Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.12.2006, Az. VI ZR 188/05

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 319

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/05 Verkündet am: 12. Dezember 2006 [X.], Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja BGB § 249 Hd Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Erstattung von Anwaltskosten für ein [X.] außerhalb des Wettbewerbsrechts (hier: unerbetene E-Mail-Werbung) verlangt werden kann. [X.], Urteil vom 12. Dezember 2006 - [X.]/05 - [X.]

AG [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. [X.] und [X.] [X.], [X.], Pauge und [X.] für Recht erkannt: Die Revision gegen das Urteil der Zivilkammer 15 des [X.] vom 30. August 2005 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand: Der Kläger ist Rechtsanwalt und macht die Gebühren aus einem sich selbst erteilten Mandat für ein sog. [X.] im außerwettbewerbs-rechtlichen Bereich geltend. 1 Der Kläger erhielt von der Beklagten per E-Mail eine unerbetene [X.], die er in seiner Kanzlei öffnete. Nach erfolgloser Abmahnung erwirkte er beim [X.] eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung solcher [X.]. Die einstweilige Verfügung wurde der Beklagten am 30. April 2004 zuge-stellt. 2 - 3 - Nachdem die Beklagte ihren zunächst eingelegten Widerspruch zurück-genommen hatte, forderte der Kläger sie mit Schreiben vom 6. September 2004 auf, zur Vermeidung einer [X.] die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anzuerkennen ([X.]). Dem kam die [X.] am 14. September 2004 nach, weigerte sich jedoch, an den Kläger für das [X.] Anwaltsgebühren in Höhe von 644,50 • bezahlen. Der Kläger machte daraufhin diesen Betrag (nebst 2 • für das in einem zuvor durchgeführten Mahnverfahren benutzte Formular) erfolgreich vor dem Amtsge-richt geltend. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das Ur-teil des Amtsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision erstrebt der Kläger weiterhin die [X.] der Beklagten. 3 Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht ([X.] 2006, 946; zustimmend [X.] in: [X.], § 12 Rn. 122.1) hat Ansprüche des [X.] auf Schadensersatz gemäß den §§ 823, 249 BGB und auf Aufwendungsersatz gemäß den Regeln einer Geschäftsführung ohne Auftrag verneint. Die Rechtsprechung des [X.] zu wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen sei zu [X.]. Bei typischen, unschwer zu erkennenden und zu verfolgenden Rechtsver-letzungen habe der Betroffene seine eigene Sachkunde einzusetzen. Dies gelte auch bei [X.] außerhalb des Wettbewerbsrechts. Für den kla-genden Rechtsanwalt - der vor dem Berufungsgericht schon mehrfach als [X.] oder Prozessbevollmächtigter in ähnlichen Fällen aufgetreten sei - sei es 4 - 4 - nicht erforderlich gewesen, hiermit einen anderen Anwalt zu beauftragen. Es bestehe deshalb auch bei einem Selbstauftrag kein Gebührenanspruch. I[X.] 5 Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision stand. Das [X.] hat einen Erstattungsanspruch des [X.] für das Abschluss-schreiben vom 6. September 2004 ohne Rechtsfehler verneint. Ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch besteht nicht. Das [X.] ist nicht mehr Bestandteil desselben, sondern bereitet (für den Fall des Misserfolgs) die [X.] vor (vgl. [X.], Urteil vom 2. März 1973 - [X.] - NJW 1973, 901, 902 "[X.]"; [X.] aaO, § 12 Rn. 120; Hefer-mehl/[X.]/[X.], Wettbewerbsrecht, 24. Auflage, § 12 Rn. 3.73; [X.], [X.], 5. Auflage, [X.]. 58 Rn. 40; [X.] in: [X.], [X.], § 12 Rn. 154). Zu einer [X.] ist es im hier zu ent-scheidenden Fall nicht gekommen. 6 Ebenso wenig hat die Beklagte nach materiellem Recht die Anwaltsge-bühren des [X.] zu tragen. 7 1. Einen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch, der sich aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG analog (so [X.]/[X.]/[X.] aaO, § 12 Rn. 1.78; [X.] aaO, [X.]. 58 Rn. 40; [X.], [X.], 740, 741) oder aus § 9 UWG (so [X.] in: [X.] aaO, § 9 Rn. 154) ergeben könnte, hat das Be-rufungsgericht ohne Rechtsfehler nicht in Erwägung gezogen. Der Kläger ge-hört nicht zu dem in § 8 Abs. 3 UWG in der Fassung vom 8. Juli 2004 (§ 22 8 - 5 - UWG) genannten Kreis der Anspruchsberechtigten; er ist insbesondere kein Mitbewerber im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. 