Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.12.2017, Az. II ZR 255/16

II. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 368

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:191217UIIZR255.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
II ZR
255/16
Verkündet am:

19.
Dezember
2017

Stoll

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 161
Ein Kommanditist einer GmbH
&
Co. [X.] kann nicht Ansprüche der Kommanditge-sellschaft gegen den Fremdgeschäftsführer der Komplementär-GmbH geltend ma-chen.
[X.], Urteil vom 19. Dezember 2017 -
II ZR 255/16 -
O[X.]

[X.]

-
2
-
Der II.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 19.
Dezember 2017
durch
den
Vorsitzenden
Richter Prof.
Dr.
Drescher, [X.],
[X.], [X.] und Dr.
Bernau

für Recht erkannt:
Auf die Revision der [X.] zu
1 und 2 wird das Urteil des 6.
Zivilsenats des [X.] vom 22.
September
2016 im Kostenpunkt und in-soweit aufgehoben, als zum Nachteil der [X.] zu
1 und 2 entschieden worden ist.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom 27.
April
2010 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz und des [X.] haben die Kläger zu tragen. Die Kos-ten des Berufungsrechtszugs haben die Kläger zu tragen mit Ausnahme eines Viertels der Gerichtskosten, die die [X.] zu
3 und 4 zusätzlich zu ihren außergerichtli-chen Kosten zu tragen haben.

Von Rechts
wegen

-
3
-
Tatbestand:
Die Kläger sind zu je 1/2 die Erben der im Dezember 2006 verstorbenen Frau T.

(Erblasserin). Sie war alleinige Kommanditistin der A.

GmbH und Co. [X.] (im Folgenden: A.

[X.]) und alleinige [X.]e-rin der [X.] Der ursprüngliche Beklagte
war seit 1978 [X.], Vermögensverwalter und Generalbevollmächtigter der Erblasserin. Im Dezember 2001 war er beauftragt worden, die Beratung und die Wahrung der Interessen der Erblasserin in wirtschaftlichen und steuerlichen Angelegen-heiten als Privatperson sowie hinsichtlich der ihr gehörenden Unternehmen und Unternehmenskomplexe wahrzunehmen. Seit 2003 war er alleiniger [X.] der [X.] Er erwarb mit Kaufvertrag vom 6. Oktober 2006 ein Grundstück in D.

zu einem Kaufpreis von 7,2 [X.].

.

[X.]. Der ursprüngliche Beklagte unterzeichnete den Kaufvertrag in Vertretung der Komplementär-GmbH, diese wiederum handelte in Vertretung für die A.

[X.]. Die Erblasserin hatte testamentarisch eine Testamentsvollstreckung für zehn Jahre angeordnet und den ursprünglichen [X.] zum [X.] ernannt.
Die Kläger machen geltend, dass der ursprüngliche Beklagte das in [X.] stehende Grundstück wissentlich zu einem weit überhöhten Kaufpreis er-worben habe.
Ein Antrag der Kläger auf Auswechslung des Testamentsvollstreckers wurde vom Nachlassgericht abgelehnt. Nachdem der ursprüngliche Beklagte verstorben war und von den jetzigen [X.] beerbt wurde, wurde vom [X.] ein neuer Testamentsvollstrecker eingesetzt. Der neue Testaments-vollstrecker hat in Kenntnis des hiesigen Verfahrens die Kläger ermächtigt, alle Ansprüche des Nachlasses der Erblasserin gegen die Erben des ursprüngli-1
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chen [X.] im Zusammenhang mit dem Verkauf der in Rede stehenden Immobilie im eigenen Namen und auf eigene Kosten, jedoch nur auf Leistung an den Nachlass der Erblasserin geltend zu machen.
Zunächst haben die Kläger den ursprünglichen [X.] auf Zahlung an die Erbengemeinschaft in Anspruch genommen und dies mit einer Haftung aus dem Auftragsverhältnis zur Erblasserin begründet. In der Berufungsinstanz ha-ben sie ihr Klagebegehren erweitert und Ansprüche der A.

[X.] geltend ge-macht. Sie haben hilfsweise beantragt, die [X.] zur Zahlung von 3.324.720,90

.

[X.] zu verurteilen.
Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die dagegen eingelegte Be-rufung der Kläger hat zum Teil Erfolg gehabt. Auf den Hilfsantrag hin hat das Berufungsgericht die [X.] zu
1 und 2 zur Zahlung von 1.712.841,41

nebst Zinsen an die A.

