Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.06.2014, Az. 2 StR 658/13

2. Strafsenat | REWIS RS 2014, 4854

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2
StR 658/13

vom
17. Juni 2014
in der Strafsache
gegen

wegen
Betrugs u.a.

-
2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 17. Juni 2014
gemäß § 349
Abs. 2 und
4
StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 9. September 2013
mit den Feststellungen aufgehoben
a)
in den Fällen [X.]) 1. bis 29.
der Urteilsgründe,
b)
im Gesamtstrafenausspruch.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.]s zurückver-wiesen.
3.
Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betrugs in 29 Fällen
(Fälle [X.]) 1. bis 29. der Urteilsgründe), in sechs Fällen in Tateinheit mit Urkundenfäl-schung, und wegen [X.] zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt.
Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das
Rechtsmittel hat in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1
-
3
-
1. Die [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getrof-fen:
a) Der Angeklagte zog im September 2011 in die Wohnung von

M.

, die er kurz zuvor über eine Singleplattform im [X.] kennen gelernt hatte. Ihr gegenüber gab er vor, für einen [X.] Konzern im Ölgeschäft tätig und sehr wohlhabend zu sein. Tatsächlich hatte er jedoch

mangels eige-ner Einkünfte

von vornherein vor, nicht nur deren Wohnung als kostenlose Unterkunft für sich zu nutzen, sondern alle in der Folgezeit anfallenden Ausga-ben und Lebenshaltungskosten durch Dritte, insbesondere durch M.

finan-zieren zu lassen.
Zu diesem Zweck verschaffte er sich

die Kreditkartendaten der Firmen-kreditkarte der M.

,
benutzte diese Daten und ihren Namen
und bestellte in insgesamt 29
im Einzelnen dargestellten Fällen jeweils ohne deren Wissen und Erlaubnis Waren bzw. Dienstleistungen,

In sechs Fällen bestätigte der [X.] zusätzlich jeweils den Erhalt der Waren durch Unterzeichnung der [X.] mit dem Namen der Zeugin M.

.
In einem weiteren Fall abonnierte der Angeklagte unter dem Namen der Zeugin M.

und den Kontodaten einer anderen Person bei der Firma N.

-

eine Musik-Flatrate zum Preis von 79,95

des Kontos hat das Unternehmen N.

diesen Betrag nicht einziehen kön-nen.
b) Nach der Wertung des [X.]s täuschte der Angeklagte die mit der Bearbeitung seiner Bestellung jeweils betrauten Mitarbeiter der betroffenen Unternehmen in allen Fällen über seine [X.] eine Be-stellung im [X.] ohne Tätigkeit einer Person automatisch verarbeitet wurde, 2
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beeinflusste der Angeklagte durch die unbefugte Verwendung der Personen-
und Zahlungsdaten den zur Ausführung der Bestellung veranlassten Datenver-

Im

in den Fällen 1-29
entgegen der Annahme der Kammer in einzelnen Fällen die Bearbeitung der Bestellung nicht durch Zwischenschaltung eines Mitarbeiters,
sondern vollautomatisch durch einen Datenverarbeitungsvorgang ausgeführt n-nen, wäre insofern zwar nicht der Tatbestand des Betrugs nach §
263 Abs. 1 StGB, sondern stattdessen der Tatbestand des [X.] gemäß §
263a Abs. 1 StGB

