Bundespatentgericht, Beschluss vom 15.11.2012, Az. 28 W (pat) 626/11

28. Senat | REWIS RS 2012, 1345

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "MULTILINE" – Freihaltungsbedürfnis – keine Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2011 006 875.5

hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] am 15. November 2012 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.], der Richterin [X.] und des Richters am Amtsgericht Jacobi

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen 30 2011 006 875.5

2

[X.]

3

ist am 8. Februar 2011 zur Eintragung als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für folgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:

4

Klasse 06: [X.]- und Verbindungsstücke aus Metall; [X.]- und Verbindungsstücke aus Metall für Gas- und Flüssigkeitsleitungen, einschließlich für Schlauch- und Rohrleitungen; Fittings aus Metall für Gas- und Flüssigkeitsleitungen, einschließlich für Schlauch- und Rohrleitungen; [X.], [X.], Kupplungen und Adapter aus Metall; Leitungen aus Metall für Gase und Flüssigkeiten;

5

Klasse 11: Armaturen aus Metall sowie nicht aus Metall für Gas- und Flüssigkeitsleitungen einschließlich für Schlauch- und Rohrleitungen;

6

Klasse 17: [X.]- und Verbindungsstücke nicht aus Metall; [X.]- und Verbindungsstücke nicht aus Metall für Gas- und Flüssigkeitsleitungen, einschließlich für Schlauch- und Rohrleitungen; Fittings nicht aus Metall für Gas- und Flüssigkeitsleitungen, einschließlich für Schlauch- und Rohrleitungen; [X.], [X.], [X.] und [X.] nicht aus Metall; Schläuche nicht aus Metall, einschließlich [X.]; Dichtungen, einschließlich Dichtungen aus Metall, Gummi oder Kunststoff, Dichtscheiben und Dichtringe.

7

Die Markenstelle für Klasse 06 hat mit Beschluss vom 25. Oktober 2011 die Anmeldung wegen eines bestehenden Freihaltebedürfnisses und fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Anmeldezeichen "[X.]" setze sich erkennbar aus dem Kurzwort "Multi" im Sinne von "vielfach, Vielfach..., mehrerer..., viel…, Viel..." und dem [X.] Wort "line" mit den Bedeutungen "[X.], Leitung, Rohrleitung, Strang" zusammen. Die angesprochenen Verkehrskreise würden dem Anmeldezeichen in der Gesamtheit nur den beschreibenden Hinweis entnehmen, dass die so gekennzeichneten Waren viele, auch verschiedenartige Leitungen aufnehmen und verteilen bzw. abzweigen könnten. Im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren weise die Bezeichnung "[X.]" unmittelbar beschreibend und ohne weiteres verständlich darauf hin, dass diese für die Verwendung mit mehreren Anschlüssen, Leitungen, Rohrleitungen, Strängen geeignet seien, also auf die Beschaffenheit der beanspruchten Waren. Diese beschreibende Bedeutung des [X.] ergebe sich auch aus dem Internetauftritt der Anmelderin, wonach es sich um das "Programm [X.] für Mehrfachkupplungen" handle, das "[X.] in einer einzigen Verbindung bündelt". In Verbindung mit den beanspruchten Waren werde der [X.] Begriff "multiline" vom angesprochenen Publikum auch nicht in der Bedeutung von "[X.]" verstanden. Es handle sich bei dem Anmeldezeichen daher um eine freizuhaltende Angabe, da eine derartige Sachaussage von den Mitbewerbern auch zur Beschreibung und Bewerbung ihrer (Konkurrenz-)Produkte benötigt würde. Darüber hinaus fehle dem angemeldeten Wortzeichen jegliche Unterscheidungskraft, da es für die genannten Waren eine im Vordergrund stehende Sachaussage beinhalte und sich damit nicht als betrieblicher Herkunftshinweis eigne. Die Anmelderin könne sich zur Ausräumung der Schutzhindernisse auch nicht auf vermeintlich vergleichbare Voreintragungen berufen.

8

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die nicht begründet wurde. Im patentamtlichen Verfahren hat sie vorgetragen, dass der [X.] Begriff "multiline" die Bedeutung "[X.]" habe. In dieser Bedeutung würde der Begriff von den Abnehmern der fraglichen Waren, bei dem es sich um Fachpublikum handle, das der [X.] Sprache mächtig sei, auch übersetzt werden. Die angesprochenen Verkehrskreise würden das Anmeldezeichen daher nicht als beschreibenden Sachhinweis ansehen. Vielmehr sei der Begriff in der Bedeutung von "[X.]" für die beanspruchten Waren phantasievoll und unterscheidungskräftig. Dies ergebe sich auch aus der großen Anzahl der eingetragenen Marken "[X.]" (vgl. Registerauskünfte des [X.] und [X.] als Anlagen zum Schreiben vom 14. Oktober 2011).

