Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.11.2011, Az. 4 StR 480/11

4. Strafsenat | REWIS RS 2011, 1250

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 480/11

vom
22. November
2011
in der Strafsache
gegen

wegen besonders schweren Raubes u.a.

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Der 4. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 22. November
2011
gemäß § 349 Abs. 2
und 4, § 357 Satz 1 StPO
beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten W.

wird das Urteil des [X.] vom 25. Mai 2011

a)
im Schuldspruch dahingehend
geändert, dass

aa)
der Angeklagte W.

des besonders schwe-ren Raubes und der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverlet-zung,

bb)
der Mitangeklagte S.

der besonders schweren räuberischen Erpressung in Tatein-heit mit Körperverletzung, des besonders schweren Raubes, der räuberischen Erpres-sung und des Betrugs schuldig ist,

b)
hinsichtlich des Angeklagten W.

in den Fällen [X.]
1 bis [X.]
4 und [X.]
7 der Urteilsgründe im [X.] über die Einzelstrafen
und im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den Feststellungen auf-gehoben.
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c)
hinsichtlich des Mitangeklagten S.

in den Fällen [X.]
1 bis [X.]
4 der Urteilsgründe im Ausspruch über die Einzelstrafen
und im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den Feststellungen aufgehoben.

2.
Im Umfang der Aufhebung wird
die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landge-richts zurückverwiesen.

3.
Die weiter gehende Revision wird verworfen

Gründe:

Das [X.] hat den Angeklagten W.

wegen räuberischer [X.], versuchter räuberischer Erpressung, besonders schwe-ren Raubes und vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung unter Einbeziehung einer rechtskräftigen Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Den nicht revidierenden Mitangeklagten S.

hat das [X.] der beson-ders schweren räuberischen Erpressung
in Tateinheit mit Körperverletzung, der räuberischen Erpressung in drei Fällen, der versuchten räuberischen Erpres-sung, des besonders schweren Raubes und des Betrugs schuldig gesprochen und gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verhängt. Außerdem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass die Maßregel vor der Strafe zu vollziehen ist. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten W.

hat den aus 1
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dem Tenor ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie nach § 349 Abs. 2 StPO of-fensichtlich unbegründet.

1. Nach den Feststellungen verlangte der Angeklagte W.

am 31.
März 2010 zusammen mit dem nicht revidierenden Mitangeklagten S.

von dem [X.].

die Zahlung von 180 Euro, wobei er bewusst wahr-heitswidrig behauptete, einen Anspruch in dieser Höhe aus einem Betäu-bungsmittelgeschäft zu haben. Als der Zeuge erklärte, kein Bargeld mit sich zu führen, forderte ihn S.

auf, dann eben Geld zu besorgen und drohte für den Weigerungsfall Schläge an. Der Zeuge Sch.

hob daraufhin 50 Euro von seinem Girokonto ab und händigte sie dem Angeklagten W.

aus ([X.] 1). In der [X.] bis zum 14. April 2010 erschienen der Angeklagte und S.

noch mehrmals bei dem [X.].

, um die vermeintlich noch offene Restforderung von 130 Euro beizutreiben. Dabei wiederholten sie ihre Drohung, Sch.

zu schlagen, falls er nicht zahle. Aus Angst vor körperlichen Übergrif-fen übergab der Zeuge Sch.

dem Angeklagten und S.

deshalb ein-mal 30 und einmal 20 Euro (Fälle [X.] 2 und [X.] 3). Am 14. April 2010 suchten der Angeklagte und S.

den [X.].

an seiner Arbeitsstelle im La-gerbereich eines Baumarktes auf. Dabei fuhr der Angeklagte mit seinem Pkw zur [X.]. Dort rief der auf dem [X.] sitzende S.

dem [X.].

durch das geöffnete Seitenfens-ter zu, dass er zusehen solle, dass er das Geld besorge. Andernfalls würde
der Zeuge Sch.

