Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.09.2011, Az. XI ZR 17/11

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 3202

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
XI
ZR
17/11
Verkündet am:

20.
September 2011

Weber,

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

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Der XI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 20.
September 2011
durch den Vorsitzenden Richter Wiechers
und [X.]
Ellenberger, [X.], Dr.
Matthias und Pamp
für Recht erkannt:
Die Revision der Streithelferin der [X.] gegen das Urteil des 9.
Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts [X.] vom 30.
November 2010 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin begehrt aus abgetretenem Recht der insolventen S.

GmbH
& Co. KG (im Folgenden: Schuldnerin) die Erstattung eines [X.], den die Beklagte aufgrund einer Bankgarantie zunächst an ihre Streit-helferin ausgekehrt und mit dem sie dann das Konto der Schuldnerin belastet hat.
Die Schuldnerin, die auch als [X.] auftrat, schloss am 25.
März
2004 mit der Streithelferin einen Kundengeldabsicherungsvertrag im Sinne von §
651k [X.]. Nach §
3 dieses Vertrages war Voraussetzung für den Beginn des Versicherungsschutzes die Bereitstellung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 153.387

dieser Voraussetzung hatte eine Rechts-1
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vorgängerin der [X.] (im Folgenden: Beklagte) bereits am 30.
November 2001 zugunsten der Streithelferin "für alle bestehenden und künftigen

auch bedingten oder befristeten

Ansprüche der [X.] [= Streithelferin] i-se-Ausfall-(auch zukünftigen) Zahlung der [X.] auf diese übergegangen oder an sie abgetre-153.387,00

lich etwaiger Nebenforderungen und Kosten" über-nommen. Die Beklagte hatte sich in der Garantieerklärung verpflichtet, "auf ers-tes schriftliches Anfordern der [X.] [= Streithelferin] Zahlung zu leisten".
Nachdem die Streithelferin den Kundengeldabsicherungsvertrag im März 2006 fristlos gekündigt hatte, fand die Schuldnerin keinen neuen Versicherer. Eine von der Streithelferin veranlasste [X.] ergab, dass die Schuldne-rin von der [X.] eine Anzahlung auf den Reisepreis verlangt hatte, ohne einen Sicherungsschein im Sinne von §
651k Abs.
3 [X.] bereitzustellen. Die Streithelferin mahnte die Schuldnerin ab, woraufhin diese am 22.
Juni 2006 ei-ne strafbewehrte Unterlassungserklärung abgab. Nach dem Vortrag der Streit-helferin kam es in der Folgezeit zu zwei Verstößen gegen diese Unterlassungs-erklärung. Die Streithelferin errechnete für Vertragsstrafe und Anwaltskosten einen von der Schuldnerin zu zahlenden Betrag von 13.615,86

Hinweis auf die Garantieerklärung am 21.
November 2006 von der [X.] einforderte. Die Beklagte wies diese Forderung am 4.
Dezember 2006 zunächst mit der Begründung zurück, die Garantie erfasse nur Ansprüche aus dem [X.], nicht aber solche aus eigenständigen [X.] nach dessen Beendigung. In der Folge zahlte die Beklagte den geforderten Betrag dennoch an die Streithelferin und belastete in dieser Höhe das Konto der Schuldnerin. Ihren mit der Klage geltend gemachten [X.]
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forderungsanspruch hat die Schuldnerin am 23.
Dezember 2006 an die Klägerin abgetreten.
Das [X.] hat der Klage auf Zahlung von 13.615,86

n-sen und vorgerichtlichen Anwaltskosten stattgegeben. Die Berufung der Beklag-ten und ihrer Streithelferin ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Streithelferin ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet.

I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Der Schuldnerin habe der an die Klägerin abgetretene Anspruch [X.], weil
die Beklagte mit der Auszahlung des [X.] an die Streithelferin ihre vertraglichen Pflichten gegenüber der Schuldnerin verletzt habe, denn ihre Inanspruchnahme aus der Bankgarantie sei offensichtlich rechtsmissbräuchlich gewesen. Zwar sei die [X.] bei einer Garantie auf erstes Anfordern grundsätzlich verpflichtet, auf Verlangen des Garantie-nehmers die Garantiesumme zu zahlen, ohne Einwendungen aus dem [X.] erheben zu können. Streitfragen, deren Beantwortung sich nicht von 4
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selbst ergebe, seien nach erfolgter Zahlung in einem [X.] zwischen Garantiegeber und [X.] zu klären. Unabhängig davon sei jedoch genau zu prüfen, zu welchem Zweck und mit welcher Reichweite die Garantieerklärung abgegeben worden sei. Entsprechend dem Inhalt des [X.]es habe die Streithelferin nur für von ihr an [X.] zu leistende Ausfallzahlungen abgesichert werden und solche Leistun-gen nur bei Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin erbringen sollen. Dazu hätten Ansprüche auf Vertragsstrafe oder auf Erstattung von Abmahnkosten [X.] nicht gehört. Hierbei handle es sich ersichtlich auch nicht um Neben-forderungen oder Kosten aus dem Kundengeldabsicherungsvertrag. Eine Ga-rantiebank dürfe die Erfüllung einer Garantieforderung verweigern, wenn [X.] oder liquide beweisbar sei, dass ein durch die Garantie abgesicherter Anspruch nicht bestehe und die Anforderung der Garantiesumme deswegen rechtsmissbräuchlich erfolge. Dies habe die Beklagte erkennen können und tatsächlich auch erkannt, wie sich aus ihrem Schreiben vom 4.
Dezember 2006 ergebe. Die Absicherung nachvertraglicher Nebenpflichten der Schuldnerin sei von der im Kundengeldabsicherungsvertrag vereinbarten [X.] ersichtlich nicht erfasst gewesen. Die Aufrechnung der Streithelferin mit Ver-tragsstrafen-
und [X.]n habe das [X.] zutref-fend für nicht durchgreifend gehalten.