9

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des [X.]s, Markenstelle für Klasse 06, vom 25. Oktober 2011 aufzuheben.

Der in der Beschwerdeschrift vom 22. November 2011 hilfsweise gestellte Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde mit [X.] vom 30. Oktober 2012 zurückgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens "[X.]" als Marke steht hinsichtlich der beanspruchten Waren sowohl das absolute Schutzhindernis der Freihaltebedürftigkeit gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] als auch das der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegen. Die Markenstelle hat dem Anmeldezeichen daher zu Recht die Eintragung versagt.

1. Bei dem angemeldeten Zeichen handelt es sich zunächst um eine freihaltebedürftige beschreibende Angabe.

Dem Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] unterfallen solche Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen dienen können. Mit diesem Schutzhindernis wird das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolgt, dass alle Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten werden (vgl. [X.] [X.], 680, 681 Rdnr. 35, 36 - [X.]; [X.], 723, 725 Rdnr. 25 - [X.]). Als beschreibend im Sinne dieser Vorschrift können dabei auch sprachliche Neuschöpfungen angesehen werden, die aus mehreren Bestandteilen zusammengesetzt sind, wenn für die Neuschöpfung selbst in ihrer Gesamtheit ein beschreibender Charakter feststellbar ist ([X.] a. a. [X.]. 37 - [X.]). Ferner erfordert das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] nicht, dass die fraglichen Zeichen oder Angaben bereits tatsächlich zu beschreibenden Zwecken für Waren oder Dienstleistungen der angemeldeten Art verwendet werden, vielmehr genügt, dass sie zu diesen Zwecken verwendet werden können ([X.] [X.], 146, 147 Rdnr. 32 - [X.]; a. a. [X.]. 38 - [X.]). Dies ist bei einem Wortzeichen dann der Fall, wenn es - in üblicher Sprachform und für die beteiligten Verkehrskreise verständlich - ein Merkmal der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet ([X.] a. a. [X.]. 32 - [X.]; a. a. [X.]. 38, 39 - [X.]). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Das Anmeldezeichen setzt sich aus den Elementen "Multi" und "line" zusammen. Das Präfix "multi-, Multi-" bedeutet in Bildungen mit Substantiven, Adjektiven und Verben "vielfach, Vielfach…, mehrer…, viel…/Viel…", wie beispielsweise "Multitalent" oder "Multiinstrumentalist" (http://www.duden.de/rechtschreibung/multi_).

Das [X.] Wort "line" hat in dem hier relevanten im technischen Bereich die Bedeutungen "Leitung, Rohrleitung, [X.]" (vgl. [X.]/; http://dict.leo.org/; http://www.linguee.de).

Der [X.]" ist im [X.] zum einen in der Bedeutung von "[X.]" lexikalisch belegt (http://dict.leo.org). Zum anderen kennt die [X.] Sprache im technischen Bereich beispielsweise die Begriffe "multi-line system" im Sinne von "[X.]" bzw. "multi-line principle operation" im Sinne von "Mehrleitungssystem" (http://dict.leo.org).

Das [X.] hat vor diesem Hintergrund zutreffend ausgeführt, dass der Wort-kombination „[X.]“ in ihrer Gesamtbedeutung der beschreibende Hinweis zu entnehmen ist, dass die so gekennzeichneten Waren viele, auch verschiedenartige Leitungen aufnehmen und verteilen bzw. abzweigen können (vgl. auch 27 W (pat) 100/01 - [X.]).

Zwar wird man bei dem Begriff "[X.]" aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht von einem Fremdwort ausgehen können, welches überwiegenden Teilen der inländischen Verkehrskreise, insbesondere der überwiegenden Zahl der Durchschnittsverbraucher in der oben dargestellten technischen Bedeutung geläufig ist. Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] erfordert jedoch keine einhellige oder überwiegende Verkehrsauffassung (vgl. [X.], 865, 869 "SPA"; 24 W (pat) 51/05 - [X.]). Vielmehr kann insbesondere bei fremdsprachigen Marken ein beschreibender Charakter in gleicher Weise rechtlich relevant sein, wenn er nur von den beteiligten inländischen Fachkreisen erkannt wird ([X.] GRUR 2010, 534 - [X.]; [X.], 411 ff. - Matratzen [X.]/[X.]; [X.] 2007, 527 - [X.]; [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 8 Rdnr. 393, 396 m. w. N.). Damit können im Einzelfall selbst die Kenntnisse eines relativ kleinen Kreises inländischer Fachleute maßgeblich sein, wenn etwa Waren oder Dienstleistungen betroffen sind, mit deren Vertrieb oder Leistung nur ein begrenzter Kreis inländischer Spezialisten befasst ist ([X.] a. a. [X.]. 25-31 - [X.]; [X.], 674 Rdnr. 58 - Postkantoor; [X.]/[X.], a. a. [X.]. 396).

