Bundesarbeitsgericht, Versäumnisurteil vom 16.01.2013, Az. 10 AZR 560/11

10. Senat | REWIS RS 2013, 8995

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Gegenstand

Konkurrenztätigkeit - Darlegungs- und Beweislast


Tenor

1. Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 2. Mai 2011 - 11 Sa 27/11 - aufgehoben, soweit es die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 6. Dezember 2010 - 2 Ca 533/10 - hinsichtlich des [X.] zurückgewiesen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger, Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin Frau [X.] (vormals handelnd unter „Häusliche Krankenpflege A“, im Folgenden: [X.]), nimmt den Ehemann und langjährigen Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin, [X.], auf Schadensersatz wegen Wettbewerbsverletzungen in Anspruch.

2

[X.]achdem am 2. April 2008 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet worden war, erstrebte der Kläger als Insolvenzverwalter wiederholt die Stilllegung des Betriebs. Dazu kam es jedoch zunächst nicht. Der Kläger stellte Zeitarbeitskräfte und den - zuvor schon bei der Insolvenzschuldnerin beschäftigten - Beklagten ein und führte mit Hilfe der Insolvenzschuldnerin den Geschäftsbetrieb weiter.

3

[X.]achdem es zu Auseinandersetzungen zwischen dem Kläger und der Insolvenzschuldnerin sowie dem Beklagten gekommen war, wies die Insolvenzschuldnerin den Kläger mit Schreiben vom 10. [X.]ovember 2009 auf den bestehenden [X.]ersonalmangel hin, der sie außerstande setze, den [X.]flegedienst ordnungsgemäß weiterzuführen. Der Kläger nahm hierauf in seinem Schreiben vom 25. [X.]ovember 2009 Bezug und kündigte an, den Betrieb zu schließen, wenn gewisse Bedingungen nicht kurzfristig erfüllt würden. Versuche des [X.], über Stellenanzeigen neue Mitarbeiter zu gewinnen, schlugen fehl. [X.]ach Auskunft der Insolvenzschuldnerin ihm gegenüber meldeten sich auf die Anzeigen keine Interessenten.

4

Mit Schreiben vom 23. Dezember 2009 teilte die Insolvenzschuldnerin dem Kläger mit, sie werde den Betrieb zum 31. Dezember 2009 einstellen, da sie über zu wenig [X.]ersonal verfüge. Daraufhin kündigte der Kläger sämtliche [X.] zum 31. Dezember 2009. Unter dem 23. Dezember 2009 kündigte der Beklagte sein Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31. Januar 2010.

5

Mit „[X.]“ vom 29. Dezember 2009 veräußerte der Kläger den [X.] an [X.] In dem Vertrag heißt es ua.:

        

„Der Erwerber übernimmt die derzeitigen Betreuungsverträge per 01.01.2010 und zahlt hierfür als Entgelt einen durchschnittlichen Monatsumsatz, ausgehend von der Vergütung der letzten Monate mithin der Monate Juli bis Dezember 2009. Soweit der Veräußerer nicht in der Lage sein sollte, diese Entgelte nachvollziehbar zu errechnen, wird das Entgelt aufgrund einer Berechnung aus den Vergütungen der ersten drei Monate nach Übernahme der Vertragsverhältnisse durch die Erwerber berechnet.

        

...     

        

Soweit [X.]atienten sich weigern, das Vertragsverhältnis auf den Erwerber zu übertragen, wird der Kaufpreis um diesen Umsatz gemindert.“

6

Die Insolvenzschuldnerin erzielte in den Monaten Juli 2009 bis Oktober 2009 einen Umsatz von insgesamt 123.838,55 [X.]. Aus dem [X.] realisierte der Kläger lediglich 471,35 [X.].

7

Beginnend mit dem 1. Januar 2010 gründete der Beklagte unter dem [X.]amen „[X.]“ einen eigenen [X.]flegedienst, stellte zu diesem Zweck zwei Mitarbeiter ein und schloss vor dem 1. Januar 2010 neun [X.] mit [X.]atienten ab, die zuvor Kunden des [X.]flegedienstes A waren.