II.
Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Prüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.
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1. Mit der Klage macht die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch der Schuldnerin aus positiver Vertragsverletzung (§
280 Abs.
1 [X.]) des der Garantie zugrunde liegenden Vertrages auf Erstattung des Betrages geltend, den die Beklagte aufgrund der Garantie an die Streithelferin gezahlt und an-schließend dem Konto der Schuldnerin belastet hat. Soweit das Berufungsge-richt die Wirksamkeit der Abtretung dieses Anspruches durch die Schuldnerin an die Klägerin bejaht hat, erhebt die Revision keine Einwendungen und [X.] auch sonst keine Bedenken.

2. Bei der Garantieerklärung der [X.] handelt es sich dem äußeren Anschein nach um ein Formular der Streithelferin, das bundesweit verwendet wird. Die Erklärung ist folglich eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von §
305 Abs.
1 [X.], die über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus Ver-wendung findet und die der Senat deshalb selbst auslegen kann (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 29.
Juni 2010

XI
ZR
104/08, BGHZ
186, 96 Rn.
28 mwN).

3. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Garantie nur das Risiko einer Inanspruchnahme der Streithelferin durch Reisende und darauf erfolgte Zahlungen habe absichern sollen, hingegen nicht Ansprüche auf [X.] von Vertragsstrafe und Erstattung von diesbezüglichen Anwaltskosten, und dass es sich bei letzteren auch nicht um "Nebenforderungen oder Kosten"
aus der "[X.]"
handelt. Diese Auslegung ist richtig.

a) Dafür spricht zunächst die im Wortlaut der Garantieerklärung enthal-tene ausdrückliche Bezugnahme auf die "[X.]". Hierbei handelt es sich, wie die an gleicher Stelle genannte Vertragsnummer belegt, um den [X.] mit der Streithelferin über die "Kundengeldabsiche-9
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rung", in dem es, wie schon seine Bezeichnung belegt, nur um die Sicherung von Ansprüchen der Kunden der Schuldnerin
für "während der Dauer dieses Vertrages veranstaltete Reisen"
geht,
zu der die Schuldnerin nach §
651k [X.] verpflichtet ist. Von Ansprüchen der Streithelferin auf Vertragsstrafe und [X.] diesbezüglicher Anwaltskosten und deren Absicherung ist dort keine Rede. Das ist auch folgerichtig, weil sich solche Ansprüche allenfalls aus der [X.] Unterlassungserklärung ergeben könnten, die
die Schuldnerin erst nach der Beendigung des [X.] abgegeben hat.

