat (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Beide Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Gegen Beschlüsse, mit denen eine Beschwerde als unzulässig verwor-fen wurde, ist die Rechtsbeschwerde nicht generell statthaft. Insoweit [X.] sich das Beschwerderecht (§ 572 Abs. 2 ZPO) von der ausdrücklichen Regelung im [X.] (§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Der Senat ist auch nicht an die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht gebunden. Durch die Zulassung wird dem Beschwerde-führer die Rechtsbeschwerde zugänglich gemacht, wenn sie nach dem Gesetz grundsätzlich statthaft ist. Sie wird aber nicht in den Fällen eröffnet, in denen - 4 - die Anfechtbarkeit gesetzlich ausgeschlossen ist ([X.] Beschlüsse vom 12. September 2002 - [X.]/02 - NJW 2002, 3554 zur Prozeßkostenhilfe; vom 8. Oktober 2002 - [X.] - NJW 2003, 211 zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und vom 10. Dezember 2003 - [X.]/03 - FamRZ 2004, 437 zur Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Eine nach dem Gesetz unanfechtbare Entscheidung des [X.] kann nicht durch dessen Ausspruch der Anfechtung unterworfen werden. Das gilt erst recht, wenn schon das Rechtsmittel zum Beschwerdegericht nicht zulässig war (vgl. [X.] Beschluß vom 23. Oktober 2003 - [X.] 369/02 - NJW 2004, 1112 m.w.N.). 2. Wie das Beschwerdegericht zutreffend erkannt hat, ist gegen einstwei-lige Anordnungen nach § 769 Abs. 1 ZPO kein Rechtsmittel gegeben. a) Gegen Entscheidungen des [X.] nach § 769 Abs. 1 ZPO, in denen die Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise eingestellt wird, ist eine sofortige Beschwerde nicht statthaft. Das folgt aus einer Auslegung des § 769 Abs. 1 ZPO im Kontext der allgemeinen Vorschriften zur Zwangsvollstreckung, insbesondere der §§ 707 Abs. 2 Satz 2, 793 ZPO. Während eine Anfechtungsmöglichkeit in § 769 Abs. 1 ZPO nicht aus-drücklich geregelt ist, schließt § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO die Anfechtung einer Entscheidung über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung bei Anträgen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder Wiederaufnahme des Verfahrens ausdrücklich aus; § 719 Abs. 1 Satz 1 ZPO verweist für die Fäl-le des Einspruchs oder der Berufung gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklär-tes Urteil auf diese Regelung. Im übrigen folgt aus § 793 ZPO, daß gegen [X.], die im Zwangsvollstreckungsverfahren ohne mündliche Verhand-lung ergehen können, die sofortige Beschwerde stattfindet. Ob gegen eine Ent-- 5 - scheidung über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 Abs. 1 ZPO die allgemeine Beschwerdemöglichkeit nach § 793 ZPO [X.] oder ob wegen der Vergleichbarkeit zu den abweichend geregelten Ein-zelfällen und einer planwidrigen Regelungslücke eine Analogie zu § 707 Abs. 2 ZPO geboten ist, muss deswegen eine Auslegung des § 769 Abs. 1 ZPO erge-ben. Gegen die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde nach § 793 ZPO spricht schon der Anwendungsbereich dieser Vorschrift. Sie ermöglicht ein Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Vollstreckungsgerichts, während im 1. Abschnitt des [X.] der Zivilprozeßordnung (§§ 704 ff. ZPO) nicht nur die Tätigkeit des Vollstreckungsgerichts, sondern auch das Verfahren des [X.] geregelt ist. Gerade § 769 