Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.04.2016, Az. II ZR 62/15

II. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 13612

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:050416UII[X.].15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
II ZR
62/15
Verkündet am:

5.
April
2016

Vondrasek

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
EStG § 43 Abs. 1 Satz 1, § 36 Abs. 2 Nr. 2
Die nach §
43 Abs.
1 Satz
1 EStG durch Abzug auf die Kapitalerträge der [X.] erhobene Einkommen-
oder Körperschaftsteuer (Kapitalertragsteuer) ist ebenso wie der darauf entfallende Solidaritätszuschlag auch im Insolvenzverfahren vermögensmäßig als Abzug von Gesellschaftskapital anzusehen und wegen der steuerlichen Anrechnung auf die Einkommen-
oder Körperschaftsteuer der Gesell-schafter wie eine Entnahme zu behandeln. Die Gesellschafter sind deshalb

unabhängig vom Inhalt des Gesellschaftsvertrages
zur Erstattung der [X.] verpflichtet.
[X.], Urteil vom 5. April 2016 -
II ZR 62/15 -
O[X.]

[X.]

-
2
-
Der II.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 5.
April 2016
durch
den
Vorsitzenden
Richter Prof.
Dr.
Bergmann, [X.] Dr. Strohn, die Richterin [X.] und [X.]
Drescher und Sunder

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 6.
Zivilsenats des [X.] vom 12.
Februar 2015 wird auf Kosten der [X.]n zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der E.

K.

GmbH
&
Co. [X.]. Die beklagte Aktiengesellschaft ist mit einem Anteil von 90,5
% Kommanditistin der Schuldnerin.
Der Kläger hat die Insolvenzmasse auf Festgeldkonten angelegt. Von den daraus erwirtschafteten Zinsen hat das kontoverwaltende Kreditinstitut in den Jahren 2004 und 2006 bis 2010 Kapitalertragsteuern und Solidaritätszu-1
2
-
3
-
schläge (im Folgenden auch: Zinsabschläge) in Höhe von zusammen 195.570,19

Der Kläger ist der Auffassung, die [X.] schulde ihm Erstattung des auf sie entfallenden Anteils von diesem Betrag, nämlich 176.991,02

Landgericht hat der auf Zahlung von 176.991,02

von 27.044,16

Im Übrigen haben beide Gerichte die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Die [X.] verfolgt mit der vom Senat zugelassenen Revision ihren Klageabwei-sungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision führt nicht zum Erfolg. Die [X.] ist verpflichtet, dem Kläger die als Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag einbehaltenen und jetzt noch streitigen

I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
1.
Der Kläger habe einen Anspruch gegen die [X.] auf Erstattung des auf sie entfallenden Teils der abgeführten Zinsabschläge, wobei
offenblei-ben könne, ob sich dieser Anspruch aus der gesellschafterlichen Treuepflicht oder aus Bereicherungsrecht ergebe. Durch den Steuerabzug werde nicht eine eigene Steuerschuld des Insolvenzverwalters oder der Insolvenzmasse getilgt. Es werde vielmehr
eine Vorauszahlung auf die Einkommensteuerschuld des Gesellschafters geleistet. Das sei wie eine Entnahme des Gesellschafters zu behandeln. Ob ihm diese zustehe, beurteile sich nach dem Inhalt des [X.]. Wenn dort kein Entnahmerecht des Gesellschafters hinsicht-3
4
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-
4
-
lich der einbehaltenen Steuerbeträge begründet sei

wie im vorliegenden Fall

, bemesse sich sein etwaiges Entnahmerecht nur nach dem insgesamt erzielten Gewinn. Eine Bevorzugung des Gesellschafters, nur weil die Liquidation im [X.] nicht freiwillig erfolge, sei nicht gerechtfertigt.
2.
Der [X.] sei, soweit ihm stattgegeben wurde,
nicht verjährt.
Hinsichtlich des Abschlags auf die Zinsen aus der Festgeldanlage von 5,9 Mio.

3.098,24

sei durch die [X.] gehemmt worden. Kapitalerträge würden erst bei Zufluss steuerlich erfasst. Aus der vorgelegten Bankbescheini-gung ergebe sich, dass die Zinsen erst am 17.
Januar 2008 gutgeschrieben