b) Der demgegenüber von der Revision erhobene Einwand, von der Ga-rantie der [X.] werde auch die Verletzung nachvertraglicher Treuepflich-ten abgedeckt, greift nicht durch.
Insbesondere handelt es sich bei den streitgegenständlichen Ansprüchen nicht um solche, die im Sinne der Garantieerklärung "aufgrund einer (auch [X.] weist
die Revisionserwiderung darauf hin, dass sich die Garantie der [X.] angesichts des in §
1 des [X.] ausdrück-lich vereinbarten "Versicherungsschutzes gemäß
§ 651 [X.]" insoweit nur auf Rückgriffansprüche der Streithelferin bezieht, die im Wege des in §
651k Abs.
3 Satz
2 und 3 [X.] angeordneten gesetzlichen Forderungsüberganges entste-hen. Dies geschieht jedoch nur dann, wenn ein Kundengeldabsicherer infolge der Insolvenz eines Reiseveranstalters durch Reisende auf die Erstattung
des Reisepreises sowie der notwendigen Aufwendungen im Sinne von §
651k Abs.
1 [X.] in Anspruch genommen wird und diese Ansprüche befriedigt. Der Kundengeldabsicherer hat folglich nur Zahlungen an Reisende zu leisten, die ihren Reisevertrag während der Laufzeit des [X.] abgeschlossen haben und deren Ansprüche gegen den insolventen Reisever-13
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anstalter deshalb auf ihn übergehen. Hierzu gehören die streitgegenständlichen Ansprüche der Streithelferin nicht.
4. Wie das Berufungsgericht weiter zu Recht angenommen hat, kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Garantie von der [X.] "auf erstes schriftliches Anfordern"
zu erfüllen war.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] muss die [X.] bei einer Garantie auf erstes Anfordern auf Verlangen des [X.]s die Garantiesumme sofort zahlen. Einwendungen gegen die materielle Berechtigung der Ansprüche des [X.]s kann sie grund-sätzlich erst nach Zahlung durch eine Rückforderungsklage gegen diesen gel-tend machen. Ist jedoch klar erkennbar, d.h. offensichtlich oder liquide beweis-bar, dass es an einer materiellen Berechtigung des Gläubigers fehlt und dieser infolgedessen seine formale Rechtsstellung als [X.] missbraucht, entfällt die Zahlungspflicht der [X.]. Streitfragen tatsächlicher oder rechtlicher Art, deren Beantwortung sich nicht von selbst ergibt, sind dagegen im [X.] zwischen Garantiegeber und [X.] zu klären (vgl. Senatsurteile vom 17.
Januar 1989

XI
ZR 65/88, [X.], 433, 434, vom 10.
November 1998

XI
ZR 370/97, [X.], 49, 51
ff. und vom 10.
Oktober 2000

XI
ZR 344/99, BGHZ
145, 286, 291
ff. mwN).
b) Vorliegend ergibt sich die vom Berufungsgericht bejahte missbräuchli-che Inanspruchnahme der [X.] aus der Garantie schon daraus, dass die Beklagte entsprechend dem aufeinander bezogenen Wortlaut von Kunden-geldabsicherungsvertrag und Garantieerklärung nur den Versicherungsschutz für Teilnehmer an "während der Dauer" des [X.] "veranstaltete Reisen" und nur "für Ansprüche aus der Reise-Ausfall-15
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9
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Versicherung"
garantieren sollte. Die von der Streithelferin behaupteten Ver-tragsstrafen-
und [X.] aus einer später abgegebenen Unterlassungserklärung der Schuldnerin werden davon offensichtlich nicht er-fasst. Dafür spricht auch der vom Berufungsgericht angeführte Umstand, dass die Beklagte die Streithelferin bereits mit ihrem ersten Schreiben vom 4.
Dezember 2006 darauf hingewiesen hat, die Garantie erfasse keine Ansprü-che aus eigenständigen Unterlassungserklärungen der Schuldnerin nach Been-digung des [X.]. Demgemäß hat das Berufungs-gericht unangegriffen und rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Beklagte erkannt hat, dass die Inanspruchnahme der Garantie nicht gerechtfertigt war.

5. Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht die von der Streit-helferin erklärte Aufrechnung mit einem Anspruch auf Vertragsstrafe und [X.] gegen die Schuldnerin nicht durchgreifen lassen.

Dabei kann vorliegend dahin gestellt bleiben, ob der zur Aufrechnung gestellte Anspruch besteht, wozu Feststellungen des Berufungsgerichts fehlen. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, also der Anspruch bestehen würde und er gemäß §§
404, 406 [X.] auch gegenüber der Klägerin als der neuen Gläubige-rin geltend gemacht werden könnte, würde es gleichwohl an der nach §
387 [X.] erforderlichen Gegenseitigkeit mit dem von der Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Anspruch aus positiver Vertragsverletzung [X.] (vgl. [X.]/[X.], [X.], 70. Aufl., § 387 Rn. 4). Dieser Anspruch rich-tet sich allein gegen die Beklagte, nicht gegen die Streithelferin. In Überein-stimmung damit ist es allgemeine Auffassung im Schrifttum, dass eine Streithel-ferin im Rechtsstreit der [X.] nur dann mit einer eigenen Forderung auf-rechnen darf, wenn sie Gesamtschuldnerin mit der [X.] ist
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(Zöller/Vollkommer, ZPO, 28.
Aufl., §
67 Rn.
11; [X.]/Gehrlein, ZPO, 3. Aufl., §
67 Rn.
3; MünchKommZPO/[X.], 3.
Aufl., §
67 Rn.
15).

Wiechers
Ellenberger
[X.]

Matthias
Pamp
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 24.02.2010 -
317 O 340/09 -

OLG [X.], Entscheidung vom 30.11.2010 -
9 [X.] -

Meta

XI ZR 17/11

20.09.2011

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.09.2011, Az. XI ZR 17/11 (REWIS RS 2011, 3202)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3202

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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