Abs. 1 ZPO ermöglicht es dem mit [X.] gegen das Urteil befaßten Prozeßgericht, die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung einzustellen (vgl. [X.] 1989, 309, 310). Insoweit ist das Verfahren mit den Verfahren nach § 707 ZPO vergleich-bar, in denen ebenfalls ein schon vollstreckbarer Titel abgeändert werden soll. Wie in jenen Verfahren ist es auch hier geboten, die Entscheidung in der Hauptsache nicht durch Rechtsmittel gegen die Nebenentscheidung über die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung zu verzögern. Entsprechend sind auch sonst die in einem Hauptsacheverfahren ergangenen einstweiligen Anordnungen regelmäßig nicht anfechtbar, wie sich aus § 620 c ZPO ergibt. Auch wegen der gleichen Interessenlage bei der Einstellungsmöglichkeit nach § 769 Abs. 1 ZPO zu jener nach § 707 ZPO ist es geboten, die Vorschrift des § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO analog anzuwenden. Nach der gesetzgeberi-schen Wertung kann das mit der Hauptsache befasste erstinstanzliche Gericht am besten beurteilen, ob und gegebenenfalls welche einstweilige Regelung erforderlich ist (vgl. BT-Drucks. 10/3054 [X.]). Seine Entscheidung in der - 6 - Hauptsache soll nicht durch eine vorläufige Entscheidung des [X.] beeinflußt werden ([X.][X.] ZPO 22. Aufl. § 769 Rdn. 18). Dadurch wird der Rechtsschutz nicht entscheidend beeinträchtigt, denn die An-ordnungen sind in jeder Instanz frei abänderbar, um der jeweiligen [X.] gerecht zu werden ([X.][X.] aaO.; [X.]/[X.] ZPO 24. Aufl. § 707 Rdn. 18, 22). Zudem endet die einstweilige Maßnahme mit der Entschei-dung in der Hauptsache. Deswegen spricht sich auch der überwiegende Teil der Rechtsprechung für eine analoge Anwendung des § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf § 769 Abs. 1 ZPO aus (aus der neueren Rechtsprechung vgl. z.B. neben dem hier angefochtenen Beschluß des [X.] noch [X.], 140; [X.], [X.], 1676; [X.] [X.]R 2003, 332; [X.] Beschluß vom 6. Oktober 2003 - 3 [X.] - veröf-fentlicht bei [X.]). Einer entsprechenden Anwendung des § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO steht nicht entgegen, daß der Gesetzgeber die Frage trotz der in Rechtsprechung (vgl. insoweit die Aufstellung von [X.], [X.], 13, 18) und Literatur um-strittenen Rechtsfrage ungeregelt gelassen hat. Denn entgegen der Auffassung des [X.] (Beschluß vom 8. Mai 2003 - 16 Ta 172/03 - veröffentlicht bei [X.]) folgt daraus nicht, daß die Rechtsfrage im Sinne einer Anwendbar-keit der sofortigen Beschwerde nach § 793 ZPO geregelt sein sollte. Der Ge-setzgeber hat die zunächst aufgetretene unbewußte Regelungslücke vielmehr in Kenntnis der überwiegenden Auffassung zur Unanfechtbarkeit des [X.] nach § 769 Abs. 1 ZPO unverändert gelassen. Schon im Entwurf eines Ge-setzes zur Änderung der Zivilprozeßordnung vom 18. März 1985 war eine Än-derung des § 769 Abs. 3 ZPO vorgesehen, wonach auch gegen solche Beschlüsse keine Rechtsmittel zulässig sein sollten, um nicht das Verfahren der Hauptsache entgegen dem rechtsstaatlichen Gebot zur Gewährung eines wirk-samen Rechtsschutzes unangemessen zu verzögern (BT-Drucks. 10/3054
