Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.09.2005, Az. 5 StR 263/05

5. Strafsenat | REWIS RS 2005, 1739

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5 [X.]/05
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 21. September 2005 in der Strafsache gegen

wegen Steuerhinterziehung u. a.

- 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 21. September 2005 beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 31. Januar 2005 gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben

a) im Strafausspruch in den Fällen 13 bis 24 der Urteils-gründe,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.]s zurückverwiesen.
[X.]e

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in zwölf Fällen und wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in zwölf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete, mit Verfahrensrügen und der näher ausgeführten Sachrüge geführte Revision hat nur in dem aus dem [X.] ersicht-lichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 StPO.
- 3 -
1. Die gegen den Schuldspruch vorgebrachten Einzelbeanstandungen sind aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] vom 3. August 2005, die durch die Gegenerklärung nicht entkräftet werden, unbe-gründet; auch im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass innerhalb derselben Tatzeiträume zwischen der Lohnsteuerhinterziehung (§ [X.]) einerseits und dem Vorenthalten von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) anderer-seits Tatmehrheit gemäß § 53 StGB vorliegt (vgl. [X.]St 35, 14; [X.], 235). Soweit in der Literatur teilweise die Ansicht vertreten wird (vgl. [X.] wistra 2005, 211; [X.] 2004, 90, 95), der Senat hätte in seiner Entscheidung vom 12. Februar 2003 [X.] 5 [X.] (wistra 2003, 262, 266) diese Rechtsprechung aufgeben wollen, beruht dies auf einem unzutreffenden Verständnis des Beschlusses. Der dort (im letzten Absatz) gegebene Hinweis betraf nicht das Konkurrenzverhältnis zwischen (Lohn-) Steuerhinterziehung und Vorenthalten von Arbeitsentgelt. Vielmehr wird ausgeführt, dass es für die Meldepflichten des Arbeitgebers [X.] gegen-über der sozialversicherungsrechtlichen Einzugsstelle einerseits und dem Finanzamt andererseits [X.] unerheblich ist, ob sie aus einem vertraglich be-stehenden oder aus einem nach § 10 Abs. 1 [X.] fingierten Arbeitsverhältnis herrühren; damit hat der Senat lediglich klargestellt, dass allein der Umstand, dass ein Arbeitgeber den Meldepflichten sowohl für seine (vertraglichen) Ar-beitnehmer als auch für die Arbeitnehmer, die zu ihm aufgrund gesetzlicher Fiktion in einem Arbeitsverhältnis stehen, nicht nachkommt, konkurrenzrecht-lich für sich genommen und jenseits der sonstigen Voraussetzungen nicht zur Annahme von Tatmehrheit führt.

2. Zum Strafausspruch hat die Revision nur teilweise Erfolg. Der Ge-neralbundesanwalt hat insoweit ausgeführt:
- 4 -
—Die Strafzumessung in den Fällen 13 bis 24 der Urteilsgründe kann – keinen Bestand haben. Das Urteil lässt nicht erkennen, ob das [X.] berücksichtigt hat, dass der Angeklagte Beiträge von Kommanditisten zur freiwilligen Krankenversicherung an die Krankenkassen abgeführt hat.

Allerdings ist eine erschöpfende Aufzählung aller in Betracht [X.] weder vorgeschrieben noch möglich. Daraus, dass ein für die Strafzumessung bedeutsamer Umstand nicht aus-drücklich angeführt worden ist, kann nicht ohne weiteres geschlossen wer-den, der Tatrichter habe ihn überhaupt nicht gesehen oder nicht gewertet (st. Rspr.; vgl. Senat in [X.]R StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 17 und Urteil vom 12. Mai 2005 [X.] 5 StR 86/05). Dies gilt grundsätzlich auch für den von der Revision angeführten Umstand der [X.].

Es liegt jedoch ein sachlichrechtlicher Fehler vor, wenn in den [X.] Umstände außer [X.] gelassen werden, die für die Beurteilung des Unrechts- und Schuldgehalts und damit der Schwere der Tat von besonderer Bedeutung sind, deren Einbeziehung in die [X.] deshalb nahe lag (vgl. [X.], Urteile vom 24. Juni 1982 [X.] 4 StR 218/82 [X.] und vom 7. Juli 1983 [X.] 4 StR 222/83; Tröndle/[X.], StGB, 52. Aufl. § 46 Rdn. 106). So liegt der Fall hier.