[X.] verurteilt. Mit der vom [X.] zugelassenen Revi-sion verfolgen die [X.] zu
1 und 2 ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung der Kläger weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat

soweit im [X.] von Bedeu-tung

ausgeführt, dass die eingelegte Berufung der Kläger hinsichtlich des [X.] im Ergebnis unbegründet sei. Der Hilfsantrag sei jedoch zuläs-sig und im Umfang der Ausurteilung begründet. Die Kläger seien [X.], da sie sich insoweit auf eine actio pro socio stützen könnten. Die Voraussetzungen dafür lägen vor, wenn die Kommanditisten ein besonderes Interesse daran hätten, Ansprüche der Kommanditgesellschaft gegen einen 4
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-
Fremdgeschäftsführer der Komplementär-GmbH durchzusetzen. Hier ergebe sich dieses besondere Interesse daraus, dass die Klage der [X.] hätte erhoben werden müssen, d.h. vom ursprünglichen [X.]. Dieser hätte [X.] nicht gegen sich selbst prozessieren können. Deshalb müssten die Kom-manditisten ihr Recht im Wege der actio pro socio selbst geltend machen [X.]. Jedenfalls seit dem 21.
April 2015 liege auch eine Ermächtigung des [X.] vor. Die Entscheidung des [X.] vom 13.
Mai
2014 -
II
ZR
250/12, [X.]Z 201, 216 stehe nicht entgegen. Hier gehe es um einen Streit zwischen dem Erbenkommanditisten und dem Fremd-geschäftsführer der [X.] Die Kläger müssten sich nicht auf erbrechtliche Mittel verweisen lassen; es handele sich um eine gesellschafts-rechtliche Auseinandersetzung. Der Hilfsantrag sei überwiegend begründet. Die Kläger könnten einen Anspruch der A.

[X.] auf Zahlung von Schadensersatz an die Kommanditgesellschaft gemäß §
43 Abs.
2
GmbHG in Verbindung mit den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, nämlich zugunsten der A.

[X.], im eigenen Namen in dem ausgeurteilten Umfang gel-tend machten.
II.
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der in der Beru-fungsinstanz gestellte Hilfsantrag ist unzulässig.
1.
Die Kläger machen mit dem Hilfsantrag einen Anspruch der A.

[X.] auf Zahlung von Schadensersatz gemäß §
43 GmbHG analog für die Gesell-schaft im eigenen Namen geltend. Dafür fehlt ihnen die Prozessführungsbefug-nis. Diese ist eine Prozessvoraussetzung, die während des gesamten Verfah-rens auch in der Revisionsinstanz vorliegen muss (vgl. [X.], Urteil vom 10.
November 1999

VIII
ZR
78/98, [X.], 738 zur gewillkürten [X.]).
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2.
Die Kläger können im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsge-richts ihre Prozessführungsbefugnis nicht auf eine actio pro socio stützen.
Als actio pro socio wird die Geltendmachung eines Anspruchs aus dem [X.]sverhältnis durch einen [X.]er im eigenen Namen gegen einen Mitgesellschafter auf Leistung an die [X.] bezeichnet. Sie wurzelt im [X.]sverhältnis und ist Ausfluss des Mitgliedschaftsrechts des Ge-sellschafters (vgl. [X.], Beschluss vom 26.
April 2010

II
ZR
69/09, ZIP
2010, 1232 Rn.
3; Urteil vom 13.
Mai 1985

II
ZR
170/84, ZIP
1985, 1137, 1138).
Mit dem Schadensersatzanspruch der Kommanditgesellschaft gegen den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH wird kein Anspruch gegen einen Mitgesellschafter geltend gemacht, sondern gegen einen Nichtgesellschafter. Die Einziehung einer [X.]sforderung ist bei einer Personenhandelsge-sellschaft ein Akt der Geschäftsführung, die grundsätzlich Aufgabe der ge-schäftsführenden [X.]er ist. Demgemäß braucht auch
kein [X.] zu dulden, dass ein nichtberechtigter [X.]er die in der klageweisen Geltendmachung einer Forderung gegen Dritte liegende Geschäftsführungs-maßnahme allein trifft und damit die gesetzlichen oder gesellschaftsvertragli-chen Bestimmungen über die Geschäftsführungsbefugnis durchbricht. Dies gilt auch für die GmbH
&
Co. [X.]. Die Geltendmachung von Schadensersatzforde-rungen der Kommanditgesellschaft gemäß §
43 Abs.
2 GmbHG analog gegen einen Fremdgeschäftsführer obliegt deren geschäftsführender [X.]erin, der [X.]
Der [X.] hat zwar eine actio pro socio für Ansprüche der Kommanditgesellschaft gegen einen geschäftsführenden [X.]er für möglich angesehen ([X.], Urteil vom 2.
Juli 1973

