Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.06.2014, Az. VI R 59/13

6. Senat | REWIS RS 2014, 4498

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Gegenstand

Wohnen am Beschäftigungsort bei doppelter Haushaltsführung


Leitsatz

NV: Eine Wohnung dient dem Wohnen am Beschäftigungsort, wenn sie dem Arbeitnehmer ungeachtet von Gemeinde- oder Landesgrenzen ermöglicht, seine Arbeitsstätte täglich aufzusuchen. Die Entscheidung darüber, ob eine solche Wohnung so gelegen ist, dass der Arbeitnehmer in zumutbarer Weise täglich von dort seine Arbeitsstätte aufsuchen kann, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das Finanzgericht (Anschluss an BFH-Urteil vom 19. April 2012 VI R 59/11, BFHE 237, 449, BStBl II 2012, 833) .

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob ein Wohnen am Beschäftigungsort im Sinne einer doppelten Haushaltsführung vorliegt.

2

Die Kläger und [[[[[[X.].].].].].] (Kläger) sind Eheleute und wurden für die Streitjahre (2010 und 2011) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Professor für … an der [[[[[[X.].].].].].] und bezieht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Klägerin bezieht als angestellte Buchhändlerin im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses ebenfalls Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Beschäftigungsort der Klägerin und Familienwohnsitz der Kläger mit den beiden gemeinsamen Kindern ist [[[X.].].].

3

Bereits im Jahr 2007 wechselte der Kläger von A an die [[[[[[X.].].].].].] nach [[[[[X.].].].].], als er dort die Möglichkeit erhielt, vertretungsweise einen Lehrstuhl zu übernehmen. Um sich mit den Gepflogenheiten in [[[[[X.].].].].] und der [[[[[[X.].].].].].] vertraut machen zu können, nahm er eine Wohnung in der Nähe der [[[[[[X.].].].].].]. Parallel zur Lehrstuhlvertretung durchlief der Kläger ein Berufungsverfahren für eine andere Professur an der [[[[[[X.].].].].].] in [[[[[X.].].].].], die er dann im [[[[[[X.].].].].].] 2007 erhielt. Bereits im Spätsommer 2007 kündigte der Kläger seine Wohnung in [[[[[X.].].].].] und suchte nach einer für sich geeigneten Wohnung in [[[X.].].] Er entschied sich für [[[X.].].] deshalb, weil dort die [[[X.].].] und auch die [[[X.].].] ansässig sind, die im Fachbereich des [[[X.].].] sehr gut ausgestattet sind. In seinem Fachgebiet "…" besteht die Arbeit des [[[X.].].] im Wesentlichen im Literaturstudium. Die Bibliotheken sucht er dabei im Schnitt [[[[[[X.].].].].].] im Monat auf, wobei die Nutzung entsprechend seines Arbeitsfortschritts unterschiedlich intensiv ist. Maßgeblich ist aus Sicht des [[[X.].].] der schnellstmögliche [[[X.].].]ugriff.

4

Die Lehrverpflichtungen des [[[X.].].] belaufen sich im Schnitt auf fünf Veranstaltungen pro Woche. Außerdem ist er geschäftsführender Direktor eines Instituts und so mit bestimmten Verwaltungsaufgaben und Verpflichtungen, z.B. an Fachbereichssitzungen teilzunehmen, betraut.

5

Die Entfernung der vom Kläger bewohnten Wohnung in [[[X.].].] zum Familienwohnsitz nach [[[X.].].] beträgt 47 km, die Entfernung zur Arbeitsstätte in [[[[[X.].].].].] 83 km.

6

Die Wohnung in [[[X.].].] ist in einer Entfernung von ca. vier Kilometern zur [[[X.].].] belegen. Die Autobahn nach [[[[[X.].].].].] ist schnell zu erreichen.

7

In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre machte der Kläger Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten geltend. Für 2010 beliefen sich die Aufwendungen auf insgesamt 9.164 € und für 2011 auf 8.078 €. Im Wesentlichen handelte es sich um die Kosten der Unterkunft des [[[X.].].] in [[[X.].].], diverse Einrichtungsgegenstände und die Aufwendungen für die Heimfahrten nach [[[X.].].]. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) lehnte den geltend gemachten Werbungskostenabzug ab, weil die Wohnung in [[[X.].].] zu weit von der Arbeitsstelle in [[[[[X.].].].].] entfernt sei und deshalb nicht als Wohnung am Beschäftigungsort des [[[X.].].] anerkannt werden könne.