8

Der Kläger hat im Wesentlichen vorgetragen, es hätten sich zwei [X.]ersonen auf seine Ende 2009 aufgegebenen Stellenanzeigen gemeldet. Diese hätten aber bei dem Beklagten einen Vertrag unterzeichnet. Der Beklagte habe sämtliche [X.]atienten der Insolvenzschuldnerin für seinen neuen [X.]flegedienst übernommen. Wäre dies nicht geschehen, hätten die [X.]atienten sich zwangsläufig mit dem [X.]flegedienst H für eine kurzfristige Fortführung der [X.]flege in Verbindung setzen müssen, sodass nach der Übernahmevereinbarung ein höheres Entgelt aus dem Verkauf des [X.]flegedienstes A hätte erzielt werden können. Mit [X.] sei vereinbart gewesen, dass er - der Kläger - die [X.]atientenpflegeverträge kündige und diese dann dem [X.]flegedienst H vermittle. Diese Vermittlung habe der Beklagte durch seine Übernahme der [X.]atientenverträge unmöglich gemacht. Unter Berücksichtigung der letzten aufgeklärten Umsätze, wobei im [X.]ovember und Dezember 2009 von zumindest gleichbleibenden Umsätzen auszugehen sei, hätte er - der Kläger - aus dem [X.] 30.939,95 [X.] erzielen können, sodass sich sein Schaden auf insgesamt 30.468,24 [X.] belaufe. Von diesem Betrag sei noch - aufgrund einer Aufrechnung im Rechtsstreit vor dem [X.] mit dem Aktenzeichen - 1 Ca 1428/10 - ein Betrag von 4.412,96 [X.] in Abzug zu bringen.

9

Der Kläger hat - soweit noch von Interesse - beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 26.055,28 [X.] nebst Zinsen in Höhe von fünf [X.]rozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage vom 8. Januar 2010 zu zahlen.

Der Beklagte, der im ersten Rechtszug beantragt hatte, die Klage abzuweisen, hat in zweiter Instanz weder vorgetragen noch Anträge gestellt. [X.] hat er die Ansicht vertreten, der [X.] des [X.] mit [X.] vom 29. Dezember 2009 sei rechtlich unzulässig.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Der Beklagte ist zum Termin vor dem [X.] nicht erschienen.

Entscheidungsgründe

I. Die Revision hat Erfolg. Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das [X.] die auf Leistung von Schadensersatz gerichtete Klage nicht abweisen. Der Beklagte hat seine Pflicht zur Unterlassung von [X.] während des Arbeitsverhältnisses verletzt (§ 60 [X.]GB). Ob und in welchem Umfang der Kläger vom [X.] Schadensersatz verlangen kann (§ 61 Abs. 1 [X.]GB), steht noch nicht fest. Deshalb musste das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen werden (§ 563 ZPO).

1. Der Beklagte hat gegen das vertragliche Konkurrenzverbot verstoßen. Die Auffassung des [X.]s, der Kläger habe insoweit nicht ausreichend vorgetragen, trifft unter Berücksichtigung der Säumnislage im Berufungstermin nicht zu. Nach § 539 Abs. 2 ZPO ist bei Säumnis des Berufungsbeklagten das zulässige tatsächliche Vorbringen des Berufungsklägers als zugestanden anzunehmen. Soweit es den Berufungsantrag rechtfertigt, ist nach dem Antrag zu erkennen.

a) Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt ([X.]Rspr., [X.] 28. Januar 2010 - 2 [X.] - Rn. 22, [X.] [X.] § 626 Nr. 227 = EzA [X.] 2002 § 626 Nr. 30; 26. Juni 2008 - 2 [X.]/07 - Rn. 15 mwN, [X.] [X.] § 626 Nr. 213 = EzA [X.] 2002 § 626 Nr. 21). Durch gleichwohl entfaltete [X.] - einschließlich des Abwerbens von Arbeitnehmern und Kunden - verstößt der Arbeitnehmer gegen seine vertraglichen Pflichten.

