Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.06.2012, Az. IX R 29/11

9. Senat | REWIS RS 2012, 5455

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Gegenstand

Abziehbarkeit von Schuldzinsen aus gemeinsamer Ehegatten-Finanzierung


Leitsatz

NV: Übernimmt der Eigentümer-Ehegatte einer vermieteten Immobilie die gesamtschuldnerische persönliche Mithaftung für ein der Finanzierung der Immobilie dienendes Darlehen des Nichteigentümer-Ehegatten, so sind die Schuldzinsen als für Rechnung des Eigentümer-Ehegatten aufgewendet anzusehen und  als Werbungskosten abziehbar (Ergänzung zum BFH-Urteil vom 3. Dezember 2002 IX R 14/00, BFH/NV 2003, 468) .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Grundstücksgemeinschaft und Eigentümerin zweier Doppelhaushälften. An der Klägerin waren in den [X.]treitjahren (2003, 2004) D.[X.]. ([X.]) und [X.] ([X.]) beteiligt. Frau [X.] und ihr Ehemann nutzten eine Doppelhaushälfte, während die Klägerin das andere Haus an Herrn [X.] vermietete, der dort unter seiner [X.] gewerblich tätig war.

2

In ihren (erst im Klageverfahren eingegangenen) Feststellungserklärungen für die [X.]treitjahre ermittelte die Klägerin die Einkünfte für die Häuser jeweils getrennt und ordnete die Einnahmen und [X.]erbungskosten für das von den Eheleuten [X.] bewohnte Haus lediglich Frau [X.] zur Hälfte zu, während sie die Einkünfte für das von Herrn [X.] genutzte Haus gemeinschaftlich ermittelte. Dem folgte grundsätzlich auch der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--), wich indes in Bezug auf die [X.]chuldzinsen von den Erklärungen ab.

3

Damit hat es folgende Bewandtnis: Die Klägerin machte pro Jahr etwa 35.000 € Zinsen als [X.]erbungskosten ([X.]onderwerbungskosten) geltend. Von diesen Zinsen erkannte das [X.] einen Betrag von 13.008 € an, der auf einem von Frau [X.] allein aufgenommenen Darlehen beruhte. Hinsichtlich der Zuordnung der Zinsen aus weiteren vier Bausparkassen-Darlehen streiten die Beteiligten darüber, ob neben Herrn [X.] auch Frau [X.] und Frau [X.] aus den Darlehensverträgen berechtigt und verpflichtet seien und ob wenigstens Frau [X.] den Aufwand getragen habe.

4

Das [X.] berücksichtigte diese Zinsen in den (geänderten) Feststellungsbescheiden für die [X.]treitjahre wegen [X.]s nicht.

5

Im sich hiergegen richtenden Klageverfahren machte die Klägerin geltend, auch die an ihr beteiligten Frau [X.] und Frau [X.] hätten --zusammen mit Herrn [X.]-- die Darlehensverträge als [X.] mitunterzeichnet; sie hätten Herrn [X.] Haftungsvergütungen geleistet (1.697,91 [X.] und 1.786,58 [X.]). Denn Herr [X.] sei allein in der Lage gewesen, den notwendigen Finanzbedarf bereitzustellen. Da Frau [X.] ihren Zahlungsverpflichtungen oft nicht nachgekommen sei, habe Herr [X.] schließlich im Jahr 2009 den Anteil von Frau [X.] übernommen. Vom [X.] der Gesellschafterinnen seien in den [X.]treitjahren die Zinsen gezahlt worden. Da nur ein Kontokorrentkredit in bestimmter Höhe bereitgestellt worden sei, habe Herr [X.] die erforderlichen Finanzmittel zugeschossen (2003 insgesamt 36.000 € und 20.900 [X.]).

6

Die Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht ([X.]) ging davon aus, lediglich Herr [X.] habe die Darlehen aufgenommen. In diesem Fall gälten die Grundsätze nicht, die der [X.] ([X.]) zum [X.]irtschaften "aus einem Topf" aufgestellt habe. Nicht abziehbarer [X.] liege selbst dann vor, wenn der [X.] (hier Frau [X.]) für das Darlehen eine gesamtschuldnerische Haftung übernommen hätte. Frau [X.] habe die Zinsen auch wirtschaftlich nicht aufgewandt. Die vom [X.] der [X.] beglichenen Zinsen seien wegen seiner Zuschüsse letztlich von Herrn [X.] getragen worden.

