Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.12.2017, Az. II ZR 255/16

2. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 337

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Gegenstand

GmbH & Co. KG: Prozessführungsbefugnis eines Kommanditisten zur Geltendmachung von Ansprüchen der Kommanditgesellschaft gegen den Fremdgeschäftsführer der Komplementär-GmbH


Leitsatz

Ein Kommanditist einer GmbH & Co. KG kann nicht Ansprüche der Kommanditgesellschaft gegen den Fremdgeschäftsführer der Komplementär-GmbH geltend machen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten zu 1 und 2 wird das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 22. September 2016 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten zu 1 und 2 entschieden worden ist.

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom 27. April 2010 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz und des [X.] haben die Kläger zu tragen. Die Kosten des [X.] haben die Kläger zu tragen mit Ausnahme eines Viertels der Gerichtskosten, die die Beklagten zu 3 und 4 zusätzlich zu ihren außergerichtlichen Kosten zu tragen haben.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Kläger sind zu je 1/2 die Erben der im Dezember 2006 verstorbenen Frau T.     (Erblasserin). Sie war alleinige Kommanditistin der [X.] und [X.] (im Folgenden: [X.]) und alleinige Gesellschafterin der [X.] Der ursprüngliche Beklagte war seit 1978 Steuerberater, Vermögensverwalter und Generalbevollmächtigter der Erblasserin. Im Dezember 2001 war er beauftragt worden, die Beratung und die Wahrung der Interessen der Erblasserin in wirtschaftlichen und steuerlichen Angelegenheiten als Privatperson sowie hinsichtlich der ihr gehörenden Unternehmen und Unternehmenskomplexe wahrzunehmen. Seit 2003 war er alleiniger Geschäftsführer der [X.] Er erwarb mit Kaufvertrag vom 6. Oktober 2006 ein Grundstück in [X.]    zu einem Kaufpreis von 7,2 Mio. € für die [X.]. Der ursprüngliche Beklagte unterzeichnete den Kaufvertrag in Vertretung der Komplementär-GmbH, diese wiederum handelte in Vertretung für die [X.]. Die Erblasserin hatte testamentarisch eine Testamentsvollstreckung für zehn Jahre angeordnet und den ursprünglichen Beklagten zum Testamentsvollstrecker ernannt.

2

Die Kläger machen geltend, dass der ursprüngliche Beklagte das in Rede stehende Grundstück wissentlich zu einem weit überhöhten Kaufpreis erworben habe.

3

Ein Antrag der Kläger auf Auswechslung des Testamentsvollstreckers wurde vom Nachlassgericht abgelehnt. Nachdem der ursprüngliche Beklagte verstorben war und von den jetzigen Beklagten beerbt wurde, wurde vom Nachlassgericht ein neuer Testamentsvollstrecker eingesetzt. Der neue Testamentsvollstrecker hat in Kenntnis des hiesigen Verfahrens die Kläger ermächtigt, alle Ansprüche des Nachlasses der Erblasserin gegen die Erben des ursprünglichen Beklagten im Zusammenhang mit dem Verkauf der in Rede stehenden Immobilie im eigenen Namen und auf eigene Kosten, jedoch nur auf Leistung an den Nachlass der Erblasserin geltend zu machen.

4

Zunächst haben die Kläger den ursprünglichen Beklagten auf Zahlung an die Erbengemeinschaft in Anspruch genommen und dies mit einer Haftung aus dem Auftragsverhältnis zur Erblasserin begründet. In der Berufungsinstanz haben sie ihr Klagebegehren erweitert und Ansprüche der [X.] geltend gemacht. Sie haben hilfsweise beantragt, die Beklagten zur Zahlung von 3.324.720,90 € nebst Zinsen an die [X.] zu verurteilen.

5

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung der Kläger hat zum Teil Erfolg gehabt. Auf den Hilfsantrag hin hat das Berufungsgericht die Beklagten zu 1 und 2 zur Zahlung von 1.712.841,41 € nebst Zinsen an die [X.] verurteilt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten zu 1 und 2 ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung der Kläger weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision hat Erfolg.

