Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.08.2010, Az. 3 StR 265/10

3. Strafsenat | REWIS RS 2010, 4031

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Gegenstand

Sexuelle Nötigung: Strafbarkeit bei Vornahme sexueller Handlungen vor dem Täter oder einem Dritten


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 23. Februar 2010 - mit Ausnahme der Adhäsionsentscheidungen - mit den Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zur Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie Entscheidungen im Adhäsionsverfahren getroffen. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit [X.] der Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg; auf die Verfahrensbeanstandung kommt es daher nicht an.

2

1. [X.] hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Feststellungen belegen nicht, dass der Angeklagte bei dieser Tat ein gefährliches Werkzeug im Sinne von § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB verwendet hat.

3

a) Danach zwang der Angeklagte die Nebenklägerin - nachdem er diese geschlagen, beleidigt und vom Bett heruntergeschleudert hatte - unter Vorhalt eines abgebrochenen, scharfkantigen [X.] vor ihr Gesicht dazu, sich eine Spraydose vaginal selbst einzuführen. Als die Geschädigte diesen Gegenstand wieder aus ihrem Körper entfernt hatte, warf der Angeklagte sie erneut auf das Bett und riss ihr den String-Tanga vom Körper. Er setzte sich auf die Geschädigte und führte diesmal eigenhändig die Spraydose für wenige Sekunden gewaltsam in deren Vagina ein.

4

b) Diese Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung nicht. Durch die Nötigung der Nebenklägerin, sich die Spraydose selbst einzuführen, hat der Angeklagte den Qualifikationstatbestand des § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB nicht verwirklicht; denn taugliche [X.] des § 177 StGB sind allein sexuelle Handlungen des [X.] oder eines [X.] an dem Opfer sowie sexuelle Handlungen des Opfers am Täter oder einer dritten Person. Sexuelle Handlungen vor dem Täter (oder einem [X.]) sind hingegen von diesem Tatbestand nicht erfasst (vgl. Fischer, StGB, 57. Aufl., § 177 Rn. 48). In solchen Fällen kommt (lediglich) die Begehung einer Nötigung im besonders schweren Fall gemäß § 240 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 1. Alt. StGB in Betracht. Soweit der Angeklagte im weiteren Fortgang die Dose selbst gewaltsam eingeführt und damit eine Vergewaltigung (§ 177 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB) begangen hat, fehlt es an der Feststellung, dass er bei der Tat - also bei dieser Vergewaltigung - als Nötigungsmittel ein gefährliches Werkzeug verwendet hat. Es lässt sich auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen, dass der Angeklagte, als er die Geschädigte zwang, sich den Gegenstand selbst einzuführen, bereits den Vorsatz zu der nachfolgenden Handlung hatte und deshalb mit der Drohung mit dem abgebrochenen Sektglasstiel bereits zur Begehung der sich anschließenden Vergewaltigung ansetzte; ebenso wenig ist zu erkennen, dass der Angeklagte bei diesem zweiten Übergriff zumindest konkludent erneut mit dem Einsatz des gefährlichen Werkzeugs drohte. Letztlich bleibt auch offen, ob die Geschädigte das Einführen der Dose durch den Angeklagten aufgrund der ursprünglichen oder einer erneuter Drohung mit dem [X.] duldete. Dies versteht sich angesichts der zahlreichen Nötigungshandlungen des Angeklagten und der nach der ersten Handlung veränderten Begleitumstände auch nicht von selbst.

5

Der Senat hält es für möglich, dass in einem neuen Verfahren unter diesen Gesichtspunkten weitere Feststellungen getroffen werden können. Er sieht sich daher gehindert, lediglich den Schuldspruch abzuändern. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt deshalb zur Aufhebung der Verurteilung - auch wegen der [X.] begangenen gefährlichen Körperverletzung. Die - ersichtlich nicht angefochtenen, auf der Grundlage eines Anerkenntnisses des Angeklagten - getroffenen Adhäsionsentscheidungen bleiben hiervon unberührt (vgl. [X.], Urteil vom 28. November 2007 - 2 [X.], [X.]St 52, 96; Beschluss vom 2. Februar 2006 - 4 [X.], [X.], 1890 f.; Urteil vom 8. April 2009 - 5 StR 65/09; [X.], [X.], 53. Aufl., § 406a Rn. 8).

Becker                                                Pfister                                          Sost-Scheible

                              [X.]

Meta

3 StR 265/10

17.08.2010

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Oldenburg (Oldenburg), 23. Februar 2010, Az: 5 Ks 12/09 - 512 Js 42406/09, Urteil

§ 177 Abs 1 StGB, § 177 Abs 4 Nr 1 StGB, § 240 Abs 4 S 2 Nr 1 Alt 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.08.2010, Az. 3 StR 265/10 (REWIS RS 2010, 4031)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4031

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Referenzen
Wird zitiert von

4 StR 581/16

3 StR 265/10

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