II
ZR
94/71, NJW
1973, 2198, 2199; Urteil vom 27.
Juni 1957

II
ZR
15/56, [X.]Z
25, 47, 49). Er hat 10
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jedoch in der Entscheidung vom 2.
Juli 1973 eine actio pro socio gegenüber [X.], also Nichtgesellschaftern, nicht in Erwägung gezogen.
3.
Eine Erweiterung dieser
Grundsätze dahin, dass die Kommanditisten einer GmbH
&
Co. [X.] Ansprüche der [X.] gegen Dritte (actio pro societate) und damit auch gegen den Fremdgeschäftsführer der Komplemen-tärGmbH geltend machen können, ist nicht angezeigt.
aa)
Da nicht zu erwarten ist, dass ein Fremdgeschäftsführer einer Kom-plementär-GmbH Ansprüche der [X.] gegen sich selbst geltend macht, wird teil-weise angenommen, dass den Kommanditisten einer GmbH & Co. [X.] der un-mittelbare Durchgriff auf den Fremdgeschäftsführer wegen [X.] der [X.] in Folge der Verletzung von Geschäftsführerpflichten ermöglicht werden muss, wenn dafür ein besonderes persönliches Interesse besteht ([X.] in Röhricht/[X.] v. Westphalen/[X.], [X.], 4. Aufl., § 161 Rn.
89; [X.] in [X.], 3.
Aufl., §
161 Rn.
67
f.; [X.] in [X.], [X.], 5. Aufl., §
161 Rn. 116; [X.] in Großkomm[X.], 5. Aufl., § 161 Rn. 114; a.[X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., § 105 Rn. 43).
[X.])
Dem folgt der [X.] nicht. Für einen unmittelbaren Durchgriff besteht kein Bedürfnis. Die Verletzung der Pflichten des Geschäftsführers bei der Ge-schäftsführung für die GmbH als Komplementärin und zugleich für die [X.] muss sich im Innenverhältnis zwischen Komplementär-GmbH und Kommanditgesellschaft erstere nach §
31 BGB zurechnen lassen ([X.] in Röhricht/[X.] von Westphalen/[X.], [X.], 4.
Aufl. §
161 Rn.
79). Die Komplementär-GmbH ist damit gegenüber der Kommanditgesellschaft zum Schadensersatz verpflichtet, hat aber
selbst einen Ersatzanspruch gegen ihren Geschäftsführer nach §
43 Abs. 2 GmbHG. Die Ansprüche der [X.] gegen die Komplementär-GmbH können die Kommanditisten im Wege der actio pro 14
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socio geltend machen ([X.], Urteil vom 2.
Juli 1973

II
ZR
94/71, NJW 1973, 2198, 2199; Urteil vom 27.
Juni 1957

II
ZR
15/56, [X.]Z 25, 47, 49). Sie [X.] daher auch einen Titel gegen die Komplementär-GmbH erstreiten und [X.] in deren Anspruch gegen ihren Geschäftsführer nach §
43 Abs.
2 GmbHG vollstrecken.
cc)
Einen Anspruch
als actio pro socio gegen die Komplementär-GmbH haben die Kläger hier nicht geltend gemacht, sondern einen Anspruch der Kommanditgesellschaft gegen den ursprünglichen [X.] als Fremdge-schäftsführer der [X.]
4.
Eine Prozessführungsbefugnis der Kläger zur Verfolgung der [X.] der A.

[X.] gegen die [X.] ergibt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht aufgrund der Erklärung des neuen Testaments-vollstreckers vom 21.
April 2015. Diese beinhaltete eine Ermächtigung, alle [X.] des Nachlasses der Erblasserin gegen die [X.] als Erben des ehemaligen [X.] und Geschäftsführers der Komplementär-GmbH im Zu-sammenhang mit dem Ankauf der Immobilie im eigenen Namen und auf eigene Kosten geltend zu machen, jedoch nur auf Leistung an den Nachlass der Erb-lasserin. Diese Erklärung ermächtigt die Kläger nicht zur Geltendmachung der hier streitgegenständlichen Forderung. Die Schadensersatzansprüche gegen den ehemaligen [X.] sind Forderungen der A.

[X.]. Sie standen nicht der Erblasserin persönlich zu und fielen deshalb auch nicht in ihren Nachlass. Das eigene Klagerecht des Testamentsvollstreckers ist beschränkt auf die [X.] unterliegenden Rechte und solche Angelegenheiten, wenn er ein seiner Verwaltung unterliegendes Recht geltend macht ([X.], Urteil vom 4.
Februar 1987

IVa
ZR
229/85, NJW-RR
1987, 1090). Dem neuen [X.] steht aufgrund des Verwaltungsrechts über den Nachlass der Erblasserin deshalb keine Befugnis zu, die Ansprüche der A.

[X.] geltend zu 17
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machen. Er kann mithin auch keine Ermächtigung zur Verfolgung dieser [X.] erteilen.
III.
Das Berufungsurteil ist aufzuheben, soweit zum
Nachteil der Beklag-ten zu
1 und 2 entschieden wurde. Der [X.] kann in der Sache entscheiden, da diese entscheidungsreif ist (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 3 ZPO).

Drescher

[X.]

[X.]

[X.]

Bernau
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.04.2010 -
310 O 368/09 -

O[X.], Entscheidung vom 22.09.2016 -
6 [X.] -

19

Meta

II ZR 255/16

19.12.2017

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.12.2017, Az. II ZR 255/16 (REWIS RS 2017, 368)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 368

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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13 U 271/97 (Oberlandesgericht Köln)


8 U 237/07 (Oberlandesgericht Hamm)


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II ZR 255/16

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