Bundesfinanzhof, Beschluss vom 04.05.2010, Az. VI B 156/09

6. Senat | REWIS RS 2010, 6969

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Gegenstand

Doppelte Haushaltsführung: Haupthausstand am Wohnsitz der Eltern


Leitsatz

1. NV: Ist das FG aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Eingliederung in den Haushalt der Eltern vorliegt, und hat es nicht einen einzelnen Umstand allein als unabdingbare Voraussetzung im Sinne eines Tatbestandsmerkmals angesehen, ist diese Würdigung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

2. NV: Eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung setzt neben einer Haushaltsführung am Beschäftigungsort einen eigenen Haupthausstand voraus.

Tatbestand

1

I. [X.]er Kläger und [X.]eschwerdeführer (Kläger) ist ledig und wohnt in [X.], wo ihm im [X.]achgeschoß des elterlichen Hauses eigener Wohnraum unentgeltlich zur Verfügung steht. [X.]aneben unterhält der Kläger in [X.], wo er [X.] tätig ist, eine Eigentumswohnung. In den Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2002 und 2003 machte er Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung geltend und gab an, seinen [X.] am Wohnsitz seiner Eltern in [X.] zu unterhalten und daneben einen eigenen Hausstand in [X.] am [X.]eschäftigungsort.

2

[X.]er [X.]eklagte und [X.]eschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) berücksichtigte die Aufwendungen nicht, da ein eigener Hausstand in [X.] nicht nachgewiesen worden sei. Einspruch und Klage blieben erfolglos. [X.]as Finanzgericht ([X.]) ging davon aus, dass der Kläger aufgrund der unentgeltlichen Wohnungsüberlassung, der fehlenden Tragung von Nebenkosten und der fehlenden Küche im [X.]achgeschoß in den Haushalt der Eltern eingegliedert sei. Zudem wäre auch nicht nachgewiesen worden, weshalb angesichts der [X.]auer der Auswärtstätigkeit des ledigen Klägers der Lebensmittelpunkt in [X.] verblieben sein sollte. [X.]ie Revision war vom [X.] nicht zugelassen worden.

3

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger insbesondere eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache geltend, da zu klären sei, welche Anforderungen an einen eigenen Hausstand im Rahmen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung zu stellen seien. Zudem seien die Ausführungen des [X.] im Lichte der Rechtsprechung des [X.]undesverfassungsgerichts ([X.]VerfG) im [X.]eschluss vom 4. [X.]ezember 2002  2 [X.]vR 400/98 sowie der Rechtsprechung des [X.]undesfinanzhofs ([X.]FH) zu den sog. Wegverlegungsfällen zu beurteilen.

4

[X.]as [X.] ist der [X.]eschwerde entgegengetreten und hat beantragt, sie als unzulässig zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

5

II. [X.] hat --bei Zweifeln an der Zulässigkeit-- jedenfalls in der Sache keinen Erfolg. [X.]ie geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor. [X.]er Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) noch ist eine Entscheidung des [X.] zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 [X.]O).

6

1. [X.]ie [X.]arlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O) verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch [X.] ist und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist ([X.]-Beschluss vom 25. August 2006 [X.], [X.]/NV 2006, 2122). Hierzu muss sich die Beschwerde insbesondere mit der Rechtsprechung des [X.], den Äußerungen im Schrifttum sowie den ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen. Ist über die Rechtsfrage bereits entschieden worden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung des [X.] für erforderlich gehalten wird. Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der [X.] bislang noch nicht auseinandergesetzt hat.

7

[X.]aran fehlt es im Streitfall. Wenn der Kläger sinngemäß die Rechtsfrage formuliert, ob aus der Unentgeltlichkeit des Hausstandes bzw. aus dem fehlenden finanziellen Beitrag des [X.] sowie dem Fehlen einer Küche geschlossen werden kann, dass der Kläger über keinen eigenen Hausstand verfügt, ist diese Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig. [X.]enn die Antwort ergibt sich aus der Rechtsprechung des erkennenden Senats. [X.]anach ist beispielsweise die finanzielle Beteiligung bei der Unterhaltung des [X.]es keine unabdingbare Voraussetzung im Sinne eines Tatbestandsmerkmals (conditio sine qua non), sondern lediglich ein gewichtiges Indiz bei der Würdigung der gesamten Umstände des Falles ([X.]-Urteil vom 14. Juni 2007 [X.], [X.]E 218, 229, [X.], 890). Gleiches gilt für die fehlende Kochgelegenheit.

