Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.09.2020, Az. I ZR 237/19

1. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 1494

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Gegenstand

Vertragsstrafenanspruch: Verstoß gegen eine Unterlassungsverpflichtungserklärung bei Angeboten auf einer Internethandelsplattform ohne klickbaren Link zur OS-Plattform


Tenor

Der Senat beabsichtigt, die zugelassene Revision des Beklagten gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 29. November 2019 gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

1

I. Der Kläger ist ein Verband von Online-Handelsunternehmen. Der [X.] bietet auf der Handelsplattform [X.] Möbel an. Im Zusammenhang mit dort veröffentlichten Angeboten mahnte ihn der Kläger wegen verschiedener angeblicher Verstöße ab. Der [X.] verpflichtete sich daraufhin in einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, es zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr mit dem Verbraucher betreffend Möbel eine Webseite zu betreiben, ohne auf der Webseite dem Verbraucher Informationen über die [X.] und in klarer und verständlicher Weise an leicht zugänglicher Stelle einen klickbaren [X.] zur [X.] https://ec.europa.eu/consumers/odr zur Verfügung zu stellen, …

2

Bei der [X.] handelt es sich um eine Schlichtungseinrichtung der [X.]. In der Folgezeit wies der [X.] in seinen Angeboten am Ende des [X.] auf die http-Variante des [X.]s zur [X.] hin. Der [X.] war jedoch nicht klickbar, was an dieser Stelle bei [X.] technisch auch nicht vorgesehen war. Der Kläger hat daraufhin die Verurteilung des [X.]n zur Zahlung einer Vertragsstrafe verlangt.

3

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt der [X.] seinen Antrag auf Zurückweisung der klägerischen Berufung weiter.

4

II. Das Berufungsgericht hat angenommen, der [X.] habe gegen die Unterlassungsverpflichtungserklärung verstoßen, weil er in seinem Angebot auf der Handelsplattform [X.] keinen klickbaren [X.] zur [X.] gesetzt habe. Dazu sei er verpflichtet gewesen, weil auch das Anbieten von Waren auf einer Handelsplattform wie [X.] als "Betreiben einer Webseite" im Sinne der Unterlassungsverpflichtungserklärung sowie im Sinne der dieser Erklärung zugrundeliegenden Verordnung ([X.]) Nr. 524/2013 über die [X.] verbraucherrechtlicher Streitigkeiten zu verstehen sei. Mit der überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung sei davon auszugehen, dass unter den Begriff "Website" auch ein Angebot auf der Handelsplattform [X.] falle. Unabhängig von dieser rechtlichen Bewertung stehe ein schuldhafter Verstoß deshalb fest, weil sich die Abmahnung des [X.] gerade auf die vorangegangene Veröffentlichungspraxis des [X.]n auf der Handelsplattform [X.] bezogen habe. In diesem Sinne habe auch der [X.] die Abmahnung und die Unterlassungsverpflichtung verstanden. Nach Abmahnung und Abgabe der Unterlassungsverpflichtungserklärung habe er einen Hinweis auf die [X.] in seine Widerrufsbelehrung aufgenommen, allerdings ohne klickbaren [X.].

5

Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil die Auslegung der Unterlassungserklärung der Auslegung der Verordnung ([X.]) Nr. 524/2013 entspreche, über die in der obergerichtlichen Rechtsprechung Uneinigkeit herrsche.

6

III. Der Senat beabsichtigt, die zugelassene Revision des [X.]n durch einstimmigen Beschluss gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen (dazu [X.]) und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat (dazu III 2).

7

1. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

8

a) Die Revision ist zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist unter anderem in den Fällen einer Divergenz gegeben, wenn also die anzufechtende Entscheidung von der Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn die anzufechtende Entscheidung ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, mithin einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit einem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten und diese tragenden Rechtssatz nicht deckt (vgl. [X.], Beschluss vom 27. März 2003 - [X.], [X.]Z 154, 288, 293 [juris Rn. 11]). Die Zulassung der Revision wegen Divergenz ist nur gerechtfertigt, wenn die Entscheidung des Streitfalls gerade zu einer Klärung dieser Rechtsfrage führt (vgl. [X.].ZPO/[X.], 5. Aufl., § 543 Rn. 26). Das ist hier nicht der Fall.

9

b) In der vom Berufungsgericht als klärungsbedürftig angesehenen Rechtsfrage kann eine Entscheidung des Senats eine einheitliche Rechtsprechung nicht sichern. Die in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstrittene Frage, ob das Angebot von Waren auf einer Handelsplattform wie [X.] unter den Begriff "Website" im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 524/2013 fällt, ist nicht entscheidungserheblich. Der Kläger macht keinen gesetzlichen Unterlassungsanspruch wegen eines Verstoßes gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 524/2013 geltend, wonach in der [X.] niedergelassene Unternehmer, die [X.] oder Online-Dienstleistungsverträge eingehen, und in der [X.] niedergelassene Online-Marktplätze auf ihren Websites einen für Verbraucher leicht zugänglichen [X.] zur [X.] einstellen. Vielmehr ist die Klage auf eine Verletzung der vom [X.]n abgegebenen Unterlassungsverpflichtungserklärung gestützt. Dieser vertragliche Anspruch hängt nicht davon ab, ob die Abmahnung, mit der der Kläger den [X.]n veranlasst hat, die Erklärung abzugeben und für Zuwiderhandlungen eine Vertragsstrafe zu versprechen, wegen eines Verstoßes gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 524/2013 berechtigt war. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung deshalb ausdrücklich "unabhängig von der allgemeinen rechtlichen Bewertung" auf eine Auslegung der Unterlassungsverpflichtungserklärung nach §§ 133, 157 BGB gestützt.