und damit die Kapitalertragsteuer und der Solidaritätszuschlag abgeführt

worden seien.
Das Gleiche gelte für den Abschlag auf die Zinsen aus der
Festgeldanla-
worden.
II.
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Kontrolle stand.
1.
Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die von dem kontoführenden Kreditinstitut einbehaltene Kapitalertragsteuer und der darauf entfallende Solidaritätszuschlag bei einer Personenhandelsgesellschaft, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, von den [X.] in die Insolvenzmasse zu erstatten sind.
a)
Wie der Senat hinsichtlich der Zinsabschläge in der werbenden [X.] bereits entschieden hat, sind die nach §
43 Abs.
1 7
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11
12
-
5
-
Satz
1 EStG durch Abzug auf die Kapitalerträge der Gesellschaft erhobene Ein-kommen-
oder Körperschaftsteuer (Kapitalertragsteuer) ebenso wie der darauf entfallende Solidaritätszuschlag vermögensmäßig als Abzug von Gesellschafts-kapital anzusehen und wegen der steuerlichen Anrechnung auf die Einkom-men-
oder Körperschaftsteuer der Gesellschafter wie eine Entnahme zu [X.]. Der Abzug der Kapitalertragsteuer von den Kapitalerträgen der ihrerseits nicht einkommen-
oder körperschaftsteuerpflichtigen Personenhandelsgesell-schaft bewirkt im Hinblick auf die Anrechnung nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG eine Vorauszahlung auf die Einkommen-
oder Körperschaftsteuerschuld der Gesell-schafter als Mitunternehmer nach §
2 Abs.
1 Satz
1, §
15 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2 EStG, die entweder zur Minderung ihrer Einkommensteuerschuld oder zu einer Steuererstattung nach §
36 Abs.
4 Satz
2 EStG führt. Der hierdurch erlangte Vorteil kann zivilrechtlich nicht anders bewertet werden, als wäre der Gesell-schaft zunächst der gesamte Kapitalertrag zugeflossen und sodann von ihr im Umfang der Zinsabschläge zur Leistung einer Vorauszahlung auf die Einkom-men-
oder Körperschaftsteuerschuld der Gesellschafter verwendet worden. Ob die Gesellschaft gegen ihre Gesellschafter einen Anspruch darauf hat, dass sie ihr die Zinsabschläge erstatten, richtet sich nach dem Gesellschaftsvertrag ([X.], Urteil vom 16.
April 2013

II
ZR
118/11, [X.], 1174 Rn.
14; Urteil vom 30.
Januar 1995

II
ZR
42/94, ZIP
1995, 462, 464; s.
auch [X.], Urteil vom 29. März 1996

II
ZR
263/94, [X.]Z 132, 263, 277).
b)
Offen gelassen hat der Senat die Frage, ob die Gesellschafter auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Erstattung von Zinsabschlägen verpflichtet sind ([X.], Urteil vom 16. April 2013

II
ZR
118/11, [X.], 1174 Rn.
15 f.).
aa)
Im Insolvenzverfahren ist die Lage insofern anders, als der [X.] nach § 80 [X.] befugt ist, über die für die Masse erwirtschafteten 13
14
-
6
-
Zinseinkünfte zu verfügen. Unter diesen Umständen ist weder damit zu [X.], dass diese Einkünfte an die Gesellschafter ausgekehrt werden, noch, dass sie

bei einer Gewinnthesaurierung

den Wert der Gesellschaftsbeteiligungen nachhaltig erhöhen. Die Revision leitet daraus her, dass im Insolvenzverfahren der Personenhandelsgesellschaft die Gesellschafter unabhängig von der Frage, ob im Gesellschaftsvertrag ein Entnahmerecht vereinbart ist, nicht verpflichtet sind, die zu Lasten der Masse abgeführten Zinsabschläge dem [X.] zu erstatten. Diese Zinseinkünfte, so meint die Revision, ständen anders als in der werbenden [X.] zu; daher müsse diese auch die Zinsabschläge hinnehmen ([X.], BB 2001, 1977, 1982; im Ergebnis ebenso, jedoch allgemein auf §
110 HGB abstellend: Schön, [X.] und das Einkommen der Personengesellschaft, [X.], 253, 259; K.
Schmidt, Festschrift 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für [X.], 1999, S.
193, 198
ff.; [X.] in Westermann/
[X.], Handbuch Personengesellschaften, §
11, Stand: Oktober 2012 Rn.
II 1536
ff. [X.]; differenzierend

nur bei Erhöhung der Leistungsfähigkeit des Gesellschafters

Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 8. Aufl., [X.] f.).
bb)
Dem ist nicht zu folgen.
Die einkommen-
oder körperschaftsteuerrechtliche Behandlung der [X.] des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzverwalter erwirtschafteten Zinsein-künfte unterscheidet sich nicht von den Regeln, die außerhalb des [X.] gelten ([X.], [X.], 661, 662; [X.], 1275 f.; [X.], 1643, Rn. 20; [X.], [X.] 1993, 1405; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 8.
Aufl., S.
24, 167
f.). In beiden Fällen sind Steuerschuldner ("Steuersubjekte") die Gesellschafter, nicht dagegen schuldet die Gesellschaft die Einkommen-
oder Körperschaftsteuer und damit auch die Kapitalertragsteuer auf die Zinser-träge und den Solidaritätszuschlag.
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-
7
-
Zivilrechtlich haben die Gesellschafter dagegen in der werbenden [X.], sofern nichts anderes vereinbart ist, kein "Steuerentnahmerecht", also kein Recht, Beträge in Höhe der von ihnen auf die Kapitalerträge oder auf sonstige Gewinne der Gesellschaft zu zahlenden Steuern unabhängig vom In-halt des Gesellschaftsvertrages aus dem Gesellschaftsvermögen zu entnehmen ([X.], Urteil vom 29. März 1996