8

Die dagegen gerichtete Klage war aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1744 veröffentlichten Gründen erfolgreich.

9

Mit der Revision rügt das [X.] die Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[[X.].]O--). Das Finanzgericht ([[X.].]) hat zu Recht entschieden, dass die von den Klägern geltend gemachten Kosten für die doppelte Haushaltsführung des [[X.].] als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sind.

1. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung der Streitjahre (EStG) sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Der Senat hat in der Entscheidung vom 19. April 2012 VI R 59/11 ([[X.].], 449, [[X.].], 833) die Auffassung vertreten, dass eine Wohnung dem Wohnen am Beschäftigungsort dient, wenn sie dem Arbeitnehmer ungeachtet von Gemeinde- oder Landesgrenzen ermöglicht, seine Arbeitsstätte täglich aufzusuchen. Die Entscheidung darüber, so der Senat weiter, ob die fragliche Wohnung in der Weise am Beschäftigungsort, nämlich so zur Arbeitsstätte gelegen ist, dass der Arbeitnehmer in zumutbarer Weise täglich von dort seine Arbeitsstätte aufsuchen kann, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das [[X.].]. Denn die Antwort darauf kann nur aufgrund der Berücksichtigung und Würdigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalles gegeben werden und ist insbesondere von den individuellen Verkehrsverbindungen zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte abhängig; dabei ist naturgemäß die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ein wesentliches, allerdings nicht allein entscheidungserhebliches Merkmal.

Der Senat hält an seiner Auffassung fest. Er weist darauf hin, dass auch die Finanzverwaltung diese Rechtsprechung nicht in Frage stellt (s. Schreiben des [[X.].] vom 30. September 2013, [[X.].], 1279, [[X.].]. 95).

2. Nach Maßgabe der im Urteil in [[X.].], 449, [[X.].], 833 genannten Rechtsgrundlagen hat das [[X.].] zu Recht festgestellt, dass die fragliche Wohnung des [[X.].] in [[X.].] eine Wohnung am Beschäftigungsort im Sinne der doppelten Haushaltsführung darstellt.

Das [[X.].] hat festgestellt, dass der Kläger seinen Arbeitsplatz in [X.] von seiner Wohnung in [[X.].] in weniger als einer Stunde erreichen kann. Es hat in diesem [[X.].]usammenhang ausgeführt, dass es sich bei einer Entfernung von 83 km und einer Fahrzeit von weniger als einer Stunde um eine in der heutigen [[X.].]eit übliche Pendelstrecke und Pendelzeit handele. Dies entspricht, wie sich aus dem zitierten Urteil in [[X.].], 449, [[X.].], 833 ergibt, auch der Auffassung des Senats.

Nach den weiteren Feststellungen des [[X.].] hat sich der Kläger für die [[X.].]weitwohnung in [[X.].] wegen der dort ansässigen Bibliotheken entschieden. [[X.].]u Recht hat das [[X.].] diesen Aspekt dahingehend gewürdigt, dass für die Standortwahl auch ein weiterer beruflicher Grund eine maßgebliche Rolle gespielt hat. Wenn das [[X.].] im Rahmen der Gesamtwürdigung demgegenüber dem Umstand, dass [[X.].] auch günstig zum Wohnort der Familie gelegen ist, eine mindere Bedeutung beigemessen hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Soweit das [X.] in seiner Revisionsbegründung nicht die Rechtsauffassung des Senats in Frage gestellt hat, erschöpft sich diese darin, die Richtigkeit der vom [[X.].] vorgenommenen Tatsachenwürdigung zu bestreiten. Einen Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze vermag dies nicht zu begründen.

3. [X.] folgt aus § 135 Abs. 2 [[X.].]O.

Meta

VI R 59/13

26.06.2014

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 27. Juni 2013, Az: 3 K 4315/12 E, Urteil

§ 9 Abs 1 S 3 Nr 5 EStG 2009, EStG VZ 2010, EStG VZ 2011, § 118 Abs 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.06.2014, Az. VI R 59/13 (REWIS RS 2014, 4498)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4498

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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