aa) Die für [X.] geltende Regelung des § 60 Abs. 1 [X.]GB konkretisiert einen allgemeinen Rechtsgedanken. Der Arbeitgeber soll vor [X.] seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers ohne dessen Einwilligung Dienste und Leistungen nicht [X.] anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen ([X.] 21. November 1996 - 2 [X.] - zu II 1 a der Gründe, EzA [X.] § 626 nF Nr. 162; 26. Januar 1995 - 2 [X.] 355/94 - zu II 2 a der Gründe, EzA [X.] § 626 nF Nr. 155).

bb) Der Arbeitnehmer darf auch dann keine [X.] tätigen, wenn sicher ist, dass der Arbeitgeber den vom Arbeitnehmer betreuten Sektor oder die betreffenden Kunden nicht erreichen wird ([X.] 16. Juni 1976 - 3 [X.] 73/75 - zu II 1 der Gründe, [X.] [X.] § 611 Treuepflicht Nr. 8 = EzA [X.] § 611 Treuepflicht Nr. 1). Die Darlegungs- und Beweislast für eine Einwilligung des Arbeitgebers trägt der Arbeitnehmer ([X.] 16. Juni 1976 - 3 [X.] 73/75 - zu II 2 b der Gründe, aaO).

cc) Allerdings darf der Arbeitnehmer, wenn ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74 [X.]GB nicht vereinbart ist, schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die [X.] nach seinem Ausscheiden die Gründung eines eigenen Unternehmens oder den Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen vorbereiten (vgl. [X.] 26. Juni 2008 - 2 [X.]/07 - Rn. 15 mwN, [X.] [X.] § 626 Nr. 213 = EzA [X.] 2002 § 626 Nr. 21). Verboten ist aber die Aufnahme einer werbenden Tätigkeit, zB durch Vermittlung von [X.]n oder aktives Abwerben von Kunden oder Arbeitnehmern. Bloße Vorbereitungshandlungen, die in die Interessen des Arbeitgebers nicht unmittelbar eingreifen, erfüllen diese Voraussetzungen nicht ([X.] 26. Juni 2008 - 2 [X.]/07 - aaO).

b) Die danach maßgeblichen Anforderungen an das tatsächliche Vorbringen für einen Wettbewerbsverstoß hat der Kläger erfüllt.

aa) Nach den Feststellungen des [X.]s hat der Beklagte vor dem 1. Januar 2010 neun Verträge mit Kunden des [X.] geschlossen und nach den Behauptungen des [X.] auch die übrigen Patienten der Insolvenzschuldnerin in seinen eigenen Pflegedienst übernommen. Dazu war der Beklagte nicht berechtigt. Er stand bis zum 31. Januar 2010 im Arbeitsverhältnis mit dem Kläger und durfte deshalb mit dessen Kunden keine [X.] schließen. Tat er es, wie im Streitfall, doch, so verstieß er gegen seine vertraglichen Pflichten. Mit dem Abschluss der Verträge hat der Beklagte den Bereich erlaubter Vorbereitungshandlungen weit überschritten.

bb) Zu einer weiter konkretisierten Darstellung der [X.] zwischen dem [X.] und den Patienten war der Kläger nicht gehalten. Er musste nicht, wie vom [X.] gefordert, darlegen, wie, wann und wo der Beklagte unter welchen Umständen die [X.] mit den vormaligen Kunden des [X.] geschlossen hat. Schon in der vom [X.] festgestellten Tatsache, dass er die Vereinbarungen noch während seines Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger getroffen hat, liegt ein Verstoß gegen seine vertragliche Pflicht zur Unterlassung von Wettbewerb. Deshalb musste der Kläger nicht vortragen, es habe festgestanden, dass [X.] zum 1. Januar 2010 alle 15 [X.], die zuvor mit der Insolvenzschuldnerin bestanden, übernehmen würde. Auch kann dem Kläger nicht entgegengehalten werden, der Beklagte habe angesichts der Kündigung sämtlicher [X.] durch den Kläger zum 31. Dezember 2009 von der Absicht des [X.] zur Geschäftsaufgabe und „Freigabe“ der Kunden und damit von einem Einverständnis des [X.] mit der Konkurrenztätigkeit ausgehen dürfen. Der Arbeitgeber muss weder darlegen, dass er die betreffenden Geschäfte selbst hätte abschließen können, noch gehört es zur Schlüssigkeit seines Vorbringens, dass er darlegt, mit der Konkurrenztätigkeit nicht einverstanden gewesen zu sein. Vielmehr ist es Sache des Arbeitnehmers, entsprechende Tatsachen für das Vorliegen eines (mutmaßlichen) Einverständnisses vorzutragen ([X.] 16. Juni 1976 - 3 [X.] 73/75 - zu II 2 b der Gründe, [X.] [X.] § 611 Treuepflicht Nr. 8 = EzA [X.] § 611 Treuepflicht Nr. 1). Allein die Kündigung der Verträge durch den Kläger begründete kein Einverständnis; vielmehr war die Veräußerung des [X.] einschließlich des Abschlusses von Anschlussverträgen durch einen Übernehmer eine bereits längere [X.] im Raum stehende Option des Insolvenzverwalters.