2. Die Verurteilung wegen vollendeten Betrugs in 29 Fällen begegnet durchgreifenden Bedenken.
a) Bereits die Beweiswürdigung, die der Annahme des Tatgerichts zu-grunde liegt, in den Fällen [X.]) 1. bis 29. der Urteilsgründe habe der [X.] jeweils eine natürliche Person getäuscht und nicht nur im Sinne des §
263a StGB auf einen Datenverarbeitungsvorgang eingewirkt, begegnet durchgreifen-den rechtlichen Bedenken. Das Tatgericht stellt insoweit allein darauf ab, dass der Angeklagte in den Fällen [X.]) 3. bis 16. und 19. bis 22. über online-Bestellplattformen diverse Speisen bestellt hat, die entsprechend der übermit-telstellt indes keine hinreichende Tatsachengrundlage für die Schlussfolgerung dar, dass in den genannten Fällen und in den Fällen
[X.]) 1., 2., 17., 18. und 23. bis 29., denen unter anderem Bestellungen von Elektroartikeln und nicht mehr 7
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feststellbaren
Waren oder Dienstleistungen zugrunde lagen, jeweils natürliche Personen getäuscht wurden.
b) Ungeachtet dessen wird eine Täuschung selbst nicht hinreichend be-legt, denn aufgrund der (möglicherweise) bestehenden Garantiefunktion des Kreditkartenausstellers könnte es auch an einer Täuschungshandlung des [X.]n gegenüber Mitarbeitern der [X.]-Versandanbieter fehlen (vgl. da-zu: Trück in [X.]/[X.], Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 49 [X.]. 119).
c) Ebenso wenig hinreichend belegt wird, dass die [X.] einem Irrtum erlegen sind.
Die [X.] hat insoweit die Anforderungen an die beweisrechtliche Grundlage der Feststellung eines täuschungsbedingten [X.] im Sinne von §
263 Abs. 1 StGB verkannt. Die jeweils irrenden Personen ist, dass die Mitarbeiter von [X.]-Versandanbietern eine Bestellung

Vertrauen auf die Berechtigung zur Verwendung der Kreditkartendaten ausfüh-

Den Feststellungen zu den Fällen [X.]) 18., 23. und 24. der Urteilsgründe lässt sich indes schon nicht entnehmen, ob der Angeklagte überhaupt bei [X.] bestellt hat, so dass die Argumentation des [X.]s bereits aus diesem Grunde nicht verfängt.
In den Urteilsgründen ist zudem grundsätzlich festzustellen und darzule-gen, welche irrigen Vorstellungen die Person hatte, die die Verfügung getroffen hat (vgl. [X.], Urteile
vom 5. Dezember 2002

3 [X.], [X.]R StGB §
263 Abs. 1 Irrtum 14,
vom 22. November 2013

3 [X.], [X.], 215, 216
und
vom 22. Mai 2014

4 [X.], NJW 2014, 2132, 2133
mwN); 10
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regelmäßig ist es deshalb erforderlich, die irrende Person zu ermitteln und in der Hauptverhandlung über die tatrelevante Vorstellung zu vernehmen. [X.] kann in Fällen eines normativ geprägten Vorstellungsbildes des [X.] die Vernehmung weniger Zeugen genügen. Belegen deren Anga-ben das Vorliegen eines Irrtums
in den sie betreffenden Fällen, kann auf die Erregung eines Irrtums auch bei anderen [X.] geschlossen werden
(vgl. auch [X.], Urteile
vom 22. November 2013

3 [X.], [X.], 215, 216; vom 22. Mai 2014

4
[X.], NJW 2014, 2132, 2133).
Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht.
Insbesondere vor dem Hinter-grund, dass in den Fällen [X.]) 3.
bis 16.
und 19.
bis 22. der Urteilsgründe
je-weils (mehrfach) nur ein [X.]-Versandanbieter betroffen war, hätte sich [X.] hier die Vernehmung von (wenigen)
Zeugen aufgedrängt, zumal [X.] auch nicht aufgrund des

im Rah-men einer Verständigung nach §
257c StPO abgegebenen

Geständnisses
des Angeklagten getroffen werden können.
d) Nicht nachvollziehbar
dargelegt ist auch, bei wem und gegebenenfalls in welcher Höhe in den Fällen [X.]) 1.
bis 22.
der Urteilsgründe zum maßgebli-chen Zeitpunkt der Verfügung [X.], StGB, 61.
Aufl., § 263 [X.].
111 mwN) ein betrugsrelevanter Schaden eingetreten ist. Nach den landgerichtli-chen Feststellungen erlangte der Angeklagte Waren und Dienstleistungen im Gesamtwert vo.