§ 266a StGB schützt in erster Linie das Interesse der [X.] an der Sicherstellung des Aufkommens der Mittel für die Sozialversi-cherung (vgl. [X.]. 10/5058 S. 31; [X.], NJW 2003, 961; [X.], [X.], 2993, 2994; [X.], wistra 1986, 154, 155).

Da dieses Aufkommen nicht gefährdet ist, soweit Dritte [X.] z. B. Subun-ternehmer [X.] aufgrund einer mit dem Arbeitgeber getroffenen Vereinbarung die betroffenen Arbeitnehmer bei den zuständigen Kassen angemeldet und fristgerecht Beiträge an die zuständige Einzugsstelle abgeführt haben, [X.] diese Zahlungen dem Arbeitgeber zugute kommen, obwohl er selbst - 5 - keine Beiträge abgeführt hat (vgl. [X.], [X.], 464, 465; insoweit nicht abgedruckt in [X.]R StGB § 266a Arbeitgeber 2 und Sozialabgaben 5). Sol-che Zahlungen lagen hier zwar nicht vor. Sorgt aber [X.] wie hier [X.] der [X.] dafür, dass die Arbeitnehmer als freiwillige Mitglieder in der gesetzli-chen Krankenversicherung (vgl. § 9 SGB V) versichert werden, und zahlt er absprachegemäß die Krankenversicherungsbeiträge für die freiwillige Mit-gliedschaft, indem er die Beiträge vom Lohn der Arbeitnehmer einbehält und an die Krankenkasse abführt, ist das Aufkommen der Mittel für die Sozialver-sicherung in Höhe der Krankenversicherungsbeiträge ebenfalls nicht gefähr-det, denn zuständige Einzugsstelle für den Gesamtsozialversicherungsbei-trag ist die Krankenkasse, von der die Krankenversicherung durchgeführt wird (vgl. § 28i [X.]). Die Tatsache, dass der Arbeitgeber gemäß § 28e Abs. 1 [X.] erst im Rückgriff seine Leistungen vom Bruttoarbeitslohn des Arbeitnehmers abziehen darf (vgl. Senat, NJW 2002, 2480), ändert an die-sem Ergebnis nichts.

Die Krankenkassenbeiträge machen einen erheblichen Teil der Ar-beitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung im Sinne des § 266a Abs. 1 StGB aus. Vom Arbeitgeber veranlasste Beitragszahlungen für die freiwillige Mit-gliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung sind daher für die Beur-teilung des Unrechts- und Schuldgehalts und damit der Schwere der Tat von erheblicher Bedeutung. Da das [X.] hier die Strafzumessung aus-drücklich an der [X.] im Einzelfall™ orientiert ([X.]) und dabei die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich des Anteils für die Krankenversicherung herangezogen hat, stellt die Nichterörterung des Umstandes, dass der Angeklagte für ‡einen Teil der Beschäftigten abspra-chegemäß die Krankenversicherungsbeiträge an die jeweiligen Krankenkas-sen abgeführt und hierdurch [X.] ein Arbeitgeber zum Versicherungsschutz der Arbeitnehmer beigetragen hat ([X.]), einen Erörterungsmangel dar.

Es kann letztlich nicht ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler beruht (§ 337 StPO), denn den Urteilsgründen ist nicht - 6 - zu entnehmen, in welcher Höhe der Angeklagte, der ‡in zahlreichen Fällen dafür gesorgt hatte, dass die Kommanditisten als freiwillige Mitglieder kran-kenversichert waren ([X.]), für diese Krankenkassenbeiträge zur ge-setzlichen Krankenversicherung abgeführt hat. Aus demselben Grund kann auch nicht beurteilt werden, ob die verhängten Einzelstrafen trotz des Rechtsfehlers im Sinne von § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO angemessen sind.fi

Dem schließt sich der Senat an. Die somit gebotene Aufhebung der in den Fällen 13 bis 24 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.

[X.] Gerhardt Brause Schaal

Meta

5 StR 263/05

21.09.2005

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.09.2005, Az. 5 StR 263/05 (REWIS RS 2005, 1739)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 1739

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