, der kein Geld bei sich hatte, der Aufforderung zur Heraus-gabe von Geld nicht nachkam und auch sonst nicht auf die Drohung reagierte, verließen der Angeklagte und S.

mit dem Pkw das Gelände des [X.] ([X.] 4). Am 17. Mai 2010 schlug der Angeklagte dem [X.].

bei einem zufälligen Zusammentreffen auf der Straße mit der Faust ins 2
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Gesicht und warf ihm vor, ihn bei der Polizei angezeigt zu haben. Anschließend sei und versetzte ihm zwei weitere Faustschläge, wobei er seine Forderung nach Geld wiederholte. Als der Zeuge Sch.

erklärte, kein Geld zu haben, erwiderte der Angeklagte, dass er dann Geld besorgen und am nächsten Tag in den Briefkasten der Wohnung des S.

werfen solle. Der Zeuge Sch.

erstattete am 18. Mai 2010 Straf-anzeige gegen den Angeklagten. Zu weiteren Geldzahlungen kam es nicht mehr ([X.] 7).

Das [X.] hat den Angeklagten und den nicht revidierenden Mit-angeklagten
S.

insoweit wegen räuberischer Erpressung in drei Fällen (Fälle [X.] bis [X.] 3), sowie versuchter räuberischer Erpressung ([X.] 4) und den Angeklagten zusätzlich wegen versuchter räuberischer Erpressung in [X.] mit vorsätzlicher Körperverletzung ([X.] 7) schuldig gesprochen.

2. Die Bewertung des [X.]s, wonach sich der Angeklagte und der nicht revidierende Mitangeklagte S.

der (versuchten) räuberischen [X.] schuldig gemacht haben, begegnet durchgreifen-den rechtlichen Bedenken.

a)
Mehrere natürliche Handlungen können als eine Tat im Rechtssinne anzusehen sein (sog. rechtliche Bewertungseinheit), wenn sie sich als Teilakte einer sukzessiven Tatausführung zur Erreichung eines einheitlichen Erfolges darstellen ([X.],
Beschluss vom 1. Februar 2007

5 [X.], [X.], 578; [X.]/[X.] § 52 Rn. 36; [X.] in: [X.]., vor § 52 Rn. 36; [X.] in: Kindhäuser/[X.]/[X.], StGB,
3. Aufl.,
§ 52 Rn.
18). Eine sukzessive
Tatausführung kann auch dann gegeben sein, wenn der Täter zunächst davon ausgeht, den angestrebten [X.] durch eine 3
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Handlung erreichen zu können, sich dann aber umgehend zu weiteren Tathand-lungen entschließt, nachdem die ins Auge gefasste Handlung keinen oder nur einen Teilerfolg erbracht hat (vgl. [X.], Strafrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl., 32. Abschn. Rn. 8). Dabei ist es jedoch erforderlich, dass die weiteren Tathand-lungen auf die vorhergehende Handlung aufsetzen (vgl. [X.],
Urteil vom 24. Mai 2000

3 StR 551/99, [X.]R StGB §
253 Abs. 1 Konkurrenzen 5) und sich nicht als neuer Anlauf zur (vollständigen) Erreichung des ursprünglich ange-strebten [X.]es darstellen. Ein Wechsel des Angriffsmittels, räumliche Trennungen oder längere zeitliche Intervalle zwischen den jeweiligen [X.] stellen die Annahme einer Bewertungseinheit nicht grundsätzlich in Frage ([X.],
Urteil vom 24. Mai 2000

3 StR 551/99, [X.]R StGB § 253 Abs. 1 Kon-kurrenzen 5; [X.]/[X.] §
52 Rn. 36; [X.] [X.] 1996, 513, 514), können aber ein Indiz für einen neuerlichen Tatbeginn sein. Für die Erpressung ist anerkannt, dass mehrere Angriffe auf die Willensentschließung des Opfers als eine Tat im [X.] zu werten sind, wenn dabei die anfängliche Drohung lediglich den Umständen angepasst und aktualisiert ([X.],
Urteil vom 1. März 1994

