Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.02.2014, Az. 3 StR 178/13

3. Strafsenat | REWIS RS 2014, 7715

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Gegenstand

Mitbestrafte Nachtat: Überweisung mittels gefälschten Überweisungsträgers und anschließende unbefugte Abhebung des überwiesenen Betrages


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 14. Januar 2013 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug oder Computerbetrug, wegen [X.] sowie wegen versuchten [X.] in fünf Fällen verurteilt ist.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug oder Computerbetrug, [X.] in zwei Fällen sowie versuchten [X.] in fünf Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

2

Nach den vom [X.] rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen versuchte der Angeklagte in zwei Fällen, durch die Einreichung gefälschter Überweisungsträger die jeweiligen Banken zu veranlassen, ohne Wissen der Kontoinhaber Überweisungen auf Fremdkonten vorzunehmen, für die er sich wiederum ohne Wissen ihrer Inhaber EC-Karten und [X.] verschafft hatte. Er hatte die Absicht, die - nach seiner Vorstellung nach maschineller Bearbeitung - überwiesenen Beträge nach der Gutschrift von den [X.] abzuheben und für eigene Zwecke zu verwenden. Die Überweisungen wurden allerdings nicht ausgeführt (Fälle [X.]) (1) und (2) der Urteilsgründe). In drei weiteren Fällen versuchte er, an Geldautomaten Gelder abzuheben, die durch Dritte in der beschriebenen Weise auf die jeweiligen Konten überwiesen worden waren. Dies misslang (Fälle [X.]) (3), (4) und (5) der Urteilsgründe). Schließlich reichte er am 27. September 2011 bei der Bank fünf mit gefälschter Unterschrift versehene Überweisungsträger zu Lasten des Kontos der [X.] ein, mit denen insgesamt rund 5.000 € auf das Konto eines anderen Kunden überwiesen und dort gutgeschrieben wurden. Ob die Überweisung nach Prüfung durch einen Bankmitarbeiter oder maschineller Überprüfung durchgeführt wurde, konnte nicht festgestellt werden (Fall [X.]) (1) der Urteilsgründe). Der Angeklagte beabsichtigte, die Beträge vom Konto des Kunden abzuheben, dessen EC-Karte und PIN er sich auf unbekanntem Wege verschafft hatte. Diesen Entschluss setzte er noch am gleichen Tag um, indem er im Abstand von einer Minute vom selben Geldautomaten einmal 550 € und einmal 450 € abhob (Fälle [X.]) (2) und (3) der Urteilsgründe).

3

Das [X.] hat den Fall [X.]) (1) der Urteilsgründe als Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug oder Computerbetrug und die Fälle [X.]) (2) und (3) der Urteilsgründe jeweils als Computerbetrug gewertet. Zur [X.] der von ihm angenommenen Tatmehrheit hat es u.a. ausgeführt, dass durch die jeweiligen Taten zwar allein die Bank geschädigt sei. Dennoch sei das Abheben des Geldes keine mitbestrafte [X.] zu der vorangegangenen manipulierten Überweisung, da hierdurch die zunächst durch das Überweisen verursachte schadensgleiche Vermögensgefährdung der Bank zum Schaden vertieft worden sei.

4

Die Verurteilung wegen versuchten [X.] in den Fällen [X.]) (1) bis (5) der Urteilsgründe sowie wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug oder Computerbetrug im Fall [X.]) (1) der Urteilsgründe begegnet keinen durchgreifenden sachlichrechtlichen Bedenken. Im Ergebnis zu Recht hat das [X.] auch angenommen, dass die letztgenannte Tat zu dem als Computerbetrug gewerteten nachträglichen Abheben des Geldes in den Fällen [X.]) (2) und (3) im Verhältnis der Tatmehrheit steht. Dagegen hält der Schuldspruch wegen zweifachen Computerbetrugs in den Fällen [X.]) (2) und (3) der Urteilsgründe rechtlicher Überprüfung nicht stand. Der ausdrücklichen Erörterung bedürfen lediglich die folgenden Gesichtspunkte:

5

1. Die Urteilsgründe belegen nicht, dass der Angeklagte sich in den Fällen [X.]) (2) und (3) der Urteilsgründe wegen zweier Fälle des [X.] (§ 263a Abs. 1 StGB) strafbar gemacht hat.