- 7 - [X.]). Zwar ist diese Regelung letztlich nicht in das Gesetz übernommen [X.]. Das war bei gleich gebliebener gesetzgeberischer Intention, nämlich das Verfahren der Hauptsache nicht durch Rechtsmittel gegen Zwischen- und Ne-benentscheidungen unvertretbar zu verzögern, allein auf die Auffassung zu-rückzuführen, die grundsätzliche Unanfechtbarkeit dieser Anordnungen und Maßnahmen sei "in der Rechtsprechung hinreichend anerkannt" (BT-Drucks. 11/3621 [X.], 26). Letztlich wollte der Gesetzgeber die Rechtsfrage also im Sinne einer Unanfechtbarkeit dieser Entscheidungen beantwortet [X.]. Daran hat sich auch durch die späteren Reformen nichts geändert, weil diese Frage bei gleich gebliebener Motivation des Gesetzgebers ungeregelt geblieben ist (vgl. BT-Drucks. 14/4722 S. 68, 122; so auch [X.]/[X.] ZPO 3. Aufl. § 707 Rdn. 12; MünchKomm/[X.] ZPO 2. Aufl. § 769 Rdn. 33; [X.], 140). b) Zu Recht hat das Beschwerdegericht auch eine außerordentliche Be-schwerde nicht für zulässig erachtet. Der [X.] hat entschieden, daß nach der Neuregelung des Beschwerderechts durch das [X.] Beschlüsse der Beschwerdegerichte ausschließlich in den Fällen des § 574 Abs. 1 ZPO angefochten werden können. Ein außerordentliches Rechtsmittel zum [X.] ist auch dann nicht statthaft, wenn die Entscheidung ein Verfahrensgrundrecht des Beschwerdeführers verletzt oder aus sonstigen Gründen greifbar gesetzwidrig ist. In einem solchen Fall ist die angefochtene Entscheidung durch das Gericht, das sie erlassen hat, auf (frist-gebundene) Gegenvorstellung zu korrigieren. Wird ein Verfassungsverstoß nicht beseitigt, kommt allein eine Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfas-sungsgericht in Betracht ([X.] 150, 133). Entsprechend ist durch das Zivilpro-zeßreformgesetz die Vorschrift des § 321 a ZPO eingeführt worden, die es dem Gericht erster Instanz ermöglicht, auf fristgebundene Rüge sein noch nicht rechtskräftiges Urteil abzuändern. So hat auch das [X.] - 8 - durch [X.] vom 30. April 2003 ([X.], 995) dem [X.] aufgegeben, bis zum 31. Dezember 2004 eine fachgerichtliche Abhilfemög-lichkeit für den Fall zu schaffen, daß ein Gericht in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Für den Fall, daß der Ge-setzgeber keine rechtzeitige Neuregelung trifft, hat es angeordnet, daß das Ver-fahren auf Antrag einer beschwerten Partei von dem Gericht fortzusetzen ist, dessen Entscheidung wegen der behaupteten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör angegriffen wird. Auch das spricht dafür, selbst in Fällen feh-lerhafter Ermessensausübung (vgl. insoweit noch [X.] Celle WM 2002, 2453; [X.] Schleswig Beschluß vom 18. August 2003 - 16 W 110/03 - veröffentlicht bei Juris; [X.] Köln FF 2002, 175; [X.] Frankfurt InVo 2003, 479) eine außer-ordentliche Beschwerde nicht mehr zuzulassen, zumal dem Ausgangsgericht die Möglichkeit eröffnet wird, greifbaren Verfahrensverstößen selbst abzuhelfen. Im übrigen darf das Gericht den Beschluß nach § 769 Abs. 1 ZPO schon nach der gegenwärtigen Rechtslage jederzeit ändern und die Zwangsvollstreckung - 9 - gegen oder ohne Sicherheitsleistung einstellen oder aufheben und die [X.] rückgängig machen (vgl. [X.]/[X.] ZPO 24. Aufl. § 769 Rdn. 10).
[X.] [X.] [X.] Bundesrichter Prof. Dr. Wagenitz
[X.] kann urlaubsbedingt nicht unter- zeichnen.
[X.]

Meta

XII ZB 279/03

21.04.2004

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.04.2004, Az. XII ZB 279/03 (REWIS RS 2004, 3566)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 3566

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