Bei den Abnehmern der fraglichen Waren handelt es sich - wie auch die Anmelderin selbst einräumt - in erster Linie um Fachkreise, die der [X.] Sprache mächtig sind. Dies dürfte auch für die Konkurrenten der Anmelderin zutreffen. Hinzu kommt, dass sich [X.] entsprechend den Ausführungen der Anmelderin auf dem hier relevanten Gebiet der Drucklufttechnik als Fachsprache entwickelt hat. Es ist daher davon auszugehen, dass die beteiligten Fachkreise den [X.] Begriff "line" in der technischen Bedeutung von "Leitung, [X.], Rohrleitung" kennen. Dementsprechend werden sie entgegen der Ansicht der Anmelderin auch den [X.]" in Verbindung mit den beanspruchten Waren nur im oben dargestellten technischen Sinne verstehen, also gerade nicht in der - in diesem Zusammenhang abwegigen - Bedeutung von "[X.]".

Sämtliche beanspruchten Waren der Klassen 06, 11 und 17 können für die Verwendung mit mehreren Anschlüssen, Leitungen oder Rohrleitungen geeignet und bestimmt sein. Die beschreibende Bedeutung des [X.] ergibt sich im Übrigen auch aus dem Internetauftritt der Anmelderin, wonach es sich bei dem "[X.] Programm" um "Mehrmedien- und Mehrfachkupplungen" handelt (http://www.eisele.eu/flipbooks/EISELE12-[X.]_de/). Ferner heißt es dort: "Bei Maschinen mit kombinierter Luft- und Flüssigkeitszufuhr sind die Anschlüsse sicher gegen vertauschte Montage und dank integrierter Sperrventile auch unter Druck koppel- und entkoppelbar." ([X.]). Auch hier geht es um die Bündelung von Leitungen bzw. mehrere Anschlüsse in einer Verbindung.

Das Anmeldezeichen erschöpft sich damit in einer unmittelbar beschreibenden Sachangabe über die Beschaffenheit der beanspruchten Waren.

2. Dem begehrten Zeichen fehlt auch jegliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.], denn das angesprochene Publikum wird darin wegen seines oben dargestellten beschreibenden Aussagegehalts in Bezug auf die beanspruchten Waren keinen Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen sehen.

3. Die Beschwerdeführerin kann sich zur Ausräumung des [X.] auch nicht auf eine ihrer Meinung nach abweichende Eintragungspraxis berufen. Zum einen sind die von ihr angeführten Voreintragungen schon nicht vergleichbar, da sie größtenteils entweder schon zu lange zurückliegen bzw. für andere Waren und/oder Dienstleistungen geschützt sind. Zum anderen sind zwar etwaige Entscheidungen über ähnliche Anmeldungen, soweit sie bekannt sind, im Rahmen der Prüfung zu berücksichtigen, ob im gleichen Sinn zu entscheiden ist oder nicht; sie sind aber keinesfalls bindend (vgl. [X.] GRUR 2009, 667 Rdnr. 17 und 19 - Bild digital und [X.]). Voreintragungen identischer oder vergleichbarer Marken haben hinsichtlich der Schutzfähigkeit weder eine Bindungs- noch eine Indizwirkung, weil zum einen aus nicht begründeten Eintragungen anderer Marken keine weitergehenden Informationen im Hinblick auf die Beurteilung der konkreten Anmeldung entnommen werden können und zum anderen auch unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht von einer den rechtlichen Vorgaben entsprechenden Entscheidung abgesehen werden darf (vgl. [X.] a. a. [X.]. 18 - Bild digital und [X.]; [X.], 276-277 - Institut der Nord-deutschen Wirtschaft e.V.; GRUR 2011, 230 Rdnr. 12 - [X.]; [X.], 349 Rdnr. 12 - [X.] Rätsel Woche). Denn für die Entscheidung, ob der Markenanmeldung ein Eintragungshindernis entgegensteht, kommt es allein darauf an, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen eines der gesetzlich geregelten Schutzhindernisse gegeben sind. Der Umstand, dass identische oder ähnliche Zeichen als Marken eingetragen worden sind, ist demgegenüber nicht maßgebend ([X.] a. a. [X.]. 15, 18 f. - Bild digital und [X.]; BGH a. a. O. - [X.]).

Meta

28 W (pat) 626/11

15.11.2012

Bundespatentgericht 28. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 15.11.2012, Az. 28 W (pat) 626/11 (REWIS RS 2012, 1345)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1345

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