6

a) Nach den Feststellungen hob der Angeklagte mit der auf unbekannte Weise erlangten EC-Karte des Kontoinhabers am gleichen Bankautomaten um 16.52 Uhr 550 € und um 16.53 Uhr 450 € von dem Konto ab, auf dem die nicht autorisierten Überweisungen gutgeschrieben worden waren. Auf dieser Tatsachengrundlage erweist sich die konkurrenzrechtliche Beurteilung der beiden Abhebungen als zwei selbständige Taten als nicht tragfähig. Vielmehr stellen sich die einzelnen, in kurzem zeitlichen Abstand getätigten Zugriffe an ein und demselben Geldautomaten nicht als selbständige Taten, sondern als in natürlicher Handlungseinheit stehende Teile einer einheitlichen Tat nach § 263a Abs. 1 StGB dar ([X.], Beschlüsse vom 1. Februar 2011 - 3 StR 432/10, juris Rn. 19; vom 24. Juli 2012 - 4 StR 193/12, [X.], 13). Mithin liegt lediglich ein Computerbetrug vor.

7

b) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. Dem steht § 265 StPO nicht entgegen, weil der Angeklagte sich gegen den abweichenden Tatvorwurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

8

c) Damit entfällt eine der beiden Einzelstrafen von 60 Tagessätzen zu je 1 €. Der [X.] hat dennoch Bestand. Die bloße Korrektur des [X.] hat keine Verringerung des Tatunrechts und des [X.] in seiner Gesamtheit zur Folge ([X.], Beschluss vom 30. März 2004 - 4 StR 529/03, [X.], 417, 418). Der Senat schließt deshalb aus, dass das [X.] vor dem Hintergrund der verbleibenden Einzelstrafen von einem Jahr und neun Monaten, [X.] acht Monaten und 60 Tagessätzen die Gesamtstrafe ohne die Verhängung einer weiteren Einzelstrafe von 60 Tagessätzen milder als geschehen zugemessen hätte (§ 354 Abs. 1 StPO analog).

9

2. Bei den Fällen [X.]) (1) der Urteilsgründe - Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug oder Computerbetrug - einerseits und [X.]) (2) und (3) der Urteilsgründe - Computerbetrug - andererseits handelt es sich um zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB) stehende, materiellrechtlich selbständige Straftaten, die insbesondere nicht als mitbestrafte Vor- oder [X.] hinter die jeweils andere zurücktreten.

a) Der durch das Abheben des Geldes verwirklichte Computerbetrug bleibt nicht als mitbestrafte [X.] straflos.

aa) Die mitbestrafte [X.] ist eine selbständige, den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllende rechtswidrige und schuldhafte Handlung, durch die der Täter den Erfolg der Vortat oder die durch diese erlangte Position sichert, ausnutzt oder verwertet. Sie bleibt straflos, wenn die Bewertung des konkreten Sachverhalts ergibt, dass dieser nachfolgenden, an sich strafbaren Handlung wegen ihres inneren - funktionalen - Zusammenhangs mit der (Vor-) Haupttat kein eigener Unwertgehalt zukommt, so dass auch kein Bedürfnis besteht, sie neben der Haupttat selbständig zu bestrafen. Voraussetzung für die Straflosigkeit der [X.] ist, dass die Geschädigten der beiden Straftaten identisch sind, die [X.] kein neues Rechtsgut verletzt und der Schaden qualitativ nicht über das durch die Haupttat verursachte Maß hinaus erweitert wird ([X.], Urteil vom 18. Juli 2007 - 2 StR 69/07, [X.], 396 mwN).