[X.], [X.]Z 132, 263, 277). Deshalb sind die Gesellschafter in der werbenden Gesellschaft nach der Rechtspre-chung des Senats bei Fehlen abweichender Bestimmungen im [X.] verpflichtet, die als Zinsabschläge bei der [X.] wie unberechtigte Entnahmen in das [X.] zurückzuzahlen. Damit stimmt die steuerliche Rechtslage mit der gesellschaftsrechtlichen überein. Die Gesellschafter zahlen die gesamte Ein-kommen-
oder Körperschaftsteuer nebst Solidaritätszuschlag aus ihrem Privat-vermögen. Das Gesellschaftsvermögen bleibt davon unberührt.
Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ändert sich diese Interes-senlage insofern, als der Insolvenzverwalter nach § 80 [X.] befugt ist, alle [X.], die er erwirtschaftet, zur Insolvenzmasse zu ziehen. Während steuer-rechtlich nach wie vor die Gesellschafter Rechtssubjekte sind, stehen zivilrecht-lich (und insolvenzrechtlich) die zu versteuernden Einkünfte der Masse zu ([X.], [X.], 1643 Rn.
21). Obwohl die Masse dazu bestimmt ist, die [X.]sgläubiger zu befriedigen, hat der Insolvenzverwalter keine Möglich-keit, den [X.] durch Beantragung einer sog. Nichtveranlagungsbe-scheinigung nach §
44a Abs.
1 EStG oder auf andere Weise abzuwenden ([X.], [X.], 661, 662). Er kann auch nicht die sich aus den Zinsabschlägen möglicherweise ergebenden Steuererstattungsansprüche der Gesellschafter gegen den Fiskus geltend machen ([X.], [X.], 1275
ff.; aA [X.], [X.] 1993, 1405, 1410; siehe auch [X.] ZIP 2015, 2487 Rn.
10). Andererseits sind die Gesellschafter, selbst wenn im Gesellschaftsvertrag ein Steuerentnah-17
18
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-
merecht vereinbart sein sollte, wegen des alleinigen Verfügungsrechts des [X.] nicht mehr berechtigt, die von ihnen zu zahlende Einkom-men-
oder Körperschaftsteuer aus der Insolvenzmasse zu entnehmen. Dann aber sind sie auch

unabhängig vom Inhalt des Gesellschaftsvertrages

zur Erstattung der Zinsabschläge in die Masse verpflichtet. Denn die Zinsabschläge sind, da sich die steuerrechtliche Lage durch die Eröffnung des [X.] nicht verändert, Teil der von den Gesellschaftern geschuldeten Ein-kommen-
oder Körperschaftsteuer und dürfen daher nicht die Insolvenzmasse schmälern (ebenso [X.]/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 10.
Aufl. Rn.
1560 ff.; MünchKomm[X.]/Schüppen/Ruh, 3. Aufl., Band 3, Insol-venzsteuerrecht Rn. 70; [X.], [X.] 1993, 1405, 1408, 1410; [X.] in [X.]/[X.], Sanierungs-
und Insolvenzsteuerrecht, 2.
Aufl. Rn.
9.836; [X.], ZIP 1993, 743, 746; mit Einschränkungen auch [X.], [X.], 1643 Rn.
21

jedenfalls zulasten der unbeschränkt haftenden Gesellschafter). Dem entspricht die grundsätzliche Möglichkeit der Gesellschafter, die Zinsabschläge als Vorauszahlung auf die eigene Einkommen-
oder Körperschaftsteuer steuer-lich geltend zu machen.
Ob in dem [X.] eine rechtsgrundlose Bereicherung des Gesell-schafters liegt oder sie ihren Rechtsgrund im materiellen Steuerrecht hat, kann offenbleiben. Denn jedenfalls hat der Insolvenzverwalter einen gesellschafts-rechtlichen Anspruch auf Erstattung der Zinsabschläge ([X.]/Uhländer/
Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 10.
Aufl.
Rn. 1560 ff.).
2.
Der [X.] ist nicht verjährt.
Auch insoweit ist gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts revisi-onsrechtlich nichts zu erinnern.

19
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-
9
-
Vor den Terminen, zu denen die Zinsabschläge von dem kontoführenden Kreditinstitut an den Fiskus abgeführt worden sind, waren die [X.] des Klägers noch nicht entstanden. Deshalb musste er

entgegen der Ansicht der Revision

diese (künftigen) Ansprüche nicht mit einer Feststel-lungsklage geltend machen, um die Verjährung zu hemmen.

Bergmann

Strohn

[X.]

Drescher

Sunder

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 07.05.2014 -
5 O 431/11 -

O[X.], Entscheidung vom 12.02.2015 -
I-6 [X.] -

22

Meta

II ZR 62/15

05.04.2016

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.04.2016, Az. II ZR 62/15 (REWIS RS 2016, 13612)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 13612

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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I-6 U 121/145 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


I-6 U 121/14 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


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II ZR 62/15

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