2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass dem Kläger gegen den [X.]n ein Vertragsstrafenanspruch zusteht, weil dieser gegen die von ihm abgegebene Unterlassungsverpflichtungserklärung verstoßen hat. Die von der Revision angegriffene Auslegung der Erklärung durch das Berufungsgericht hält rechtlicher Nachprüfung stand.

a) Unterlassungsverträge sind nach den auch sonst für die Vertragsauslegung geltenden Grundsätzen auszulegen. Maßgebend für die Reichweite einer vertraglichen Unterlassungsverpflichtung ist der wirkliche Wille der Vertragsparteien (§§ 133, 157 BGB), zu dessen Auslegung neben dem Inhalt der Vertragserklärungen auch die beiderseits bekannten Umstände, insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, ihr Zweck und die Interessenlage der Vertragschließenden heranzuziehen sind (vgl. [X.], Urteil vom 3. Juli 2003 - [X.], [X.], 899 [juris Rn. 20] = WRP 2003, 1116 - Olympiasiegerin; Urteil vom 18. September 2014 - [X.], [X.], 258 Rn. 57 - CT-Paradies). Vom Revisionsgericht kann die Auslegung einzelvertraglicher Regelungen durch das Berufungsgericht nur darauf überprüft werden, ob gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt worden sind (vgl. [X.], Urteil vom 13. September 2018 - [X.], [X.], 292 Rn. 39 = [X.], 209 - [X.]). Solche Auslegungsfehler sind dem Berufungsgericht nicht unterlaufen.

b) Das Berufungsgericht hat für die Auslegung zutreffend auf die Gesamtumstände abgestellt und insbesondere berücksichtigt, dass die vorangegangene Abmahnung des [X.] gerade die Veröffentlichungspraxis des [X.]n auf [X.] zum Gegenstand hatte. Der Frage, was der Gläubiger im Abmahnschreiben beanstandet hat, kann für die Auslegung der Unterlassungsverpflichtungserklärung maßgebliche Bedeutung zukommen. Zutreffend hat das Berufungsgericht außerdem berücksichtigt, dass der [X.] selbst die Abmahnung und insbesondere seine Unterlassungsverpflichtung offensichtlich in dem Sinne verstanden hat, dass sie (auch) für seine Angebote auf der Handelsplattform [X.] gilt. Nach Abgabe der Unterlassungsverpflichtungserklärung hat er in seine Angebote auf dieser Handelsplattform einen, wenn auch nicht klickbaren [X.] auf die [X.] aufgenommen.

c) Die Revision rügt ohne Erfolg, die Auslegung des Berufungsgerichts verletzte §§ 133, 157 BGB, weil sie keine Stütze im Wortlaut finde, sondern die Unterlassungsverpflichtungserklärung der Sache nach analog anwende. Schon die damit verbundene Behauptung, die Formulierung in der Erklärung "eine Webseite zu betreiben" erfasse eindeutig nicht das Angebot auf einer Handelsplattform wie [X.], ist nicht zwingend. Unabhängig davon bildet ein klarer und eindeutiger Wortlaut keine Grenze für die Auslegung anhand der Gesamtumstände (vgl. [X.], Urteil vom 19. Dezember 2001 - [X.], juris Rn. 19; Urteil vom 18. April 2018 - [X.], [X.], 601 Rn. 36 mwN). Der von der Revision geforderten wortlautgetreuen Auslegung steht zudem entgegen, dass der Zweck eines [X.] erfahrungsgemäß dafür spricht, dass die Vertragsparteien durch ihn regelmäßig auch im [X.] gleichartige Verletzungsformen erfassen wollten (vgl. [X.], Urteil vom 17. Juli 1997 - [X.], [X.], 931 [juris Rn. 24] - Sekundenschnell, mwN; [X.], [X.], 899 [juris Rn. 21] - Olympiasiegerin; siehe auch [X.], Beschluss vom 16. November 1995 - I ZR 229/93, [X.], 379, 380 Rn. 19 = [X.], 284 - Wegfall der Wiederholungsgefahr II).

d) Die Revision wendet sich weiter ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der [X.] habe schuldhaft gegen die Unterlassungsverpflichtung verstoßen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sei es technisch überhaupt nicht möglich gewesen, auf der Handelsplattform [X.] einen klickbaren [X.] zu setzen. Entgegen der Auffassung der Revision fehlt es an einer solchen Feststellung. Das Berufungsgericht hat lediglich festgestellt, dass an der Stelle, an der im beanstandeten Angebot des [X.]n auf die http-Variante des [X.]s zur [X.] hingewiesen wurde, nämlich am Ende des [X.], ein klickbarer [X.] technisch nicht vorgesehen war. Die Revisionserwiderung weist zutreffend darauf hin, dass daraus entgegen der Auffassung der Revision nicht folgt, dass ein klickbarer [X.] an keiner Stelle des Angebots des [X.]n technisch möglich war. Bei dem entsprechenden Vortrag der Revision handelt es sich zudem um neuen Sachvortrag, der im Revisionsverfahren grundsätzlich ausgeschlossen ist (§ 559 Abs. 1 ZPO).

Koch     

      

Schaffert     

      

Pohl   

      

Schmaltz     

      

Odörfer     

      

Hinweis:    

Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.

Meta

I ZR 237/19

10.09.2020

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Oldenburg (Oldenburg), 29. November 2019, Az: 6 U 192/19

Art 14 Abs 1 EUV 524/2013, § 133 BGB, § 157 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.09.2020, Az. I ZR 237/19 (REWIS RS 2020, 1494)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1494

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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