7

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, die sie auf Verletzung formellen und materiellen Rechts stützt. Das [X.] habe keine hinreichenden Feststellungen dazu getroffen, in welcher schuldrechtlichen Beziehung [X.] und Kreditinstitut zueinander stünden. Es habe überdies nicht geprüft, ob und inwieweit den [X.]innen ein eigenes Forderungsrecht nach den Grundsätzen des echten Vertrages zugunsten Dritter oder eine eigene Empfangszuständigkeit nach §§ 185, 362 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zugestanden habe. Jedenfalls habe das [X.] die gebotene Auslegung der Darlehensverträge unterlassen und habe unzutreffend eine wirtschaftliche Belastung (Kostentragung) der [X.]n verneint. Man müsse vielmehr trennen: Die Gesellschafterinnen hätten die Zinsen über ihr [X.] beglichen und deshalb --bei nicht ausreichenden [X.] entsprechende Darlehen aufgenommen. Dass Herr [X.] Zuschüsse geleistet habe, ist für die Annahme einer wirtschaftlichen Belastung nicht bedeutsam. [X.]elbst wenn man eine Verpflichtung der Gesellschafterinnen verneine, ergebe sich die Abziehbarkeit der Zinsen aus dem Aspekt des abgekürzten Vertragsweges.

8

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und in Abänderung der Feststellungsbescheide für die [X.]treitjahre vom 14. Januar 2008 bei der Feststellungsbeteiligten [X.] für den Veranlagungszeitraum 2003 weitere Zinsen in Höhe von 19.577,81 € und für den Veranlagungszeitraum 2004 weitere Zinsen von 19.917,54 € als [X.]onderwerbungskosten abzuziehen,
hilfsweise,
das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit für den Veranlagungszeitraum 2003 die Feststellung weiterer Zinsen in Höhe von 19.577,81 € und für den Veranlagungszeitraum 2004 die Feststellung weiterer Zinsen in Höhe von 19.917,54 € als [X.]onderwerbungskosten bei der Feststellungsbeteiligten [X.] versagt wurden und die [X.]ache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

9

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet und führt dem Hilfsantrag entsprechend zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der [X.]ache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 [X.]atz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

1. Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil sie § 9 Abs. 1 [X.]atz 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes i.d.[X.] (E[X.]tG) verletzt: Zu Unrecht hat das [X.] die Zinsen, um deren Abziehbarkeit es hier geht, im Rahmen der streitigen Feststellungen für die [X.]treitjahre nicht als [X.]onderwerbungskosten der Frau [X.] berücksichtigt.

a) Nach § 9 Abs. 1 [X.]atz 3 Nr. 1 E[X.]tG sind [X.]chuldzinsen als Werbungskosten abziehbar, wenn sie mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Weil die Einkommensteuer an die persönliche Leistungsfähigkeit anknüpft, kann Werbungskosten grundsätzlich nur derjenige abziehen, der sie selbst getragen hat. Bezahlen Eheleute Aufwendungen für eine Immobilie, die einem von ihnen gehört, "aus einem Topf", z.B. aus einem zu Lasten beider Eheleute aufgenommenen gesamtschuldnerischen Darlehen (§ 421 [X.]), so sind die darauf beruhenden Zinsen nach der ständigen Rechtsprechung in vollem Umfang als für Rechnung des Eigentümers aufgewendet anzusehen und demnach als Werbungskosten abziehbar. Gleichgültig ist, aus wessen Mitteln die Zahlung im Einzelfall stammt (Beschluss des Großen [X.]enats des [X.] vom 23. August 1999 Gr[X.] 2/97, [X.]E 189, 160, [X.] 1999, 782; [X.]-Urteile vom 2. Dezember 1999 IX R 21/96, [X.]E 191, 28, [X.] 2000, 312, und vom 4. [X.]eptember 2000 IX R 22/97, [X.]E 193, 112, [X.] 2001, 785). Hat demgegenüber der [X.] allein ein Darlehen aufgenommen, um die Immobilie des anderen zu finanzieren, kann der [X.] die Zinsen als Werbungskosten nur abziehen, soweit er sie aus eigenen Mitteln bezahlt hat (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.]-Urteil in [X.]E 193, 112, [X.] 2001, 785). Ein gesamtschuldnerisches Darlehen liegt nach den oben genannten [X.] zwar nicht vor, wenn der [X.] für das Darlehen eine selbstschuldnerische Bürgschaft übernommen und seine Immobilie mit Grundpfandrechten belastet hat, wohl aber dann, wenn der [X.] die gesamtschuldnerische Mithaftung i.[X.]. des § 421 [X.] für das Darlehen übernommen hat ([X.]-Urteil vom 3. Dezember 2002 IX R 14/00, [X.]/NV 2003, 468).

