Bundessozialgericht, Beschluss vom 24.10.2012, Az. B 12 SF 2/12 S

12. Senat | REWIS RS 2012, 1990

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - örtliche Zuständigkeit - notwendige Streitgenossenschaft - keine Zuständigkeitsbestimmung bei logischer Notwendigkeit übereinstimmender Entscheidungen - keine Ermittlungen durch nächsthöheres Gericht


Tenor

Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.

Gründe

1

I. Die Antragstellerinnen sind die Kinder des bei der Antragsgegnerin (einem Rentenversicherungsträger) Versicherten und dessen Ehefrau. Die Antragstellerin zu 1. hat ihren Wohnsitz im Zuständigkeitsbereich des [X.], während die Antragstellerin zu 2. im Zuständigkeitsbereich des [X.] wohnt. Laut einer Vereinbarung der Antragstellerinnen mit dem Versicherten und dessen Ehefrau vom 30.12.2001 trat der Versicherte zur "Lastenfreistellung" eines Hausgrundstücks und zur "Vermeidung der dinglichen Inanspruchnahme" der Antragstellerinnen ua seine pfändbaren Rentenansprüche an diese ab. Mit am 11.11.2011 beim [X.] eingegangenem Schreiben haben die Antragstellerinnen beantragt, die Antragsgegnerin anzuweisen, bei der Berechnung der an sie abgetretenen monatlichen Rentenbezüge die Ehefrau des Versicherten als unterhaltsberechtigte Person unberücksichtigt zu lassen.

2

Mit Beschluss vom [X.] hat das [X.] nach Anhörung der Beteiligten das B[X.] mit Blick auf die unterschiedlichen Wohnsitze der Antragstellerinnen zur Bestimmung des zuständigen Gerichts angerufen.

3

II. Der Antrag, das zuständige Gericht zu bestimmen, ist abzulehnen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.

4

Die hier allein in Betracht kommende Vorschrift des § 58 Abs 1 [X.] [X.]G setzt für eine Zuständigkeitsbestimmung durch das B[X.] voraus, dass eine örtliche Zuständigkeit nicht gegeben ist, dh dass das bereits mit der Sache befasste Gericht weder zuständig ist noch selbst das zuständige Gericht bestimmen kann (vgl B[X.] Beschluss vom 15.7.2011 - B 12 SF 1/11 S - FamRZ 2011, 1943; [X.]-1500 § 58 [X.] Rd[X.] 4 f). Eine Zuständigkeitsbestimmung kommt daher vor allem dann in Betracht, wenn zwischen mehreren gemeinsam Klagenden eine notwendige Streitgenossenschaft iS von § 74 [X.]G, § 62 Abs 1 ZPO besteht oder jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann (vgl [X.]-1500 § 58 [X.] Rd[X.] 6 mwN). Nicht ausreichend für eine Zuständigkeitsbestimmung durch das B[X.] ist dagegen die logische Notwendigkeit übereinstimmender Entscheidungen. Dies gilt auch dann, wenn selbstständige Klagen mehrerer Personen aus Gründen der Zweckmäßigkeit oder des Sachzusammenhangs zusammengefasst werden. Denn die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen oder Gründe der [X.] rechtfertigen die Bestimmung eines einheitlichen Gerichtsstands nach § 58 Abs 1 [X.] [X.]G nicht (vgl B[X.] Beschluss vom 15.7.2011 - B 12 SF 1/11 S - FamRZ 2011, 1943; [X.]-1500 § 58 [X.]). Für die Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 58 Abs 1 [X.] [X.]G vorliegen, ist der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Feststellungen des Gerichts ergebende Sach- und Streitstand zu berücksichtigen. Hingegen rechtfertigen weder der Gesetzeswortlaut noch die Gesetzessystematik oder der Grundsatz der [X.], dass das nächsthöhere Gericht selbst darüber hinausgehende, weitere Ermittlungen zur Bestimmung der Zuständigkeit anstellt (vgl [X.] Beschluss vom [X.] - NJW 1995, 534; BayObLG Beschluss vom 22.12.1987 - [X.] - [X.] 1987, 463 mwN, beide zu § 36 Abs 1 [X.] 6 ZPO). Danach liegen hier die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung durch das B[X.] gemäß § 58 Abs 1 [X.] [X.]G nicht vor, weil das [X.] die für die Anträge der Antragstellerinnen örtlich zuständigen [X.]e selbst bestimmen kann.