bb) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die durch das Einreichen gefälschter Überweisungsträger veranlasste Überweisung vom Konto der [X.] auf das des anderen Bankkunden führte bei der [X.] einen Vermögensschaden im Sinne der §§ 263, 263a StGB herbei. Es kann dahinstehen, ob bereits durch diese Transaktion daneben auch die Bank einen strafrechtlich relevanten Schaden erlitt. Diese wurde jedenfalls (endgültig bzw. vertiefend) durch das unbefugte Abheben des Geldes geschädigt. Ob der betreffende Kontoinhaber beim Abheben des Geldes in der hiesigen Fallkonstellation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass seinem Konto zunächst ein Geldbetrag gutgeschrieben und dieser sodann abgehoben wird, neben der Bank als Geschädigter anzusehen ist, bedarf somit keiner Entscheidung. Im Einzelnen:

(1) Mit dem Überweisungsauftrag erhält die Bank den Auftrag, zu Lasten des Girokontos des [X.] eine Gutschrift auf einem Empfängerkonto zu bewirken. Bei hausinternen Überweisungen erfolgt dies durch eine bankinterne Verrechnung, bei der der Betrag dem Empfängerkonto gutgeschrieben wird. Das Buchgeld verbleibt dabei, da ein weiteres Kreditinstitut auf Seiten des Empfängers der Gutschrift nicht beteiligt ist, bei der überweisenden Bank (vgl. [X.] in Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., [X.]/[X.], § 49 Rn. 43). Zwar erwirbt der Empfänger mit der Gutschrift auf seinem Konto, die ein abstraktes Schuldversprechen begründet, einen Anspruch gegen die Bank auf Auszahlung des Betrages. Doch ist die Bank damit nicht der Gefahr einer zweifachen Forderung - durch den Inhaber des [X.] wie den des [X.] - hinsichtlich des selben Betrages ausgesetzt. Denn ihr steht bei Fehlbuchungen nach [X.] ein Stornorecht zu, das sie ohne Beteiligung des Inhabers des Kontos, dem der Betrag fälschlicherweise gutgeschrieben wurde, ausüben kann; diese Rückbuchung beseitigt den materiellen Anspruch des Kontoinhabers aus dem abstrakten Schuldversprechen ([X.], Beschlüsse vom 8. November 2000 - 5 [X.], [X.]St 46, 196, 201 f.; vom 6. März 2012 - 4 [X.], [X.], 407, 408). Durch die nicht autorisierte Überweisung wegen eines möglichen Zugriffs des [X.] auf das [X.] tritt somit allenfalls eine Vermögensgefährdung für die Bank ein (vgl. [X.], Beschlüsse vom 17. Oktober 1995 - 1 [X.], [X.], 203; vom 24. April 2007 - 4 [X.], [X.], 236 f.; vgl. auch Beschluss vom 6. März 2012 - 4 [X.], [X.], 407, 408). Ob diese nach den Vorgaben aus der Rechtsprechung des [X.] ([X.], Beschlüsse vom 10. März 2009 - 2 BvR 1980/07, [X.], 2370; vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., NJW 2010, 3209) bereits einen Schaden im Sinne der Tatbestände des Betrugs bzw. Computerbetrugs darstellt, erscheint zweifelhaft. Einen insoweit relevanten Vermögensschaden erleidet die Bank aber spätestens dann, wenn das Geld - wie vorliegend - vom Täter an einem Geldautomaten vom Empfängerkonto abgehoben wird. Denn das am Geldautomaten abgehobene Bargeld wird aus dem Vermögen des Geldinstituts ausgefolgt; ein Aufwendungsersatzanspruch gegenüber dem Kontoinhaber hat die Bank bei unberechtigten Abhebungen nicht ([X.], Urteil vom 18. Juli 2007 2 StR 69/07, [X.], 396, 397).