cc) Eine [X.] durch den [X.] ist, anders als das [X.] meint, auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger mit [X.] am 29. Dezember 2009 einen [X.] geschlossen hat und darin ein Betriebsübergang liege. Feststellungen, aus denen sich das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines Betriebsübergangs (vgl. zuletzt [X.] 21. Juni 2012 - 8 [X.] 243/11 - Rn. 26 bis 29) ergeben könnten, hat das [X.] nicht getroffen und sind dem Vorbringen des [X.] auch nicht zu entnehmen.

2. Ob und in welchem Umfang der Kläger vom [X.] Schadensersatz verlangen kann, steht noch nicht fest.

a) Gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 [X.]GB kann der Arbeitgeber Zahlung von Schadensersatz verlangen, wenn der Arbeitnehmer gegen die Pflicht zur Unterlassung von Konkurrenz verstößt. Da im Streitfall die Verletzungshandlung feststeht, muss der Beklagte unter den Voraussetzungen des § 249 ff. [X.] Schadensersatz leisten. Insoweit mangelt es an Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil. Ferner ist die in Betracht kommende Schätzung des Schadens nach § 287 ZPO grundsätzlich dem [X.] vorbehalten. Deshalb musste der Rechtsstreit an das [X.] zurückverwiesen werden. Das [X.] wird bei seiner erneuten Beurteilung folgende Gesichtspunkte berücksichtigen müssen.

aa) Nach § 249 Abs. 1 [X.] hat derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (Naturalrestitution). Ist die [X.]erstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen, § 251 Abs. 1 [X.]. Ob ein Vermögensschaden vorliegt, ist nach der Differenzhypothese durch Vergleich der infolge des [X.] eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte, zu beurteilen ([X.] 15. September 2011 - 8 [X.] 846/09 - Rn. 47 mwN, [X.] [X.] § 280 Nr. 10 = EzA [X.] 2002 § 611 Krankenhausarzt Nr. 4; [X.] 18. Januar 2011 - VI ZR 325/09 - Rn. 8 mwN, [X.]Z 188, 78). Nach § 252 [X.] umfasst der zu ersetzende Schaden auch den entgangenen Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte ([X.] 26. September 2012 - 10 [X.] 370/10 - Rn. 18 bis 20, [X.] 2013, 122).