9 2. Ein materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch außerhalb des Wettbewerbsrechts besteht ebenfalls nicht. Das Berufungsgericht hat einen An-spruch des [X.] aus §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB in rechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint. Zwar gehören zu den nach § 249 Abs.1 BGB zu ersetzenden Kosten der Rechtsverfolgung grundsätzlich auch die Kosten eines mit der Sache befassten Rechtsanwalts. Ein Schädiger hat nach ständiger Rechtsprechung jedoch nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis (hier: die unerbetene Werbemail - "Spam") adäquat verursachten Anwaltskosten zu ersetzen, sondern nur sol-che, die aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation (sogenannte "subjektbezogene Schadensbetrachtung"; vgl. Senat, [X.] 66, 239, 245, 248 f.; 115, 364, 369; 155, 1, 5; 163, 362, 365; Ur-teil vom 7. Dezember 2004 - [X.] ZR 119/04 - [X.], 381) zur Wahrneh-mung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (vgl. Senat, [X.] 127, 348, 350 f.; Urteil vom 10. Januar 2006 - [X.] ZR 43/05 - [X.], 521, 522, jeweils m.w.[X.]). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. 10 a) Bei einer Abmahnung ist nach der Rechtsprechung des [X.] zum Wettbewerbsrecht die (Selbst-) Beauftragung eines Anwalts we-der unter dem Gesichtspunkt einer Geschäftsführung ohne Auftrag noch unter schadensersatzrechtlichen Aspekten erforderlich, wenn der Abmahnende in typischen, unschwer zu verfolgenden Wettbewerbsverstößen selbst über eine hinreichende eigene Sachkunde zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung verfügt (vgl. [X.], Urteil vom 6. Mai 2004 - [X.] - NJW 2004, 2448 "Selbst-auftrag"). Eine solche Sachkunde wird vom Gesetzgeber insbesondere bei [X.] - 6 - bei Einrichtungen im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 UWG bejaht (vgl. Begr. [X.] UWG-Novelle 2004, [X.]. 15/1487, [X.], zu § 12 Abs. 1). Das ent-spricht der Rechtsprechung (vgl. [X.], Urteil vom 12. April 1984 - [X.] - NJW 1984, 2525 "Anwaltsabmahnung"), die auch größeren Wirtschaftsunter-nehmen mit eigener Rechtsabteilung und Rechtsanwälten im Fall der eigenen Betroffenheit regelmäßig zumutet, Abmahnungen selbst auszusprechen (vgl. [X.], Urteil vom 6. Mai 2004 - [X.] - aaO; OLG Düsseldorf MMR 2006, 559, 560; [X.]/[X.]/[X.], Wettbewerbsrecht, 24. Auflage, § 9 Rn. 1.29 und § 12 Rn. 1.93; [X.], aaO, § 12 Rn. 29; [X.] in: [X.], UWG, § 12 Rn. 85; [X.], Wettbewerbs-recht, Rn. 156). In Teilen der Literatur ([X.], aaO, § 12 Rn. 122.1; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., [X.]. 43 Rn. 32; [X.]/[X.]/[X.], aaO, § 12 Rn. 3.73; [X.]/[X.], UWG, 4. Aufl., § 12 Rn. 184; [X.] in: [X.], aaO, § 12 Rn. 665; Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl., Rn. 815) und Recht-sprechung (KG [X.]R 1999, 1409) wird außerdem vertreten, dass für ein sog. [X.] Gleiches gelte. Das ist hier jedoch nicht abschließend zu entscheiden. Wie bereits erwähnt ist der Kläger nicht nach §§ 2 Abs. 1 Nr. 3, 8 Abs. 3 UWG anspruchsberechtigt und das Gesetz gegen den unlauteren Wett-bewerb auf den zur Entscheidung stehenden Sachverhalt nicht anzuwenden. b) Auch außerhalb des Wettbewerbsrechts ist es nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats grundsätzlich nicht erforderlich, schon für die erstmalige Geltendmachung des Schadens gegenüber dem Schädiger einen Anwalt hinzuzuziehen, wenn - wie hier - in einem einfach gela-gerten Schadensfall die Verantwortlichkeit für den Schaden und damit die [X.] von vornherein nach Grund und Höhe derart klar ist, dass aus der maßge-benden Sicht des Geschädigten kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass der Schädiger ohne weiteres seiner Ersatzpflicht nachkommen werde. In 12 - 7 - derart einfach gelagerten Fällen ist der Geschädigte - insbesondere wenn er selbst sachkundig ist - grundsätzlich gehalten, den Schaden zunächst selbst geltend zu machen, so dass sich die sofortige Einschaltung eines Anwalts nur unter besonderen Voraussetzungen als erforderlich erweisen kann, etwa wenn der Geschädigte aus Mangel an geschäftlicher Gewandtheit oder sonstigen Gründen wie Krankheit oder Abwesenheit nicht in der Lage ist, den Schaden selbst anzumelden (vgl. Senat, [X.] 127, 348, 351 f.; Urteil vom 12. Dezember 2006 - [X.] ZR 175/05 - zur [X.] bestimmt). Nach diesen Grundsätzen ist es nicht zu beanstanden, dass das [X.] im hier zu entscheidenden Fall dem Kläger einen Anspruch auf Erstattung versagt hat (vgl. KG [X.]R 1999, 1409; Teplitzky, aaO, [X.]