Bundessozialgericht, Beschluss vom 30.05.2023, Az. B 7 AS 21/23 B

7. Senat | REWIS RS 2023, 4702

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Versäumung der Begründungsfrist - Beweiswirkung des (elektronischen) Empfangsbekenntnisses des Rechtsanwalts - Gegenbeweis der Unrichtigkeit des angegebenen Zustellungsdatums


Tenor

Der Antrag des [X.] auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des [X.] vom 9. Januar 2023 wird abgelehnt.

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Beschluss wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision in der vorgenannten Entscheidung beim [X.] mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 [X.]) vom [X.], das am selben Tag beim [X.] eingegangen ist, Beschwerde eingelegt. Der Prozessbevollmächtigte des [X.] hat durch (elektronisches) [X.] bestätigt, den angegriffenen Beschluss am [X.] als elektronisches Dokument erhalten zu haben. In der Beschwerdeschrift heißt es dementsprechend, die Zustellung sei am [X.] erfolgt.

2

Mit Schreiben vom [X.] (Montag) hat der Prozessbevollmächtigte Fristverlängerung für die Begründung der Beschwerde bis zum 27.4.2023 beantragt. Das Zustellungsdatum im [X.] sei falsch. Er sei bis [X.] im Urlaub gewesen. Die Zustellung sei erst am [X.] erfolgt. Er habe fälschlicherweise das Datum [X.] angegeben.

3

Mit [X.] vom 31.3.2023 hat das [X.] den Kläger darauf hingewiesen, dass eine Fristverlängerung nicht in Betracht komme. [X.]begründungfrist sei am 24.3.2023 abgelaufen.

4

Mit Schreiben vom 14.4.2023 und 27.4.2023 hat der Kläger erklärt, das Beschwerdeverfahren fortführen zu wollen, die Beschwerde begründet und hilfsweise einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Beigefügt war ein Auszug aus dem [X.] seines Prozessbevollmächtigten, in dem als Rechtsmittelfrist das Datum "[X.]" und als (verlängerte) [X.] das Datum "27.04.23" eingetragen sind.

5

II. [X.] ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie von dem Prozessbevollmächtigten nicht innerhalb der bis zum 24.3.2023 laufenden Frist begründet worden ist (§ 160a [X.]) und die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 [X.]) nicht erfüllt sind.

6

Durch das vorliegende [X.] ist bewiesen, dass der Prozessbevollmächtigte des [X.] den Beschluss des [X.] am [X.] entgegengenommen hat. Das datierte und unterschriebene [X.] erbringt als öffentliche Urkunde Beweis für die Entgegennahme des darin bezeichneten Schriftstücks als zugestellt und für den Zeitpunkt dieser Entgegennahme. Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit der im [X.] enthaltenen Angaben ist nur geführt, wenn die von dem [X.] ausgehende Beweiswirkung vollständig entkräftet und jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass die Angaben des [X.]ses richtig sind (vgl zur Beweiswirkung des [X.]ses nur [X.] vom [X.] AS 63/08 R - RdNr 12 mwN aus der Rspr der obersten Gerichtshöfe des Bundes). Die Zustellung der angegriffenen Entscheidung erfolgte vorliegend gegen (elektronisches) [X.] (§ 63 Abs 1 Satz 1, [X.] iVm § 173 Abs 3 ZPO). Wie das herkömmliche papiergebundene [X.] erbringt auch das von einem Rechtsanwalt elektronisch abgegebene [X.] gegenüber dem Gericht den vollen Beweis für die Entgegennahme des Dokuments als zugestellt und für den Zeitpunkt dieser Entgegennahme (§ 63 Abs 2 Satz 2 [X.] iVm § 173 Abs 3 Satz 1 ZPO; vgl zum elektronischen [X.] BVerwG vom [X.] - 9 B 2.22 - NJW 2023, 703; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl 2022, § 160a [X.] RdNr 111 ff).

7

Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des im [X.] enthaltenen Datums ist nicht erbracht. Es kann dahinstehen, wie der Vortrag des Prozessbevollmächtigten des [X.], er habe versehentlich ein falsches Datum "angegeben", vor dem Hintergrund der technischen Grundlagen eines elektronische [X.]ses (hierzu [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl 2022, § 160a [X.] RdNr 109 f) zu verstehen ist. Allein durch die Angabe, der Prozessbevollmächtigte habe die Entscheidung erst "einen Tag nach seiner Urlaubsrückkehr" am [X.] zur Kenntnis genommen und durch die Bezugnahme auf den [X.], in dem Beschwerde- und [X.] ausgehend vom Zustelldatum [X.] eingetragen waren, hat der Kläger die von dem [X.] ausgehende Beweiswirkung nicht entkräftet, weil nicht jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass die Angaben des [X.]ses richtig sind.

8

Soweit der Kläger hilfsweise für den Fall, dass seinem Prozessbevollmächtigten die angegriffene Entscheidung am [X.] zugestellt worden ist, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Beschwerde beantragt hat, ist dieser Antrag abzulehnen. Die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 [X.]) sind nicht erfüllt. Anhaltspunkte für eine schuldlose Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde sind nicht ersichtlich. Das Verschulden des Bevollmächtigten des [X.] ist dem Kläger als eigenes Verschulden zuzurechnen (§ 73 Abs 6 Satz 7 [X.] iVm § 85 Abs 2 ZPO).

9

Da die Nichtzulassungsbeschwerde nicht innerhalb der gesetzlichen Frist begründet worden und Wiedereinsetzung nicht zu gewähren ist, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Die Wahrung der Begründungsfrist ist Voraussetzung für eine Sachentscheidung des [X.] (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 [X.]). Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 [X.] ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 [X.].

S. Knickrehm

Siefert

Harich

Meta

B 7 AS 21/23 B

30.05.2023

Bundessozialgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Reutlingen, 2. August 2022, Az: S 10 AS 1163/20, Urteil

§ 160a Abs 2 S 1 SGG, § 63 Abs 1 S 1 SGG, § 63 Abs 2 SGG, § 173 Abs 3 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 30.05.2023, Az. B 7 AS 21/23 B (REWIS RS 2023, 4702)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4702

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 3 KR 2/21 R (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - elektronischer Rechtsverkehr - elektronisches Empfangsbekenntnis - sicherer Übermittlungsweg - besonderes elektronisches Anwaltspostfach …


9 B 2/22 (Bundesverwaltungsgericht)

Beweiswirkung eines elektronischen Empfangsbekenntnisses


B 1 KR 68/19 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Empfangsbekenntnis - Maßgeblichkeit des vom Prozessbevollmächtigten vermerkten Datums


B 12 R 3/19 R (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Versäumung der Revisionsbegründungsfrist - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - Voraussetzung einer …


13 U 92/04 (Oberlandesgericht Köln)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.