bb) Nach § 287 Abs. 1 ZPO entscheidet der Tatrichter unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch er ist. Die Norm dehnt das richterliche Ermessen für die Feststellung der Schadenshöhe über die Schranken des § 286 ZPO aus. Das Gesetz nimmt dabei in Kauf, dass das Ergebnis der Schätzung mit der Wirklichkeit vielfach nicht übereinstimmt; allerdings soll die Schätzung möglichst nahe an diese heranführen ([X.] 12. Dezember 2007 - 10 [X.] 97/07 - Rn. 49, [X.]E 125, 147; 20. September 2006 - 10 [X.] 439/05 - Rn. 37, [X.]E 119, 294). Der Tatrichter muss nach pflichtgemäßem Ermessen auch beurteilen, ob nach § 287 Abs. 1 ZPO nicht wenigstens die Schätzung eines Mindestschadens möglich ist. Eine Schätzung darf nur dann unterbleiben, wenn sie mangels konkreter Anhaltspunkte vollkommen „in der Luft hinge“ und daher willkürlich wäre ([X.] 24. Juni 2009 - [X.]/07 - Rn. 16, NJW-RR 2009, 1404; 23. Oktober 1991 - [X.] - zu 3 a der Gründe, WM 1992, 36; [X.]/[X.] ZPO 29. Aufl. § 287 Rn. 4); eine völlig abstrakte Berechnung des Schadens, auch in Form der Schätzung eines Mindestschadens, lässt § 287 ZPO grundsätzlich nicht zu ([X.]Rspr., [X.] 8. Mai 2012 - VI ZR 37/11 - Rn. 9, [X.], 2267; 16. März 2004 - VI ZR 138/03 - zu II 2 b aa der Gründe mwN, [X.], 1945).

cc) Der Geschädigte muss die Umstände darlegen und in den Grenzen des § 287 ZPO beweisen, aus denen sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder den besonderen Umständen des Falls die Wahrscheinlichkeit des Gewinneintritts ergibt. Da die Beweiserleichterung des § 252 [X.] und § 287 ZPO auch die Darlegungslast des Geschädigten mindert, der Ersatz entgangenen Gewinns verlangt, dürfen insoweit keine strengen Anforderungen gestellt werden ([X.] 12. Dezember 2007 - 10 [X.] 97/07 - Rn. 48, [X.]E 125, 147; [X.] 18. Februar 2002 - II ZR 355/00 - zu [X.] 1 der Gründe, NJW 2002, 2553). Dies gilt auch für den Nachweis eines wettbewerblichen Schadens, für den es im [X.]inblick auf die künftigen Entwicklungen des Geschäftsverlaufs in der Natur der Sache liegende Beweisschwierigkeiten gibt ([X.] 20. September 2006 - 10 [X.] 439/05 - Rn. 37, [X.]E 119, 294; [X.] 17. April 1997 - [X.] - zu III 1 der Gründe, NJW-RR 1998, 331; 17. Juni 1992 - I [X.] - zu II B 1 c der Gründe, [X.]Z 119, 20). Greifbare Anknüpfungstatsachen, die für eine Schadensschätzung unabdingbar sind, muss der Geschädigte im Regelfall darlegen und beweisen ([X.] 8. Mai 2012 - VI ZR 37/11 - Rn. 9, [X.], 2267).

b) Im Streitfall hat der Kläger geltend gemacht, er habe für die Veräußerung des [X.] wegen der unerlaubten Konkurrenz durch den [X.] nur einen sehr geringen Preis erzielen können. Er hätte bei Abschluss von Anschlusspflegeverträgen mit allen Kunden einen durchschnittlichen Monatsumsatz zugunsten der Masse erhalten. Das ist im Grundsatz nachvollziehbar und legt die Schlussfolgerung nahe, dass jedenfalls im Rahmen des § 287 ZPO vom Eintritt eines Schadens auszugehen sein wird.

aa) Die Auffassung, der [X.] sei insgesamt nichtig, weil die Weitergabe von Patientendaten erforderlich sei, ist nicht zutreffend. Grundsätzlich bestehen keine Bedenken gegen die Veräußerung von Pflegediensten (vgl. [X.] 7. Dezember 2010 - 15 K 2529/07 U - EFG 2011, 677, das von der Zulässigkeit eines solchen Vertrags ohne Weiteres ausgeht). Die Lage ist, was die Weitergabe von Patientendaten betrifft, nicht anders als bei der Veräußerung von Arztpraxen, die ebenfalls zulässig ist. Die - für den Erwerber entscheidende - Fortführung der Vertragsbeziehungen mit Pflegebedürftigen kann mit deren Einwilligung erfolgen (vgl. zur Weitergabe von Patientenkarteien bei der Veräußerung von Arztpraxen: [X.] 11. Dezember 1991 - [X.] - zu I 3 der Gründe, [X.]Z 116, 268).

bb) Bei einer Schätzung wird allerdings auch zu berücksichtigen sein, dass der Kläger nicht sicher sein konnte, dass die Patienten mit [X.] Folgeverträge abschließen würden. Bei der Schätzung ist zu beachten, dass ohne das schädigende Dazwischentreten des [X.] zwar eine Chance für [X.] bestand, die [X.] zu übernehmen; das Ausmaß dieser Chance hängt jedoch von mehreren Umständen ab.