7

I. Das Berufungsgericht hat - soweit im [X.] von Bedeutung - ausgeführt, dass die eingelegte Berufung der Kläger hinsichtlich des [X.] im Ergebnis unbegründet sei. Der Hilfsantrag sei jedoch zulässig und im Umfang der Ausurteilung begründet. Die Kläger seien prozessführungsbefugt, da sie sich insoweit auf eine actio pro socio stützen könnten. Die Voraussetzungen dafür lägen vor, wenn die Kommanditisten ein besonderes Interesse daran hätten, Ansprüche der Kommanditgesellschaft gegen einen Fremdgeschäftsführer der Komplementär-GmbH durchzusetzen. Hier ergebe sich dieses besondere Interesse daraus, dass die Klage der Kommanditgesellschaft von dem allein prozessführungsbefugten Testamentsvollstrecker hätte erhoben werden müssen, d.h. vom ursprünglichen Beklagten. Dieser hätte jedoch nicht gegen sich selbst prozessieren können. Deshalb müssten die Kommanditisten ihr Recht im Wege der actio pro socio selbst geltend machen können. Jedenfalls seit dem 21. April 2015 liege auch eine Ermächtigung des [X.] vor. Die Entscheidung des [X.] vom 13. Mai 2014 - [X.]/12, [X.], 216 stehe nicht entgegen. Hier gehe es um einen Streit zwischen dem Erbenkommanditisten und dem Fremdgeschäftsführer der [X.] Die Kläger müssten sich nicht auf erbrechtliche Mittel verweisen lassen; es handele sich um eine gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzung. Der Hilfsantrag sei überwiegend begründet. Die Kläger könnten einen Anspruch der [X.] auf Zahlung von Schadensersatz an die Kommanditgesellschaft gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG in Verbindung mit den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, nämlich zugunsten der [X.], im eigenen Namen in dem ausgeurteilten Umfang geltend machten.

8

II. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der in der Berufungsinstanz gestellte Hilfsantrag ist unzulässig.

9

1. Die Kläger machen mit dem Hilfsantrag einen Anspruch der [X.] auf Zahlung von Schadensersatz gemäß § 43 GmbHG analog für die [X.] im eigenen Namen geltend. Dafür fehlt ihnen die [X.]. Diese ist eine Prozessvoraussetzung, die während des gesamten Verfahrens auch in der Revisionsinstanz vorliegen muss (vgl. [X.], Urteil vom 10. November 1999 - [X.], [X.], 738 zur gewillkürten Prozessstandschaft).

2. Die Kläger können im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts ihre [X.] nicht auf eine actio pro socio stützen.

Als actio pro socio wird die Geltendmachung eines Anspruchs aus dem [X.]sverhältnis durch einen [X.]er im eigenen Namen gegen einen Mitgesellschafter auf Leistung an die [X.] bezeichnet. Sie wurzelt im [X.]sverhältnis und ist Ausfluss des Mitgliedschaftsrechts des [X.]ers (vgl. [X.], Beschluss vom 26. April 2010 - [X.], [X.], 1232 Rn. 3; Urteil vom 13. Mai 1985 - [X.], [X.], 1137, 1138).

Mit dem Schadensersatzanspruch der Kommanditgesellschaft gegen den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH wird kein Anspruch gegen einen Mitgesellschafter geltend gemacht, sondern gegen einen Nichtgesellschafter. Die Einziehung einer [X.]sforderung ist bei einer Personenhandelsgesellschaft ein Akt der Geschäftsführung, die grundsätzlich Aufgabe der geschäftsführenden [X.]er ist. Demgemäß braucht auch kein [X.]er zu dulden, dass ein nichtberechtigter [X.]er die in der klageweisen Geltendmachung einer Forderung gegen Dritte liegende [X.] allein trifft und damit die gesetzlichen oder gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen über die Geschäftsführungsbefugnis durchbricht. Dies gilt auch für die [X.]. Die Geltendmachung von Schadensersatzforderungen der Kommanditgesellschaft gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG analog gegen einen Fremdgeschäftsführer obliegt deren geschäftsführender [X.]erin, der [X.]

Der [X.] hat zwar eine actio pro socio für Ansprüche der Kommanditgesellschaft gegen einen geschäftsführenden [X.]er für möglich angesehen ([X.], Urteil vom 2. Juli 1973 - [X.], NJW 1973, 2198, 2199; Urteil vom 27. Juni 1957 - [X.], [X.]Z 25, 47, 49). Er hat jedoch in der Entscheidung vom 2. Juli 1973 eine actio pro socio gegenüber [X.], also Nichtgesellschaftern, nicht in Erwägung gezogen.