8

[X.]as [X.] ist aufgrund einer tatrichterlichen Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu der Entscheidung gekommen, dass der Kläger in den Haushalt seiner Eltern eingegliedert war und nicht über einen eigenen Hausstand verfügt hat. So hat das [X.] neben der unentgeltlichen Wohnungsüberlassung, der fehlenden Tragung von Nebenkosten und der fehlenden Küche im [X.]achgeschoss auch maßgeblich darauf abgestellt, dass angesichts der [X.]auer der Auswärtstätigkeit des ledigen [X.] keine Umstände dargelegt wurden, die belegt hätten, dass der Lebensmittelpunkt des [X.] in [X.] verblieben war. [X.]iese Würdigung des [X.] ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere hat das [X.] nicht einen einzelnen Umstand allein als unabdingbare Voraussetzung im Sinne eines Tatbestandsmerkmals angesehen.

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Weiter hat der Kläger nicht vorgetragen, warum eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage geboten ist. Er hat auch nicht dargelegt, inwieweit gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der [X.] bislang noch nicht auseinandergesetzt hat.

2. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O) ist eine Entscheidung des [X.] --außer in Fällen der [X.]ivergenz-- dann geboten, wenn ein allgemeines Interesse an einer korrigierenden Entscheidung besteht, weil das [X.] revisibles Recht fehlerhaft ausgelegt hat, der insoweit unterlaufene Fehler von Gewicht und geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu schädigen. [X.]as ist insbesondere der Fall, wenn die Auslegung und Anwendung des revisiblen Rechts durch das [X.] objektiv willkürlich oder greifbar gesetzeswidrig ist (z.B. [X.]-Beschluss vom 5. Juli 2005 [X.]/04, [X.]/NV 2005, 2025; vgl. auch Lange in [X.]/ [X.]/[X.], § 115 [X.]O Rz 200 ff.; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 115 [X.]O Rz 63 ff. und 75 ff.; jeweils m.w.[X.]). [X.]ies ist im Streitfall aus den oben dargelegten Gründen nicht gegeben.

3. a) Zur schlüssigen [X.]arlegung einer [X.]ivergenzrüge i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen [X.]ivergenzentscheidung sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des [X.] einerseits und aus den behaupteten [X.]ivergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung erkennbar zu machen. Für eine schlüssige [X.]ivergenzrüge ist überdies weiterhin auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handelt ([X.]-Beschluss vom 17. Januar 2006 [X.]/05, [X.]/NV 2006, 799, unter 2.a und b der Gründe, m.w.[X.]). [X.]ie Ausführungen des [X.] lassen weder einen derartigen Vortrag erkennen noch ist eine derartige Abweichung ersichtlich. Insbesondere ist nicht ersichtlich, warum aus dem Beschluss des [X.] vom 4. [X.]ezember 2002  2 BvR 400/98 sowie der Rechtsprechung des erkennenden Senats zu den sog. Wegverlegungsfällen gefolgert werden kann, dass eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung nur noch die Haushaltsführung am Beschäftigungsort voraussetzen soll. [X.]ie Ausführungen des [X.], es sei entscheidend, ob die Errichtung der zweiten Wohnung konkreten beruflichen Zwecken diene, sind zwar zutreffend und liegen erkennbar sowohl der Rechtsprechung des [X.] wie auch der des erkennenden Senats zugrunde, dennoch kann daraus nicht die Aussage abgeleitet werden, dass es auf einen eigenen [X.] überhaupt nicht mehr ankommen kann. Eine derartige Auslegung widerspräche bereits dem klaren Gesetzeswortlaut.

b) Eine Entscheidung des [X.] zur Fortbildung des Rechts i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 [X.]O ist insbesondere in Fällen erforderlich, in denen über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist, so beispielsweise, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Grundsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen. Erforderlich ist eine Entscheidung des [X.] nur dann, wenn die Rechtsfortbildung über den Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse liegt und wenn die Frage nach dem "Ob" und ggf. "Wie" der Rechtsfortbildung klärungsbedürftig ist. Es gelten insoweit die zur [X.]arlegung der grundsätzlichen Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O höchstrichterlich entwickelten strengen [X.]arlegungsanforderungen. [X.]aran fehlt es im Streitfall.

4. Soweit der Kläger Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend macht, wird damit kein Zulassungsgrund dargetan. Von vornherein unbeachtlich sind Einwände gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die nur im Rahmen einer Revisionsbegründung relevant sein können; denn das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten.

Meta

VI B 156/09

04.05.2010

Bundesfinanzhof 6. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 22. Oktober 2009, Az: 13 K 40/06, Urteil

§ 9 Abs 1 S 3 Nr 5 EStG 2002, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 04.05.2010, Az. VI B 156/09 (REWIS RS 2010, 6969)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6969

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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