b) Nach diesen Maßstäben haben die Eheleute [X.] die Doppelhaushälften, um die es hier geht und die der Frau W nach § 39 Abs. 1 der Abgabenordnung [X.]) i.V.m. §§ 1008 ff. [X.] als Miteigentümerin oder nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO zuzurechnen sind, aus gemeinsamen Mitteln finanziert. Denn Frau [X.] hat sich in den Darlehensverträgen, auf die das [X.] jedenfalls inzident Bezug genommen hat, als Gesamtschuldnerin zusammen mit ihrem Ehemann und Frau W verpflichtet. Es bedarf insoweit keiner weiteren Auslegung dieser Verträge, wer nun Darlehensnehmer ist, ob allein Herr [X.] oder auch Frau [X.] und Frau W. Denn es reicht nach den dargestellten [X.] aus, dass der [X.] die gesamtschuldnerische Mithaftung übernimmt, gleich, ob dies von vornherein oder nachträglich geschieht (s. zur Rechtslage im Bürgerlichen Recht [X.]/[X.], [X.], 71. Aufl., Überbl v. § 414 Rz 2, m.w.N.).

[X.]o verhält es sich im [X.]treitfall, und davon geht wohl auch das [X.] aus:
Das [X.] gibt im streitigen Teil des Tatbestandes den Klägervortrag wieder, das Darlehen sei u.a. auch von Frau [X.] als Gesamtschuldnerin unterzeichnet worden. Auf diesen [X.]achvortrag gehen dann allerdings die Gründe nur unzureichend ein. Obschon der als streitig dargestellte [X.]achvortrag durch die Darlehensverträge, auf die das [X.] zumindest inzident Bezug genommen hat, bestätigt werden (dort --z.[X.]. 122 ff. der [X.]-Akten-- werden neben Herrn [X.] auch Frau [X.] und Frau W als "Gesamtschuldnerinnen" im Adressfeld bezeichnet und der Vertrag ist von [X.] unterschrieben), beschäftigt sich das angefochtene Urteil nur in einem Nebensatz mit der Problematik. Das [X.] nimmt in seinen Gründen ("bzw. eine gesamtschuldnerische Haftung") ersichtlich eine Gesamtschuldnerposition der Frau [X.] an.

Wenn es daraus indes den [X.]chluss zieht, Frau [X.] sei steuerrechtlich so zu behandeln, wie wenn sie sich selbstschuldnerisch verbürgt hätte, verkennt es die [X.] zur Auslegung des § 9 Abs. 1 E[X.]tG.

2. Die [X.]ache ist nicht spruchreif. Zwar kommt es wegen der gesamtschuldnerischen Darlehensaufnahme nicht darauf an, wer von den Eheleuten die Zinsen real getragen hat. Indes geht die [X.]ache an das [X.] zurück, weil dieses noch nicht die Höhe der geltend gemachten Zinsen überprüft hat. Auch wird das [X.] zu klären haben, was es mit den Haftungsvergütungen auf sich hat. Überdies muss es die Gesamtschuldnerstellung der Frau W in seine Würdigung einbeziehen und prüfen, welchen Einfluss diese auf die Zurechnung des Darlehens hat. Ist das Grundstück Frau [X.] und Frau W als [X.] oder nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO (offenbleiben mag, ob sie statt [X.] Gesellschafterinnen einer GbR sind) je zur Hälfte zuzurechnen, so könnte dieses Verhältnis auch für die Zurechnung der Darlehen (auch hier gilt die [X.]) maßgebend sein.

3. Ist die Vorentscheidung aus sachlichen Gründen aufzuheben, kommt es auf die geltend gemachten Verfahrensfehler nicht an.

Meta

IX R 29/11

20.06.2012

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 24. März 2011, Az: 10 K 397/07, Urteil

§ 9 Abs 1 S 3 Nr 1 EStG 2002, § 21 Abs 1 Nr 1 EStG 2002, § 421 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.06.2012, Az. IX R 29/11 (REWIS RS 2012, 5455)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5455

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