(2) Durch die mittels eines gefälschten Überweisungsträgers veranlasste Überweisung von ihrem Konto entstand (auch) der [X.] ein Schaden im Sinne der §§ 263, 263a StGB. Zwar wird das Vermögen des Inhabers des [X.] durch die Fehlbuchung materiell nicht vermindert, da er seinen Anspruch aus dem Bankguthaben nicht verliert. Daneben kann er jederzeit - unter Einhaltung der Frist des § 676b Abs. 2 BGB - nach § 675u Satz 2 BGB eine Wiederherstellung seines Kontostandes verlangen. Dennoch entsteht ihm in Höhe des überwiesenen Betrages ein faktischer, messbarer wirtschaftlicher Nachteil. Der Inhaber des [X.] trägt nämlich das Risiko, die Fehlbuchung überhaupt zu bemerken, um eine Wiederherstellung seines Kontostandes verlangen zu können. Bis dahin weist sein Konto einen um den abgebuchten Betrag verminderten Kontostand auf, was - wenn auch nur vorübergehend - seine Bonität berührt und ihn jedenfalls faktisch daran hindert, über diesen Betrag zu disponieren ([X.], Beschluss vom 22. Januar 2013 - 1 StR 416/12, [X.]St 58, 119, 127). Das "Buchgeld" ist - solange die Wiedergutschrift aussteht - für den Kontoinhaber nicht verfügbar ([X.], Urteil vom 19. Juli 2001 - [X.]/00, NJW 2001, 3190, 3191). Die unberechtigte Kontobelastung kann im weiteren Verlauf auch zu Folgeschäden führen, etwa dadurch, dass die Bank einen begebenen Scheck nicht einlöst, einen Wechsel zu Protest gehen lässt oder eine Überweisung nicht ausführt, so dass sich der Kontoinhaber seinerseits Regressansprüchen ausgesetzt sehen kann ([X.], Urteil vom 10. Juli 2001 - [X.]/00, NJW 2001, 3183, 3184).

b) Umgekehrt erweist sich die manipulierte Überweisung des Geldbetrages nicht im Verhältnis zum späteren unbefugten Abheben als mitbestrafte Vortat.

Eine straflose mitbestrafte Vortat liegt vor, wenn diese das notwendige oder regelmäßige Mittel zur Haupttat ist. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben; denn das unbefugte Abheben des Geldes von einem Konto erfordert nicht notwendigerweise oder regelmäßig, dass auf dieses Konto zuvor von einem anderen mittels eines gefälschten Überweisungsträgers ein Geldbetrag überwiesen wurde.

c) Da der Angeklagte nach alldem mit der manipulierten Überweisung eine Straftat - jedenfalls auch - zum Nachteil der [X.] als Inhaberin des [X.] und mit dem Abheben des Geldes am Bankautomaten eine weitere Straftat mit einem eigenständigen Unwertgehalt - jedenfalls auch - zum Nachteil der Bank begangen hat, hat er sich wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug oder Computerbetrug (zur Zulässigkeit der Wahlfeststellung zwischen Betrug und Computerbetrug vgl. [X.], Beschluss vom 12. Februar 2008 - 4 [X.], [X.], 281, 282) sowie wegen eines nachfolgenden [X.] strafbar gemacht (zum entsprechend zu bewertenden Verhältnis zwischen betrügerischer [X.] und nachfolgenden Computerbetrug vgl. [X.], Urteil vom 18. Juli 2007 - 2 StR 69/07, [X.], 396, 397).

3. Der geringe Teilerfolg der Revision rechtfertigt eine Ermäßigung der Gebühr und die Auferlegung eines Teils der Auslagen auf die Staatskasse nach § 473 Abs. 4 StPO nicht.

[X.]

              Gericke                    Spaniol

Meta

3 StR 178/13

20.02.2014

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Düsseldorf, 14. Januar 2013, Az: 1 KLs 6/12

§ 52 StGB, § 53 StGB, § 263 StGB, § 263a StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.02.2014, Az. 3 StR 178/13 (REWIS RS 2014, 7715)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7715

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