5

Die für die von den Antragstellerinnen begehrten Entscheidungen örtlich zuständigen [X.]e sind gemäß § 57 Abs 1 S 1 [X.]G zu bestimmen. Es ist nicht ersichtlich, dass eine notwendige Streitgenossenschaft der Antragstellerinnen im Hinblick auf die von ihnen unter Hinweis auf § 850c Abs 4 ZPO als Abtretungsgläubigerinnen gestellten Anträge (vgl zur entsprechenden Anwendung des § 850c ZPO, B[X.] SozR 3-1200 § 53 [X.] 2 S 9 ff) besteht oder jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, so dass die Bestimmung der Zuständigkeit eines [X.] erforderlich wäre.

6

Eine notwendige Streitgenossenschaft liegt nach § 74 [X.]G iVm § 62 ZPO vor, wenn das streitige Rechtsverhältnis allen Streitgenossen gegenüber nur einheitlich festgestellt werden kann, sich also die Rechtskraft der Entscheidung auf alle Streitgenossen erstreckt, oder die Streitgenossenschaft aus einem sonstigen Grund notwendig ist, etwa bei [X.] oder [X.] (vgl bereits B[X.]E 11, 35, 37 = SozR [X.] 4 zu § 74 [X.]G). Dies käme in Betracht, wenn die Antragstellerinnen als Rechtsgemeinschaft, dh als Gesamthandsgläubiger oder als Bruchteilsgemeinschaft, im Prozess aufträten. Denn nur in diesen Fällen würde sich die Rechtskraft einer Entscheidung auf alle Streitgenossen erstrecken (vgl zur Gesamtschuld bereits B[X.] Beschluss vom 15.7.2011 - B 12 SF 1/11 S - FamRZ 2011, 1943). Bei den übrigen im [X.] Recht existierenden Gläubigermehrheiten, nämlich der Teilgläubigerschaft nach § 420 [X.] und der Gesamtgläubigerschaft nach § 428 S 1 [X.], kann hingegen jeder Gläubiger im Außenverhältnis unabhängig vom anderen die ihm zustehende Leistung an sich verlangen (vgl zum Ganzen etwa Medicus, [X.], 17. Aufl 2006, Rd[X.] 780 ff; [X.], Schuldrecht, 10. Aufl 2006, Rd[X.] 760 ff), so dass keine Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung besteht.

7

Dafür, dass die Antragstellerinnen als eine notwendige Streitgenossenschaft möglicherweise begründende Rechtsgemeinschaft die beantragte Anordnung begehren, bestehen auf der Grundlage des derzeitigen Sach- und Streitstandes keine Anhaltspunkte. Es ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerinnen eine Gesamthandsgemeinschaft in der Form einer ehelichen Gütergemeinschaft oder einer Erbengemeinschaft bilden (vgl hierzu [X.], aaO, Rd[X.] 783; [X.]/[X.], [X.], 71. Aufl 2012, § 432 Rd[X.] 4 ff mwN). Ob die Antragstellerinnen [X.]erinnen einer [X.]-[X.] sind (vgl zur Zuständigkeitsbestimmung bei fehlendem Sitz einer [X.]-[X.] nach § 36 Abs 1 [X.] 3 ZPO, OLG Celle Beschluss vom 16.5.2001 - 4 AR 33/01 - [X.] 2001, 198 f), bedarf hier keiner Entscheidung, weil sie nicht als solche auftreten und weil sich weder aus Feststellungen des [X.] noch aus dem Inhalt der Akten ergibt, dass eine Forderung einer [X.]-[X.] geltend gemacht wird und mangels Sitzes der [X.] das örtlich zuständige [X.] nicht bestimmt werden kann.

8

Damit bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit für die Anträge der Antragstellerinnen jeweils nach § 57 Abs 1 [X.]G. Sind für die Anträge der Antragstellerinnen verschiedene [X.] örtlich zuständig, kann dem durch Trennung der Verfahren und Verweisung an das zuständige [X.] Rechnung getragen werden.

Meta

B 12 SF 2/12 S

24.10.2012

Bundessozialgericht 12. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SF

vorgehend SG Münster, 31. Januar 2012, Az: S 9 R 826/11, Beschluss

§ 57 Abs 1 S 1 SGG, § 58 Abs 1 Nr 5 SGG, § 74 SGG, § 36 Abs 1 Nr 3 ZPO, § 62 Abs 1 ZPO, § 850c Abs 4 ZPO, § 420 BGB, § 428 S 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 24.10.2012, Az. B 12 SF 2/12 S (REWIS RS 2012, 1990)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1990

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