. 43 Rn. 32 Fußnote 120). Entgegen der Ansicht der Revision führt auch der Ge-sichtspunkt des "[X.]s" nicht zu einer anderen Beurteilung. Als "[X.]" im außerwettbewerbsrechtlichen Bereich genügte die formlose Anfrage, ob die vorangegangene einstweilige Verfügung nunmehr als endgültige Regelung anerkannt werde. Bei dieser Sachlage unterliegt ein Ab-schlussschreiben geringeren Anforderungen als eine erste Abmahnung (so schon für das Wettbewerbsrecht Melullis, aaO, Rn. 815; Teplitzky, aaO, [X.]. 43 Rn. 32; [X.], GRUR 1986, 35, 39 f.). Aus der maßgeblichen Sicht des geschä-digten [X.], der nach den nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts schon mehrfach vor dem Berufungsgericht als Partei oder Prozessbevollmächtigter in Fällen mit unerwünschter E-Mail-Werbung [X.] war, war das [X.] hier ein reines Routinegeschäft und warf keine schwierigen Rechtsfragen auf. Der Kläger hätte deshalb das Ab-schlussschreiben selbst formulieren können. Nach Abschluss eines Verfahrens mit Erlass einer einstweiligen Verfügung kann es auch keine Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Absenders der unerbetenen Werbesendung mehr geben. 13 - 8 - Unter den Umständen des denkbar einfach gelagerten Streitfalls kann auch der im Wettbewerbsrecht gelegentlich vertretenen Auffassung, nach Durchführung eines Verfügungsverfahrens sei für das [X.] stets ein Anwalt hinzuzuziehen, weil nur er der Prozesssituation adäquat und mit ausreichendem Nachdruck begegnen und die mitunter eilbedürftigen Maßnah-men ohne Übermittlungsrisiken koordinieren könne ([X.] GRUR 1987, 655 m.w.[X.]; [X.], aaO, [X.]. 58 Rn. 41), für Fälle der vorliegenden Art nicht ge-folgt werden. Jedenfalls für einen Anwalt, der schon das Verfügungsverfahren erfolgreich selbst durchgeführt hat, erscheint es zumutbar, vor Durchführung des Hauptsacheverfahrens die erste Anfrage, ob dieses durchgeführt werden muss oder ob es bei der einstweiligen Verfügung verbleibt, ohne Einschaltung eines anderen Rechtsanwalts durchzuführen. Das muss erst recht gelten, wenn - wie hier - der Verfügungsbeklagte zunächst Widerspruch eingelegt, diesen aber dann zurück genommen hat. In einem solchen Fall bedarf es nicht der Be-auftragung eines anderen Anwalts, um möglicherweise vorhandene [X.] abzuklären. 14 Hätte der Kläger folglich bei Einschaltung eines anderen Anwalts keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten gehabt, muss Entsprechendes auch für den Fall der Selbstbeauftragung gelten (vgl. Senat, Urteil vom 12. Dezember 2006 - [X.] ZR 175/05 - zur [X.] bestimmt; [X.], Urteil vom 6. Mai 2004 - [X.] - aaO). 15 Die Regelung des § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO, wonach ein Rechtsanwalt, der sich selbst vor einem Prozessgericht vertritt, einen Anspruch auf Kostener-stattung wie ein bevollmächtigter Rechtsanwalt hat, kann als Sonderregelung für das gerichtliche Verfahren im außergerichtlichen Bereich keine Anwendung finden (vgl. [X.], Urteil vom 6. Mai 2004 - [X.] - aaO m.w.[X.]). 16 - 9 - c) Ob als Anspruchsgrundlage (entsprechend der ständigen Rechtspre-chung des [X.] im Wettbewerbsrecht seit der Entscheidung vom 2. März 1973 - [X.] - aaO "[X.]") auch die §§ 683 Satz 1, 677, 670 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag) in Betracht kämen, kann dahin-stehen. Denn auch dann würden nur die Aufwendungen gemäß § 670 BGB er-setzt, die "erforderlich" waren. 17 3. Da die Beklagte die Bezahlung der Anwaltsgebühren nicht schuldete, besteht auch kein Anspruch des [X.] aus Verzug auf Erstattung von 2 • für das im Mahnverfahren benutzte Formular. 18 4. [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. [X.] [X.]

[X.] Pauge [X.] Vorinstanzen: AG Berlin-[X.], Entscheidung vom 11.03.2005 - 17b [X.]/04 - [X.], Entscheidung vom 30.08.2005 - 15 S 3/05 -

Meta

VI ZR 188/05

12.12.2006

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.12.2006, Az. VI ZR 188/05 (REWIS RS 2006, 319)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 319

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