1 StR 33/94, [X.]St 40, 75, 77; Beschluss vom 3. April 2008

4 [X.], [X.], 239; vgl. Beschluss vom 22. Oktober 1997

3 StR 415/97, [X.]R StGB § 253 Abs. 1 Konkurrenzen 4), im Übrigen aber nach wie vor dieselbe Leistung gefordert wird (vgl. [X.] [X.] 1996, 513, 514). Die recht-liche Bewertungseinheit endet in diesen Fällen erst dann, wenn der Täter sein Ziel vollständig erreicht hat oder nach den insoweit entsprechend heranzuzie-henden
Wertungen des Rücktrittsrechts von einem fehlgeschlagenen Versuch auszugehen ist (vgl. [X.],
Urteil vom 30. November 1995

5 [X.], [X.]St 41, 368, 369; Urteil vom 24. Mai 2000

3 StR 551/99, [X.]R StGB §
253 Abs. 1 Konkurrenzen 5; Beschluss vom 3.
April 2008

4 [X.], [X.], 239; [X.]/[X.] § 52 Rn. 37; [X.]/[X.] NStZ 1996, 432, 433).
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b)
Danach ist der Angeklagte in den Fällen [X.] bis [X.] 4 und [X.] nur einer räuberischen Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung schuldig. Wie sich aus den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ergibt, haben der Angeklagte und der nicht revidierende Mitangeklagte S.

in den Fällen [X.] bis [X.] 4 jeweils die von Anfang an geltend gemachte Forderung von 180 Euro weiterverfolgt und dabei ihre ursprüngliche Drohung, den [X.].

zu schlagen, jeweils erneuert und bekräftigt. Dabei lagen zwischen der ersten Einwirkung auf die Willensfreiheit des [X.].

am 31. März 2010 ([X.] 1) und dem Vorfall vom 14. Mai 2010 ([X.] 4)
neben den
beiden zu weiteren Teilzahlungen führenden Treffen (Fälle [X.] 2 und [X.] 3) noch weitere Drohungen, die ersichtlich einer Aufrechterhaltung des Drucks auf den Zeugen dienen sollten. Auch der allein von dem Angeklagten begangene Erpressungs-versuch vom 17. Mai 2010 ([X.] 7) stellt eine Weiterführung des Vorhabens dar, den Zeugen zu einer Zahlung von insgesamt 180
Euro zu zwingen. Der Umstand, dass es sich hierbei nur um ein zufälliges Zusammentreffen gehan-delt hat, steht der Annahme einer rechtlichen Bewertungseinheit nicht entgegen (vgl. [X.],
Beschluss vom 18. Januar 2000

4 StR 599/99;
NStZ-RR 2000, 234, 235).

Das Urteil war nach § 357 Satz 1 StPO in den Fällen [X.] bis [X.] 4 im [X.] der Aufhebung auf den nicht revidierenden Mitangeklagten S.

zu erstrecken, weil ihn der in Rede stehende Rechtsfehler in gleicher Weise be-trifft. Der Senat ändert jeweils den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen.

3.
Die Änderung des Schuldspruchs hat bei dem Angeklagten W.

die Aufhebung der in den Fällen [X.] bis [X.] 4, sowie [X.] verhängten Einzelfrei-heitsstrafen zur Folge. Bei dem nicht revidierenden Angeklagten S.

sind 6
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die in den Fällen [X.] bis [X.] 4 verhängten [X.] aufzuheben. Dies entzieht jeweils auch dem [X.] die Grundlage.

[X.]Franke

Mutzbauer Quentin

Meta

4 StR 480/11

22.11.2011

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.11.2011, Az. 4 StR 480/11 (REWIS RS 2011, 1250)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1250

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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