wurde in den Fällen [X.]) 1.
bis 22. der Urteilsgründe

e-

Damit ist weder dargetan, dass ein Vermögensschaden bei den (mög-licherweise) getäuschten [X.]-Versandanbietern eingetreten ist, noch ob die vorgenommenen Verfügungen [X.], aaO, [X.]. 14
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7
-
82 ff.) einem geschädigten
Dritten
zuzurechnen sind.
Die bloße Feststellung einer Tathandlung im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB und einer Vermögensschä-digung bei

möglicherweise

verschiedenen Beteiligten genügt nicht. [X.] sind vielmehr (nur) diejenigen Vermögensschädigungen,
die für sich genommen unmittelbare Folge einer vermögensrelevanten Verfügung sind; diese Vermögensverfügung muss ihrerseits unmittelbar durch die Tathandlung beeinflusst sein.
Die neu zur Entscheidung berufene [X.] wird in diesem Zu-sammenhang deshalb eingehender als bislang geschehen darzustellen haben, welche spezifische Form der Zahlung durch die Nutzung der Kreditkartendaten durch den (dazu nichtberechtigten) Angeklagten vorliegt (vgl. dazu Trück in [X.]/[X.], aaO, § 49 [X.]. 61, 109 ff., 119 ff.; [X.], StGB, 61. Auf., § 263a [X.]. 12a, 15 f., jeweils
mwN). Gegebenenfalls wird zu erwä-gen sein, ob sich der Angeklagte (tateinheitlich) gemäß §§
269, 270 StGB straf-bar gemacht hat.

e) Die
aufgezeigten
Mängel führen zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen Betrugs in 29 Fällen, was auch die Aufhebung der

für sich genommen rechtsfehlerfreien

tateinheitlichen
Verurteilungen
wegen Urkundenfälschung in den Fällen [X.]) 23. bis 28. der Urteilsgründe nach sich zieht (vgl. auch Geri-cke in [X.], 7. Aufl., § 353 [X.]. 12 mwN).
3. Der Schuldspruch wegen [X.] im Fall [X.]) 30. der [X.] hält hingegen rechtlicher Nachprüfung Stand. Der Vorgang und die Abwicklung erfolgten ausweislich der Urteilsfeststellungen automatisch ohne unmittelbare Prüfung durch eine natürliche Person (vgl. auch [X.], Beschluss vom 12. Februar 2008
-
4 [X.], [X.], 1394, 1395; [X.] in 16
17
18
-
8
-
Leipziger Kommentar, StGB, 12.
Aufl., § 263a [X.]. 58
mwN).
Das Unterneh-men N.

hat dadurch auch einen Schaden erlitten.
4. Die Aufhebung des Urteils in den Fällen [X.]) 1. bis 29. der [X.] entzieht den insoweit verhängten Einzelstrafen die Grundlage und hat die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs zur Folge.
Die neu zur Entschei-dung
berufene [X.] wird die Vorschrift des
§
267 Abs. 3 Satz 4 StPO zu beachten haben. Im Übrigen sind auch aus materiell-rechtlichen Gründen Ausführungen im Urteil zur Strafaussetzung zur Bewährung jedenfalls dann er-forderlich, wenn eine Erörterung dieser Frage als Grundlage für die revisionsge-richtliche Nachprüfung geboten ist ([X.],
Beschluss vom 8. Juni 2011

4 [X.], [X.], 728 mwN).
Appl Krehl Eschelbach

Ott Zeng
19

Meta

2 StR 658/13

17.06.2014

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.06.2014, Az. 2 StR 658/13 (REWIS RS 2014, 4854)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4854

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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3 StR 162/13

4 StR 430/13

4 StR 111/11

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