3. Eine Erweiterung dieser Grundsätze dahin, dass die Kommanditisten einer [X.] Ansprüche der [X.] gegen Dritte (actio pro societate) und damit auch gegen den Fremdgeschäftsführer der Komplementär–GmbH geltend machen können, ist nicht angezeigt.

aa) Da nicht zu erwarten ist, dass ein Fremdgeschäftsführer einer Komplementär-GmbH Ansprüche der [X.] gegen sich selbst geltend macht, wird teilweise angenommen, dass den Kommanditisten einer [X.] der unmittelbare Durchgriff auf den Fremdgeschäftsführer wegen Schadensersatzansprüchen der [X.] in Folge der Verletzung von Geschäftsführerpflichten ermöglicht werden muss, wenn dafür ein besonderes persönliches Interesse besteht ([X.] in Röhricht/[X.] v. Westphalen/[X.], [X.], 4. Aufl., § 161 Rn. 89; Grunewald in MünchKomm[X.], 3. Aufl., § 161 Rn. 67 f.; [X.] in [X.], [X.], 5. Aufl., § 161 Rn. 116; [X.] in Großkomm[X.], 5. Aufl., § 161 Rn. 114; a.[X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., § 105 Rn. 43).

bb) Dem folgt der [X.] nicht. Für einen unmittelbaren Durchgriff besteht kein Bedürfnis. Die Verletzung der Pflichten des Geschäftsführers bei der Geschäftsführung für die GmbH als Komplementärin und zugleich für die Kommanditgesellschaft muss sich im Innenverhältnis zwischen Komplementär-GmbH und Kommanditgesellschaft erstere nach § 31 BGB zurechnen lassen ([X.] in Röhricht/[X.] von Westphalen/[X.], [X.], 4. Aufl. § 161 Rn. 79). Die Komplementär-GmbH ist damit gegenüber der Kommanditgesellschaft zum Schadensersatz verpflichtet, hat aber selbst einen Ersatzanspruch gegen ihren Geschäftsführer nach § 43 Abs. 2 GmbHG. Die Ansprüche der [X.] gegen die Komplementär-GmbH können die Kommanditisten im Wege der actio pro socio geltend machen ([X.], Urteil vom 2. Juli 1973 - [X.], NJW 1973, 2198, 2199; Urteil vom 27. Juni 1957 - [X.], [X.]Z 25, 47, 49). Sie können daher auch einen Titel gegen die Komplementär-GmbH erstreiten und daraus in deren Anspruch gegen ihren Geschäftsführer nach § 43 Abs. 2 GmbHG vollstrecken.

cc) Einen Anspruch als actio pro socio gegen die Komplementär-GmbH haben die Kläger hier nicht geltend gemacht, sondern einen Anspruch der Kommanditgesellschaft gegen den ursprünglichen Beklagten als Fremdgeschäftsführer der [X.]

4. Eine [X.] der Kläger zur Verfolgung der Ansprüche der [X.] gegen die Beklagten ergibt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht aufgrund der Erklärung des neuen Testamentsvollstreckers vom 21. April 2015. Diese beinhaltete eine Ermächtigung, alle Ansprüche des Nachlasses der Erblasserin gegen die Beklagten als Erben des ehemaligen Beklagten und Geschäftsführers der Komplementär-GmbH im Zusammenhang mit dem Ankauf der Immobilie im eigenen Namen und auf eigene Kosten geltend zu machen, jedoch nur auf Leistung an den Nachlass der Erblasserin. Diese Erklärung ermächtigt die Kläger nicht zur Geltendmachung der hier streitgegenständlichen Forderung. Die Schadensersatzansprüche gegen den ehemaligen Beklagten sind Forderungen der A.   [X.]. Sie standen nicht der Erblasserin persönlich zu und fielen deshalb auch nicht in ihren Nachlass. Das eigene Klagerecht des Testamentsvollstreckers ist beschränkt auf die seiner Verwaltung unterliegenden Rechte und solche Angelegenheiten, wenn er ein seiner Verwaltung unterliegendes Recht geltend macht ([X.], Urteil vom 4. Februar 1987 - [X.], NJW-RR 1987, 1090). Dem neuen Testamentsvollstrecker steht aufgrund des Verwaltungsrechts über den Nachlass der Erblasserin deshalb keine Befugnis zu, die Ansprüche der [X.] geltend zu machen. Er kann mithin auch keine Ermächtigung zur Verfolgung dieser Ansprüche erteilen.

III. Das Berufungsurteil ist aufzuheben, soweit zum Nachteil der Beklagten zu 1 und 2 entschieden wurde. Der [X.] kann in der Sache entscheiden, da diese entscheidungsreif ist (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 3 ZPO).

[X.]     

      

Wöstmann     

      

Born   

      

Sunder     

      

Bernau     

      

Meta

II ZR 255/16

19.12.2017

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 22. September 2016, Az: 6 U 111/10

§ 161 HGB, § 43 Abs 2 GmbHG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.12.2017, Az. II ZR 255/16 (REWIS RS 2017, 337)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 350 WM2018,235 REWIS RS 2017, 337

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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