(1) Die Patienten waren in ihrer Entscheidung frei. Wie weit sie in der Lage waren, kurzfristig mit dritten Pflegediensten Verträge zu schließen, ist bisher nicht festgestellt. Eine besondere persönliche Bindung bestand weder zum Kläger noch zu [X.], wohl aber zur Insolvenzschuldnerin und dem [X.]. Es kommt jedenfalls in Betracht, dass die Patienten, wenn sich der Beklagte nicht wettbewerbswidrig verhalten hätte, den Vertrag gleichwohl nicht mit [X.] geschlossen hätten.

(2) Die Bewertung der Chance, die dem Kläger entging, kann auch durch sein eigenes Verhalten beeinflusst worden sein. Mussten zB die Patienten aufgrund der kurzfristigen Kündigung eine nicht unerhebliche [X.] lang damit rechnen, der Betrieb werde vollständig eingestellt und der Kläger habe auch kein Interesse an der Fortsetzung des jeweiligen Vertragsverhältnisses, wird die durch die Verletzungshandlungen des [X.] zunichtegemachte Chance als eher gering anzusehen sein. Waren dagegen die Patienten rechtzeitig auf ein Angebot durch [X.] vorbereitet, dürfte eine höhere Vergütung aus dem [X.] zu erwarten gewesen sein.

(3) Ebenso kann sich auf die Bewertung der mit der Veräußerung verbundenen Chance ausgewirkt haben, ob die Versuche des [X.], mit den Patienten Verträge abzuschließen, auf einer mit ihrer Einwilligung zustande gekommenen Kenntnis von den Patientendaten beruhte (vgl. [X.]/[X.]enckel [X.] Stand 2004 § 35 Rn. 14; Nerlich/[X.]/[X.] Stand August 2012 § 35 [X.] Rn. 74; [X.]/[X.]irte 13. Aufl. § 35 [X.] Rn. 280) oder ob [X.]err [X.] ohne eine solche Einwilligung in den Besitz der notwendigen Informationen kam.

II. Über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Revision wird das [X.] zu entscheiden haben.

        

Rechtsbehelfsbelehrung            

Gegen dieses Versäumnisurteil kann der Beklagte innerhalb einer Frist von zwei Wochen seit Zustellung Einspruch beim

[X.], [X.]ugo-Preuß-Platz 1, 99084 [X.],

einlegen.

Der Einspruch muss von einem Rechtsanwalt, dem Vertreter einer [X.] oder eines Zusammenschlusses von [X.]en mit der Befähigung zum Richteramt oder dem Vertreter einer juristischen Person gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 ArbGG mit der Befähigung zum Richteramt unterzeichnet sein.

        

    Mikosch    

        

    Mestwerdt     

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    Thiel     

        

    [X.]    

                 

Meta

10 AZR 560/11

16.01.2013

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Versäumnisurteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Düsseldorf, 6. Dezember 2010, Az: 2 Ca 533/10, Urteil

§§ 249ff BGB, § 60 HGB, § 61 HGB, § 287 ZPO, § 539 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Versäumnisurteil vom 16.01.2013, Az. 10 AZR 560/11 (REWIS RS 2013, 8995)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8995


Verfahrensgang

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Az. 10 AZR 560/11

Bundesarbeitsgericht, 10 AZR 560/11, 16.01.2013.


Az. 2 Ca 533/10

Arbeitsgericht Düsseldorf, 2 Ca 533/10, 06.12.2010.


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Wird zitiert von

2 Sa 945/17

12 Sa 54/16

10 SaGa 17/15

10 Sa 1194/15

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